OGH vom 27.11.2019, 6Ob205/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. D***** A*****, vertreten durch Wildmoser, Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.052.148,31 EUR sA, Feststellung, Unterlassung, Widerruf sowie Veröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 159/18k-16, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 58 Cg 32/18d-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 9.410,58 EUR (darin 1.568,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war von 1974 bis 2005 Geschäftsführer eines großen österreichischen Bauunternehmens („Bau GmbH“). 2005 war er Geschäftsführer, von 2006 bis 2011 Aufsichtsratsvorsitzender der Holdinggesellschaft des Konzerns („Holding“). Seit Gründung bis 2012 war er auch Minderheitsgesellschafter der Holding.
Am wurde das Sanierungsverfahren über die Bau GmbH eröffnet und am in ein Konkursverfahren umgewandelt. Am wurde der Konkurs über die Holding eröffnet.
Der Insolvenzverwalter der Bau GmbH beauftragte die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Ursachen des Vermögensverfalls der Bau GmbH sowie damit zusammenhängend des Konzerns im Zeitraum 2004 bis 2012 zu analysieren bzw weitere verbale Erläuterungen über die jüngere Vergangenheit bis Juni 2013 zu erstellen. In der Folge beauftragten die beiden Insolvenzverwalter sowohl der Bau GmbH als auch der Holding die Beklagte mit einer weiteren Analyse zu spezifischen Themenstellungen der Insolvenzen.
Die Beklagte wies in ihrem ersten Gutachten vom ausdrücklich darauf hin, „dass eine Weitergabe dieses Berichtes an Dritte nur mit unserer ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung gestattet ist und den Abschluss einer Vereinbarung zur haftungsbeschränkenden Verwendung mit dem jeweiligen Dritten voraussetzt.“
Die Beklagte hielt in ihren beiden Gutachten vom und vom jeweils fest, dass Basis ihrer Untersuchung und Analysen die von der (ehemaligen) Geschäftsführung und (ehemaligen) Mitarbeitern der Bau GmbH zur Verfügung gestellten Informationen bilden.
Die Beklagte identifizierte in den beiden Gutachten folgende fünf Gründe für den Vermögensverfall:
„- eine starke Expansion ins Ausland sowie nicht profitables Wachstum
- nicht ausreichende Kontrollen bzw. mangelhaftes Projektmanagement (IKS)
- keine adäquate Unternehmens- und Projektsteuerung
- unzureichend qualifiziertes Personal
- schlechte Projektkalkulationen
- Probleme in der Anwendung von FIDIC-Verträgen.“
In den Gutachten finden sich unter anderem jene Passagen, auf die der Kläger nun seine Ansprüche stützt:
„Es waren wesentliche Ansätze zur Expansion somit ganz klar bereits [vor dem Einstieg der Mehrheitseigentümerin] erkennbar, dies insbesondere, da [der Kläger] bereits vor dem Einstieg der [Mehrheitseigentümerin] sehr stark auf Expansion drängte. […] Die treibende Kraft dieser raschen und unstrukturierten Expansion war nach überwiegender Auffassung der befragten Mitarbeiter [der Kläger]. Unisono wurde erklärt, dass diese Expansion sehr opportunistisch getrieben und ohne Gesamtstrategie stattfand ('wir gingen dahin, wo sich eine Chance auf ein Projekt bot').“
[…]
„Eine weitere wesentliche Ursache – vielleicht sogar der zentrale Grund, warum die oa Schwächen in dieser Ausprägung entstehen konnten – lag auskunftsgemäß in der sehr autokraten Führungsstruktur, geprägt durch den Mehrheitseigentümer [...] sowie durch [den Kläger]: '... Widersprüche waren nicht willkommen, schlechte Projektergebnisse wollte man nicht hören ...'. Ein unstrukturierter und zugleich individueller Führungsstil prägte die gesamte Organisation.“
[…]
„Getrieben wurde diese rasante Expansion
– welche umsatz- und nicht ergebnisorientiert vonstatten ging – vom langjährigen Miteigentümer und 'starken Mann' [des Konzerns], [dem Kläger], sowie dem spanischen Mehrheitseigentümer […].“
[…]
„[Der Kläger] war insbesondere ab dem Einstieg der [Mehrheitseigentümerin] ohne nennenswertes Korrektiv innerhalb der Geschäftsführung tätig und war gemeinsam mit der [Mehrheitseigentümerin] der Entscheidungsträger der Gruppe. Er wurde erst durch die Besetzung der CEO Funktion mit Herrn D***** in seiner Machtausübung beschränkt. Dieser auf eine Person zugeschnittene Führungsstil und die damit einhergehende Unternehmenskultur trugen zu den aufgezeigten Mängeln hinsichtlich Strukturen, Kontrollen und Transparenz entscheidend bei“.
