OGH vom 06.04.2016, 7Ob146/15v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch B S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 895.101,62 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 189/14t 102, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 113/10d 96, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen :
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird einschließlich der bereits rechtskräftigen Teile dahingehend abgeändert, dass sie insgesamt als Teilurteil wie folgt lautet:
„1. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen den Betrag von 334.156,68 EUR samt 10,2 % Zinsen seit zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen weitere 90.702,28 EUR samt 10,2 % Zinsen seit sowie weitere 10,2 % Staffelzinsen für die Zeit bis zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
4. Im Übrigen, nämlich im Umfang des Zuspruchs von 470.242,66 EUR samt 10,2 % Zinsen seit wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
5. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.“
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Stahlkonzern A*****M***** (AM) mit Produktionstöchtern in Polen und Spanien erhielt im Dezember 2008 einen Großauftrag der Deutschen Bahn (DB) für die Lieferung von Schienen. Es waren ab Jänner 2009 per Eisenbahn 30 m Schienenstücke an deutsche und österreichische Schweißwerke zu transportieren, wo die Schienenstücke (im Auftrag von AM) zu den erforderlichen Längen (bis zu 120 m) zusammengeschweißt werden sollten. Ausgangspunkte der Bahntransporte zu den Schweißwerken waren ein Werk von AM in D***** G***** (Polen) und der Seehafen W*****, wohin die im Werk von AM in Spanien produzierten Schienenstücke am Seeweg geliefert worden waren.
AM betraute mit der gesamten Logistik die Beklagte. Diese „sollte sämtliche (mit dem Großauftrag der DB an AM) verbundenen Leistungen und auch alle Risken solcher Transporte, insbesondere Verspätungen und Stehzeiten, übernehmen, sodass sich AM um nichts mehr kümmern und keine Zusatzkosten befürchten brauchte. Weiters sollte sie die Transportkosten vorfinanzieren.“
Die Beklagte beauftragte ihrerseits die Klägerin, alle für AM im Jahr 2009 zu den Schweißwerken vorzunehmenden Bahntransporte durchzuführen. Dem Auftrag lag ein Angebot der Klägerin zugrunde, auf dessen Basis die einzelnen Transportleistungen abzurufen waren. Die Beklagte erbrachte zur Logistik des Bahntransports keine Leistungen. Unterfertigte Frachtbriefe für die von der Klägerin durchzuführenden Transporte liegen nicht vor.
Im Angebot der Klägerin war für den Schienentransport vom polnischen Werk zu den Schweißwerken ein von der jeweiligen Destination abhängiger Preis pro Tonne für einen „Umlauf“ (Vollzug vom Herstellerwerk zum Schweißwerk und Leerzug vom Schweißwerk zum Herstellerwerk) vereinbart. Die Beladung und Ladungssicherung hatte durch AM zu erfolgen. Hinsichtlich des Schweißwerks S***** war festgehalten „inklusive Überstellung in das Werk“ (= Beistellverschub), hinsichtlich der anderen Destinationen, dass „bei Bedarf Überstellung in das Werk (mit E-Tfz) erfolgen kann“. „Zielpunkt“ des Transports war nicht des Schweißwerk selbst, sondern der davor liegende öffentliche Bahnhof.
Der Transport vom öffentlichen Bahnanschluss auf Betriebsgleisen zur innerbetrieblichen Entladestelle wird als „Beistellverschub“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um Arbeiten, die nur durch qualifizierte Lokführer und Wagenmeister durchgeführt werden können. Die Betriebsgleise sind zumeist nicht elektrifiziert, sodass in der Regel nur Dieselloks für den Beistellverschub einsetzbar sind.
Für die „Entladedauer“, worunter die Parteien laut dem im April geschlossenen, auf rückdatierten Vertrag den Zeitraum zwischen Ankunft des Vollzugs und Übernahme des Leerzugs am öffentlichen Bahnhof verstanden, hatten die Streitteile je nach Destination 24 oder 48 Stunden angesetzt. Für den Fall der Überschreitung dieser Frist war vereinbart, die Stehzeiten der Wagen zu bahnüblichen Sätzen zu verrechnen.
