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OGH vom 02.09.2020, 5Ob130/20h

OGH vom 02.09.2020, 5Ob130/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers G*****, vertreten durch Mag. Linda Lojda, Verein Mieterfreunde Österreich, *****, gegen die Antragsgegner 1. K*****, 2. Mag. M*****, beide vertreten durch Gewessler Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8b iVm § 16b Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 382/19v-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 17 Msch 16/19s-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Der Antragsteller war vom bis Hauptmieter einer den Antragsgegnern gehörenden Eigentumswohnung. Er hat bei Mietvertragsabschluss eine Kaution von 4.440 EUR geleistet.

Er begehrte bei der Schlichtungsstelle die Feststellung der Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags nach § 16b MRG.

Die Antragsgegner zogen das Verfahren noch vor einer Verhandlung vor der Schlichtungsstelle zu Gericht ab und bestritten einen Anspruch des Antragstellers auf Rückzahlung der vereinbarten Kaution wegen von ihm verursachter – näher aufgelisteter – Schäden.

Da der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die USA verlegt habe und keine aufrechte Aufenthaltsgenehmigung für Österreich mehr besitze, beantragten sie, ihm aufzutragen seinen genauen gewöhnlichen Aufenthalt in den USA bekannt zu geben, von Amts wegen festzustellen, ob Entscheidungen österreichischer Gerichte über den Ersatz von Prozesskosten im Aufenthaltsbundesstaat des Antragstellers vollstreckt werden können und - falls dies nicht der Fall sein sollte - den Antragsteller zum Erlag einer aktorischen Kaution in Höhe von 10.000 EUR zu verpflichten.

Der Antragsteller gab seine aktuelle Adresse in Washington DC bekannt und sprach sich gegen die Leistung einer aktorischen Kaution mit der Begründung aus, § 57 ZPO sei im Außerstreitverfahren nicht anzuwenden.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Im AußStrG sei auf einen generellen ZPO-Verweis verzichtet worden, eine subsidiäre Anwendung der ZPO sei nicht vorgesehen. Ein Verweis auf § 57 ZPO finde sich im AußStrG nicht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwischen den Parteien sei offensichtlich unstrittig, dass der Antragsteller nicht die österreichische, sondern die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitze. Die Auffassung der Antragsgegner, in einem „kontradiktorischen“ Außerstreitverfahren wie dem über die Rückstellung der Mieterkaution sei das Fehlen eines Verweises auf § 57 ZPO als planwidrige Gesetzeslücke anzusehen, die durch die entsprechende Bestimmung der ZPO geschlossen werden müsse, teilte das Rekursgericht nicht. Die Entscheidung der Rückstellungskommission Rkv 1/01, die am und daher vor Inkrafttreten des AußStrG 2003 ergangen sei, habe zwar die Auffassung vertreten, Verfahren nach dem 3. Rückstellungsgesetz 1947 seien echte Streitsachen des außerstreitigen Verfahrens, wo das Gericht berufen sei, über subjektive Rechte nach kontradiktorischem Verfahren abzusprechen, sodass für die Schließung einer planwidrigen Gesetzeslücke nur die Bestimmungen der ZPO in Betracht kämen, deren Anwendung das 3. Rückstellungsgesetz ausdrücklich angeordnet habe. Nunmehr enthalte aber das seit geltende AußStrG keine Globalverweisung auf den Zivilprozess; eine Verweisung auf die ZPO habe der Gesetzgeber nur in eher technischen Bereichen vorgesehen. Eventuell auftretende Lücken könnten zwar durch eine die Grundsätze des Außerstreitverfahrens nicht verfälschende analoge Heranziehung einschlägiger Bestimmungen der ZPO geschlossen werden. Allerdings sei davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber des AußStrG die Entscheidung Rkv 1/01 bekannt gewesen sei, das AußStrG dessen ungeachtet aber keinen Verweis auf die § 57 ff ZPO enthalte. Dies sei als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers und nicht als planwidrige Lücke zu werten. Überdies verwies das Rekursgericht auf § 23 Abs 5 des 3. Rückstellungs-gesetzes 1947, der anordne, dass die Kommission nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Kostenersatz entscheide, inwieweit die Kosten des Verfahrens von einer der Parteien zu ersetzen oder unter die Parteien zu teilen seien. Hier zeige sich der wesentliche Unterschied zum neuen AußStrG bzw der anwendbaren Sonderbestimmung des § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Kostenersatz im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren richte sich gerade nicht nach der ZPO, die Kosten seien von den Parteien vielmehr nach Billigkeit zu tragen, der Prozesserfolg sei dabei nur eines von mehreren Kriterien. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke und im Hinblick auf die spezifische Kostenersatzregelung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren sei eine analoge Anwendung der § 57 ff ZPO dort ausgeschlossen.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich zur Frage der analogen Anwendung der Bestimmungen der § 57 ff ZPO im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren noch nicht geäußert.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner, in dem sie eine Abänderung dahin beantragen, dass ihrem Begehren auf Erlag einer aktorischen Kaution durch den Antragsteller in Höhe von 10.000 EUR stattgegeben werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Der Antragsteller beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Revisionsrekurs beharren die Antragsgegner darauf, im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen sei das Fehlen eines Verweises auf § 57 ff ZPO als planwidrige Lücke anzusehen. Nach den Materialien zur Neuregelung des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens sei die Regelung des Kostenersatzes insbesondere für die Vertretungskosten sehr umstritten gewesen. Man könne dem Gesetzgeber nicht unterstellen, dass er grundsätzlich einen zuvor nur eingeschränkt vorgesehenen Kostenersatz neu einführt, diesen aber gleichzeitig dadurch entwertet, dass sich der Antragsgegner nicht gegen die kostenmäßigen Folgen einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme sichern kann. Ob sich der Kostenersatz direkt aus den Bestimmungen der ZPO ableite oder nach Billigkeit festgelegt werde, mache keinen Unterschied. Auch ehemalige Mieter könnten sich ungerechtfertigten Forderungen ihrer ehemaligen ausländischen Vermieter ausgesetzt sehen.

