OGH vom 22.09.1993, 5Ob542/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes Daniela P*****, geboren am , Schülerin, in der Obsorge der Mutter Karin P*****, Hausarbeiterin, ***** vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 2.Bezirk, Karmelitergasse 9, 1020 Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 43 R 136/93-43, womit über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 4 P 14/90-21, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Text
Begründung:
Im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe der Eltern verpflichtete sich der Vater am im gerichtlichen Vergleich vor dem Erstgericht zur Leistung des monatlichen Betrages von S 2.000,- für den Unterhalt seines Kindes.
Am beantragte das Kind durch den Jugendwohlfahrtsträger die Gewährung monatlicher Unterhaltsvorschüsse von S 2.000,-, weil die zu 10 E 9096/92 des Bezirksgerichtes Döbling geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen den Unterhalt für die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht gedeckt habe. Der Exekutionsbewilligungsbeschluß habe dem Drittschuldner nicht zugestellt werden können, weil er verzogen und eine aktuelle Adresse nicht bekannt sei.
Das Erstgericht entschied am und gewährte dem Kind für die Zeit vom bis monatliche Unterhaltsvorschüsse von S 2.000,-, nachdem der Jugendwohlfahrtsträger dem Gericht am mitgeteilt hatte, der Vater sei schon seit dem nicht mehr beim Drittschuldner beschäftigt, eine am eingeholte Sozialversicherungsanfrage ergeben hatte, daß der Vater am bei einem anderen Dienstgeber als beschäftigt gemeldet war und der Vater bei seiner Vernehmung am angegeben hatte, daß er seit dem arbeitslos sei. Die weitere Sozialversicherungsanfrage zum Stichtag ergab, daß keine relevanten Daten gespeichert sind. Am betrieb der Jugendwohlfahrtsträger die Unterhaltsvorschußgewährung, weil das Arbeitsamt bekanntgegeben habe, daß vor Mitte Dezember mit einer Entscheidung über den Antrag des Vaters auf Gewährung von Arbeitslosenunterstützung nicht zu rechnen sei.
Das Rekursgericht wies über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab. Die Voraussetzungen nach dem § 3 Z 2 UVG fehlten, weil ein potentielles Exekutionsobjekt nach Auflösung des Dienstverhältnisses des Vaters mit nicht mehr gegeben war. Der Vorschußgrund nach § 4 Z 1 UVG sei nicht in Anspruch genommen worden und auch nicht vorgelegen, weil der Vater nach seinen Angaben bis zum arbeitete und erst seither als arbeitssuchend gemeldet gewesen sei. Von einer Exekutionsführung nach § 3 Z 2 UVG könne nur gesprochen werden, wenn der betreibende Gläubiger alle Verfahrenshandlungen setze, um den Fortgang der Exekution zu sichern (EFSlg 54.701). Wenn die Anschrift des Drittschuldners nicht bekannt war, hätte ein Antrag auf Bestellung eines Zustellkurators gestellt werden müssen. Unterhaltsvorschüsse aus dem Grund des § 3 Z 2 UVG seien nur zu gewähren, wenn eine ordnungsgemäße Exekution nicht zum Ziel führe.
