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OGH vom 07.08.2001, 1Ob176/01s

OGH vom 07.08.2001, 1Ob176/01s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Bayram S*****, zuletzt wohnhaft in *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Hatice S*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 52 R 38/01x-30, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 2 A 185/00t-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der erstgerichtliche Beschluss wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass in dessen Pkt. 2) an die Stelle der Wortfolge "aufgrund des Testamentes" die Wortfolge "aufgrund des Gesetzes" zu treten hat.

Text

Begründung:

Die Revisionsrekurswerberin war bis 1984 türkische Staatsangehörige und ist seither österreichische Staatsbürgerin. Sie hatte mit dem Erblasser, einem vor seinem Ableben in Österreich wohnhaft gewesenenen türkischen Staatsangehörigen, am vor einem türkischen Standesamt die Ehe geschlossen. Diese Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom rechtskräftig geschieden. Die Anerkennung der Scheidung durch die türkische Gerichtsbarkeit wurde nicht beantragt. Diese Statusentscheidung wurde daher auch nicht im türkischen Personenstandsregister eingetragen. Der Erblasser hat keine Nachkommen. Seine nach österreichischem Recht geschiedene Ehegattin gab eine bedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes zum halben Nachlass ab. Die Eltern des Erblassers - in der Türkei wohnhafte türkische Staatsangehörige - gaben bedingte Erbserklärungen aufgrund des Gesetzes je zur Hälfte des Nachlasses ab.

Das Erstgericht nahm alle Erbserklärungen an und verwies die nach österreichischem Recht geschiedene Ehegattin des Erblassers gemäß § 125 AußStrG unter Zuweisung der Klägerrolle auf den Zivilrechtsweg. Die österreichische Gerichtsbarkeit sei für die Abhandlung des beweglichen Nachlasses an sich nicht zuständig, sei doch der Erblasser türkischer Staatsangehöriger gewesen. Alle als Erben in Betracht kommenden Personen hätten jedoch bei einem österreichischen Gericht Erbserklärungen abgegeben. Darin sei ein Antrag auf Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung in Österreich zu erblicken. In diesem Fall sei § 28 Abs 2 IPRG anzuwenden. Der dort verwendete Begriff "Erbschaftserwerb" erfasse neben der Notwendigkeit einer Einantwortung auch das Erfordernis vorangehender Erbserklärungen. Nach österreichischem Recht sei jede formgerechte Erbserklärung anzunehmen, es sei denn, es stünde von vornherein fest, dass der in Anspruch genommene Erbrechtstitel nie zu einer Einantwortung führen könne. Die nach österreichischem Recht geschiedene Ehegattin des Erblassers behaupte, dass ihr ein gesetzliches Ehegattenerbrecht zustehe, weil sie nach dem für ihre erbrechtliche Stellung maßgebenden türkischen Sachrecht mangels Anerkennung der österreichischen Scheidung in der Türkei als überlebende Ehegattin des Erblassers gelte. Das sei nicht offenkundig unrichtig. Sie berufe sich damit im Verhältnis zu den Eltern des Erblassers aber auf ein "schwächeres Erbrecht", weshalb ihr für einen Erbrechtsstreit die Klägerrolle zuzuweisen sei.