Hiezu wurde erwogen:

2.1. Der erkennende Senat teilt die überzeugend begründeten Ausführungen des Rekursgerichts, sodass zunächst auf deren Richtigkeit zu verweisen ist (§ 71 Abs 3 AußStrG). Zur Argumentation im Revisionsrekurs ist ergänzend auszuführen:

2.2. Das für MRG, WGG und WEG 2002 einheitlich vorgesehene Verfahren außer Streitsachen (wohnrechtliches Außerstreitverfahren) wird – für die hier einschlägigen Bestimmungen – seit in dem durch das WohnAußStrBeglG novellierten § 37 Abs 3 MRG in Verbindung mit dem neuen AußStrG derart geregelt, dass dessen „allgemeine Bestimmungen“ mit bestimmten, in § 37 Abs 3 MRG genannten Abweichungen (die an die ZPO angelehnt sind) anzuwenden sind. Verweisungen auf Bestimmungen der ZPO finden sich nur mehr im AußStrG (so § 6 Abs 4, § 35); zahlreiche Regelungen der ZPO wurden in das neue AußStrG übernommen. Darüber hinaus ist ein Rückgriff auf Bestimmungen der ZPO im Analogieweg grundsätzlich ausgeschlossen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23§ 37 MRG Rz 23; 5 Ob 96/06p zu Neuregelungen im Rechtsmittelverfahren). Fragen des Kostenersatzes wurden durch das WohnAußStrBeglG in § 37 Abs 3 Z 17 MRG neu geregelt. Die Bestimmung enthält eine sowohl von § 78 AußStrG als auch vom früheren Recht (§ 37 Abs 3 Z 19 MRG idF vor dem WohnAußStrBeglG) abweichende Kostenregelung. (Auch) die Kosten von berufsmäßigen Parteienvertretern wurden damit zum Gegenstand des Kostenersatzes, während für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle auch dann kein Kostenersatz vorgesehen wurde, wenn in der Folge das Verfahren zu Gericht abgezogen wird (Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 54 mwN).

