OGH vom 01.10.1996, 4Ob2228/96t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Ärztekammer (Bundesfachgruppe für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), ***** vertreten durch Dr.Franz Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Versicherungsanstalt der *****, 2. Prim. Dr.Werner T 3. Dr.Wilfried Ö*****, 4. Dr.Josef F***** ZMK-Heilkunde, ebendort, alle vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm. Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 170/95-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 17 Cg 141/95p-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher den beklagten Parteien jede Information im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes a) durch reklamehaftes Herausstellen der ärztlichen Tätigkeit der zweit-, dritt- und/oder viertbeklagten Partei in einem von der erstbeklagten Partei betriebenen Zahnambulatorium in gleich Flugblättern und Postwurfsendungen an die Bevölkerung verteilten Gratiszeitungen und/oder b) durch reklamehaftes Herausstellen der ärztlichen Tätigkeit der zweit-, dritt- und/oder viertbeklagten Partei in einem von der erstbeklagten Partei betriebenen Zahnambulatorium in Form von Anzeigen in Printmedien, welche mehr als ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums betragen, verboten werde, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 38.605,68 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.434,28 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Erstbeklagte betreibt in unmittelbarer Nähe des Grazer Hauptbahnhofs ein Zahnambulatorium, in dem der Zweitbeklagte als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde tätig ist. Sein Dienstverhältnis unterliegt der Dienstordnung B für Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs. Der Dritt- und der Viertbeklagte führen aufgrund von Werkverträgen mit der Erstbeklagten kieferchirurgische bzw kieferorthopädische Behandlungen in der Zahnambulanz durch.
In der Zeitschrift "Journal Graz" Ausgabe 2/März 1995, welche in einer Auflage von 123.000 Stück gratis an Haushalte in Graz verteilt wird, wurde auf den Seiten 16 und 17 unter der blickfangartigen Überschrift "Zahnschmerzen enden am Grazer Hauptbahnhof" und einer Zeichnung, die von Schmerzen gequälte Menschen beim Weg zur Zahnambulanz und fröhlich und befreit lachende Menschen beim Verlassen derselben zeigt, über das neu adaptierte Ambulatorium der Erstbeklagten berichtet. Neben Fotos, die den Leiter der Ambulanz (den Zweitbeklagten) und den Viertbeklagten zeigen, enthält der Bericht Anschrift und Ambulanzzeiten. Der Begleittext weist darauf hin, daß die zahnärztliche Behandlung von Patienten aller Kassen übernommen werde. Der namentlich genannte und abgebildete Leiter des Ambulatoriums und der Direktor der Erstbeklagten (auch dieser wird namentlich genannt und abgebildet) hätten die Voraussetzungen geschaffen, daß alle in einem Ambulatorium möglichen Zahnbehandlungen auf modernste Art durchgeführt werden. So werde auch Kieferorthopädie und zahnärztliche Chirurgie angeboten, und weiter: "Spezialist auf dem Gebiet der Kieferorthopädie ist der auch in den USA ausgebildete Dr.Josef F*****" (= Viertbeklagter). "Sein Zuständigkeitsbereich im Zahnambulatorium der VA der österreichischen Eisenbahnen ist die Kieferorthopädie und Zahnregulierungen. Es werden kieferorthopädische Apparaturen im Zuge der Behandlung angepaßt, wie zB Maßnahmen gegen den Kreuzbiß oder den offenen Biß, der bereits in jungen Jahren behoben werden muß, da er sonst zum Teil zu Sprachstörungen führen kann. Er macht aufmerksam, daß man bereits im fünften bzw sechsten Lebensjahr die Anzeichen einer entsprechenden Fehlstellung erkennen kann." Es folgen Ausführungen über Behandlungsmöglichkeiten bei Unterkiefervorlage und allgemeine Hinweise zur Gesunderhaltung der Zähne (so zB "unbedingt zweimal im Jahr zum Zahnarzt gehen" und "bei Zahnfleischbluten hilft kräftige Zahnfleischmassage" ua).