Das Rekursgericht nahm nur die von den Eltern des Erblassers abgegebenen Erbserklärungen an und wies die Erbserklärung der nach österreichischem Recht geschiedenen Ehegattin zurück. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Regelung des § 28 Abs 2 IPRG beziehe sich nur auf den Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlassschulden, dagegen beherrsche das Erbstatut gemäß § 28 Abs 1 IPRG den gesamten Bereich der gesetzlichen Erbfolge. Das betreffe auch die Berufung zur gesetzlichen Erbfolge und die Ermittlung der Erbquoten. Die Bejahung oder Verneinung eines bestimmten familienrechtlichen Verhältnisses als notwendige Voraussetzung einer Berufung zur gesetzlichen Erbfolge sei als Vorfrage zu lösen. Nach türkischem Recht entfalle auf den überlebenden Ehegatten des Erblassers neben dessen Eltern oder deren Nachkommen die Hälfte des Nachlasses. Zu klären sei daher, ob das präjudizielle Rechtsverhältnis - also die Frage nach dem Bestand der Ehe im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers - nach dem Recht des Gerichtsorts oder nach dem Erbstatut zu beurteilen sei. Nach türkischem Kollisionsrecht bedürfe die Anerkennung eines ausländischen Urteils (Beschlusses) für den türkischen Jurisdiktionsbereich - sei es als unanfechtbares Beweismittel, sei es als rechtskräftige Entscheidung - der Feststellung eines türkischen Gerichts, dass die ausländische Entscheidung "die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen" erfülle. Mangle es an einer solchen Anerkennung, gelte die Ehe des Erblassers nach türkischem Recht als nicht rechtswirksam geschieden. Es liege also ein hinkendes Rechtsverhältnis - rechtswirksame Scheidung für den österreichischen, rechtsunwirksame Scheidung für den türkischen Jurisdiktionsbereich - vor. Für die Lösung der erörterten Vorfrage sei zunächst das Erbstatut heranzuhiehen. Danach sei zu prüfen, ob das präjudizielle Rechtsverhältnis nach einer bestimmten Sach- oder Verweisungsnorm zu beurteilen sei. Eine solche Anordnung sei dem Erbstatut nicht zu entnehmen. Die Vorfrage sei daher entweder nach dem Recht des Gerichtsorts oder nach jenem Recht zu lösen, das die Klärung der Hauptfrage beherrsche. Welcher Variante der Vorzug gebühre, müsse im Anlassfall nicht beantwortet werden, liege doch nach dem Recht des Gerichtsorts schon eine rechtskräftige Entscheidung über die Vorfrage vor. Daher sei bloß maßgebend, ob die Wirkungen der Rechtskraft "die Parteien der Hauptfrage" bänden. Die Rechtskraft des österreichischen Scheidungsbeschlusses binde aber jedenfalls die geschiedene Ehegattin des Erblassers als österreichische Staatsangehörige und Erbansprecherin. Sie könne sich daher nicht erfolgreich darauf berufen, nach türkischem Recht als erbberechtigte überlebende Ehegattin zu gelten. Somit könne der Erbrechtstitel, auf den sich die nach österreichischem Recht geschiedene Ehegattin des Erblassers berufe, nie zu einer Einantwortung führen. Dann sei aber die Erbserklärung zurückzuweisen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht entschieden habe, ob das Vorliegen eines Eheverhältnisses bis zum Ableben des Erblassers nach dem Recht des Gerichtsorts oder nach dem Erbstatut zu beurteilen sei.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Beide Parteien gingen im Rechtsmittelverfahren - wie schon die Vorinstanzen - davon aus, dass die Abhandlung des im Inland befindlichen beweglichen Vermögens des Erblassers türkischer Staatsangehörigkeit gemäß § 24 iVm § 140 Abs 1 AußStrG durch die österreichische Gerichtsbarkeit zu besorgen ist, weil die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung in Österreich von allen als Erben in Betracht kommenden Personen beantragt wurde. Die Erfüllung dieser Voraussetzung für die österreichische Abhandlungspflege bedarf somit keiner weiteren Erörterung.

2. Gemäß § 28 Abs 2 IPRG sind der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlassschulden nach österreichischem Recht zu beurteilen, wenn die Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt wird. Der Begriff "Erbschaftserwerb" ist nach den Gesetzesmaterialien (RV 784 BlgNR 14. GP, 45) weit auszulegen. Darunter ist jedoch nur der sachenrechtliche Erwerbsakt durch die Einantwortung (JBl 1992, 460) samt deren Voraussetzungen - wie etwa dem Erfordernis von Erbserklärungen und dem der Verteilung der Parteirollen für einen allfälligen Erbrechtsprozess zwischen mehreren Erbansprechern aufgrund widerstreitender Erbserklärungen (6 Ob 251/98z) - zu verstehen. Dagegen fällt der Erwerbstitel nicht unter den Begriff "Erbschaftserwerb" (JBl 1992, 460).

3. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen ist gemäß § 28 Abs 1 IPRG nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes - somit hier nach türkischem Recht - zu beurteilen. Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass diese Anknüpfung gemäß § 5 Abs 1 IPRG Rück- und Weiterverweisungen einschließt (6 Ob 107/99z; ZfRV 1993, 164 [H. Hoyer]). Erklärt das fremde Kollisionsrecht sein eigenes Recht für maßgebend, so ist dieses Sachrecht anzuwenden. Verweist die fremde Rechtsordnung hingegen im Wege einer Gesamtverweisung auf die österreichische Rechtsordnung zurück, so sind gemäß § 5 Abs 2 IPRG die österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) heranzuziehen. Nach österreichischem Kollisionsrecht wird also das maßgebende Sachrecht von der ersten Sachnorm- oder der Rückverweisung, die gemäß § 5 Abs 2 IPRG im Falle einer Gesamtrückverweisung in eine reine Sachnormverweisung umgedeutet wird, bestimmt (ZfRV 1993, 164 [H. Hoyer]).

3. 1. Das hier als Sachnorm berufene türkische Recht verweist weder auf österreichisches Recht zurück noch verweist es auf das Recht eines Drittstaats, unterliegt doch "die Erbschaft" nach Art 22 Abs 1 tIPRG dem Heimatrecht des Verstorbenen (siehe Krüger, Das türkische IPR-Gesetz von 1982, IPRax 1982, 252, 256). Das bezieht sich auch auf die gesetzliche Erbfolge zum Mobiliarnachlass eines Türken. Dagegen unterliegen "die mit der Eröffnung des Erbganges, dem Erwerb und der Teilung der Erbschaft zusammenhängenden Bestimmungen nach Art 22 Abs 2 tIPRG dem Recht des Ortes, an dem sich der Nachlass befindet" (Krüger, IPRax 1982, 252, 256).

4. Das Erbstatut beherrscht den gesamten Bereich der im Anlassfall bedeutsamen gesetzlichen Erbfolge (1 Ob 33/00k = ZfRV 2000, 186; Schwimann in Rummel, ABGB2 § 28 IPRG Rz 1b). Dazu gehört auch die Beurteilung der Frage, welche Personen zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind (RV 784 BlgNR 14. GP, 45; Schwimann aaO).

4. 1. Nach Art 444 tZGB entfällt auf den überlebenden Ehegatten des Erblassers neben dessen Eltern oder deren Nachkommen die Hälfte der Erbschaft. Damit wird aber die Frage aufgeworfen, ob für die Beurteilung der Ehegatteneigenschaft als Vorfrage der Berufung zur gesetzlichen Erbfolge an türkisches oder österreichisches Recht anzuknüpfen ist.