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes ist zulässig (§ 14 Abs 1 AußStrG und § 15 Abs 3 UVG idF des Revisionsrekurs-Anpassungsgesetzes BGBl 1989/654) und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 3 UVG sind dem minderjährigen Kind auf den gesetzlichen Unterhalt Vorschüsse zu gewähren, wenn ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeträge geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt hat; dabei sind hereingebrachte Unterhaltsrückstände auf den laufenden Unterhalt anzurechnen. Das Kind hat sich im Antrag darauf berufen, daß eine unmittelbar nach Einschaltung des Jugendwohlfahrtsträgers als Sachwalter nach § 212 Abs 2 ABGB geführte Lohnexekution erfolglos geblieben sei. Mit dem Unterhaltserhöhungsantrag vom war noch die Lohnbestätigung des als Gerüster bei der Baugesellschaft tätigen Vaters vom vorgelegt worden. Das Exekutionsgericht hatte die Lohnexekution am bewilligt und am den Jugendwohlfahrtsträger verständigt, daß dem Drittschuldner die Ausfertigung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses wegen eines Postfehlberichtes nicht zugestellt werden konnte. Darauf hatte der Jugendwohlfahrtsträger am den Antrag auf Gewährung der Vorschüsse gestellt und schon am dem Gericht mitgeteilt, daß der Vater nach Auskunft des Drittschuldners seit dem nicht mehr dort beschäftigt ist.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes lagen zur Zeit der Entscheidung durch das Erstgericht am die Voraussetzungen für die Gewährung der Unterhaltsvorschüsse vor und das Erstgericht hat sie zu Recht bewilligt. Das Kind besaß einen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitel und die aufgrund dieses Titels bewilligte Exekution auf das Arbeitseinkommen hatte keinen Unterhalt hereingebracht, also jedenfalls auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbetrag nicht voll gedeckt. Nach § 10 UVG hat über die Gewährung von Vorschüssen das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Damit gilt auch die Bestimmung des § 2 Abs 3 Z 10 AußStrG, wonach "das Gericht keine zu seiner und der Teilnehmenden Sicherheit nötige Vorsicht vernachlässigen, aber den Parteien auch nicht durch Zweifelsucht und Ängstlichkeit oder durch Zurückweisung der Gesuche wegen Mangels unwesentlicher Förmlichkeiten Schaden verursachen soll". Bei fiskalischen Überlegungen wegen des Aufwandes an Vorschüssen muß bedacht werden, daß gerade die Wahl des außerstreitigen Verfahrens erfolgte, um das Verfahren, in dem über die Gewährung von Vorschüssen entschieden wird, möglichst rasch und ohne viel Förmlichkeiten abwickeln zu können (RV 5 BlgNR 14. GP 9 in Ent-Hopf, UVG, 48). Hätte der Drittschuldner in einer Äußerung bekanntgegeben, die Pfändung der Bezüge sei ins Leere gegangen, weil das Arbeitsverhältnis vor Zustellung des Pfändungsbeschlusses beendet wurde und keine Lohnansprüche des Dienstgebers unberichtigt sind, so wäre von einer erfolglos geführten Exekution iSd § 3 Z 2 UVG auszugehen. Dies kann aber nicht anders beurteilt werden, wenn der Pfändungsbeschluß dem dienstgeber wegen einer Änderung seiner Abgabestelle zunächst nicht zugestellt werden konnte, dem Sachwalter des Kindes aber im Zuge der Ausforschung der neuen Anschrift bekannt wurde, daß das Arbeitsverhältnis mittlerweile beendet war. Das Kind dann darauf zu verweisen, die Exekution habe noch zum Erfolg führen können, wenn die Bestellung eines Zustellkurators beantragt worden wäre, bedeutet eine zu vermeidende Überspitzung der Anforderungen an den Sachwalter des Kindes. Daß der Vater inzwischen ein weiteres Arbeitsverhältnis eingegangen war, das aber zur Zeit, als eine neue Exekution beantragt werden konnte, ebenfalls schon beendet war, führt nicht zur Versagung der Unterhaltsvorschüsse. Auch ein Zuwarten, ob und wann Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung zuerkannt werden, ist dem Kind, das durch die Gewährung der Vorschüsse eine rasche Sicherung seines Unterhaltsbedarfes erlangen soll, wogegen der Bund dann diese Auslagen wieder hereinbringen soll (vgl JAB 199 BlgNR 14. GP, 2 in Ent-Hopf, UVG, 26), nicht zuzumuten.
Die den Bedenken des Präsidenten des Oberlandesgerichtes folgende Verweigerung der Vorschüsse durch das Rekursgericht entspricht daher nicht der Rechtslage. Zutreffend fordert das Kind durch seinen Sachwalter eine wirklichkeitsnahe Betrachtung bei den an den Vorschußantrag zu stellenden Anforderungen. Selbst wenn die Angabe im Antrag unzureichend oder irreführend gewesen wäre, hätte nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen das Gericht nicht sofort mit einer Abweisung vorgehen, sondern Aufklärung herbeiführen müssen. In den zwei Monaten bis zur Entscheidung über den Antrag waren aber die allenfalls vorhandenen Unklarheiten beseitigt. Die Vorschüsse waren sodann zu gewähren.