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung jede Information im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes durch a) reklamehaftes Herausstellen der ärztlichen Tätigkeit des Zweit-, Dritt- oder Viertbeklagten in einem von der Erstbeklagten betriebenen Zahnambulatorium in gleich Flugblättern oder Postwurfsendungen an die Bevölkerung verteilten Gratiszeitungen und/oder b) durch reklamehaftes Herausstellen der ärztlichen Tätigkeit des Zweit-, Dritt- oder Viertbeklagten in einem von der Erstbeklagten betriebenen Zahnambulatorium in Form von Anzeigen in Printmedien, welche mehr als ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums betragen, zu untersagen.
Die Information über das Zahnambulatorium der Erstbeklagten beeinträchtige die Standesehre im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes und verstoße gegen § 25 Abs 1 ÄrzteG iVm den nach § 25 Abs 4 leg cit erlassenen Richtlinien der Österreichischen Ärztekammer "Arzt und Öffentlichkeit" (im folgenden Richtlinien) und sei der Erstbeklagten gemäß § 25 Abs 3 ÄrzteG verboten. Der Zweit-, Dritt- und Viertbeklagte seien Mittäter, die inkriminierte Werbung beruhe auf ihren Angaben und sei mit ihren Fotos versehen, sie könne daher nicht ohne ihre Mitwirkung zustande gekommen sein.
Ein Verstoß gegen die Werberichtlinie liege schon deshalb vor, weil die inkriminierte Information in einer gleich Flugblättern und Postwurfsendungen verteilten Gratiszeitung erfolge (Art 3h der Richtlinien) und in aufdringlicher und reklamehafter Weise Behandlungsmethoden bespreche und medizinische Auskünfte und Ratschläge erteile. Diese reklamehafte Selbstanpreisung komme in der reisserischen Überschrift "Zahnschmerzen enden am Grazer Hauptbahnhof" und der beigegebenen Zeichnung besonders zum Ausdruck.
Die Beklagten seien überdies verpflichtet, für das Unterbleiben standeswidriger Werbung durch Dritte zu sorgen (Art 6 der Richtlinien), so daß sie die Information auch dann zu verantworten hätten, wenn sie von Dritten verfaßt worden wäre, zumal die im Ambulatorium aufgenommenen Bilder, darunter solche des Zweit- und Viertbeklagten, eine Mitwirkung der Beklagten an der Information deutlich bewiesen.
Die Beklagten verschafften sich durch die inkriminierte Information einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen Ärzten, die Gesetz und Richtlinien beachten; sie handelten damit gegen die guten Sitten iS des § 1 UWG.
Ein Verstoß gegen Art 5 der Richtlinien liege selbst dann vor, wenn die Gratiszeitung "Journal Graz" keine Postwurfsendung sei, dürfe doch eine Anzeige in Printmedien jeweils maximal eine viertel Seite betragen.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. § 25 ÄrzteG und die von der Vollversammlung der Ärztekammer nach § 25 Abs 4 ÄrzteG erlassenen Werberichtlinien seien auf die erstbeklagte Sozialversicherungsanstalt und die bei ihr tätigen Ärzte nicht anzuwenden. Bei der Durchführung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Sozialversicherung unterliege die Erstbeklagte, und mit ihr auch der Zweit-, Dritt- und Viertbeklagte der Verpflichtung des § 81 ASVG; sie seien daher zur Aufklärung, Information und sonstigen Formen der Öffentlichkeitsarbeit nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Das neu adaptierte Zahnambulatorium sei in Wahrnehmung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Erstbeklagten vorgestellt worden; sie habe die Gelegenheit wahrgenommen, auf die Notwendigkeit rechtzeitiger Vorsorge hinzuweisen. Eine Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs und ein sittenwidriges Verhalten liege nicht vor. Abgesehen davon, daß ein allfälliger Verstoß nicht objektiv geeignet wäre, den freien Leistungswettbewerb zu beeinträchtigen, habe sich die Erstbeklagte (und mit ihr der Zweit-, Dritt- und Viertbeklagte) nicht schuldhaft über ein Gesetz hinweggesetzt, um einen Vorsprung vor allfälligen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen.