5. Als Vorfragen im "eigentlichen" - engeren - Sinn verstehen zahlreiche Autoren präjudizielle Rechtsverhältnisse als Tatbestandsmerkmale der nach inländischem Kollisionsrecht zur Lösung der Hauptfrage berufenen fremden Sach- oder Kollisionsnorm (Schwimann aaO vor § 1 IPRG Rz 46 mwN aus dem Schrifttum). Mangels Einschränkung auf fremdes Recht teilweise weiter, mangels Bezugnahme auf Kollisionsrecht aber auch teilweise enger werden unter Vorfragen im "technischen Sinn" auch die "für die Hauptfrage präjudiziellen Rechtsverhältnisse in den Sachnormen" des vom Erbstatut bestimmten "materiellen Rechtes" verstanden (Zemen, Zum Statut der gesetzlichen Erbfolge nach dem Österreichischen IPR-Gesetz, ZfRV 1983, 67, 70). In Abgrenzung zu solchen Vorfragen unterscheiden manche Autoren noch Erst- und Teilfragen (Schwimann aaO vor § 1 IPRG Rz 44; Zemen, ZfRV 1983, 67, 70; soweit referierend Sonnenberger in MünchKomm 103 [1998] Einl IPR Rz 495). Schwimann bezeichnet als Teilfrage "schlichte Teilerfordernisse" eines (kollisionsrechtlichen) Tatbestands (aaO vor § 1 IPRG Rz 44). Logisch vorausgesetzte präjudizielle Rechtsverhältnisse würfen dagegen entweder eine Erst- oder eine Vorfrage auf (aaO vor § 1 IPRG Rz 44 ff). Danach soll sich die Erstfrage - im Gegensatz zu der schon eingangs erörterten "eigentlichen" Vorfrage - nur auf präjudizielle Rechtsverhältnisse als Merkmale des Tatbestands inländischer Kollisionsnormen beziehen (aaO vor § 1 IPRG Rz 45). Als Vorfragen im weiteren Sinn werden dagegen ganz allgemein alle präjudiziellen Rechtsverhältnisse bzw Rechtslagen bezeichnet, die nach in- und ausländische Kollisions- oder Sachnormen maßgebend sind. Dieser weite Vorfragenbegriff umfasst auch die Teil- und Erstfragen (ausführlich Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 496 f; idS auch Kegel in Soergel12 [1996] vor Art 3 Rz 128).

5. 1. Das hier zu beurteilende präjudizielle Eheverhältnis ist nicht Merkmal des Tatbestands des § 28 Abs 1 IPRG, sondern findet sich erst in Art 444 tZGB als die für die gesetzliche Erbfolge bedeutsame Regelung des vom inländischen Kollisionsrecht berufenen türkischen Sachrechts. Es muss daher zur vorhin erläuterten Unterscheidung zwischen Teilfrage, Erstfrage und Vorfrage im engeren Sinn einerseits und der Definition aller präjudiziellen Rechtsverhältnisse als Vorfragen im weiteren Sinn andererseits nicht wertend Stellung genommen werden, ist doch das hier präjudizielle Eheverhältnis und die daran als Rechtsfolge anknüpfende Ehegatteneigenschaft nach jedem Begriffsverständnis als eine (erst) vom Erbstatut aufgeworfene Vorfrage zu lösen. Der erkennende Senat bedient sich daher bei den nachfolgenden Erwägungen nur mehr des Begriffs Vorfrage ohne weitere Differenzierung.

5. 2. Die Lösung von Vorfragen nach dem für den Gerichtsort maßgebenden Kollisionsrecht wird als selbständige Anknüpfung bezeichnet, soll es es dagegen auf das Kollisionsrecht des Staates ankommen, dessen Sachrecht zur Klärung der Hauptfrage berufen ist, so wird von unselbständiger Anknüpfung gesprochen (Birk in MünchKomm 103 Art 25 Rz 81; Kegel aaO vor Art 3 Rz 130; Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 497; Schwimann aaO vor § 1 IPRG Rz 49; Winkler v. Mohrenfels, Hinkende Doppelehe, Vorfragenanknüpfung und Gestaltungswirkung inländischer Scheidungsurteile, IPRax 1988, 341).