Über die Entladesituation in den Werken hatte die Klägerin keine Information von der Beklagten erhalten. Die Beklagte hatte kein Konzept erstellt und keine Daten eingeholt, obwohl die Klärung der „letzten Meile“ ein logistisch wesentlicher Punkt ist. Diese Kosten können nur abgeschätzt werden, wenn die örtliche Situation bekannt ist und Ablaufpläne erstellt wurden. Der Klägerin war nicht bekannt, über welche Einrichtungen bzw Verträge mit anderen Eisenbahnunternehmen die Schweißwerke verfügten, sodass die Kosten für einen Beistellverschub für sie nicht kalkulierbar waren. Ob die Klägerin einen „Beistellverschub“ zu übernehmen haben werde, war bei Auftragserteilung offen.
Die Klägerin suchte nach Auftragserteilung die Schweißwerke auf und ermittelte die jeweils unterschiedliche „Entladesituation“ („letzte Meile“). Es zeigte sich, dass die Durchführung des Beistellverschubs in der Regel mangels Elektrifizierung der Gleisanlagen eine Diesellok voraussetzte und der Beistellverschub zum Teil auch einer Betriebsbahn, zum Teil einem bestimmten Eisenbahnunternehmen vorbehalten war, sodass der Beistellverschub praktisch nicht von der nur E Loks einsetzenden Klägerin durchgeführt werden konnte.
Obwohl die Parteien im Vertrag von April 2009 vereinbarten, dass der Beistellverschub „nicht Leistungsbestandteil des AN (= Klägerin)“ ist, musste die Klägerin aufgrund der Untätigkeit der Beklagten erkennen, dass sie für den Beistellverschub Sorge tragen müsse, damit die Schienen an die Schweißwerke geliefert werden und die (Zug-)„Umläufe“ erfolgen konnten. Die Klägerin organisierte den Beistellverschub, indem sie je nach Schweißwerk unterschiedliche Aufträge erteilte; faktisch führte die jeweilige Betriebsbahn bzw jenes Eisenbahnunternehmen, das vor Ort den Beistellverschub durchführen durfte, den Beistellverschub („letzte Meile“) durch. Vergleichsanbote holte die Klägerin nicht ein, ebenso wenig verhandelte sie die Preise. Sie hielt mit der Beklagten keine Rücksprache, weil die Frage des Beistellverschubs organisatorisch wie auch kostenmäßig hinter den anderen Logistikfragen, die ihr die Beklagte übergeben hatte, zurücktrat. Als die Klägerin später den Beistellverschub gegenüber der Beklagten thematisierte, lehnte diese den begehrten Kostenersatz als viel zu hoch ab, stellte jedoch ein „Gentlemen's-Agreement“ in Aussicht, weswegen die Klägerin ihre Leistungen fortsetzte, sich weiterhin um den Beistellverschub kümmerte und diesen finanzierte, was die Beklagte wusste. Die Klägerin wollte wegen der Kosten des Beistellverschubs auch den umfangreichen Gesamtauftrag nicht in Gefahr bringen. Das Gentlemen's-Agreement kam letztlich nicht zustande.
In der Vereinbarung zwischen AM und den Schweißwerken war vorgesehen, dass die „Schienen frachtfrei den Werken“ zu liefern seien; die Schweißwerke waren nur für den „innerbetrieblichen“ Transport zuständig.
Von Anfang an kam es zur Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Standzeiten („Entladedauer“). Grund hiefür war, dass die Schweißwerke von der großen Menge an zugelieferten Schienen überfordert waren. Zwischen den Streitteilen wurde die Situation immer wieder besprochen und die Klägerin ersuchte, man möge auf die Schweißwerke einwirken, damit die Entladezeit nicht überschritten werde. An der verzögerten Entladung in den Schweißwerken änderte sich aber grundsätzlich nichts. AM und die Beklagte wurden um Anweisungen ersucht. Über diese schriftlichen Benachrichtigungen hinaus verständigte die Klägerin die Beklagte und AM mündlich zumindest in den Fällen, in denen die Abholung in Polen nicht plangerecht erfolgen konnte, weil der Leerzug nicht zur Verfügung stand. Die Beklagte bewirkte keine Verbesserung. Als die Klägerin der Beklagten Standgelder in Rechnung stellte, wies die Beklagte die Standgelder als überhöht zurück und verwies auf eine zu treffende Lösung.
Eine Wagenstandgebühr von 31,72 EUR je Tag ist angemessen. Es fielen über die jeweils vereinbarte Entladedauer von 24 bzw 48 Stunden hinaus insgesamt 12.354 Stehtage an.