[…]
„Auf Grund oa Feststellungen sowie auf Basis der uns vorliegenden Liquiditätsprognosen und Annahmen des Managements sowie unter Zugrundelegung korrekter Jahres- und Konzernabschlüsse gehen wir somit mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem objektiven Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der [Bau GmbH] und somit mittelbar auch der [Holding GmbH] spätestens im Herbst 2010 aus.“
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ermittelte wegen der Insolvenzen und beauftragte ebenfalls einen Sachverständigen. Anders als die Beklagte ging dieser in seinem Gutachten vom davon aus, dass die Zahlungsunfähigkeit bei der Holding und der Bau GmbH erst mit eingetreten sei. Er sah keine Hinweise auf Bilanzfälschung, insbesondere durch window dressing (dh Schönung der Nettoverschuldung zu bestimmten Stichtagen durch kurzfristig bilanzwirksame Maßnahmen) oder nicht erfolgte Wertberichtigungen. Der Kläger sei außerdem in den Bilanzierungsvorgang nicht involviert gewesen und habe den Geschäftsführern dazu auch keine Vorgaben gemacht.
Die WKStA stellte am das Ermittlungsverfahren gemäß § 194 Abs 2 StPO ein.
Bereits vor Erstellung des Gutachtens durch die Beklagte war der Baukonzern wiederholt Gegenstand von Medienberichterstattung gewesen. 2007 hatten sie über die Expansionspläne der Bau GmbH berichtet, die ihren Umsatz bis 2010 verdoppeln wolle. Im Oktober 2012, also etwa ein halbes Jahr nach dem Ausscheiden des Klägers als Gesellschafter, war unter Berufung auf ein Gutachten von einer Wirtschaftsprüfergesellschaft berichtet worden, dass sich der Baukonzern in Zahlungsschwierigkeiten befände und Wertberichtigungen von 300, möglicherweise sogar 400 Millionen Euro drohten. Als Ursache waren falsch abgerechnete und gefährdete Projekte respektive nicht werthaltige Beteiligungen aus der Ära des Klägers genannt worden. Kurz nach Konkurseröffnung (und vor der Erstellung der Gutachten der Beklagten) hatte zB ein Printmedium über die Insolvenzen getitelt: „Bau GmbH: Ruin durch Gier, Planlosigkeit und Expansion“ und dazu geschrieben „Gierige Eigentümer, absurde Expansionspläne, überforderte Manager, träge Strukturen: Die Pleite des Baukonzerns [...] ist ein Lehrstück dafür, was Globalisierung ohne Maß und Ziel anrichten kann.“ Laut Analyse des Artikels habe sich der Konzern übernommen. Wegen mangelhaften Baustellencontrollings, das die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Baustellen überwachen soll, dem Fehlen von qualifiziertem Personal vor Ort und massiven IT-Problemen seien zwar die Umsätze gestiegen, aber die Gewinne hätten nicht mehr Schritt gehalten. Das Unternehmen habe immer ineffizienter produziert und sei bei zahlreichen Bauprojekten in Verzug geraten, was am Bau sehr schnell sehr teuer werden könne, weil Pönalzahlungen anfallen.