2.3. Für das allgemeine Außerstreitverfahren führte § 78 AußStrG mit allgemein einen Anspruch auf Ersatz der Verfahrenskosten ein, wobei dessen Abs 1 und 4 Regelungen zum Kostenbestimmungsverfahren enthalten (und insoweit auf die ZPO verweisen), Abs 2 und 3 hingegen die dabei einzuhaltenden Kriterien vorgeben. Im allgemeinen Außerstreitverfahren sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten primär nach dem Erfolgsprinzip und nur ausnahmsweise nach Billigkeit bzw nach Anteilen zuzusprechen (Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 230).

2.4. Im Gegensatz zu § 78 AußStrG werden die Kosten nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG allgemein nach Billigkeit verteilt, die vormalige Unterscheidung zwischen Zwei- und Mehrparteienverfahren ist entfallen. Der Grad des Obsiegens ist nach den Materialien (ErläutRV 249. BlgNR 22. GP 16 f) nur einer von mehreren auch in Z 17 aufgezählten Gesichtspunkten, wonach zu berücksichtigen ist, in welchem Ausmaß die Parteien mit ihren Anträgen durchgedrungen sind, in wessen Interesse das Verfahren durchgeführt wurde, welcher nicht zweckentsprechende Verfahrensaufwand zumindest überwiegend durch das Verhalten einzelner Parteien verursacht wurde und ob eine Partei durch den Kostenersatz an eine Vielzahl von Verfahrensgegnern übermäßig belastet würde. Nach den Materialien sei auch zu berücksichtigen, ob eine Partei ein Verfahren grundlos von der Schlichtungsstelle abgezogen oder sich mit deren wohlbegründeter Entscheidung aus sachlich nicht vertretbaren Gründen nicht zufrieden gegeben hat. All dies bedeutet eine kaum vorhersehbare Kostenentscheidung, ermöglicht es aber auch, auf die in den wohnrechtlichen Außerstreitverfahren unvorhersehbaren Verfahrenskonstellationen und -abläufe und das Verhalten der Parteien einzugehen (Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 237). In der zweitinstanzlichen Rechtsprechung wird in Konstellationen, für die das AußStrG oder § 37 Abs 3 Z 17 MRG keine Regelung vorsehen, unter dem Titel der Billigkeit auf für das Streitverfahren bestehende Regelungen oder dazu entwickelte Argumente zurückgegriffen (so etwa die Berücksichtigung des Grundes für die Einschränkung auf Verfahrenskosten bei der Kostenersatzbestimmung, beim Kostenersatz an den Antragsgegner im Fall der Rückziehung des Sachantrags, beim vollen Kostenersatz für den Antragsteller bei Ausmittlung oder Schätzung der Höhe einer Forderung durch das Gericht – vgl Kulhanek aaO).

2.5. Damit unterscheidet sich die aktuelle Rechtslage aber – wie bereits das Rekursgericht zutreffend herausgearbeitet hat – grundlegend von derjenigen der Entscheidung der Rückstellungskommission zugrunde liegenden nach dem 3. Rückstellungsgesetz, das – im Gegensatz zum AußStrG und § 37 Abs 3 Z 17 MRG – einen ausdrücklichen Verweis auf die Entscheidung über den Kostenersatz nach den Bestimmungen der ZPO vorsah. Gerade eine solche Bestimmung gibt es für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren nicht. Aus dem Umstand, dass – nach Billigkeitskriterien – der Ersatz (von Vertretungskosten) nunmehr vorgesehen ist, lässt sich aber noch nicht der Schluss ziehen, der Gesetzgeber des WohnAußStrBeglG habe es übersehen, einen Verweis auf § 57 ff ZPO in § 37 Abs 3 MRG oder § 78 AußStrG vorzusehen.

