OGH vom 28.03.1996, 6Ob2056/96p

OGH vom 28.03.1996, 6Ob2056/96p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** des Landesgerichtes Ried im Innkreis registrierten A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch den Geschäftsführer Ing.Günter W*****, vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG, Rechtsanwälte in Linz, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , AZ 6 R 225/95 (16 Fr 1972/95k-3), womit dem Rekurs der W*****, gegen den Eintragungsbeschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 16 Fr 940/95v-6, teilweise Folge gegeben und die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach § 10 Abs 2 FBG aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Rekurs der Wirtschaftskammer Oberösterreich zurückgewiesen wird.

Die verfügte Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach § 10 Abs 2 FBG wird aufgehoben.

Die aufgrund dieser Entscheidung notwendigen Eintragungen im Firmenbuch hat das Erstgericht vorzunehmen.

Text

Begründung:

Der Gegenstand des Unternehmens der antragstellenden Gesellschaft besteht nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag 1. in der Ausbildung von Lehrlingen; 2. in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften, und 3. in der Personalentwicklung.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs der Wirtschaftskammer ***** gegen den Eintragungsbeschluß des Erstgerichtes mit der wesentlichen Begründung stattgegeben, daß die Firma einer Gesellschaft mbH nach den allgemeinen Grundsätzen des § 18 Abs 2 HGB keine Bestandteile enthalten dürfe, die zur Herbeiführung einer Täuschung über die Art und den Umfang des Geschäftes oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers geeignet wären. Im Wort "Zentrum" in der Firma eines Unternehmens werde ein Hinweis auf dessen besondere Größe und Bedeutung verstanden. In Verbindung mit einer Ortsbezeichnung werde der Eindruck erweckt, daß es sich um ein Unternehmen handle, dem eine Vorrang- oder Alleinstellung zukomme. Nach dem Rekursvorbringen der Wirtschaftskammer ***** sei davon auszugehen, daß in ***** mehrere Erwachsenenbildungseinrichtungen bestünden und insbesondere das "WIFI" eine größere Anzahl von Kursen und Ausbildungseinrichtungen anbiete. Die Firma der antragstellenden Gesellschaft sei daher zur Täuschung geeignet, weshalb dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens im Sinne des § 10 Abs 2 FBG aufzutragen gewesen sei, weil die Eintragung der Firma im Firmenbuch bereits vollzogen worden sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Gesellschaft mbH, den Beschluß des Rekursgerichtes (ersatzlos) aufzuheben; hilfsweise wird beantragt, den Beschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels führt die Rekurswerberin aus, daß die Wirtschaftskammern gemäß § 1 Abs 1 HKG berufen seien, gemeinsame Interessen von juristischen Personen zu vertreten, die sich aus dem selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie oder der sonst in dieser Bestimmung aufgezählten Zweige ergeben. Voraussetzung für die Rekurslegitimation der Wirtschaftskammer ***** sei es, daß sie die zuständige Interessenvertretung für die antragstellende Gesellschaft wäre. Dies sei nicht der Fall. Der Geschäftszweig der Gesellschaft umfasse ausschließlich die Lehrlings- und Erwachsenenbildung, dieser Geschäftszweig gehöre nicht zu den im § 1 Abs 1 HKG angeführten Geschäftszweigen. Überdies sei die antragstellende Gesellschaft gemeinnützig und nicht gewinnorientiert. Die Wirtschaftskammer ***** sei daher nicht im Sinne des § 14 Abs 3 FBG zur Erhebung eines Rekurses legitimiert gewesen. Zu diesem Rekursvorbringen ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 14 Abs 3 FBG haben die zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen das Gericht bei der Vermeidung unrichtiger Eintragungen, bei der Berichtigung und Vervollständigung des Firmenbuchs sowie beim Einschreiten wegen unzulässigen Firmengebrauchs zu unterstützen; sie können zu diesem Zweck Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Damit hat der Gesetzgeber den Interessenvertretungen zwar keine allgemeine, aber doch eine zweckbeschränkte Antrags- und Rechtsmittelbefugnis zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen eingeräumt. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits einmal mit der Frage zu befassen, was unter dem Begriff "zuständige" Interessenvertretung zu verstehen ist. Es können nicht alle gesetzlichen Interessenvertretungen, deren Mitglieder von einer unrichtigen Eintragung im Firmenbuch betroffen sind, Rechtsmittel erheben, sondern nur die, deren Mitglied der eingetragene Rechtsträger ist (6 Ob 3, 8/94 = NZ 1996, 67). Diese Auslegung entspricht der Erläuterung des Gesetzgebers, wonach nur die gesetzliche Interessenvertretung als "zuständig" anzusehen sei, "der der Rechtsträger angehört oder angehören wird" (AB 23.BlgNR 18.GP 14). Die Rekurswerberin führt gegen die Einschreitungsbefugnis der Wirtschaftskammer ins Treffen, daß nach § 1 Abs 1 HKG (BGBl 1946/182 idgF) ein Vertretungsrecht nur für den selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie und dort weiters angeführten Zweige bestehe, die Tätigkeit der Rekurswerberin aber nicht darunter falle. Da zu dieser Frage eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliegt, ist der Revisionsrekurs zulässig.

