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OGH vom 19.12.1995, 5Ob145/95

OGH vom 19.12.1995, 5Ob145/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. ***** Leasinggesellschaft mbH, ***** und 2. Stadt *****, beide vertreten durch Dr.Helmut Polterauer, öffentlicher Notar in Wien, dieser vertreten durch Dr.Heinz-Volker Strobl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Baurechtes im Lastenblatt der EZ ***** Grundbuch *****, Eröffnung einer neuen Baurechtseinlage sowie Einverleibung des Baurechtes und des Vorkaufsrechtes in dieser, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom , AZ 23 R 159/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom , TZ 3206/95, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Zweitantragstellerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****.

Die Antragsteller begehrten die Einverleibung des Baurechts im Lastenblatt dieser Einlage für die Zeit bis für die Erstantragstellerin zu 1/5-Anteil und für die Zweitantragstellerin zu 4/5-Anteilen, die Eröffnung einer neuen Baurechtseinlage für die Zeit bis , und in dieser im Eigentumsblatt die Einverleibung des Baurechts für die Erstantragstellerin zu 1/5-Anteil und für die Zweitantragstellerin zu 4/5-Anteilen sowie im Lastenblatt auf dem 1/5-Anteil der Erstantragstellerin die Einverleibung des Vorkaufsrechts zugunsten der Zweitantragstellerin.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es begründete dies damit, daß die Zweitantragstellerin bei Bewilligung der Einverleibung einerseits zur Gänze Eigentümer der Liegenschaft und andererseits zu 4/5 Baurechtseigentümer wäre. Nach der derzeit herrschenden Meinung sei jedoch die originäre Begründung von Eigentümerbaurechten unzulässig. Außerdem sei dem Antrag, dem Baurechtsvertrag sowie der Erklärung gemäß § 2 Abs 2 des O.ö.Ausländergrunderwerbsgesetzes statt des im Statut vorgesehenen Siegels der Stadt ***** das Behördensiegel des Magistrats der Stadt ***** beigesetzt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte im wesentlichen folgendes aus:

Wirtschaftliche Überlegungen hätten bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit der originären Begründung von Baurechtsanteilen zugunsten des Liegenschaftseigentümers außer Betracht zu bleiben. Nach ganz überwiegender Lehre sei nun die originäre Begründung von Eigentümerbaurechten in Österreich als unzulässig zu betrachten. Nichts anderes könne aber bei einer bloß partiellen Identität zwischen Liegenschaftseigentümer und Bauberechtigten gelten; hier dem Liegenschaftseigentümer die Gemeinschaft der Bauberechtigten, die "eine Person" im Sinne des § 828 ABGB vorstelle, gegenüberzustellen, erscheine konstruiert. Das Rekursgericht schließe sich daher der derzeit herrschenden Meinung an. Der Vollständigkeit halber sei noch ausgeführt, daß der vom Erstgericht weiters angezogene Abweisungsgrund, nämlich das Fehlen des Siegels der Stadt ***** auf den vorgelegten Urkunden, vom Rekursgericht nicht aufrechterhalten werde.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei für zulässig zu erklären gewesen, da der Rechtsfrage, ob die originäre Begründung eines Baurechts(-anteils) zugunsten des Liegenschaftseigentümers zulässig sei, zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehle.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Grundbuchsantrag stattgegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, es liege keine originäre Begründung eines Eigentümerbaurechts vor, weil keine Identität zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem ersten Bauberechtigten bestehe. Dem alleinigen Liegenschaftseigentümer, der Zweitantragstellerin, stehe eine Gemeinschaft von Bauberechtigten gegenüber, die aus der Erstantragstellerin und der Zweitantragstellerin bestehe. Dieser Miteigentümergemeinschaft stünden gemeinsame Rechte und Pflichten zu, die mit den jeweiligen Rechten des einzelnen Miteigentümers nicht völlig ident seien. Die Begründung von Realservituten sei bei auch nur partieller Verschiedenheit in den Eigentumsverhältnissen des herrschenden und des dienenden Gutes möglich, ebenso die Errichtung eines Superädifikates bei auch nur partieller Verschiedenheit der Eigentumsverhältnisse. Selbst wenn man eine originäre Begründung eines Eigentümerbaurechts annehmen würde, wäre zu berücksichtigen, daß gemäß § 526 Satz 2 ABGB trotz Vereinigung von Liegenschaftseigentümer und Servitutsberechtigten in einer Person die Dienstbarkeit als Eigentümerservitut weiterbestehe, solange sie nicht gelöscht werde. Auch eine Eigentümerhypothek werde für zulässig erachtet. Es sei nun anerkannt, daß wie bei einer Eigentümerhypothek oder einer Eigentümerservitut auch ein Eigentümerbaurecht dadurch entstehen könne, daß das Baurecht im Grundbuch nicht gelöscht werde. Ein solches Eigentümerbaurecht sei dann analog den §§ 469, 526, 1446 ABGB wieder auf einen anderen Bauberechtigten übertragbar. Könne aber aus der nachträglichen Vereinigung ein Eigentümerbaurecht entstehen, so erscheine es unbedenklich, ein derartiges Recht auch originär zu begründen. Dafür sprächen auch praktische Interessen, wie die Bestellung des Eigentümerbaurechts durch einen Bauträger zur Erleichterung des Verkaufs sowie der Finanzierung. Schließlich sei die Zulässigkeit der originären Begründung eines Eigentümerbaurechts in Deutschland ganz herrschende Meinung. Auch der Oberste Gerichtshof habe im Ergebnis die Begründung von Eigentümerdienstbarkeiten zugelassen.