Am fand noch ein Gespräch zwischen den Streitteilen statt, bei dem eine Lösung hinsichtlich des Beistellverschubs ins Auge gefasst, aber letztlich eine Einigung nicht erzielt wurde. Die Beklagte wollte diese Kosten in einen neuen Auftrag von AM einkalkulieren. Die Beklagte erhielt dann aber den Folgeauftrag für 2010 nicht, worauf eine einvernehmliche Lösung endgültig scheiterte.
Am stellte die Klägerin die Leistungen für die Beklagte wegen behaupteter Zahlungsrückstände ein.
Die Klägerin begehrte mit der am eingebrachten Klage (nach Klagseinschränkung) 895.101,62 EUR sA, wovon 424.858,96 EUR auf den Beistellverschub und 470.242,66 EUR auf Standgelder entfielen. Die Klägerin habe den Beistellverschub organisiert und die Beklagte dies gebilligt. Der Beistellverschub sei von der Klägerin iSd § 1037 ABGB zum Nutzen der Beklagten organisiert worden. Die Klägerin dürfe daher die Kosten des von ihr beauftragten Beistellverschubs der Beklagten zuzüglich eines Aufschlags von 3 % weiterverrechnen. Die Standgelder resultierten aus überlangen Wagenstandszeiten im Gesamtausmaß von 12.354 Tagen bei einem Tagessatz von 31,72 EUR netto.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass sie den Beistellverschub bei der Klägerin nicht beauftragt, diese ihn vielmehr in „Selbstinitiative“ durchgeführt habe und dafür keinen Kostenersatz beanspruchen könne. Die Terminabstimmung der einzelnen Transporte sei direkt zwischen AM und der Klägerin erfolgt. Die Beklagte habe die Dauer der Entladungen nicht beeinflussen können, weshalb sie keine Standgelder schulde. Soweit Ablieferungshindernisse bestanden hätten, hätte die Klägerin Weisungen einholen müssen, was nicht geschehen sei. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien überdies im Hinblick auf die einjährige Verjährungsfrist des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 verjährt.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte auf der Grundlage des eingangs gekürzt und zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalts zur Zahlung von 804.399,34 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 90.702,88 EUR sA ab. Es führte rechtlich im Wesentlichen aus, dass gemäß Art 3 CIM 1999 die Beklagte Beförderer und die Klägerin ausführender Beförderer gewesen sei, welches Rechtsverhältnis zufolge Art 27 § 6 CIM 1999 von diesem Übereinkommen nicht geregelt werde. Nach der vertraglichen Vereinbarung habe die Klägerin den Transport bis zum öffentlichen Bahnhof und bei Bedarf und technischer Möglichkeit die Überstellung mit Elektrolok übernommen. Vereinbarungen über weitere Leistungen hätten zunächst nicht bestanden. Erst im Zuge der Auftragsabwicklung habe sich die Notwendigkeit des Beistellverschubs ergeben, den die Klägerin erbracht habe. Die Beklagte habe die Leistungserbringung geduldet, die Leistungen genutzt und nicht untersagt, womit diese zu einem angemessenen Entgelt beauftragt gewesen seien. Die Beklagte sei daher im notwendigen und angemessenen Umfang zur Bezahlung der Drittkosten und gemäß § 354 UGB eines angemessenen Zuschlags verpflichtet.
Die Stehzeiten seien vertraglich zwischen den Parteien als Zeitraum zwischen Ankunft auf dem öffentlichen Bahnhof und Abfahrt von dort festgelegt worden. Sie seien nach ihrer Dauer abzugelten. Auf die Ursache komme es nicht an. Dass die Stehzeiten von der Klägerin verschuldet worden wären, habe die Beklagte nicht behauptet. Die Verjährungsvorschrift des Art 48 CIM 1999 sei auf die Klagsforderungen, die weder Fracht- noch Schadenersatzansprüche im Sinn des Übereinkommens darstellten, nicht anzuwenden. Verjährung liege überdies schon deswegen nicht vor, weil während des laufenden Vertrags die gütliche Regelung dieser Ansprüche in Aussicht gestellt und damit der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt gewesen sei.