Was unter einer Unternehmung des Gewerbes zu verstehen ist, wird im HKG nicht definiert. Die Gewerbeordnung 1994 (BGBl 1994/194) gilt für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten (§ 1 Abs 1 GewO 1994). Nach der Legaldefinition wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll. Selbständigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, liegt auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll (§ 1 Abs 2, 3 und 5 leg cit). Wenn ein Unternehmen eine Tätigkeit ausübt, die die genannten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt, liegt ein Gewerbeunternehmen vor, es sei denn, die Tätigkeit gehörte zu einem der in § 2 GewO 1994 aufgezählten Zweige. Gemäß § 2 Abs 1 Z 12 leg cit ist die Gewerbeordnung nicht auf die Ausübung der Erwerbszweige des Privatunterrichtes und der Erziehung und den Betrieb jener Anstalten, die diesen Aufgaben dienen, ferner die gewerblichen Arbeiten von öffentlichen Schulen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschulen anzuwenden. Der Unternehmensgegenstand der rekurrierenden Gesellschaft besteht in der Lehrlings- und Erwachsenenbildung, also im Vermitteln von Wissen und Fähigkeiten. Der Unterricht durch Privatpersonen gehört nach der zitierten Gesetzesstelle nicht zu den der Gewerbeordnung unterliegenden Tätigkeiten. Diese gesetzliche Ausnahmebestimmung gilt schon seit der mit dem RGBl 1859/227 eingeführten Gewerbeordnung (Art V lit h des Kundm.P v. 20.Dezember 1859). In den Gesetzesmaterialien zur GewO 1973 (BGBl 1974/50) wird ausgeführt, daß die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 12 GewO alle Arten des Privatunterrichtes umfasse, also nicht nur die Privatschulen im Sinne des Privatschulgesetzes (BGBl 1962/244), sondern auch Privatschulen, die deshalb nicht unter das genannte Gesetz fallen, weil ein erzieherisches Ziel nicht angestrebt wird (395 BlgNR XII.GP 107). Unter die Ausnahmebestimmung fallen beispielsweise auch Zivilluftfahrschulen, Reitschulen, Tanzschulen uä (Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994 Anm 36 zu § 2; Gersche/Steuer, Komm zur Gewerbeordnung Anm 9 zu § 2). Jede auf die Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten gerichtete Tätigkeit ist als Unterricht aufzufassen und dem Begriff Privatunterricht zuzuordnen, wenn der Vermittler (Lehrer, Unterrichtende) eine Tätigkeit als Privatperson ausübt. Dies kann auch eine Gesellschaft mbH sein, die nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden kann (§ 1 Abs 1 GmbHG). Der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten an Lehrlinge oder Erwachsene stehen zwingende gesetzliche Bestimmungen nicht entgegen. Bei der Beurteilung, ob eine gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit vorliegt, ist die zu beurteilende Tätigkeit des Unternehmers ausschlaggebend, hier also die Tätigkeit des Unterrichtenden. Daß die Schüler oder auszubildenden erwachsenen Personen nach Abschluß der Ausbildung in die Lage versetzt werden, selbst einen selbständigen Gewerbebetrieb führen zu können, bewirkt noch nicht, daß die Tätigkeit des Ausbildenden dadurch zu einer Tätigkeit einer Unternehmung des Gewerbes im Sinne des § 3 Abs 2 HKG wird, wenn auch die Vermittlung von Fertigkeiten, deren gewerbliche Ausübung den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegt und zur Aus- und Weiterbildung im Beruf benötigt werden, aus dem allgemeinen Schulbegriff herausfallen mag und insofern den Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie zuzuordnen wäre (in diesem Sinn ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Gesetzeskompetenz:

VfGHSlg 3234). Da der Erwerbszweig des Privatunterrichtes gemäß § 2 Abs 1 Z 12 GewO vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen und für die Ausübung der Unterrichtstätigkeit eine Gewerbeberechtigung oder eine sonstige behördliche Berechtigung nicht erforderlich ist, fehlt es an der gesetzlichen Voraussetzung für eine Mitgliedschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 3 Abs 2 HKG. Ein im Unterrichtsbereich tätiges Unternehmen könnte nur dann Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft sein, wenn es seinen an eine Berechtigung gebundenen Betrieb in einem anderen in der zitierten Gesetzesstelle neben dem Gewerbe angeführten Erwerbszweig ausübte, beispielsweise im Verkehrswesen. Kraftfahrschulen werden im Gesetz sogar besonders angeführt (§ 1 Abs 1 HKG), woraus der Schluß zu ziehen ist, daß alle Unterrichtstätigkeiten, die nicht den im Gesetz angeführten Erwerbszweigen zugeordnet werden können, keine Mitgliedschaft bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft begründen. Nach der schon zitierten Judikatur des erkennenden Senats (NZ 1996, 67) war daher die Wirtschaftskammer ***** entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes keine zuständige gesetzliche Interessenvertretung, der eine Antragslegitimation nach § 14 Abs 3 FBG iVm § 1 Abs 1 HKG zukam. Dem Revisionsrekurs der antragstellenden Gesellschaft ist daher stattzugeben.

Nur ergänzend ist zum Rekursvorbringen über die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Gesellschaft auszuführen, daß es für die Beurteilung der Frage der Mitgliedschaft der Gesellschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft nicht darauf ankommt, ob sie ihre Tätigkeit in Gewinnabsicht oder ohne eine solche Absicht ausübt. Den Rekursausführungen zu diesem Punkt ist der Wortlaut des Gesetzes entgegenzuhalten, wonach Mitglieder der Kammern auch diejenigen Unternehmungen sind, welche in den im § 3 Abs 2 HKG angeführten Geschäftszweigen (ua des Gewerbes) tätig sind, auch wenn sie nicht in der Absicht betrieben werden, einen Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteile zu erzielen (§ 3 Abs 4 HKG). Letztere Gesetzesbestimmung wurde mit dem BG BGBl 1991/620 eingeführt.