3.1. Der von den Antragsgegnern verfolgte Analogieschluss setzt nämlich eine Rechtslücke, somit eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung voraus. Das Gesetz müsste – gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie – ergänzungsbedürftig sein, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS0008866). Hingegen ist das bloß rechtspolitisch Erwünschte keine ausreichende Grundlage der Analogie (RS0008866 [T10, T 12]). Hat der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge für einen bestimmten Sachverhalt bewusst nicht angeordnet, fehlt es an einer Gesetzeslücke und demgemäß auch an der Grundvoraussetzung eines Analogieschlusses (RS0008866 [T13]). Die Gerichte haben grundsätzlich nur bestehende Gesetze anzuwenden, es ist nicht ihre Aufgabe, im Weg einer all zu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern ist nicht Sache der Rechtsprechung, sondern der Gesetzgebung (RS0009099).

3.2. In der Literatur gibt es Stimmen, die für eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die aktorische Kaution auch im Außerstreitverfahren plädieren:

Fucik in Fasching/Konecny3 II/1 Vor § 56 ZPO Rz 15 meint, die Vorschriften der ZPO über die Sicherheitsleistung könnten auch – je nach spezifischer Verfahrensausgestaltung – analog (so lange nicht einzelne Vorschriften Abweichendes verfügen) im Verfahren Außerstreitsachen angewendet werden.

Auch nach Mosser (in Fasching/Konecny3 II/1 § 57 ZPO Rz 62) führen außerstreitige Verfahren, die trotz einer Einleitung mittels Antrags (anstelle Klage) eine kontradiktorische Ausgestaltung im Gesetz erfahren und daher „streitigen Außerstreitverfahren“ entsprechen (wie etwa nach dem MRG oder dem WEG) wegen ihrer Gleichwertigkeit mit Klageverfahren zu einer analogen Anwendung des § 57 ZPO.

Nach Thiele (in Höllwerth/Ziehensack, ZPO Praxiskommentar § 57 ZPO Rz 1) gilt die aktorische Kautionspflicht lediglich für „klassische Zivilprozesse“, das heißt im streitigen Erkenntnisverfahren sowie in gleichzuhaltenden kontradiktorischen Zivilverfahren wie etwa im außerstreitigen kontradiktorischen Rückstellungsverfahren. Keine Verpflichtung zur prozessualen Sicherheitsleistung nach § 57 ZPO bestehe unter anderem in außerstreitigen Verfahren im Bereich von Fürsorge und Prävention.

Mit der Frage einer planwidrigen Lücke im AußStrG bzw § 37 Abs 3 Z 17 MRG befassen sich diese Autoren nicht, setzen sie also offenbar als gegeben voraus.

3.3. Abgesehen von der bereits erwähnten Entscheidung der Obersten Rückstellungskommission Rkv 1/01, die die analoge Anwendung der Regeln über die aktorische Kaution insbesondere aber damit begründet hat, dass der Gesetzgeber des 3. Rückstellungsgesetzes die Geltung der Kostenersatzregelung der ZPO angeordnet habe, hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage weder im Zusammenhang mit allgemeinen noch mit wohnrechtlichen Außerstreitverfahren bisher Stellung genommen.

3.4. Die Materialien zum AußStrG selbst
aber auch zum WohnAußStrBeglG (ErläutRV 249. BlgNR 22. GP 16 f) erwähnen die Bestimmungen über die aktorische Kaution nach § 56 ff ZPO mit keinem Wort. Allerdings bringen sie unmissverständlich zum Ausdruck, dass das primär am Erfolgsprinzip orientierte Regelungskonzept des § 78 AußStrG neu für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren nicht übernommen werden soll. Das Kostenrisiko sei gegenüber dem Zivilprozess aus sozialpolitischen Erwägungen abzumildern, um zu vermeiden, dass der Geltendmachung von – möglicherweise berechtigten – Ansprüchen eine all zu hohe Kostenschranke entgegenstehe. Diese historische Absicht des Gesetzgebers, die sich auch in der Neuregelung des § 37 Abs 3 Z 17 MRG niederschlug, könnte durch eine Verpflichtung zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach den Bestimmungen über die aktorische Kaution aber konterkariert werden. Dies zeigt auch der hier zu beurteilende Fall anschaulich: Der antragstellende Mieter will die Höhe der zurückzuzahlenden Kaution (die insgesamt nur 4.440 EUR betrug) festgestellt haben und soll nach dem Kautionsantrag der Vermieter als Verfahrensvoraussetzung hiefür einen Betrag von 10.000 EUR, somit mehr als das Doppelte des in Rede stehenden Kautionsbetrags erlegen. Dass damit für den antragstellenden Mieter der Zugang zum Recht nicht erleichtert, sondern deutlich erschwert werden würde, liegt auf der Hand, selbst wenn das Gericht an die Höhe des begehrten Betrags nicht gebunden wäre.