Die Auffassung der Beklagten über die Zulässigkeit ihrer Vorgangsweise sei durch das ASVG und das Ärztegesetz jedenfalls soweit gedeckt, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne.
Die medizinische Aufklärung, die Information über die Einrichtungen des Zahnambulatoriums, die Tätigkeitsbereiche und den beruflichen Werdegang der dort beschäftigten Fachärzte sei sachbezogen gewesen und nicht reklamehaft aufgemacht worden. "Journal Graz" sei ein unabhängiges periodisches Journal mit Informationen über Kultur, Lokales, Reisen, Sport und Unterhaltung und keine Postwurfsendung oder ein Flugblatt; der dort ohne Veranlassung der Beklagten erschienene Artikel sei sachbezogen und keinesfalls reklamehaft oder marktschreierisch gestaltet.
Der Zweit-, Dritt- und Viertbeklagte seien auf Weisung der Erstbeklagten, sohin in Erfüllung ihrer Dienstpflicht, bei der Neueröffnung der Ambulanz anwesend gewesen, um der Erstbeklagten bei der Beantwortung von Fragen behilflich zu sein. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, das Verfassen oder Erscheinen des Artikels zu beeinflussen oder gar zu verhindern.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagten verschafften sich durch marktschreierische Selbstanpreisung der eigenen ärztlichen Tätigkeit und Erteilen medizinischer Auskünfte und Ratschläge in aufdringlicher und reklamehafter Weise in einer gratis an Haushalte verteilten Zeitung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen Ärzten, die nicht gegen § 25 ÄrzteG iVm den Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" verstoßen und verletze damit die guten Sitten. Sie könne sich nicht auf § 81 zweiter Satz ASVG berufen, da die den Sozialversicherungsträgern dort eingeräumten Möglichkeiten der Aufklärung, Information und sonstiger Formen der Öffentlichkeitsarbeit ein Werben zu Wettbewerbszwecken nicht umfassen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. § 25 ÄrzteG, und damit auch die von der Klägerin erlassenen Richtlinien, gelten auch für die Erstbeklagte. Die in § 81 ASVG verankerte Berechtigung zur Aufklärung, Information und Öffentlichungsarbeit könne die im Ärztegesetz auferlegten Schranken nicht aufheben. Aus den Bestimmungen der Richtlinien gehe hervor, daß den Ärzten jede Werbung im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit schlechthin untersagt sei. Die beanstandete Werbung stehe damit in offenkundigem Widerspruch. Der in den Vordergrund gestellte Hinweis auf die im Ambulatorium praktizierte moderne Zahnheilkunde und die damit notwendig verbundenen zahnärztlichen Leistungen, die von höchstqualifizierten Ärzten unter der Leitung des Zweitbeklagten durchgeführt werden, sei nichts anderes als massive Werbung für das Ambulatorium selbst und die von dessen Ärzten in Ausübung ihrer Tätigkeit angewandten Behandlungsmethoden und Heilbehelfe. Angesichts der keineswegs sachbezogenen, sondern vielmehr aufdringlichen, marktschreierischen Aufmachung verfolge dieser Artikel in einer gratis verteilten Werbezeitung eindeutig Wettbewerbsabsicht. Ohne Belang sei, ob Text und Gestaltung von der Beklagten formuliert oder redigiert wurde. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, sich eine Überprüfung des Artikels vorzubehalten und jeglicher standeswidriger Werbung entgegenzuwirken.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht mit einem gleichartigen Sachverhalt befaßt hat; er ist auch berechtigt.
Das Rekursverfahren leidet an keinem Mangel, die die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hindert.