Der Kläger begehrte zuletzt rund 5 Mio EUR an Schadenersatz sowie die Festellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus ihren Gutachten. Außerdem strebt er – in mehreren Eventualbegehren – die Unterlassung der Behauptungen an, der Kläger habe den Vermögensverfall des Baukonzerns bzw die Zahlungsunfähigkeit der Bau GmbH und der Holding insbesondere durch seinen Führungsstil verursacht. Schließlich zielt die Klage auf einen Widerruf dieser Behauptungen gegenüber konkret genannten Personen bzw in einem Printmedium ab. Die Beklagte habe mit ihren unrichtigen Gutachten für die Insolvenzverwalter – nicht als gerichtliche Sachverständige für das Insolvenzgericht – die Ehre des Klägers beleidigt und seinen Kredit geschädigt. Der Leser gewinne den falschen Eindruck, der Kläger habe die Bau GmbH schon fast diktatorengleich gegen den Willen der Mitarbeiter in die größte Pleite der zweiten Republik gepeitscht. Die Beklagte sei ausgehend von tatsächlich nicht vorhandenen Bilanzfehlern davon ausgegangen, dass Kredite des Baukonzerns fällig zu stellen gewesen wären und der Konzern seine Liquidität eingebüßt hätte. Dadurch habe die Beklagte dem Kläger unterstellt, eine schon 2010 eingetretene Zahlungsunfähigkeit bis zu seinem Ausscheiden nicht erkannt zu haben. Seine Ansprüche seien nicht verjährt, weil der Kläger erst mit Vorliegen des Gutachtens der WKStA bzw Zustellung der Einstellungsbegründung im Ermittlungsverfahren am das Gutachten der Beklagten habe widerlegen können.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Klage sei unschlüssig, weil eine Verbreitung durch die Beklagte gar nicht vorgebracht werde und das Begehren nicht auf die Untersagung einer konkreten Äußerung laute. Sie habe im Übrigen einer Weitergabe außerhalb des Insolvenzverfahrens weder zugestimmt noch mit ihr rechnen müssen, weil sie eine Weitergabe der Gutachten an andere Personen als die zur Verschwiegenheit verpflichteten Organe des Insolvenzverfahrens ausdrücklich von ihrer Zustimmung abhängig gemacht habe. Alle Behauptungen im Gutachten seien richtig, jedenfalls aber sorgfältig recherchiert, nicht herabwürdigend und hielten sich im Rahmen angemessener Kritik. Der Kläger habe auch nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer über Konsulentenverträge weiterhin die Entscheidungen des Baukonzerns beeinflussen können und auch beeinflusst. Die Beklagte habe für ihr Gutachten Bilanzen analysiert und Auskunftspersonen mit leitender Funktion im Konzern befragt; der Kläger sei damals nicht mehr Organ des Konzerns gewesen, sodass die Beklagte ihn nach dem Gutachtensauftrag nicht beizuziehen gehabt habe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine Haftung nach § 1299 ABGB scheide aus, weil der Kläger weder Auftraggeber des Gutachtens sei noch seine Interessen für die Beklagte erkennbar mitverfolgt worden seien. Auch ein Anspruch nach § 1330 Abs 1 ABGB bestehe nicht, weil die Medien schon lang vor dem Gutachten der A***** darüber berichtet hatten, dass die Entscheidungen des Klägers die schlechte Wirtschaftslage und letztlich die Insolvenz des Baukonzerns mitverursacht hätten, sodass das Gutachten nichts mehr an der Einschätzung des Klägers durch seine Umwelt habe ändern können. Die Passagen über den Führungsstil des Klägers seien weder unwahr noch ehrenrührig. Dass der Kläger in Managemententscheidungen involviert gewesen sei, die die Insolvenz mitverursacht hätten, sei Allgemeinwissen. Eine Kreditschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB liege selbst dann nicht vor, falls die Behauptungen im Gutachten unrichtig wären, weil die Beklagte nach der Rechtsprechung nur für ein wissentlich unwahr erstattetes Privatgutachten haften würde.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Verwerfung einer Beweis und Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, der bloße Vorwurf schlechter Qualität von Waren oder Dienstleistungen oder eines geschäftlichen Misserfolgs sei regelmäßig nicht ehrenrührig. Dies gelte auch für die Wertung, jemand führe ein Unternehmen „autokratisch“. Hingegen sei der (unrichtige) Vorwurf an einen Entscheidungsträger in einem großen Konzern, durch eine fehlende oder ungeeignete Unternehmensstrategie und einen unstrukturierten und autokratischen Führungsstil zum Vermögensverfall des Konzerns beigetragen zu haben, zweifellos geeignet, seinen Kredit, seinen Erwerb oder sein Fortkommen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB zu gefährden. Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege könne jedoch eine unrichtige Tatsachenbehauptung gerechtfertigt sein, wenn sie in Ausübung eines Rechts und nicht wider besseres Wissen erhoben wurde. Diese Judikatur umfasse nicht nur Parteien oder gerichtlich bestellte Sachverständige, sondern auch Privatgutachter.
