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OGH vom 27.06.2006, 3Ob139/06x

OGH vom 27.06.2006, 3Ob139/06x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nathalie L*****, geboren am , und Florian L*****, geboren am , infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des mj. Christoph P*****, geboren am , vertreten durch seine Mutter Manuela P*****, sowie außerordentlichen Revisionsrekurses und Rekurses der Mutter Manuela P*****, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in Imst als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 52 R 9/06i, 10/06m, 29/06f und 31/06z-440, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der (bisher) durch ihre Mutter vertretenen Minderjährigen gegen die Zurückweisung ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluss ON 401 wird Folge gegeben. Insoweit wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Außerstreitsache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die außerordentlichen Revisionsrekurse zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom (ON 204/II. Band) wurde der Mutter die Obsorge für ihre mj. Kinder Nathalie und Florian im Bereich der Vertretung entzogen und dem Land Tirol übertragen. Diese Entscheidung erwuchs infolge Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter gegen die bestätigende Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof am (3 Ob 18/06b-444; ON der zweitinstanzlichen Entscheidung dort irrtümlich mit 201 statt richtig 322 angegeben) rechtskräftig. Diese wurde der Mutter und deren Verfahrenshelfer am zugestellt.

Gegenstand der nunmehr angefochtenen Entscheidung eines Gerichtshofs sind die Regelung des Kontakts des älteren, ebenfalls noch minderjährigen Halbbruders Christoph der Pflegebefohlenen zu diesen; die Aufhebung der Besuchsbegleitung für den Vater der Minderjährigen und ein Antrag der Mutter auf Berichtigung zweier Beschlüsse des Rekursgerichts.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Rekurse der Mutter (Punkt 1.) und des mj. Christoph (Punkt 2.) als unzulässig zurück, den Berichtigungsantrag der Mutter dagegen ab (Punkt 3.). Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gegen diese Entscheidung im gesamten Umfang erhob die Mutter rechtzeitig (mit einem nicht unterschriebenen Schriftsatz) „Revisionsrekurs". Dieser wurde ihr und dem ihr bestellten Verfahrenshelfer zur Verbesserung durch anwaltliche Unterfertigung binnen 14 Tagen zurückgestellt.

Fristgerecht brachte nunmehr die Mutter ihren Rechtsmittelschriftsatz mit einem von ihr persönlich unterschriebenen Begleitschreiben wiederum ein (ON 447); dagegen brachte der Verfahrenshelfer diesen Schriftsatz mit einem neuen Mantel und von ihm unterschrieben, inhaltlich jedoch unverändert wiederum ein (ON 453). Der Vater nahm die ihm freigestellte Gelegenheit, eine Rechtsmittelbeantwortung einzubringen, nicht wahr.

Die in Wahrheit vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurse sind überwiegend unzulässig, zum Teil aber berechtigt; der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Rekurs:

Erkennbar bekämpft die Mutter auch die Ablehnung ihres Berichtigungsantrags. Da der betreffende Teil des angefochtenen Beschlusses nicht über ein Rechtsmittel erging, liegt insoweit kein Revisionsrekurs, sondern ein Rekurs vor. Das Verfahren ist einseitig, weil weder ein Beschluss in der Sache noch eine Kostenentscheidung vorliegt (§ 48 AußStrG). Den diesen Punkt betreffenden Ausführungen im Rechtsmittel ist in keiner Weise zu entnehmen, weshalb die tragende Begründung des angefochtenen Beschlusses, es liege kein Fall der Berichtigung (hier nach § 41 AußStrG iVm §§ 430, 419 ZPO) vor, weil die beiden betroffenen Beschlüsse dem Entscheidungswillen entsprächen, unrichtig sein sollte. Es genügt daher nach § 60 Abs 2 zweiter Satz AußStrG der Hinweis auf die Richtigkeit dieser Begründung.

2. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs des mj. Christoph ON 447:

Zutreffend ging schon das Gericht zweiter Instanz davon aus, dass auch der Minderjährige, selbst wenn das im Rekurs nicht ausdrücklich angegeben war, als Rechtsmittelwerber anzusehen sei. Dasselbe gilt somit auch für das Revisionsrekursverfahren, in dem auch der seinen Kontakt zu den Pflegebefohlenen in diesem Verfahren betreffende Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung angefochten wird. Auch wenn er bereits mündig ist, bleibt die Vertretungsbefugnis der obsorgeberechtigten Mutter nach § 104 Abs 2 AußStrG bestehen. Soweit diese vermeint, aus der E 3 Ob 18/06b ableiten zu können, es bestehe im Rechtsmittelverfahren keine Anwaltspflicht, ist sie jedoch im Irrtum. Abgesehen von der Anordnung des § 199 AußStrG, wonach das neue Gesetz auch auf schon anhängige Verfahren anzuwenden ist, datiert der erste Antrag des mj. Christoph auf Besuchsregelung aus dem Jahr 2005, weshalb kein dem der zitierten Entscheidung vergleichbarer Fall (damals waren die angefochtenen Entscheidungen des Erstgerichts noch 2004 gefällt worden, weshalb schon deshalb eine Anwendung des neuen, am in Kraft getretenen AußStrG in erster Instanz nicht in Betracht kam) vorliegt.

Damit hat aber der Minderjährige, vertreten durch die Mutter, die ihm gewährte Verbesserungsfrist nicht genützt. Die Verbesserung durch den Verfahrenshelfer der Mutter kann ihm nicht zugute kommen, weil dieser nicht zu seinem Vertreter bestellt wurde, sondern nur zu dem seiner Mutter. Sein Rechtsmittel entbehrt daher der nach § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG erforderliche Unterschrift eines Rechtsanwalts und ist somit - was nach § 67 AußStrG schon Sache des Erstgerichts gewesen wäre (1 Ob 130/05g; RIS-Justiz RS0120077) - ohne inhaltliche Prüfung (als unwirksam) zurückzuweisen (6 Ob 308/05w).

3. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter ON 453:

Darin wird zwar entsprechend § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG dargelegt, weshalb der Revisionsrekurs entgegen der Ansicht der zweiten Instanz doch für zulässig erachtet werde; erhebliche Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG werden jedoch nur in einem Punkt aufgezeigt. In Ansehung des Kontakts des mj. Bruders Christoph zu den pflegebefohlenen Halbgeschwistern lehnte schon das Rekursgericht eine Beschwer der Mutter aller drei Kinder durch die erstinstanzliche Entscheidung ab. Wieso das nicht richtig sein soll, wird im außerordentlichen Rechtsmittel nicht ausgeführt.

Die Verneinung eines eigenes Rechtsmittelrechts der Mutter in Ansehung des Beschlusses ON 201 bedeutet keine Verkennung der Rechtslage durch das Gericht zweiter Instanz. Verfahrensgegenstand ist die Aufhebung der Anordnung einer Besuchsbegleitung (iSd § 111 AußStrG, früher § 185c AußStrG 1854) für den Umgang des Vaters mit den mj. Kindern Nathalie und Florian. Er war (im Dezember 2005) Antragsteller iSd § 2 Z 1 AußStrG. Der Mutter selbst wäre Parteistellung nur nach Maßgabe der Z 3 und 4 leg. cit. zuzubilligen, weil der Vater in seinem Antrag keinen Gegner nannte. Von Gesetzes wegen genießt der andere Elternteil keine Parteistellung; es wird aber auch in seine Rechte durch die hier verfahrensgegenständliche Regelung der Besuchsmodalitäten nicht eingegriffen. Den Kindern wurde durch § 148 Abs 1 ABGB idF KindRÄG 2001 im Einklang mit der bisherigen Rsp ausdrücklich das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem nicht betreuenden Elternteil eingeräumt (Stabentheiner in Rummel³ ErgBd § 148 ABGB Rz 1, 1a mwN; Nademleinsky in Schwimann³ § 148 ABGB Rz 8); dieses ist auch durch eine auf Antrag desselben ergehende Entscheidung stets betroffen. Parteistellung kommt daher nach § 148 Abs 1 ABGB idF KindRÄG 2001 allein den Kindern selbst zu, die idR vom betreuenden Elternteil vertreten werden (Stabentheiner aaO Rz 1d; Nademleinsky aaO Mayr (Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen3 Rz 409). Die gegenteilige Rsp zur früheren Rechtslage (etwa 7 Ob 106/99k = EFSlg 91.505, 91.492 mwN) ist damit überholt. Für die Regelung der Besuchsbegleitung als bloßer Teilaspekt des Besuchsrechts kann dann nichts anderes gelten. Auch insoweit ist daher das Rechtsmittel der Mutter nicht zulässig. Allerdings ist dann - wie in Ansehung des älteren Sohns - auch im hier zu beurteilenden Umfang das Rechtsmittel als solches der durch die Mutter vertretenen mj. Kinder zu werten.