Die Beklagten sind der Auffassung, § 25 ÄrzteG und die von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer beschlossenen Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" seien auf die Erstbeklagte nicht anzuwenden. Die Erstbeklagte unterliege als Sozialversicherungsträgerin der Verpflichtung des § 81 ASVG; sie erfülle daher den gesetzlichen Auftrag zur Aufklärung, Information und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Durchführung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Sozialversicherung und habe schon aus diesem Grund keinen Verstoß gegen § 25 ÄrzteG und die Richtlinien der Ärztekammer zu vertreten.
Zahnambulatorien sind Krankenanstalten im Sinn des Krankenanstaltengesetzes (§ 2 Abs 1 Z 7 KAG). Sie sind berechtigt, Zahnbehandlungen und Zahnersatz als Sachleistungen der Krankenkasse zu denselben Bedingungen wie niedergelassene Zahnbehandler zu erbringen und üben damit ärztliche Tätigkeiten aus. Mit dem Betrieb eines Zahnambulatoriums, in dem die Erstbeklagte auch Leistungen erbringt, die Zuzahlungen von Patienten erfordern, übt sie keine amtliche (hoheitliche), sondern eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben und somit am geschäftlichen Verkehr zum Ausdruck kommt (vgl ÖBl 1991, 203 - Dampfkesselüberprüfung; ÖBl 1993, 207 - Zivilschutzverband; ÖBl 1996, 77 - Zahnambulatorium ÖBl 1996, 80 - Städtische Bestattung). Sie steht insoweit auch im Wettbewerb zu niedergelassenen Ärzten. Ihr Handeln unterliegt damit den Vorschriften des Wettbewerbsrechts.
Daran kann auch § 81 ASVG nichts ändern. Diese Bestimmung zählt Aufklärung, Information und sonstige Öffentlichkeitsarbeit zu den im Rahmen der Zuständigkeit eines Sozialversicherungsträgers "zulässigen" Zwecken. Es kann ihr jedoch nicht entnommen werden, daß alle Veröffentlichungen des Sozialversicherungsträgers (ohne Rücksicht auf ihren Inhalt) als Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben anzusehen sind. Das trifft insbesondere dann nicht zu, wenn die Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem, dem Bereich der privatrechtlichen Tätigkeit zuzuordnenden Betrieb eines Ambulatoriums und erkennbar zu dem Zweck erfolgt, die Leistungen dieser Einrichtung werbewirksam hervorzuheben.
Nach § 25 Abs 3 ÄrzteG iVm § 25 Abs 1 leg cit ist es "auch sonstigen physischen und juristischen Personen", ebenso wie Ärzten untersagt, (ua) unsachliche, unwahre oder das Standesansehen beeinträchtigende Informationen im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes zu geben. Mit dieser Bestimmung sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, Umgehungen des für Ärzte geltenden Verbotes unlauterer Werbung zu verhindern (vgl 137 BlgNR 17.GP 23 zur Ärztegesetznovelle BGBl 1987/314; 4 Ob 2170/96p; ebenso 524 BlgNR 18.GP 12 zur Ärztegesetznovelle 1992/401). Tritt daher eine Sozialversicherungsanstalt für das von ihr betriebene Zahnambulatorium, somit für die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten, werbend auf, hat sie sich jeder gegen § 25 ÄrzteG verstoßenden Information zu enthalten. Sie muß auch die von der Klägerin gemäß § 25 Abs 4 ÄrzteG zur Konkretisierung der in § 25 Abs 1 leg cit enthaltenen Begriffe erlassene Richtlinie beachten (4 Ob 2170/96p).
Die Absicht der Erstbeklagten, mit der inkriminierten Information (auch) den Wettbewerb des von ihr betriebenen Zahnambulatoriums zu fördern, ist angesichts ihres Inhalts nicht zweifelhaft. Gleiches gilt für den Zweit- bis Viertbeklagten, ohne deren Mitwirkung der Bericht nicht hätte zustandekommen können.
Die auch dem öffentlich-rechtlichen Zweck der Aufklärung dienenden Teile des Artikels halten sich mit den darin gleichzeitig enthaltenen Werbeaussagen über das Ambulatorium selbst, seine medizinischen Einrichtungen, die dort tätigen Ärzte und deren Qualifikation, die Waage, so daß die Wettbewerbsabsicht keinesfalls in den Hintergrund tritt.
