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OGH 20.03.2024, 6Ob207/05t

OGH 20.03.2024, 6Ob207/05t

Rechtssätze


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Normen
HGB §277 ff
HGB §283
EWG-RL 68/151/EWG - Publizitätsrichtlinie 368L0151 allg, EWG-RL 78/660/EWG - Bilanzrichtlinie 378L0660 allg
UGB §277
UGB §283 Abs3
RS0113285
Die detaillierten Regelungen der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ließen dem nationalen Gesetzgeber einen nur sehr geringen Umsetzungsspielraum; er hat dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abgesichert wird. Die Gestaltung dieser Sanktionen überlassen die Richtlinien dem nationalen Gesetzgeber, sodass nur unverhältnismäßige und damit unsachliche Strafen auch nach innerstaatlichem Recht unzulässig wären. Die in Umsetzung der Richtlinie vom österreichischen Gesetzgeber getroffene Regelung ist auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn die Zwangsstrafe zufolge fortgesetzter Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen mehrmals gegen alle Geschäftsführer verhängt wird.
Normen
DSG §1 Abs2
HGB §277
HGB §283
EG-RL 2003/58/EG - Änderungsrichtlinie zur Publizitätsrichtlinie 32003L0058 allg
EWG-RL 68/151/EWG - Publizitätsrichtlinie 368L0151, EWG-RL 78/660/EWG - Bilanzrichtlinie 378L0660 allg
UGB §283 Abs3
RS0113089
Dass die in Österreich umgesetzten Richtlinien nicht gegen Primärrecht verstoßen, ist durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom , C-97/96 ("Daihatsu-Urteil") klargestellt. Gegen die Verfassungsgemäßheit der Umsetzung der Richtlinien bestehen keine Bedenken, und zwar weder im Hinblick auf § 1 DSG noch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz.
Normen
HGB §277 ff
HGB §283
EG-RL 2003/58/EG - Änderungsrichtlinie zur Publizitätsrichtlinie 32003L0058 allg
EWG-RL 68/151/EWG - Publizitätsrichtlinie 368L0151 allg, EWG-RL 78/660/EWG - Bilanzrichtlinie 378L0660 allg
EB Amsterdam Art44 Abs2 lita
RS0113282
1. Die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB an die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften richten sich an alle Geschäftsführer. Adressaten der Zwangsstrafenandrohung sind alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorganes, unabhängig von einer Geschäftsverteilung. Die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden Geschäftsführer führt weder zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übt das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus.

2. Die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen wurden durch das GesRÄG 1996 in richtlinienkonformer Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates (Publizitäts-RL 68/151/EWG und Bilanz-RL 78/660/EWG) formuliert, die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Danach liegt der Zweck in der Koordination von Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften in ihren Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu halten. Die detaillierten Bestimmungen dieser Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber nur geringen Umsetzungsspielraum; er ist auch dann zur Umzusetzung verpflichtet, wenn dies nur unter Verletzung von Grundrechten möglich wäre.