Zu Unrecht vertrat dann jedoch das Gericht zweiter Instanz die Auffassung, der Mutter stehe schon im Zeitpunkt seiner Entscheidung am die Vertretung der Kinder nicht mehr zu. In Wahrheit wurde wie eingangs dargelegt die betreffende Entscheidung ON 204 erst durch die Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 3 Ob 18/06b, an sie am - also erst nach Einbringen des außerordentlichen Revisionsrekurses - formell rechtskräftig (RIS-Justiz RS0047224; Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² § 411 ZPO Rz 2). Daran ändert die fristgerechte Verbesserung, die erst nach diesem Datum erfolgte, gemäß § 10 Abs 5 AußStrG nichts, gilt demnach doch der Revisionsrekurs als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht.

Der nachträgliche Wegfall der Vertretungsbefugnis der Mutter für die Kinder bewirkt nicht die Unzulässigkeit des ihnen zuzurechnenden außerordentlichen Revisionsrekurses. Wie sich aus § 58 AußStrG ableiten lässt, soll zwar nach dem Willen des Gesetzgebers die Aufhebung von Gerichtsentscheidungen im Verfahren außer Streitsachen wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs die Ausnahme bleiben, sofern eine Bestätigung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung ohne weitere Erhebungen einzutreten hat. Eine Bestätigung der Zurückweisung des Rekurses auch in Ansehung der Kinder kann allerdings deshalb nicht erfolgen, weil die Mutter zu Recht aufzeigt, dass sie in Wahrheit zur Zeit der angefochtenen Entscheidung noch vertretungsbefugt war, diese aber allein aus dem Mangel dieser Befugnis die mangelnde Beschwer der Mutter selbst ableitet, dagegen die implizite Beteiligung der durch sie vertretenen Kinder gar nicht erkannte und somit auch diesen das Gehör verweigerte. Aber auch eine Abänderung in eine Sachentscheidung scheint ohne ergänzende Erhebungen nicht möglich.

Daher ist die Entscheidung zweiter Instanz im dargestellten Umfang nach § 58 Abs 3 AußStrG aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen. Den Verfahrensmangel (Gehörverletzung) wirft die Mutter - neben anderen - schon in ihrem Rekurs dem Erstgericht der Sache nach vor. Tatsächlich waren weder die Kinder noch deren damals noch vertretungsbefugte Mutter in die Entscheidungsfindung in irgendeiner Weise einbezogen worden. Sie hatten keine Gelegenheit, sich in erster Instanz zum Antrag des Vaters zu äußern. Ob sie dies im Rekurs ausreichend tun konnten und eine Sachentscheidung iSd § 58 Abs 1 oder 3 AußStrG möglich ist, wird das Gericht zweiter Instanz zu entscheiden haben.