Die Vorinstanzen haben nun einen Verstoß der Beklagten gegen das Verbot standeswidriger Werbung für ärztliche Leistungen im Sinn des § 25 Abs 1 und 3 ÄrzteG iVm den gemäß § 25 Abs 4 ÄrzteG erlassenen Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" bejaht.
Die Revisionsrekurswerber sind der Auffassung, daß der Inhalt des Artikels weder unsachlich noch unwahr, noch geeignet sei, das Standesansehen zu beinträchtigen. Er enthalte lediglich eine auch nach der Richtlinie zulässige Information über die Tätigkeitsbereiche des Ambulatoriums, seine medizinischen Einrichtungen, die Namen der dort tätigen Ärzte, Hinweise auf deren Spezialisierung und beruflichen Werdegang, wobei weder Gestalt noch Inhalt marktschreierisch oder unangemessen seien.
Diese Ausführungen sind berechtigt. Während das Ärztegesetz idF der Ärztegesetznovelle 1964 (§ 9) und Ärztegesetznovelle 1974 (§ 25) jede Art der Werbung im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes untersagte, wurde diese Verbot durch die Neufassung des § 25 Abs 1 ÄrzteG idF BGBl 1992/461 wesentlich gelockert. Werbung im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes ist nicht mehr schlechthin untersagt, sondern nur dann verboten, wenn sie unsachliche, unwahre oder das Standesansehen beeinträchtigende Informationen vermittelt. So weist die Regierungsvorlage zu BGBl 1992/461 (524 BlgNR 18.GP 12) darauf hin, daß § 25 idF dieses Bundesgesetzes darauf abziele, "Patienten ein sachliches Informationsangebot zu vermitteln, andererseits jedoch Verfälschungen des Berufsbildes und nicht weiter überprüfbare Aussagen, die unrichtige Vorstellungen oder Erwartungen entstehen lassen, hintanzuhalten".
Die gemäß § 25 Abs 4 ÄrzteG erlassenen Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" konkretisieren nun die in § 25 Abs 1 ÄrzteG enthaltenen Begriffe. Eine Information ist dann unsachlich, "wenn sie sich nicht auf medizinische Inhalte bezieht, die gebotene medizinische Objektivität und Erfahrung nicht gewahrt ist oder wenn sie nach Form oder Inhalt dem Informationsbedürfnis vom Arzt und Patient nicht angemessen entspricht" (Art 1).
Unwahr ist eine Information dann, "wenn sie den Tatsachen nicht entspricht" (Art 2).
Nach Art 3 der Richtlinie beeinträchtigt eine Information das Standesansehen, "wenn sie Ehre und Ansehen der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetzt". Insbesondere liegt eine standeswidrige Information (ua) bei "Selbstanpreisung der eigenen Person und Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise" (Art 3 lit e) und bei "Verteilung von Flugblättern und Postwurfsendungen an die Bevölkerung..." (Art 3 lit h) vor.
Der Arzt hat im Umgang mit Medien Zurückhaltung zu üben und das Gebot der Sachlichkeit zu beachten. Die Erwähnung seines Namens und der nach dem Ärztegesetz zulässigen Auszeichnungen ist erlaubt, untersagt ist hingegen die wiederholte betonte auffällige und reklamehafte Nennung des Namens (Art 5 lit a). Die Besprechung von Behandlungs- und Operationsmethoden und deren Ergebnisse in unseriöser und sensationeller Aufmachung ist gleich der Erteilung medizinischer Askünfte und Ratschläge in aufdringlicher und reklamehafter Weise untersagt (Art 5 lit b). Der Arzt hat auch bemüht zu sein, daß eine Publikation, die auf einem mit ihm geführten Interview beruht, rein sachbezogen und nicht reklamehaft aufgemacht wird (Art 5 lit d). Eine Anzeige in Printmedien darf maximal ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums betragen (Art 5 lit e).