3. Es besteht kein Zweifel, dass die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen der 1. und 4. Richtlinie des Rates mit den Grundrechten der Gemeinschaft vereinbar sind.
Normen
HGB §277 ff
HGB §283 Abs1
RS0113283
Wenngleich es ausreicht, dass die Einreichung des Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht durch die Geschäftsführer in der vertretungsbefugten Anzahl erfolgt, richten sich die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB an die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, somit an alle Geschäftsführer. Unterbleibt die Offenlegung, sind nach § 283 Abs 1 HGB auch die Vorstandsmitglieder beziehungsweise Geschäftsführer zur Befolgung der Offenlegungsvorschriften durch Zwangsstrafen anzuhalten. Schon diese Formulierung weist als Adressaten der Zwangsstrafenandrohung alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorganes aus. Auf die für das Innenverhältnis maßgebliche Geschäftsverteilung kommt es dabei nicht an. Der Umstand, dass die Zwangsstrafe gegen alle Geschäftsführer verhängt werden kann, findet seine sachliche Rechtfertigung in der jeden Geschäftsführer der GmbH unabhängig von einer allfälligen Geschäftsverteilung treffenden Pflicht zur Rechnungslegung, deren Überprüfung und Unterfertigung.
Normen
RS0122180
Begründete das Rekursgericht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgend umfangreich, warum es den Rekurs für inhaltlich nicht berechtigt hält, kann sich die Rekurswerberin durch den formell ihren Rekurs zurückweisenden Spruchteil nicht beschwert erachten.
Normen
KO §119 Abs5 D
KO §171
ZPO §528 Abs1 Z2 C2
RS0044207
Bei rekursgerichtlicher Verneinung einer Beschwer des Gemeinschuldners durch die erstgerichtliche Ablehnung der Ausscheidungsfähigkeit behaupteter Amtshaftungsansprüche des Gemeinschuldners gegen den Masseverwalter liegt in Wahrheit nicht eine Zurückweisung, sondern eine Abweisung des Rekurses vor, gegen die ein weiterer Rechtszug an den OGH nicht mehr offensteht.
Normen
HGB §277 ff
HGB §283
EWG-RL 68/151/EWG - Publizitätsrichtlinie 368L0151 allg, EWG-RL 78/660/EWG - Bilanzrichtlinie 378L0660 allg
UGB §277
EG Amsterdam Art44 Abs2 litg
RS0113284
Die durch das GesRÄG 1996 getroffenen innerstaatlichen Regelungen erfolgten in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom - Bilanzrichtlinie), die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Danach liegt der Zweck in der Koordination von Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften in ihren Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu halten. In Auslegung dieser Bestimmung hat der Europäische Gerichtshof erkannt ( Slg 1997 I - 6843 - Daihatsu), dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation nicht hinreichend kennen oder kennen können. Für eine Abwägung der Interessen Dritter an der Information gegenüber jenen der Gesellschaft an deren Geheimhaltung anhand besonderer Marktsituationen bleibt kein Raum.
Normen
RS0112094
Die Gesellschaft ist gegen die über ihren Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe rechtsmittellegitimiert.
Normen
RS0007051
Hat das Rekursgericht zu Unrecht einen Rekurs zurückgewiesen, der nach dem vorliegenden Sachverhalt sachlich abgewiesen hätte werden sollen, so kann der OGH eine mit der Rekursentscheidung inhaltlich übereinstimmende Sach - Entscheidung fällen (siehe auch 1 Ob 176, 177/50). (SZ 34/56).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen L***** GmbH mit dem Sitz in Guntramsdorf, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Mag. Werner W***** und Dr. Martin W*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 194/05m-6, womit der Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 8 Fr 851/05h-3, zurückgewiesen und den Rekursen der Geschäftsführer nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 FBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn das Rekursgericht den Rekurs der Gesellschaft entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu deren Rekurslegitimation (RIS-Justiz RS0112094; 6 Ob 124/05m) zurückgewiesen hat, ist der Beschluss nicht zur sachlichen Erledigung des Rechtsmittels durch die zweite Instanz aufzuheben. Das Rekursgericht hat inhaltlich auch den Rekurs der Gesellschaft einer sachlichen Erledigung zugeführt. Begründete das Rekursgericht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgend, warum es den Rekurs inhaltlich nicht für berechtigt hält, kann sich die Rekurswerberin durch den formell ihren Rekurs zurückweisenden Spruchteil nicht beschwert erachten (RIS-Justiz RS0044207). Diese Rechtsprechung kann auch im Geltungsbereich des Außerstreitgesetzes BGBl I 2003/111 jedenfalls insoweit aufrecht erhalten werden, als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs - wie im vorliegenden Fall - nicht zu befürchten ist (vgl 6 Ob 124/05m).

Die im Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die Bestimmung des § 283 Abs 1 HGB im Hinblick darauf, dass bei mehreren Geschäftsführern über jeden Geschäftsführer gesondert eine Zwangsstrafe zu verhängen sei, mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei, weil Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern gegenüber solchen, die nur von einem Geschäftsführer vertreten würden, wirtschaftlich benachteiligt seien, hat der Oberste Gerichtshof bereits beantwortet (SZ 73/44), worauf das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2005:0060OB00207.05T.1006.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAD-39146