OGH 30.01.2018, 2Ob10/18m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. A***** E*****, vertreten durch Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei M***** M*****, vertreten durch Dumfarth Klausberger Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 EO, im Verfahren über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 5 R 39/17x-12, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 18 C 651/17d-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zu ergänzen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht gab einem Rekurs der gefährdeten Partei gegen eine abweisende Entscheidung des Erstgerichts teilweise Folge und erließ eine einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, unterließ aber eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands. In der Begründung führte es aus, dass im Sicherungsverfahren Wertgrenzen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses unbeachtlich seien, weshalb ein Bewertungsausspruch unterbleiben könne.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Erstgericht mit einem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin vorgelegten Akten sind dem Rekursgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung zu übermitteln.
Nach §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Rekursgericht auch in Sicherungsverfahren einen Bewertungsausspruch vorzunehmen; die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich in weiterer Folge nach §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 und 1a ZPO (unter anderem) nach dem Wert des Entscheidungsgegenstands (4 Ob 171/16z, 7 Ob 138/16v uva). Die vom Rekursgericht für seine Auffassung zitierte Entscheidung 6 ObA 1/06z und die diesbezüglichen Ausführungen von Zechner (in Fasching/Konecny2 § 528 Rz 5 und 34) beziehen sich ausschließlich auf Arbeitsrechtssachen.
Das Rekursgericht hat daher den Bewertungsausspruch nachzutragen. Bewertet es den Entscheidungsgegenstand mit nicht mehr als 5.000 EUR, wäre auch der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu berichtigen (4 Ob 171/16z).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. A***** E*****, vertreten durch Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei M***** M*****, vertreten durch die Dumfarth Klausberger Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 EO, über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 5 R 39/17x-10, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 18 C 651/17d-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrer Gegnerin die mit 4.312,44 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen (darin enthalten 599,49 EUR USt, 715,50 EUR Barauslagen).
Text
Begründung:
Die gefährdete Partei (idF: Antragstellerin) ist eine Tochter des 2001 verstorbenen Dr. O*****. Dieser war ua Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** S***** mit einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude („Schloss *****“). Der Nachlass wurde aufgrund eines Testaments dem Neffen des Erblassers eingeantwortet. Im Testament hatte der Erblasser der Antragstellerin das „Recht auf eine Wohnung“ im Schloss vermacht, weiters das Recht auf die ausschließliche Nutzung eines Teils des Gartens von mindestens 1.000 m² „nach ihrer Wahl“ und einer Garage. Der Erbe erhielt die „Auflage“ die Wohnung mit Wasser und Heizung „zu versorgen“. Das Wohnrecht und die „Benützung eines Gartenstücks“ waren nach dem Testament „grundbücherlich einzutragen“.
Zwischen der Antragstellerin und dem Erben ist seit 2015 ein Prozess anhängig, in dem die Antragstellerin unter anderem die Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechts an näher bestimmten Räumlichkeiten, des Rechts der Garagennutzung und der „Reallast“ der Versorgung dieser Räumlichkeiten mit Heizung und Wasser sowie des Tragens der Erhaltungskosten und sonstigen Lasten iSv § 508 ABGB begehrt.
Mit Vertrag vom übergab der Erbe einen Großteil der Liegenschaft samt Schloss einer Tochter. Ausgenommen waren vier Grundstücke mit je etwa 1200 m², die der Erbe mit demselben Vertrag anderen Kindern, unter anderem der Antragsgegnerin in diesem Verfahren, schenkte. Der Erbe überband der Übernehmerin des Schlosses die Verpflichtungen aus dem Testament, konkretisierte diese aber – insbesondere in Bezug auf die Größe der Wohnung und die Kostentragung – in einer Weise, die die Antragstellerin als nachteilig ansieht. Die vier Grundstücke sollten “lastenfrei“ auf die anderen Kinder übergehen. Aufgrund dieses Vertrags und zweier Nachträge vom November 2015 und Februar 2016 erwarb die Antragsgegnerin das Eigentum am Grundstück 434/17 im Ausmaß von 1.230 m². Es ist nicht bescheinigt, dass sich das Schloss oder die von der Antragstellerin gewünschte Gartenfläche auf dieser Liegenschaft befindet. Auf der Liegenschaft ist die Rangordnung für die beabsichtige Veräußerung bis angemerkt.
Zur Sicherung ihres Anspruchs auf Verbücherung der auch im Verfahren gegen den Erben geltend gemachten Rechte beantragt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Veräußerung und Belastung ihrer Liegenschaft zu verbieten und ihr aufzutragen, die Ausfertigung des Ranganmerkungsbeschlusses bei Gericht zu erlegen. Ihre Rechte seien auf der Gesamtliegenschaft sicherzustellen gewesen. Die Wirkungen des Urteils im Verfahren gegen den Erben erstreckten sich nach § 234 ZPO auch auf die Antragsgegnerin; diese sei zudem beim Erwerb schlechtgläubig gewesen, weil sie die Dienstbarkeiten aufgrund der Erwähnung im Übergabevertrag gekannt habe. Aus der Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung ergebe sich, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, ihre Liegenschaft zu verkaufen und dadurch die Rechte der Antragstellerin zu vereiteln. Dies führe zu einem unwiederbringlichen Schaden, weil die Wohnung im Schloss aufgrund von Lage und Größe einzigartig sei und zudem einen hohe ideellen Wert habe.