Hingegen ist im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes die Information über die eigenen medizinischen Tätigkeitsgebiete, die der Arzt aufgrund seiner Aus- und Fortbildung beherrscht, insbesondere auch der Hinweis auf die Spezialisierung in diagnostischen und therapeutischen Methoden" (Art 4 lit a) sowie über den beruflichen Werdegang und die dem Arzt zur Verfügung stehenden medizinischen Einrichtungen (Art 4 lit c und f) zulässig, soweit sie nicht gegen Art 1 bis 3 der Richtlinien verstoßen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen verstößt die gegenständliche Information über das Zahnambulatorium der Erstbeklagten in den von der Klägerin angeführten Punkten nicht gegen § 25 Abs 1 ÄrzteG iVm den Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit".
Die Hinweise auf Behandlungsmethoden im Bereich der Kieferorthopädie (zB die Anwendung einer Kopf-Kinn-Kappe bei Unterkiefervorlage) sind genauso wie die in der Information enthaltenen medizinischen Ratschläge (wie der Ersatz fehlender Milchzähne und die Versiegelung von Fissuren in den Backenzähnen) unbedenklich. Die Beklagten stellen kieferorthopädische Behandlungsmethoden seriös und objektiv unter Weglassung jeder sensationellen Aufmachung dar und erteilen medizinische Ratschläge, ohne aufdringlich zu wirken. Die Information erweckt auch nicht den Eindruck, daß die dargestellten Behandlungsmethoden bzw medizinischen Ratschläge nirgends so gut angewendet bzw befolgt werden könnten, wie gerade im Zahnambulatorium der Erstbeklagten oder daß sie nur dort angewendet würden (wie dies bei dem der Entscheidung RdM 1995, 118 zugrundeliegenden Sachverhalt der Fall war).
Gleiches gilt für die nach Art 6 der Richtlinien grundsätzlich zulässige Darstellung der medizinischen Tätigkeitsgebiete und Einrichtungen des Ambulatoriums und die Hinweise auf die Spezialisierung und den beruflichen Werdegang der dort tätigen Ärzte. Die Information erweckt auch nicht den Eindruck einer besonderen Exklusivität im Vergleich zu anderen. Insbesondere stellt sie die ärztlichen Leistungen des Ambulatoriums nicht so dar, daß der Leser annehmen könnte, diese Tätigkeiten würden nirgends in Graz so gut erbracht werden, wie gerade im Ambulatorium der Erstbeklagten. Ein reklamehaftes Herausstellen der eigenen Leistung im Sinn des Artikel 3 lit e der Richtlinien ist daher zu verneinen.
Die Nennung des Namens der in der Ambulanz tätigen Ärzte und deren Abbildung ist genauso unbedenklich wie die Anführung der Ambulanzzeiten. Anders als in dem RdM 1995, 23 zugrundeliegenden Fall wird hier die Information sachlich und ohne Elemente einer Reklame dargestellt, sie ist weder besonders hervorgehoben noch betont.
Die humoristisch gestaltete Zeichnung ist im Zusammenhang mit der hervorgehobenen Überschrift "Zahnschmerzen enden am Grazer Hauptbahnhof" im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ankündigungen sind marktschreierisch, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt werden können, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liegt (ÖBl 1984, 97 - "Wir sind immer billiger", ÖBl 1993, 161 - "Verhundertfachen Sie Ihr Geld"; ÖBl 1994, 20 - Casino-Gewinn; ÖBl 1995, 208 = WBl 1995, 250 - Persil Megaperls). Während marktschreierische Reklame im Wettbewerb zwischen Wirtschaftstreibenden nur dann wettbewerbswidrig ist, wenn ihr nachprüfbarer Tatsachenkern zur Irreführung geeignet ist, ist sie Ärzten auch dann untersagt, wenn keine Täuschungsgefahr besteht, weil diese Art der Werbung als solche mit dem Standesansehen unvereinbar ist. Entscheidend ist daher, ob der Arzt durch Übertreibungen die Aufmerksamkeit auf seine Ordination lenken wollte (RdM 1996, 57 - marktschreierische Werbung). Dies kann aber nicht bedeuten, daß einem Arzt jegliche Werbung mit ins Auge fallenden Slogans als "marktschreierisch" verboten werden müßte.