Die unselbständige Anknüpfung soll dem "äußeren Entscheidungseinklang" dienen (Kegel aaO vor Art 3 Rz 130; Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 497), weil damit die Hauptfrage so gelöst wird, wie sie der ausländische Richter der vom inländischen Kollisionsrecht berufenen Sachnorm lösen würde (Kegel aaO vor Art 3 Rz 130); die selbständige Anknüpfung soll hingegen den "inneren Entscheidungseinklang" fördern (Kegel aaO vor Art 3 Rz 130; Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 497), weil der inländische Richter ein präjudizielles Rechtsverhältnis als Vorfrage aus der Sicht des nach inländischem Kollisionsrecht berufenen Hauptfragestatuts nicht anders beurteilen soll, als wenn er die gleiche Frage bei anderer Gelegenheit als Hauptfrage (Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 499) oder auch als Vorfrage (Kegel aaO vor Art 3 Rz 130) zu lösen hätte; zu vermeiden sei also eine unannehmbare "Zersplitterung" (Kegel aaO vor Art 3 Rz 130).

Nach anderer Ansicht können die Probleme hinkender Rechtsverhältnisse - so etwa einer nach dem Recht des einen Staates wirksamen, nach dem Recht des anderen dagegen unwirksamen Ehescheidung - mit der Vorfragenlehre - der Berufung auf den Vorrang des inneren oder des äußeren Entscheidungseinklangs - kollisionsrechtlich gar nicht bewältigt werden (Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1988, 342). Wieder andere Autoren halten selbst beide Anknüpfungstheorien für sachgerecht, sofern nur von ihnen nicht im Rahmen eines Verdrängungswettbewerbs, sondern auf dem Boden einer wertenden Interessenabwägung Gebrauch gemacht werde (Schwimann aaO vor § 1 IPRG Rz 50).

5. 3. Im Anlassfall ist eine zumindest nach österreichischem Recht bereits wirksame Ehescheidung durch Gerichtsentscheidung zu beurteilen. Das kollisionsrechtliche Vorfragenproblem ist also insoweit auf eine verfahrensrechtliche Ebene - die Frage nach einer internationalen oder bloß nationalen (relativen) Gestaltungswirkung der Ehescheidung - verlagert (Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1988, 342). Dabei geht es im Kern um die Frage nach einer allfälligen "Relativierung der Rechtskraft", falls die Entscheidungswirkung kollisionsrechtlich in unselbständiger Anknüpfung nach der lex causae, also dem für die Lösung der Hauptfrage berufenen Sachstatut zu beurteilen wäre (Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 517; idS auch Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1988, 342).

5. 4. Soweit es auf die Wertung einer hinkenden - weil in der Türkei nicht anerkannten - Ehescheidung für die Problemlösung auch hier ankommt, ist vorerst nicht die prozessrechtlich zu verstehende Relativierung der Rechskraft der österreichischen Scheidungsentscheidung einer Prüfung zu unterziehen. Im Vorfeld der unselbständigen Anknüpfung ist vielmehr zu fragen, welchen Weg das vom inländischen Kollisionsrecht als Hauptfragestatut berufene türkische Sachrecht für die Lösung von Vorfragen eingeschlagen hat. Der Gesetzgeber des Hauptfragestatuts kann sich dabei unterschiedlicher Techniken bedient haben. So kann er das als Vorfrage klärungsbedürftige Tatbestandsmerkmal schon im Hauptfragestatut gelöst und dort angeordnet haben, wer als Ehegatte gilt und deshalb zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist. Er kann sich im Hauptfragestatut aber auch einfach auf die Aussage beschränkt haben, dass der überlebende Ehegatte erbt. Dann wäre die begriffliche Präzisierung der Auslegung und Fortbildung durch die Rechtsprechung vorbehalten. Schließlich kann er die Lösung der Ehegatteneigenschaft auch (ausdrücklich) einem bestimmten hiezu berufenen Recht überlassen haben. Gelangt man nun - gleichviel, ob auf dem Boden ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder im Weg der Interpretation des Hauptfragestatuts - zum Ergebnis einer autonomen Festlegung des Begriffs in der Norm des Hauptfragestatuts, so entsteht kein spezifisches kollisionsrechtliches Problem. Nur dann, wenn der Gesetzgeber des Hauptfragestatuts die Voraussetzungen der Ehegatteneigenschaft nicht schon in diesem festlegte, sondern dem vor seinem Kollisionsrecht berufenen Recht überließ, stellt sich überhaupt die Frage, ob gegebenenfalls selbständig anzuknüpfen (ausführlich Sonnenberger aaO Einl IPR Rz 501) oder - auf prozessrechtlicher Ebene -, ob die internationale Gestaltungswirkung der Ehescheidung anzuerkennen sei (Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1988, 342). Solche Erwägungen bestimmten auch Schwimann (aaO vor § 1 IPRG Rz 47) für die Lösungsvariante Sonnenbergers, einer ausdrücklichen oder schlüssigen Definition des Ehegattenbegriffs schon durch das Erbstatut sei zu folgen: Werde nämlich dem fremden Recht die Lösung der Hauptfrage anheimgestellt, so könne man ihm die Entscheidung über die Vorfrage nicht ohne weiteres streitig machen (aaO vor § 1 IPRG Rz 50). Diese Gedankenführung veranlasst auch Winkler v. Mohrenfels zu dessen Lösungsvorschlag (IPRax 1988, 342 f), soweit er hervorhebt, die auf ein "vorgreifliches Rechtsverhältnis" verweisende anzuwendende Norm könne nur selbst die Frage beantworten, "ob ein hinkendes Rechtsverhältnis zur Erfüllung ihres Tatbestands ausreicht oder nicht".