4.1. Ein weiterer Grund spricht nach dem Telos der Bestimmungen über die zwingende Vorschaltung der Schlichtungsstelle im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (§§ 39, 40 MRG) jedenfalls für wohnrechtliche Außerstreitverfahren gegen eine analoge Anwendung der Regeln über die Sicherheitsleistung für Prozesskosten: Im Verfahren vor der Schlichtungsstelle als Verwaltungsbehörde gelten nämlich zunächst die Bestimmungen des AVG, nur die in § 39 Abs 3 MRG genannten Bestimmungen des AußStrG und des § 37 Abs 3 MRG sind von der Schlichtungsstelle anzuwenden. Kostenersatz ist im AVG nicht vorgesehen und § 39 Abs 3 MRG ordnet die Anwendung des § 78 AußStrG oder § 37 Abs 3 Z 17 MRG nicht an, sodass die Parteien die ihnen im Verfahren vor der Schlichtungsstelle erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten haben und diese auch nicht im gerichtlichen Verfahren geltend machen können (Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 39 MRG Rz 19 mwN). § 39 Abs 1 MRG sieht die vorherige Anrufung der Schlichtungsstelle aber als zwingende Verfahrensvoraussetzung vor. Diese zur Entlastung der Gerichte vorgesehene Bestimmung, die auch für die hier angestrebte Feststellung der Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags im Teilanwendungsbereich nach § 1 Abs 4 MRG gilt (§ 39 iVm § 16b Abs 4 MRG), spricht aus logisch-systematischen Gründen gegen eine analoge Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die Sicherheitsleistung für Prozesskosten: Da eine Kostenersatzpflicht und eine aktorische Kaution im Verfahren vor der Schlichtungsstelle grundsätzlich nicht in Betracht kommen, könnte für einen Antragsgegner, der einem ausländischen Antragsteller gegenübersteht, ein zusätzlicher Anreiz bestehen, das Verfahren rasch an das Gericht abzuziehen, um dort einen Antrag auf aktorische Kaution nach § 57 ZPO stellen zu können, der im Verwaltungsverfahren vor der Schlichtungsstelle jedenfalls unzulässig wäre. Ein derartiger Wille ist dem Gesetzgeber umso weniger zu unterstellen, als er gerade auch die Feststellung der Höhe der Kaution nach § 16b MRG auch für den bloßen Teilanwendungsbereich des MRG etwa nach § 1 Abs 4 MRG (wie hier) dem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren und damit der zwingenden Befassung der Schlichtungsstelle in Gemeinden, wo eine solche eingerichtet ist, zugewiesen hat.

5. Zusammenfassend folgt:

Weder § 78 AußStrG noch § 37 Abs 3 Z 17 MRG enthalten einen Verweis auf die Bestimmungen der ZPO über die Sicherheitsleistung für Prozesskosten nach § 57 ff ZPO. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen ist jedenfalls für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren mangels planwidriger Lücke abzulehnen.

6. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

7. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens unter Hinweis darauf bejaht, dass bei analoger Anwendung der § 57 ff ZPO das Verfahren einerseits gemäß § 61 Abs 1 ZPO ex lege unterbrochen wäre und mangels Erlags über Antrag des Antragsgegners sogar von einer gesetzlich fingierten Antragsrücknahme ausgegangen werden könnte (§ 60 Abs 3 ZPO). Es ist daher von einem Beschluss „über die Sache“ im Sinn des § 60 AußStrG auszugehen. Da die erforderliche Billigkeitserwägungen im Sinn des § 37 Abs 3 Z 17 MRG erst nach abschließender Entscheidung in der Hauptsache angestellt werden können, war die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens der Endentscheidung vorzubehalten.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00130.20H.0902.000

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