Hiezu wurde erwogen:

Das Baurecht ist ein dingliches Recht an einer fremden Sache (Klang in Klang V2 140; Koziol/Welser II9 171). Für den (Allein)Eigentümer ist das Recht, auf seiner eigenen Liegenschaft ein Bauwerk zu haben, bereits Ausfluß seines Eigentumsrechts; der Begründung eines gesonderten dinglichen Rechts bedarf es hiefür nicht.

Es mag sein, daß nachträglich - wie bei einer Eigentümerhypothek oder Eigentümerservitut; vgl §§ 469, 526, 1446 ABGB - ein Eigentümerbaurecht durch Vereinigung von Liegenschaftseigentum und Baurecht in einer Person entstehen kann (vgl Ehrenzweig I/22 381; Klang aaO; Csoklich, Baurecht an bestehenden Gebäuden, RdW 1991, 254, 256; Riha, Baurechtsgesetznovelle 1990 ermöglicht die Einräumung von Wohnungseigentum, SWK 1990/16, 7, 9; LGZ Wien, NZ 1985, 153/46 [Hofmeister 157]). Dies bedeutet aber - wie bei Eigentümerhypothek oder Eigentümerservitut - keineswegs zwingend, daß auch die Begründung eines solchen Rechtes durch den Eigentümer von vornherein zulässig ist. Soweit die Rechtsmittelwerber auf die abweichende herrschende Ansicht in Deutschland verweisen (vgl BGH NJW 1982, 2381; Räfle in RGRK12 Anh § 1011 BGB, § 1 ErbbVO Rz 23; von Oefele im MünchKomm2 § 1 ErbbVO Rz 61), ist zu bemerken, daß die Rechtsentwicklung in der Frage dinglicher Rechte an eigener Sache in Deutschland und Österreich einen unterschiedlichen Verlauf genommen hat (vgl etwa § 1196 BGB; Koziol/Welser II9 138; Csoklich aaO; von Oefele aaO).

Aus der Mehrheit von Bauberechtigten ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht, daß im vorliegenden Fall keine originäre Begründung eines Eigentümerbaurechts vorliegen würde; ein Fall nachträglichen Entstehens liegt nicht vor. Wenn sich die Antragsteller als Miteigentümergemeinschaft bezeichnen, ist darauf hinzuweisen, daß den Bauberechtigten gemäß § 6 Abs 2 BauRG Eigentümerrechte am Bauwerk, am Grundstück hingegen (mangels anderer Vereinbarung) die Rechte eines Nutznießers zustehen. Nun kann zwar im allgemeinen eine Dienstbarkeit zugunsten eines Miteigentümers der belasteten Sache begründet werden (Petrasch in Rummel2 § 472 ABGB Rz 3 mwN); ein Miteigentümer kann Fruchtnießer eines anderen ideellen Miteigentumsanteils werden (vgl Petrasch aaO § 509 ABGB Rz 2 mwN). Im vorliegenden Fall ist die Zweitantragstellerin aber nicht lediglich Miteigentümer der Liegenschaft (dessen Rechte durch Begründung des Baurechts am ganzen Grundbuchskörper allenfalls ausgeweitet würden), eine Personenmehrheit liegt auf der Gegenseite vor: Die Zweitantragstellerin soll eine von zwei Bauberechtigten werden. Daß ihr nur ein anteiliges Baurecht zugedacht ist, ändert aber nichts daran, daß sie ein dingliches Recht an einer - zur Gänze - eigenen Sache erwerben würde. Für die Bestellung eines auch nur anteiligen Baurechts durch den Alleineigentümer zu seinen eigenen Gunsten bietet das österreichische Sachenrecht aber keinen Raum (vgl Klang aaO; Csoklich aaO).

Die Rechtslage im Fall von Realservituten ist nicht weiter zu untersuchen, weil das Baurechtsgesetz nicht an solche anknüpft. Was Superädifikate anlangt, so wurde zwar schon die Meinung vertreten, daß der Liegenschaftseigentümer zugleich Miteigentümer des Bauwerks sein kann (SZ 26/83; Bydlinski, Das Recht der Superädifikate 30; Pimmer in Schwimann ABGB § 435 Rz 15). Daraus ist für die hier zu lösende Frage aber deshalb nichts entscheidendes zu gewinnen, weil es für die mit der Beurteilung als Superädifikat verknüpften Rechtsfolgen darauf ankommt, daß das Bauwerk nicht für Dauer bestimmt ist (dies im Sinne des - vor der BauRNov 1990 noch - großzügigen Verständnisses der Rechtsprechung; vgl Spielbüchler in Rummel2 § 297 ABGB Rz 4 mwN); über die Art des Grundbenützungsrechts wird damit nichts ausgesagt.

Zusammenfassend ist somit dem Rekursgericht zuzustimmen, daß die Begründung eines - auch nur anteiligen - Eigentümerbaurechts (durch den Alleineigentümer der Liegenschaft) nicht zuzulassen ist; die weiteren Teile des Grundbuchsgesuchs haben daneben keinen selbständigen Bestand.

Die von den Rechtsmittelwerbern genannten praktischen Interessen (etwa von Bauträgern) vermögen an der Rechtslage nichts zu ändern. Auch bei der Ablehnung der Begründbarkeit von Wohnungseigentum durch den Alleineigentümer einer Liegenschaft (WoBl 1995, 178/86 [Call]) hat sich der erkennende Senat nicht von solchen Interessen leiten lassen. Die österreichische Rechtsordnung erlaubt die Schaffung eines "Vorratsbaurechts" ebensowenig wie eine "Vorratsteilung" bei der Begründung von Wohnungseigentum.

Dem Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.