Die zur Äußerung aufgeforderte Antragsgegnerin wandte sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung, ohne ein inhaltliches Vorbringen zu erstatten. Sie verwies auf ihren (nicht aktenkundigen) Standpunkt in einem Vorverfahren, in dem offenbar ein vergleichbarer Sicherungsantrag der Antragstellerin abgewiesen worden war.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aus der Ranganmerkung lasse sich nicht „hinreichend verlässlich“ ableiten, dass die Antragsgegnerin die Liegenschaft veräußern wolle, dies sei daher „nicht feststellbar“. Es könnten zwar direkte Ansprüche gegen die Antragsgegnerin bestehen; die Antragstellerin habe solche Ansprüche aber noch nicht geltend gemacht. Auch die beabsichtigte Veräußerung sei nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung (nur) zur Sicherung des Anspruchs auf Verbücherung des Wohn- und Gartenbenutzungsrechts „samt“ Versorgung der Wohnung mit Wasser und Heizung; das Mehrbegehren, die Verfügung auch zur Sicherung der Verbücherung der Zahlungsansprüche (Wasser, Heizung, sonstige Kosten) zu erlassen, wies es ab. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, und ergänzte seine Entscheidung nachträglich mit dem Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 5.000 EUR übersteige.
Das Rekursgericht wertete die Auffassung des Erstgerichts, dass die Veräußerungsabsicht nicht hinreichend bescheinigt sei, als Tatsachenfeststellung, die es aufgrund einer Beweisrüge im Rekurs einer Prüfung unterzog. Aufgrund des Ranganmerkungsbeschlusses, der „Chronologie der Geschehnisse“, der Veräußerung eines anderen geschenkten Grundstücks durch einen Bruder der Antragsgegnerin und des Umstands, dass die Antragsgegnerin in Innsbruck wohne und der ihr vorgeworfenen Veräußerungsabsicht nichts entgegengesetzt habe, sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Antragsgegnerin die Liegenschaft verkaufen wolle. Daher sei dieser Umstand bescheinigt; der rechtlichen Beurteilung sei der insofern „geänderte Sachverhalt“ zugrunde zu legen. Rechtlich beurteilte das Rekursgericht den Sachverhalt dahin, dass der Anspruch in Bezug auf das Wohnrecht und die Gartennutzung zu Recht bestehe. Die Antragsgegnerin habe aufgrund des Übergabsvertrags die nicht verbücherte Dienstbarkeit gekannt und sei daher daran gebunden. Die Gefährdung sei bescheinigt. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil in parallelen Verfahren Sicherungsanträge zur Gänze abgewiesen worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zwar nicht aus dem vom Rekursgericht genannten Grund, wohl aber deswegen zulässig, weil das Rekursgericht die Prüfung der Anspruchsgefährdung zu Unrecht dem Tatsachenbereich zugeordnet hat und seine Beurteilung aus rechtlicher Sicht korrekturbedürftig ist. Er ist aus diesem Grund auch berechtigt.
1. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf § 381 Z 1 und 2 EO. Beide Tatbestände setzen eine konkrete Gefährdung voraus, für die der Antragsteller behauptungs- und bescheinigungspflichtig ist (RIS-Justiz RS0005175 [insb T9]; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren5 [2017] Rz 3.39, 3.82). Diese Behauptungs- und Bescheinigungslast bezieht sich dabei auf konkrete Umstände (Tatsachen), aus denen die Gefährdung abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0011600 [T1]). Anders als vom Rekursgericht angenommen gehört nur die Bescheinigung dieser Umstände zum Tatsachenbereich; ob auf Grundlage des insofern bescheinigten Sachverhalts eine Gefährdung des Anspruchs oder die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens angenommen werden kann, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Die Beantwortung dieser Frage hängt zwar von den Umständen des Einzelfalls ab und wird daher in der Regel die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht begründen (RIS-Justiz RS0005118; vgl auch RS0005103 zur Schlüssigkeit des diesbezüglichen Vorbringens). Dennoch ist die Frage der Gefährdung als Rechtsfrage grundsätzlich revisibel.
2. Im konkreten Fall hat die Antragstellerin die Gefährdung ihres Anspruchs in erster Instanz nur auf das Vorliegen eines Ranganmerkungsbeschlusses gestützt. Dieser Umstand reicht aber nach nunmehr ständiger Rechtsprechung für sich allein noch nicht zur Annahme der konkreten Gefahr einer bevorstehenden Veräußerung aus (7 Ob 34/01b mwN; RIS-Justiz RS0005423 [T1]). Aus dem Verhalten eines Bruders der Antragsgegnerin lässt sich nichts für die Gefährdung des hier zu sichernden Anspruchs gegen die Antragsgegnerin ableiten; ein Zusammenwirken der Geschwister zur Veräußerung aller Grundstücke an einen Dritten ist nicht bescheinigt. Auch aus dem Wohnsitz der Antragsgegnerin in Innsbruck folgt nicht zwingend, dass sie kein Interesse an der Nutzung des Grundstücks hat. Insgesamt lassen es die vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Umstände daher zwar als möglich erscheinen, dass (auch) die Antragsgegnerin die Liegenschaft in Zukunft veräußern könnte; eine konkrete Gefährdung kann daraus aber noch nicht abgeleitet werden. Schon das muss zur Abweisung des Sicherungsantrags führen.
3. Aufgrund dieser Erwägungen ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00010.18M.0130.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAD-42579