5. 5. Den erkennenden Senat überzeugt der soeben erläuterte Lösungsvorschlag. Darauf aufbauend ist aber nach dem zur Entscheidung der Hauptfrage berufenen türkischen Erbrecht vorerst nicht die verfahrensrechtlich geprägte Frage zu stellen, ob die Rechtskraft der österreichischen Scheidungsentscheidung bloß relative Wirkung entfalte, zu beantworten ist vielmehr die Frage, ob das türkische Erbstatut auch einer Person, die vom Erblasser zwar nach dem Recht ihres Heimatstaats, nicht aber nach türkischem Recht wirksam geschieden wurde, ein gesetzliches Erbrecht zubilligt. Bedeutsam ist also die Frage, ob schon ein hinkendes Rechtsverhältnis zur Erfüllung des Erbfolgetatbestands infolge Bejahung der Eigenschaft als überlebender Ehegatte ausreicht.

5. 6. Für die Auslegung des türkischen Erbstatuts kommt es in erster Linie auf die Rechtsprechung des türkischen Kassationshofs als Höchstgericht an (siehe zur Hierarchie der Quellen für die Lösung einer Frage des durch das inländische Kollisionsrecht berufenen Sachstatuts SZ 70/145 mwN). Wie dieser Gerichtshof den Begriff des überlebenden Ehegatten nach Art 444 tZGB auslegt, ist nicht bekannt. Im Akt erliegt nur ein Schreiben des Türkischen Generalkonsulats in Salzburg, in dem - ohne Belegstelle - ausgeführt wird, die geschiedenen Ehegatten hätten sich nicht um die Anerkennung des österreichischen Scheidungsbeschlusses durch die Türkei bemüht, weshalb "die Ehe zum Todeszeitpunkt nach türkischem Recht noch aufrecht" gewesen sei (ON 16). Der konkrete rechtliche Hintergrund dieser Auskunft ist unbekannt. Deren Richtigkeit und rechtlichen Grundlagen lassen sich verlässlich nur in einem Erbrechtsstreit klären. Erst dort wird sich erweisen, ob die türkische Rechtsprechung den Ehegatten des Erblassers nach einer hinkenden Scheidung dennoch als "überlebenden Ehegatten" im Sinne des durch die österreichischen Gerichte anzuwendenden türkischen Erbrechts ansieht, ob eine allfällige Auslegung in dieser Richtung von weiteren Voraussetzungen - so etwa der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Scheidung nach türkischem Recht - abhängig ist oder ob die türkische Rechtsprechung auf das eigene Kollisionsrecht verweist. Letzteres könnte über Art 13 Abs 1 und 2 tIPRG zur Maßgeblichkeit des österreichischen Scheidungsbeschlusses für die Beurteilung der Erbberechtigung der geschiedenen Ehegattin führen, unterliegen doch die Gründe und Folgen der Scheidung und Trennung nach dieser Bestimmung in erster Linie dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten, bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit - wie hier - aber dem für den gemeinsamen Wohnsitz bzw den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt geltenden Recht und, nur wenn ein solcher fehlt, dem türkischen Recht. Der türkischen Rechtsprechung könnte für die Lösung der erörterten erbrechtlichen Frage aber auch der rein prozessuale Gesichtspunkt des Nichtvorliegens eines türkischen "Vollstreckungsurteils" nach Art 34 Abs 1 IPRG - hier also der Sache nach eines auf die rechtsgestaltende Wirkung einer ausländischen Ehescheidung bezogenen Anerkennungsurteils - bedeutsam sein (siehe zu den Rechtsquellen Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht/Türkei 15, 17).