Für eine direkte Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nach § 1300 Satz 2 ABGB fehle es an konkretem Tatsachenvorbringen zur Wissentlichkeit bzw zum Vorsatz. Das Gutachten sei auch nicht im Interesse des Klägers eingeholt worden. Zweck des Gutachtensauftrags war vielmehr die Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für das Insolvenzgericht, ob das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin fortgeführt werden solle. Auch wenn darin mögliche Forderungen der Insolvenzschuldnerin offen gelegt wurden, die in weiterer Folge zu Aktivprozessen der Masse gegen Dritte geführt haben mögen, würden diese Dritten deshalb noch nicht vom Schutzzweck des Gutachtens erfasst.
Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage nicht habe aufgefunden werden können, ob ein vom Insolvenzverwalter gemäß § 81 Abs 4 IO eingeholtes Gutachten zu Ursachen des Vermögensverfalls auch Schutzwirkungen zugunsten (ehemaliger) Organe der Insolvenzschuldnerin entfalte und der Sachverständige daher nur für wissentlich/vorsätzlich oder bereits bei fahrlässig falscher Gutachtenserstattung hafte.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
1.1. Nach § 1300 ABGB ist ein Sachverständiger auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachteiligen Rat erteilt. Außer diesem Fall haftet ein Ratgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Erteilung des Rats dem Anderen verursacht hat.
1.2. Da ein Sachverständigengutachten eine Rats- oder Auskunftserteilung im Sinne des § 1300 ABGB ist, hat der Sachverständige seinem Auftraggeber für die Richtigkeit des Gutachtens nach dem strengen Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB einzustehen (§ 1300 Satz 1 ABGB). Aus dieser Bestimmung können jedoch nur Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz des ihm durch ein falsches Gutachten entstandenen Schadens abgeleitet werden, nicht aber solche auf Unterlassung oder gar auf Widerruf des Gutachtens (4 Ob 75/92). Anders als der gerichtlich bestellte Sachverständige, der auch den Prozessparteien für die Schädigung durch ein falsches Gutachten haftet, hat demnach ein anderer Sachverständiger gegenüber dritten, außerhalb der schuldrechtlichen Sonderbeziehung zu seinem Auftraggeber stehenden Personen für die Richtigkeit seines Gutachtens nur dann einzustehen, wenn der Besteller des Gutachtens für ihn erkennbar gerade (auch) die Interessen dieses Dritten mitverfolgt hat; in einem solchen Fall liegt ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor (vgl RS0026552; RS0026645; RS0026234). Dass der Auskunftgeber in abstracto damit rechnen muss, die Information werde irgendwie – auch durch Weitergabe durch den Besteller – an Außenstehende gelangen, reicht zu einer Haftung gegenüber dem Dritten hingegen noch nicht aus (RS0026569). Nicht in Frage kommt eine Verantwortlichkeit gegenüber beliebigen Personen, im Zweifel auch dann nicht, wenn der Gutachter weiß, dass seine Stellungnahme verbreitet werden soll (RS0026558).
1.3. Die Beantwortung der Frage, ob die Interessen eines Dritten mit der Gutachtenserstattung verfolgt werden, richtet sich nach der Verkehrsübung, im Besonderen aber danach, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde (RS0026645 [T7]). Maßgeblich ist folglich der Gutachtensauftrag (RS0026645 [T10]). Eine Erstreckung ist dann gerechtfertigt, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll (RS0026645 [T12]).
1.4. Eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nach § 1300 ABGB scheidet aus, weil mit dem Gutachten keine Grundlage für eine Disposition des Klägers geschaffen werden sollte und keine Interessen des Klägers verfolgt werden sollten; dass der Kläger durch das Gutachten „berührt“ wird, reicht für eine Erstreckung der vertragsmäßigen Haftung der Beklagten nach der dargestellten Judikatur nicht aus, zumal dies eine Ausuferung der vertraglichen Haftung darstellen würde. Ausgehend vom Gutachtenszweck können – wie das Berufungsgericht überzeugend dargelegt hat – als geschützt insbesondere die Masse und die Gläubiger angesehen werden, nicht aber der Kläger als ehemaliges Organ der Schuldnerin, weil der Insolvenzverwalter mit dem Gutachtensauftrag an die Beklagte keine Interessen des Klägers „mitverfolgt“ hat. Damit besteht unter dem Aspekt des § 1300 ABGB eine Haftung nur bei wissentlicher Unrichtigkeit des Gutachtens. § 1300 Satz 2 ABGB kommt aber als Anspruchsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil auch der Kläger dem Beklagten kein wissentlich falsches Gutachten zum Vorwurf gemacht hat. Entgegen der Ansicht der Revision macht der Kläger einen bloßen Vermögensschaden geltend.
