OGH vom 05.08.2003, 7Ob170/03f

OGH vom 05.08.2003, 7Ob170/03f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene S*****, vertreten durch Dr. Michael Mathes und Mag. Laurenz Strebl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 16.818,36 sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 257/02x-13, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 15 Cg 53/02i-9, infolge Berufung der beklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 938,16 (darin enthalten EUR 156,36 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am kam es in der Küche der Klägerin, die bei der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen hatte, die ua auch das Brandschadenrisiko umfasste, aus folgender Ursache zu einem Brand: Die Klägerin wollte auf ihrem Elektroküchenherd in einem Topf Speiseöl, das durch Aufbewahrung im Kühlschrank gestockt war, durch Erwärmen verflüssigen, indem sie die Ceranplatte des Herdes auf ca 2/3 der möglichen Leistung einschaltete. Danach ging die Klägerin ins Schlafzimmer, um die Betten aufzuschütteln. Dabei warf sie versehentlich sechs oder sieben Bücher zu Boden, wobei Lesezeichen aus den Büchern fielen. Im Zuge des Wiedereinlegens der Lesezeichen vergaß die Klägerin, die dabei auch in den Büchern blättern musste, auf das am Herd stehende Speiseöl. Dieses hatte sich in der Zwischenzeit entzündet, wodurch die Dunstabzugshaube und die Mikrowelle zu schmelzen und Küchenkästchen zu glosen begannen. Erst als ihr durch die Milchglasscheibe der Schlafzimmertür, die sie geschlossen hatte, die - durch den Qualm verursachte - Dunkelheit auffiel, erinnerte sich die Klägerin wieder daran, dass sie Speiseöl am Herd erwärmen hatte wollen.

Der Klägerin, die bereits seit 40 Jahren kocht, war ein derartiger Vorfall zuvor noch nie passiert; ihr war nicht bekannt, dass sich Speiseöl in einem Topf durch Erhitzen selbst entzünden kann.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus der Haushaltsversicherung ihren Brandschaden von EUR 16.818,36 ersetzt.

Die Beklagte wendete, soweit noch wesentlich, ein, gemäß § 61 VersVG leistungsfrei zu sein, weil die Klägerin den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei üblichen Arbeiten im Haushalt sei kein strenger Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen. Der Klägerin sei die Gefährlichkeit ihres Verhaltens nicht bekannt gewesen, da ihr trotz jahrelanger Haushaltsführung ein derartiger Fall noch nie passiert gewesen sei. Ihre Unkenntnis, wie gefährlich das Erhitzen von Fett sei und wie sehr überhitztes Fett eine Brandgefahr in sich berge, sei nicht als grob fahrlässig zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung in klagsabweislichem Sinn ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Unkenntnis der Klägerin über die Selbstentzündungsgefahr des Öles sei irrelevant. Wie gefährlich das Erhitzen von Fett sei und wie sehr überhitztes Fett eine Brandgefahr in sich berge, habe der Klägerin als erfahrener Hausfrau, die schon seit 1999 mit einem Ceranfeld gekocht habe, einleuchten müssen. Es sei bereits eine den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigende schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht, dass die Klägerin während des Erhitzens des Fettes die Küche verlassen und sich ins Schlafzimmer begeben habe, wobei sie auch noch die Türe geschlossen habe, sodass sie allfällige Geräusche oder Gerüche aus der Küche gar nicht rechtzeitig vor dem Selbstentzünden wahrnehmen habe können. Sie habe sich ohne jede Notwendigkeit im Schlafzimmer so lange aufgehalten und durch eine belanglose Tätigkeit so lange ablenken lassen, bis sich das Öl selbst entzünden habe können. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht würden von der Gefährlichkeit der Handlung bestimmt. Wegen der hohen Brandgefahr beim Erhitzen von Fett seien an die subjektiven Sorgfaltsanforderungen erhöhte Anforderungen zu stellen. Die - von der Klägerin grob fahrlässig nicht beachtete - besondere Gefährlichkeit sei darin gelegen, dass sie das Fett auf dem Herd in einem Topf ohne Sicherheitsvorkehrungen - wie etwa einem Überhitzungsschutz bei einer elektrischen Fritteuse - erhitzt habe. Die Klägerin habe daher das Schadensereignis durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.

Seinen Ausspruch der Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, bei den von ihm zitierten Judikaturentscheidungen sei jeweils davon ausgegangen worden, dass dem Versicherungsnehmer bekannt war, dass das Erhitzen von Öl zu einem Brand führen kann, was hier nicht der Fall sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a ZPO) ist die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung in klagsstattgebendem Sinn beantragt, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Es handelt sich dabei um einen sekundären Risikoausschluss (7 Ob 417/98z; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 74/02m ua). Grobe Fahrlässigkeit iSd zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280; VersE 1691; 7 Ob 41/98z; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 90/99g; 7 Ob 59/01d uva; vgl RIS-Justiz RS0030303). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 59/01d ua; RIS-Justiz RS0030318). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 301/99m; 7 Ob 74/02m ua). In diesem Sinne ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (7 Ob 10/93, VR 1993, 392 = VersR 1994, 379; 7 Ob 30/93, VR 1994, 126; 7 Ob 1043/93, VR 1994, 315; RIS-Justiz RS0080371, zuletzt etwa 7 Ob 165/02v und 7 Ob 14/03i).

Ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 4 Ob 2010/96h; 9 Ob 358/97f; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 8/99x; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v ua). Die Revision ist daher (nur) dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 34/88, VR 1989/168; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v ua).

Dies kann im vorliegenden Fall aber nicht gesagt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe den gegenständlichen Brand grob fahrlässig herbeigeführt, hält sich unter Berücksichtigung der festgestellten Umstände im Rahmen der zu § 61 VersVG entwickelten, eben dargestellten Grundsätze. Die bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 7 Ob 24/92, VersR 1994, 248 und 7 Ob 241/97k sind entgegen der Ansicht der Revisionswerberin mit der vorliegenden Causa durchaus vergleichbar. Hier wie dort hat eine Versicherungsnehmerin heiß und heißer werdendes Öl auf eingeschalteter Herdplatte völlig unbeaufsichtigt gelassen und sodann - weil sie sich durch ganz alltägliche Vorkommnisse ablenken ließ - so lange darauf vergessen, dass es zu einem Zimmerbrand kommen konnte. Dass die Klägerin hier nicht wie in den zitierten Fällen das Haus, sondern nur die Küche verlassen hatte, macht, da auch hier der gefährliche Vorgang des Erhitzens völlig unbeaufsichtigt blieb, keinen wesentlichen Unterschied. In jedem Fall wurde in einer besonders gefahrenträchtigen Situation, die besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit des Versicherungsnehmers erfordert hätte, diesem Erfordernis in sehr sorgloser Weise nicht entsprochen.

Aus dem von der Klägerin auch in der Revision wiederum betonten Umstand, dass ihr die Selbstentzündungsmöglichkeit von erhitztem Öl nicht bekannt war, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Ist ihr doch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dessen ungeachtet vorzuwerfen, dass sie als erfahrene Hausfrau die Gefährlichkeit der Situation erkennen hätte müssen.

Ein tauglicher Zulassungsgrund wird von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war ihr Rechtsmittel daher zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich hingewiesen.