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OGH vom 25.08.1999, 3Ob142/99z

OGH vom 25.08.1999, 3Ob142/99z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf T*****, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Kathrin G*****, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Mag. Erich A. Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 46 R 685/98w-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 11 C 1826/97h-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und zur Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Beklagte führt beim Erstgericht Exekution durch Zwangsversteigerung von Liegenschaftsanteilen zur Hereinbringung von S 227.124,89 sA. Der Kläger begehrt mit seiner Klage nach § 37 EO die Unzulässigerklärung dieser Exekution bezüglich eines nach seinen Behauptungen in seinem Alleineigentum stehenden Superädifikates auf der Liegenschaft. Die durch zwei Rechtsanwälte vertretene Beklagte ist Rechtsanwaltsanwärterin. Zur ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung erschien die Beklagte, die damals lediglich über die "kleine Legitimationsurkunde" nach § 15 RAO verfügte persönlich ohne einen Vertreter. Daraufhin erließ das Erstgericht auf Antrag des Klägers gegen sie ein Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil verwarf das Berufungsgericht die Nichtigkeitsberufung der Beklagten und gab der Berufung im übrigen nicht Folge. Es sprach über Auftrag des erkennenden Senates aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht jedoch S 260.000 übersteige. Dieser Auftrag war erforderlich, weil Streitwert der Exszindierungsklage - sofern nicht eine Geldforderung oder ein Geldbetrag deren Gegenstand ist - in erster Linie der Wert der in Anspruch genommenen Pfandobjekte ist, weshalb das Berufungsgericht von vornherein einen Bewertungsausspruch hätte machen müssen (vgl insbesondere E vom , 3 Ob 119/97i).

Gemäß § 508 Abs 3 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, daß diese zulässig sei.

Die Berufungsentscheidung begründete es damit, daß in den exekutionsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 35 bis 37 EO und somit auch im erstgerichtlichen Verfahren die Vollmachtsregeln der ZPO gälten (Anm 2 zu § 52 EO in MGA EO), weshalb zufolge des Streitwertes gemäß § 27 Abs 1 ZPO absolute Anwaltspflicht herrsche. Da der Beklagten die Vertretungsbefugnis nach § 15 Abs 2 und 3 RAO gefehlt habe, sei sie als unvertreten anzusehen. Das Erstgericht habe daher zu Recht das Versäumungsurteil erlassen.

Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Berufungsgericht in seinem Beschluß vom aus, daß auf Grund mehrfacher Änderungen der Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis in Form von Verweisungen eine Klärung dieser Frage durch den Obersten Gerichtshof sinnvoll sei.

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Für die Exszindierungsklage ist, je nachdem sie vor oder nach Beginn des Exekutionsvollzuges angebracht wird, das Bewilligungsgericht oder das Exekutionsgericht zuständig (§ 37 Abs 3 EO). Diese Unterscheidung ist nicht nur (so aber Angst/Jakusch/Pimmer MTA EO12 Anm 4a zu § 37) für die Fälle des § 6 EO von Bedeutung, weil auch nach der EO-Novelle 1995 in der überwiegenden Zahl der Fälle (wahlweise) Exekution zur Sicherstellung gemäß § 375 Abs 1 EO auch beim Titelgericht erster Instanz beantragt (und bewilligt) werden kann. Handelt es sich um einen Gerichtshof, dann ist dieser auch für Exszindierungsklagen zuständig, die bis zum Beginn des Exekutionsvollzuges eingebracht werden. Auf die Frage von Widerspruchsklagen gegen einstweilige Verfügungen nach älteren Entscheidungen, auf die in der Revisionsbeantwortung hingewiesen wird, ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen.

Nach § 38 EO ist das Bezirksgericht, bei dem eine der Klagen der §§ 35, 36 oder 37 EO angebracht werden muß, zur Verhandlung und Entscheidung darüber zuständig, auch wenn die Streitsache sonst zur sachlichen Zuständigkeit eines Gerichtshofes gehören würde.

