OGH vom 29.08.2018, 7Ob154/18z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Dr. E***** M*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Walter Krautgasser, Rechtsanwalt in Graz, wegen 20.184,32 EUR sA (hier: wegen Befangenheit), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 13 Nc 15/18g-2, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die (nunmehr) klagende Verlassenschaft nach einem während des Verfahrens verstorbenen Zahnarzt macht in der Hauptsache gegen den beklagten Versicherer Ansprüche aus einer Betriebshaftpflichtversicherung geltend. Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen den klagsabweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen diesen Ausspruch brachte der Kläger einen Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gemäß § 508 ZPO ein, in dem er den fachmännischen Laienrichter und die Berichterstatterin des Berufungsgerichts ablehnte. Dem fachmännischen Laienrichter fehle jede hier einschlägige Sachkunde im Versicherungsrecht und in der Zahnheilkunde. Die Berichterstatterin habe in der Entscheidungsausfertigung die Berufung der Klägerin mehrfach abschätzig als „weitschweifig“ bezeichnet und dem Berufungsverfasser vorgeworfen, von den Feststellungen des angefochtenen Urteils abgewichen zu sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Wien den Ablehnungsantrag der Klägerin zurück. Es war rechtlich der Ansicht, dass mit der Behauptung mangelnder fachlicher Eignung des fachmännischen Laienrichters kein Befangenheitsgrund geltend gemacht werde. Ob der Klagevertreter bei der Verfassung der Berufung vom festgestellten Sachverhalt abgegangen sei, sei ausschließlich rechtliche Beurteilung. Mit der Bezeichnung der Berufungsausführungen als „weitschweifig“ werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Argumente nicht in knapper Form dargelegt würden; damit komme keinerlei persönliche Ablehnung des Klägers oder dessen Vertreters zum Ausdruck.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Ablehnungsanträgen Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Ein Richter kann nach § 19 Z 2 JN in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Diese Regelung gilt auch für fachkundige und fachmännische Laienrichter (9 Ob 47/14y).
2. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RIS-Justiz RS0045975 [T1]). Bei einer nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmenden Prüfung ist entscheidend, ob feststellbare Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen (RIS-Justiz RS0045975 [T11]).
3. Die dem fachmännischen Laienrichter angeblich fehlende fachliche Eignung verwirklicht den in § 19 Z 2 JN bezeichneten Befangenheitsgrund nicht, folgt doch daraus kein objektiv nachvollziehbarer Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit.
4. Ob die Klägerin ihre Berufung gesetzmäßig ausgeführt oder aber von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen ist, betrifft die Richtigkeit (Vertretbarkeit) der zweitinstanzlichen Entscheidung; deren Überprüfung ist aber keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens (vgl RIS-Justiz RS0045916 [T3]).
5. Ob es notwendig ist, Berufungsausführungen als „weitwendig“ oder „weitschweifig“ zu qualifizieren, kann dahinstehen; jedenfalls wird damit nur zum Ausdruck gebracht, dass das Berufungsgericht eine knappere Darlegung der vorgetragenen Argumente für möglich hält. Eine Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin oder ihrem Vertreter folgt daraus nicht.
6. Der Rekurs ist somit nicht berechtigt.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00154.18Z.0829.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.
Fundstelle(n):
OAAAD-39907