Nach Art 3 e der Richtlinien beeinträchtigen selbst Anpreisungen der eigenen Person oder Darstellungen der eigenen ärztlichen Tätigkeit das Standesansehen nur unter der weiteren Voraussetzung der reklamehaften Herausstellung dieser Tätigkeit in aufdringlicher, marktschreierischer Weise. Der Werbeslogan und die Zeichnung sind im vorliegenden Fall humoristisch gestaltet und beeinträchtigen ihrem Inhalt nach die Standesehre nicht. Sie erwecken zwar die Aufmerksamkeit des Lesers, preisen jedoch die Tätigkeit des Ambulatoriums nicht in aufdringlicher Weise an. Derartige humoristische Darstellungen mit einem per se das Standesansehen nicht beeinträchtigenden Werbeslogan sind keine standeswidrige Werbung im Sinn des Art 3 der Richtlinien.
Auch ein Verstoß gegen Art 3 lit h der Richtlinie liegt nicht vor. Die Verbreitung der Information im Wege einer gratis an Haushalte verteilten Werbezeitung ist anders zu bewerten als das Verteilen von Flugblättern und Postwurfsendungen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es bei der Beurteilung des Standesansehens nicht darauf an, ob der Empfänger der Werbebotschaft durch diese belästigt wird, wesentlich ist vielmehr, ob die Art der Verbreitung dem Standesansehen abträglich ist, was für Postwurfsendungen und Flugblätter, die vom Arzt selbst oder über seine Veranlassung verfaßt und mit denen er unmittelbar an die Öffentlichkeit tritt, zutrifft.
Im gegenständlichen Fall wurde die Öffentlichkeit wohl in einem vorwiegend der Werbung dienenden Journal informiert; aus dem Gesamtzusammenhang der Information (es werden auch Interviews mit dem Bürgermeister der Stadt Graz und dem Arbeiterkammerpräsidenten wiedergegeben) ist jedoch zu entnehmen, daß dieser Artikel redaktionell in Berichtsform gestaltet wurde. Ein den Richtlinien entgegenstehendes, das Standesansehen beeinträchtigendes Verhalten der Beklagten ist hier zu verneinen.
Für die Beurteilung, ob die Information als Anzeige im Sinn des Art 5 lit e der Richtlinien anzusehen ist, kommt es nicht auf den Hinweis im Impressum der Zeitschrift an, wonach alle Beiträge Inserate seien. Entscheidend ist vielmehr der Inhalt der Information in ihrem Gesamtzusammenhang. Dieser ergibt eine redaktionell aufbereitete Information. Sie ist keine "Anzeige" des Arztes im Sinn des Art 5 lit e der Richtlinien, sondern vielmehr eine einmalige PR-Information anläßlich der Eröffnung des Zahnambulatoriums. Sie läßt sich daher - abgesehen davon, daß nach Art 6 der Richtlinien die Verpflichtung besteht, standeswidrige Werbung durch Dritte zu unterbinden - als redaktionell gestalteter Text in bezug auf ihren Umfang nicht mit den in Art 5 lit e der Richtlinien genannten Anzeigen im Sinn von Annoncen oder Inseraten vergleichen. Der eine Viertelseite übersteigende Umfang der Information schadet daher nicht.
Ein Verstoß der Beklagten gegen § 25 Abs 1 und 3 ÄrzteG iVm der Richtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" als Voraussetzung einer Verletzung des § 1 UWG liegt somit nicht vor.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 402 Abs 4 und 78 EO,§§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben im Provisorialverfahren Kosten der Äußerung nicht verzeichnet, so daß ein Kostenzuspruch in diesem Umfang entfiel.