OGH vom 07.02.1983, 1Ob772/82
Norm
Kopf
SZ 56/21
Spruch
Der Regreßanspruch des Bürgen gegen denjenigen, der der Schuld eines anderen zu Sicherungszwecken als Mitschuldner beigetreten ist, wird durch die Entlassung dieses Mitschuldners aus der Haftung durch den Gläubiger nicht berührt
(OLG Wien 2 R 107/82; HG Wien 18 Cg 76/81)
Text
Auf Grund des Antrages vom richtete die klagende Partei am an die Firma G & Co. GesmbH (im folgenden: Firma G & Co.) ein Anbot (Kreditzusage) über die Einräumung eines Investitionskredites in der Höhe von 600 000 S, rückzahlbar in monatlichen Raten zu je 8 300 S ab . Für alle Verbindlichkeiten aus dem Kredit sollten die Kreditnehmerin sowie Stefan G und Anton C als Schuldner zur ungeteilten Hand haften. Am nahmen die Firma G & Co., Stefan G und Anton C das Anbot der klagenden Partei an. Mit Erklärung vom boten Demetra M, Dr. Karl P und der Beklagte der klagenden Partei die Übernahme der Haftung als Bürgen und Zahler für die ihr aus dem Kreditverhältnis entstehenden Ansprüche an. Die Haftung wurde betragsmäßig beschränkt in Ansehung des Beklagten mit dem Betrag von 300 000 S zuzüglich anteilsmäßiger Zinsen und Spesen. Die klagende Partei nahm das Anbot des Beklagten am an. Mit Schreiben vom stellte die klagende Partei den Kredit wegen Nichteinhaltung der Rückzahlungsverpflichtung zum mit dem aushaftenden Betrag von 627 414 S fällig. Mit Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom wurde die Firma G & Co. schuldig erkannt, der klagenden Partei den Betrag von 628 164 S sA zu bezahlen. Anton C wurde von der klagenden Partei aus der Haftung entlassen, ohne daß mit dem Beklagten das Einverständnis hergestellt worden wäre.
Die klagende Partei nahm die Haftung des Stefan G als Mitschuldner und der Bürgen in Anspruch. Vom Beklagten begehrte sie zur ungeteilten Hand mit der Firma G & Co. und Stefan G die Bezahlung des Betrages von 300 000 S sA. Im Revisionsverfahren ist nur noch die Haftung des Beklagten strittig.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die klagende Partei habe den Mitschuldner Anton C ohne seine Zustimmung aus der Haftung entlassen und ihm damit die Möglichkeit des Regresses gegen diesen Mitschuldner genommen. Er habe weiters die Haftung in Kenntnis der Tatsache übernommen, daß Anton C seine Geschäftsanteile an die klagende Partei verpfändet hatte und damit ohne Zustimmung der klagenden Partei aus der Gesellschaft nicht ausscheiden konnte. Damit sei für ihn Gewähr geboten gewesen, daß Anton C die Leitung der Firma G & Co. und damit die Kontrolle über die Geschäftsgebarung behalte. Tatsächlich sei auch der Kredit während der Beteiligung des Anton C fristgerecht zurückbezahlt worden.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Die Entlassung des mithaftenden Anton C aus der Haftung berühre die vom Beklagten übernommene Bürgschaftsverpflichtung nicht. Ob hieraus Schadenersatzansprüche gegen die klagende Partei resultieren könnten, brauche nicht erörtert zu werden, weil solche Ansprüche im Verfahren nicht geltend gemacht worden seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beklagte beruft sich darauf, daß durch die Entlassung des Mitschuldners Anton C auch seine Haftung als Bürge und Zahler erloschen sei. Dieser Rechtsansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Gemäß § 1344 ABGB kann die Befestigung eines Rechts durch Verpflichtung eines Dritten gegenüber dem Gläubiger entweder durch den Beitritt als Mitschuldner oder durch Bürgschaft erfolgen. Der Unterschied zwischen Bürgschaft und Beitritt als Mitschuldner liegt in der nur für die erstgenannte Verpflichtung geltenden Subsidiarität und Akzessorietät. Auch die Schuld des Beitretenden ist zwar im Zeitpunkt ihrer Entstehung davon abhängig, daß die Schuld, der er beitritt, besteht, in ihrem Fortbestand ist sie aber als Solidarschuld eine selbständige Schuld, wogegen die Schuld des Bürgen auch in ihrem Fortbestand von der Hauptschuld abhängt (SZ 49/53 mwN; Koziol, JBl. 1964, 306; Koziol - Welser, Grundriß[5] I 257; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 151; Ehrenzweig System[2] II/1, 107). Die Bürgschaft hat bloß sichernden Charakter und ist deshalb in ihrem Bestand von der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht gültig entstanden oder erlischt sie, so gilt dies auch für die Bürgschaft (§ 1351 ABGB; Koziol - Welser aaO 256). Auch der Bürge und Zahler, der gemäß § 1357 ABGB als "ungeteilter Mitschuldner" haftet, ist Bürge, sodaß auf ihn die Vorschriften des Bürgschaftsrechtes, jedenfalls