5. 7. Nach den voranstehenden Erwägungen ist es - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - keineswegs gewiss, dass die Erbserklärung der nach österreichischem Recht geschiedenen Ehegattin des Erblassers jedenfalls nicht zur Einantwortung einer Nachlassquote führen kann, tritt doch der erkennende Senat nicht der Ansicht bei, die Hauptfrage der Erbberechtigung einer überlebenden Ehegattin nach türkischem Sachrecht sei im Anlassfall schon durch die Bindung der Revisionsrekurswerberin an die Rechtskraft des österreichischen Scheidungsbeschlusses entschieden (siehe zu diesem Gesichtspunkt etwa BGH NJW 1981, 651; Schwimann aaO vor § 1 IPRG Rz 51). Ob die den angefochtenen Beschluss tragende Rechtsansicht in einem Erbrechtsprozess letztlich doch noch von Relevanz sein könnte, kann in Ermangelung von Informationen über die türkische Rechtsprechung nicht beurteilt werden. Eine solche Beurteilung ist aber auch nicht erforderlich, weil eine Erbserklärung, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte, nur dann zurückgewiesen werden darf, wenn sie unter keinen Umständen zu einer Einantwortung führen kann.

6. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss mit der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen. Soweit im Revisionsrekurs primär die Zurückweisung der Erbserklärungen beider Elternteile des Erblassers im Ausmaß von je einem Viertel des Nachlasses beantragt und - ohne nähere Begründung - hilfsweise die Entscheidung angestrebt wird, den Eltern des Erblassers wenigstens die Klägerrolle für einen Erbrechtsstreit zuzuweisen, ist der Rechtsmittelwerberin zu entgegnen, dass ihr die Klägerrolle deshalb zuzuteilen ist, weil ihre Stellung als gesetzliche Erbin nach dem zur Entscheidung der Erbfolge berufenen türkischen Erbstatut ungewiss ist. Der österreichische Scheidungsbeschluss, an den sie selbst gebunden ist, lässt sich fürs Erste gegen ihre Stellung als gesetzliche Erbin ins Treffen führen. Ob der Umstand einer hinkenden Scheidung erbrechtlich bedeutungslos ist, hängt in erster Linie von der - derzeit noch unbekannten - Auslegung des Erbstatuts durch die türkische Rechtsprechung ab. Dagegen ist die Rechtsstellung der Eltern des Erblassers als gesetzliche Erben als solche unverrückbar; nur deren Erbquote wäre einzuschränken, wäre auch der Revisionsrekurswerberin die Stellung als gesetzliche Erbin zuzubilligen. Es muss daher bei der schon vom Erstgericht vorgenommenen Verteilung der Parteirollen sein Bewenden haben.