Das restliche Schadenersatzbegehren und das Begehren auf Unterlassung und Widerruf können nicht mit Erfolg auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützt werden:
2.1. Der wirtschaftliche Ruf genießt wie die persönliche Ehre nach § 1330 ABGB absoluten Schutz; ob der Eingriff in absolut geschützte Rechte rechtswidrig ist, kann allerdings nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden (RS0008987). Dies beruht auf der Überlegung, dass eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde; es bedarf daher einer Wertung, bei welcher dem Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen (RS0008990).
2.2. Das Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege gebietet die Ausnahme der Tätigkeit eines vom Gericht bestellten Sachverständigen von jenen Bestimmungen, wie etwa § 1330 Abs 2 ABGB, die einen Unterlassungsanspruch oder Widerrufsanspruch begründen könnten (RS0031981; vgl RS0114015). Das muss auch für einen Privatgutachter gelten (4 Ob 75/92 = RS0031981 [T1]).
2.3. Mit der Entscheidung 4 Ob 75/92 ist auch die von der Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage bereits beantwortet; für den Privatsachverständigen gelten demnach die gleichen Privilegierungen wie für den gerichtlich bestellten Sachverständigen, sodass er nur dann haftet, wenn er wissentlich ein falsches Gutachten abgegeben hätte. Entgegen der Darstellung der Revision findet sich keine Entscheidung, in der der Oberste Gerichtshof von dieser Rechtsprechung wieder abgegangen wäre.
2.4. Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter die Beklagte deshalb beigezogen, um die Ursachen für die Insolvenz der Schuldnerin zu eruieren. Dabei hat die Beklagte auch die Geschäftsführertätigkeit des Klägers beleuchtet. Würde diese Tätigkeit mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB belastet, dann bestünde die Gefahr, dass Sachverständige, die vom Insolvenzverwalter beauftragt werden, davor zurückschrecken, die Tätigkeit ehemaliger Organe der Gesellschaft kritisch zu untersuchen. Gemäß § 81a Abs 1 IO hat sich der Insolvenzverwalter aber über die dort angeführten Umstände „unverzüglich genaue Kenntnis“ zu verschaffen. Das Interesse an der umfassenden Erfüllung dieser Aufgabe, die auch im Interesse der Gläubiger liegt, gebietet somit auch die Ausnahme eines vom Insolvenzverwalter beigezogenen Privatsachverständigen zur Erfüllung der Aufgaben nach § 81a IO von der Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB. Die von der Revision angestrebte Differenzierung zwischen einer Bestellung des Sachverständigen durch das Insolvenzgericht nach § 81 Abs 4 Satz 4 IO und einer privatrechtlichen Beiziehung durch den Insolvenzverwalter selbst im Rahmen des § 81a IO erscheint von der bisherigen Rechtsprechung nicht angezeigt.