jene, die sich aus der Akzessorietät der Bürgschaftsverpflichtung ergeben, zur Anwendung gelangen (3 Ob 53/73; JBl. 1935, 146; ZBl. 1926/270; Gschnitzer aaO; Ehrenzweig aaO 106; Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI 226). Der Kredit der klagenden Partei in der Höhe von 600 000 S wurde der Firma G & Co. gewährt, Stefan G und Anton C übernahmen zur Besicherung dieses Kredits die Haftung als Schuldner zur ungeteilten Hand, wogegen der Beklagte sich als Bürge und Zahler verpflichtete. Akzessorisch ist demnach die Verpflichtung des Beklagten zur Verbindlichkeit der Firma G & Co. Für diese Verpflichtung, nicht für die Schuld des Mitschuldners Anton C übernahm der Beklagte die Haftung als Bürge und Zahler. Gemäß § 894 ABGB kommt auch die Nachsicht oder Befreiung, die ein Mitschuldner für seine Person erhält, den übrigen nicht zustatten, außer die Befreiung eines Mitschuldners ist auch mit Wirkung für alle Mitschuldner gemeint. Welche Wirkung beabsichtigt war, ist Auslegungsfrage. Wurde der Beitritt als Mitschuldner zu Sicherungszwecken erklärt, kommt seiner Entlassung im Zweifel nur die Bedeutung der Aufgabe einer Sicherheit zu, der Bestand der Forderung gegen die Firma G & Co. blieb dadurch unberührt (vgl. Koziol - Welser aaO 252; Ehrenzweig aaO 102; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 305). Die Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler ist daher nicht wegen Wegfalls der zu sichernden Verbindlichkeit erloschen.
Der weitere Einwand des Beklagten geht dahin, daß ihm durch die Entlassung des Mitschuldners Anton C der Regreß gegen diesen Mitschuldner abgeschnitten wurde und ihm dadurch ein Schaden erwachsen sei, weil der Regreß gegen die Firma G & Co. wegen deren Zahlungsunfähigkeit erfolglos bleiben werde. Die Entlassung eines Mitschuldners aus der Haftung komme der Aufgabe eines Pfandrechts (§ 1360 ABGB) gleich.
Die Übernahme der Haftung für die Schuld der Firma G & Co. durch mehrere Personen begrundete eine Schuldgemeinschaft (zum Begriff vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 300), auf die unbeschadet der Besonderheiten, die sich aus der Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler ergeben, die Bestimmungen über die Gesamtschuld (§§ 888 ff. ABGB) anzuwenden sind. Diese Bestimmungen gelten für alle Fälle der Schuldgemeinschaft, "wenn kein anderes besonderes Verhältnis besteht" (§ 896 ABGB; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 279). Sie verlangen nur eine gemeinschaftliche Forderung, nicht ein gemeinschaftliches Schuldverhältnis, sind also auch bei einem nicht einheitlichen Schuldverhältnis anzuwenden (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 277). Die Verpflichtung zur selben Leistung kann sich demnach auch aus verschiedenen Rechtsgrunden ergeben (JBl. 1981, 104; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 136). Die gleichzeitige Übernahme der Verpflichtung ist für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses ebenfalls nicht erforderlich (SZ 52/185; Ehrenzweig aaO 97, 126).
Gemäß § 896 ABGB kann ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, welcher die ganze Schuld bezahlt hat, von den übrigen Mitschuldnern Ersatz verlangen. Auch mehrere Mitbürgen haften gemäß § 1359 ABGB solidarisch, sie haben unter sich gemäß § 1359 zweiter Satz ABGB ein Rückgriffsrecht gemäß dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis, im Zweifel zu gleichen Teilen (Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 148; Koziol - Welser aaO 259; Ehrenzweig aaO 126). Die Entlassung eines Mitbürgen kommt diesem gegen die übrigen Mitbürgen nicht zustatten (§ 1363 ABGB). Darin kommt der allgemeine Grundsatz des § 896 letzter Satz ABGB zum Ausdruck, daß die Befreiung eines Mitschuldners die Regreßrechte der anderen Mitschuldner nicht zu beeinträchtigen vermag. Ehrenzweig aaO 126 hebt hervor, daß die Regel des § 1359 ABGB über den Regreß zwischen mehreren Mitbürgen ein allgemeiner Grundsatz ist, dessen Bedeutung sich keineswegs auf das Bürgschaftsrecht beschränkt. Dem Bürgen steht daher auch gegen denjenigen, der der Schuld eines anderen zu Sicherungszwecken beigetreten ist, ein Regreßrecht zu. Auch für dieses gilt die Regel der §§ 896, 1363 ABGB, daß die Entlassung des Mitschuldners den Regreßanspruch nicht berührt. Demnach hat aber die Entlassung des Mitschuldners Anton C die Regreßansprüche des Beklagten nicht beeinträchtigt, sodaß schon aus diesem Gründe der Einwand, ihm sei dadurch ein Schaden erwachsen, unberechtigt ist.