Bis zur WGN 1989 galt nur vor den Gerichtshöfen erster Instanz und allen höheren Gerichten absolute Anwaltspflicht (abgesehen von der ersten Tagsatzung etc.). Daraus ergab sich, daß diese für die exekutionsrechtlichen Verfahren der §§ 35 ff EO, soweit diese beim Bezirksgericht geführt wurden, nicht angeordnet war. Durch die WGN 1989 kam es zur Ausweitung der absoluten Anwaltspflicht auch auf bezirksgerichtliche Verfahren mit S 30.000 übersteigenden Streitwert. Zugleich wurde aber in § 27 Abs 2 ZPO als weitere Ausnahme eingefügt, daß Abs 1 keine Anwendung auf die im § 49 Abs 2 JN angeführten Angelegenheiten finde, die ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Bezirksgerichte gehören. Bei wörtlicher Auslegung wäre demnach ab Inkrafttreten dieser Regelungen für Exszindierungsstreitigkeiten vor Bezirksgerichten mit einem die Wertgrenze des § 27 Abs 1 ZPO übersteigendem Streitwert von der absoluten Anwaltspflicht auszugehen gewesen. Im Hinblick darauf, daß solches nach den Materialien zur WGN 1989 nicht beabsichtigt gewesen sei, sprach sich Hule (Ungeplante Änderung von Rechtsnormen ? RZ 1991, 134) für eine korrigierende Auslegung aus, falls dies aber nicht geschehe, für eine ehestmögliche Fehlerbehebung durch den Gesetzgeber. Letzterer Wunsch wurde mit der Änderung des § 27 Abs 2 ZPO durch die EO-Novelle 1991 erfüllt, mit der die Wendung "im § 49 Abs 2 JN angeführten" aus dem Gesetzestext gestrichen wurde. Nach dem JAB (261 BlgNR 18. GP), der sich auf den genannten Aufsatz Hules bezog, sollte damit klargestellt werden, daß die Ausnahme gerade auch für die Fälle der individuellen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, insbesondere für die im Laufe eines Exekutionsverfahrens und aus Anlaß desselben sich ergebenden Streitigkeiten, soweit sie im Einzelfall vor dem Bezirksgericht anzubringen sind, gelten soll. Ausdrücklich wird im JAB auch darauf hingewiesen, daß es im Fall von Oppositions- oder Impugnationsklagen beim Titelgericht, das ein Gerichtshof ist, bei der Anwaltspflicht bleiben soll.

Aufgrund dieser Änderung kann nunmehr im Zusammenhang mit den Materialien kein Zweifel daran bestehen, daß es für Exszindierungsprozesse (aber auch für Streitigkeiten nach den §§ 35 und 36 EO) vor Bezirksgerichten keine absolute Anwaltspflicht gibt (ebenso zutr Fucik in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 27). Daraus folgt, worauf die Beklagte in ihrer Revision zu Recht hinweist, daß sie nicht deshalb säumig wurde, weil sie persönlich zur ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erschien. Zu Recht hat bereits in JBl 1961, 127 das OLG Wien (für eine erste Tagsatzung) ausgesprochen, daß auch eine anwaltlich vertretene Partei nicht gehindert ist, persönlich eine Tagsatzung zu verrichten, bei der keine absolute Anwaltspflicht besteht.

Darauf, daß die Beklagte auch Rechtsanwaltsanwärterin mit kleiner Legitimationsurkunde, also ohne Substitutionsberechtigung nach § 15 Abs 2 RAO ist, kommt es somit gar nicht an. Im übrigen hätte sie als solche auch für einen Dritten in Vertretung des Rechtsanwalts, bei dem sie in Verwendung steht, nach Abs 3 dieser Bestimmung iVm § 31 Abs 2 ZPO einschreiten dürfen. Das ergibt eine subjektiv-historische Auslegung des § 15 Abs 3 RAO idF BGBl 1990/474. Aus den Materialien (AB 1380 BlgNR 17. GP 7) geht nämlich eindeutig hervor, daß die Berechtigung eines Rechtsanwaltes, sich durch einen nicht substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter vor allen Gerichten und Behörden vertreten zu lassen, auch bei relativer Anwaltspflicht gegeben sein soll. So ist daher die im § 15 Abs 3 RAO festgelegte Voraussetzung, daß die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich nicht vorgeschrieben sein darf, zu verstehen (im gleichen Sinn Frauenberger, Zur Reichweite der kleinen LU im Zivilverfahren, RZ 1995, 154, ferner, allerdings ohne nähere Begründung Fasching, Lehrbuch**2 Rz 437; Feil/Hajek, Rechtsanwaltsordnung, Rz 2 zu § 15; Feil/Wennig, Anwaltrecht Rz 2 zu § 15 RAO; zum früheren gleichlautenden § 31 Abs 2 ZPO ebenso Ströher, Das Recht der Vertretung des Rechtsanwaltes durch den Rechtsanwaltsanwärter, AnwBl 1977, 151 [152]).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.