2.5. In diesem Zusammenhang ist auch auf die oberstgerichtliche Entscheidung 8 Ob 51/08w zu verweisen, die ein von einer KFZ-Versicherung eingeholtes Privatgutachten über die Schäden aus einem Verkehrsunfall zum Gegenstand hatte. Nach dieser Entscheidung wurde das Gutachten, das die Überprüfung der vom Kläger gelegten Reparaturrechnung zum Gegenstand hatte, nicht nur nicht im Interesse des Klägers erstattet, sondern hatte auch keinen Vertrauenstatbestand für diesen begründen können. Es handle sich vielmehr um den in der Praxis der Kfz-Schadensabwicklung sehr häufigen Fall, dass eine Versicherung durch ein von ihr eingeholtes Privatgutachten in die Lage versetzt werden soll, eine ihr verrechnete Ersatzleistung auf die Richtigkeit und Angemessenheit zu überprüfen, woraus bereits die Verfolgung bloß eigener (wirtschaftlicher) Interessen erhelle. Dem Dritten gegenüber solle gerade kein Vertrauenstatbestand geschaffen werden, der als Grundlage für dessen eigene Dispositionen diene. Wollte man den Sachverständigen auch in einer solchen Konstellation dem Dritten gegenüber haftbar machen, würde das letztlich zum Ergebnis führen, dass der Privatsachverständige bei jeder inhaltlichen Unrichtigkeit seines Gutachtens, die zu (bloßen) Vermögensschäden eines Dritten (etwa wegen durch das Gutachten verursachter Zahlungsverzögerungen des Vertragspartners des Dritten) führt, zur (persönlichen) Haftung herangezogen werden könnte. Die Unterscheidung zwischen Vertrags- und Deliktshaftung würde damit weitgehend obsolet. Der bloße Umstand, dass die Sphäre eines Dritten durch ein Privatgutachten berührt werde, sei somit noch nicht haftungsbegründend. Es müssten vielmehr nach dem dem Sachverständigen erkennbaren Zweck des Gutachtensauftrags gerade auch die Interessen eines oder mehrerer bestimmter Dritter mitverfolgt werden.
2.6. Auf den Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB kann sich der Privatsachverständige hingegen nicht berufen, weil ein Privatgutachten ohne besondere Abrede der Vertraulichkeit jedenfalls schon deshalb keine „nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung“ sein kann, weil der Sachverständige stets damit rechnen muss, dass der Auftraggeber dieses Gutachten Dritten gegenüber verwenden wird (RS0031729).
3.1. Auch die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt; auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828). Ebenso kommt der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T3]). Der Frage der Auslegung einzelner Klagsbehauptungen auf ihre Behauptungstauglichkeit in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T6]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11]).
3.2. Im vorliegenden Fall wurde in der vorbereitenden Tagsatzung vom erörtert, dass eine Haftung der Beklagten nur bei Wissentlichkeit bestehe. Der Klagevertreter brachte dazu vor, dass eine Schutzgesetzverletzung vorliege, die sich daraus ergebe, dass die Beklagte auch formelle und materielle Fehler begangen habe, insbesondere sei dem Kläger keine Möglichkeit gegeben worden, Stellung zu nehmen. In der Folge führte der Klagevertreter einzelne inhaltliche Punkte aus dem Gutachten an, die seiner Meinung nach wissentlich falsch erstattet worden seien, so beispielsweise, dass der Kläger unstrukturiert und autoritär gewesen sei und dadurch die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin herbeigeführt worden sei. Über Befragen durch das Gericht inwiefern diese Äußerungen wissentlich falsch gewesen seien, gab der Klagevertreter an, „weil die Beklagte nicht die geringsten Recherchen (…) unternommen habe und in ihrer Begutachtung wesentliche Fehler begangen habe“.
3.3. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Kläger trotz Erörterung nicht ausreichend konkret zu einer wissentlich unrichtigen Gutachtenserstattung vorgebracht habe, nicht korrekturbedürftig, beinhaltet der Vorwurf, eine Behauptung ohne entsprechende Recherche aufgestellt zu haben, doch nur den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Ein konkretes Vorbringen zur wissentlichen Unrichtigkeit, etwa dazu, woher der Beklagten zu ihrem Gutachtensinhalt gegenteilige Informationen bekannt waren, hat der Kläger nicht erstattet, sondern lediglich pauschal und unsubstantiiert den Vorwurf der Wissentlichkeit erhoben, ohne dies näher auszuführen.
3.4. Soweit der Kläger geltend macht, der exakte Wissensstand hätte sich erst im Zuge der Parteienvernehmung bzw allfälliger anderer Beweisaufnahme ergeben, ist auf den Rechtssatz zu verweisen, wonach Angaben in der Parteiaussage Prozessbehauptungen nicht ersetzen können (RS0038037). Dies gilt allgemein dahingehend, dass Ergebnisse des Beweisverfahrens ein unterbliebenes Tatsachenvorbringen nicht ersetzen können (RS0038037 [T22]).
4. Somit bringt die Revision keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00205.19V.1127.000 |
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