Die angemessenen Kosten für den Beistellverschub seien insgesamt 334.156,68 EUR (inkl 20 % USt und 3 % Zuschlag). An Stehzeiten seien 12.354 Tage zu je 31,72 EUR angefallen, was inkl 20 % USt ein Standgeld von 470.242,66 EUR und in Summe den Zuspruch von 804.399,34 EUR ergebe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten dahin Folge, dass es das Urteil des Erstgerichts im bekämpften Umfang von 629.019,05 EUR sA aufhob und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Dieser Teil des Klagebegehrens setzt sich zusammen aus 470.242,66 EUR an Standgeldern und 158.776,39 EUR für Beistellverschub. Das Berufungsgericht vertrat soweit für das Rekursverfahren noch relevant die Rechtsansicht, dass das Vertragsverhältnis der Streitteile in seiner Gesamtheit aufgrund der zulässigen Unterwerfung der Parteien unter die CIM 1999 (= Anhang B der COTIF) im Lichte dieses Übereinkommens zu beurteilen sei.
Die Beklagte habe gegenüber AM die Funktion eines Spediteurs (§§ 407 ff UGB) übernommen und in dieser Funktion mit der Klägerin einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Der „Beistellverschub“ (Verbringung des Transportguts vom öffentlichen Bahnhof in das Schweißwerk, „letzte Meile“) sei vertraglich von der Transportpflicht der Klägerin nicht erfasst gewesen. Die Klägerin habe aus Eigenem den „vergessenen“ Transportweg („letzte Meile“) organisiert. Ob und inwieweit ein Frachtführer dafür Ansprüche geltend machen könne, sei in den CIM 1999 nicht geregelt. Subsidiär gelte daher gemäß Art 8 § 2 COTIF österreichisches Recht als „Landesrecht“. Demnach habe die Klägerin iSd § 1037 ABGB als Geschäftsführerin ohne Auftrag nicht nur Anspruch auf den Ersatz ihrer Auslagen für die Drittrechnungen, sondern auch auf Entlohnung ihrer Mühewaltung. Für den Beistellverschub gebühre der Klägerin daher grundsätzlich der vom Erstgericht (samt einem Aufschlag) zuerkannte Betrag.
Die CIM 1999 regelten das Standgeld nicht. Den Parteien eines Frachtvertrags stehe es frei, ein Standgeld zu vereinbaren. Im Regelfall sei Standgeld in allen Fällen eines Beförderungs- oder Ablieferungshindernisses und daher unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Auftraggebers zu zahlen. Von der Klägerin zu vertretende Umstände seien nicht hervorgekommen. Die Klägerin habe daher grundsätzlich Anspruch auf Standgeld in dem vom Erstgericht zugesprochenen Umfang.
Aufgrund des von der Klägerin erhobenen Verjährungseinwands sei allerdings zu prüfen, ob bzw inwieweit die Ansprüche der Klägerin zufolge Art 48 § 1 CIM 1999 verjährt seien. Ein dem Art 48 § 1 CIM 1999 unterfallender „Anspruch aus dem Beförderungsvertrag“ setze einen hinreichend engen sachlichen Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag voraus. Dieser sei für das im Beförderungsvertrag vereinbarte Standgeld jedenfalls zu bejahen. Beim Anspruch aus dem Beistellverschub könnte dieser Zusammenhang hingegen zweifelhaft sein, weil dieser von der Leistungspflicht der Klägerin nicht erfasst gewesen sei und deren Geschäftsführung ohne Auftrag den Beförderungsvertrag nur in nützlicher Weise ergänze. Nach § 1037 Satz 1 ABGB sei aber zu berücksichtigen, dass, wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des anderen zu befördern, übernehmen wolle, sich um dessen Einwilligung bewerben solle. Hätte die Klägerin sich um eine Ergänzung des Transportauftrags hinsichtlich der „letzten Meile“ bemüht und hätte sie einen solchen Ergänzungsauftrag erhalten, so wäre dieser der einjährigen Verjährungsvorschrift des Art 48 § 1 CIM 1999 unterfallen. Dadurch, dass die Klägerin § 1037 Satz 1 ABGB missachtet habe, könne sie betreffend die Verjährung nicht besser gestellt werden. Im Hinblick auf den Gegenstand der erbrachten Leistungen müsse daher auch auf den Anspruch der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag die Verjährungsfrist des Art 48 § 1 CIM 1999 angewendet werden.
Nach dem gemäß Art 48 § 5 CIM 1999 für die Hemmung (und die Unterbrechung) anzuwendenden österreichischen Recht führe die Hemmung aufgrund von Vergleichsgesprächen nur zu einer Ablaufhemmung. Nach Scheitern der Vergleichsbemühungen sei binnen angemessener Frist Klage einzubringen. Diese „Nachfrist“ betrage nach der Judikatur höchstens drei Monate, wobei die Frist umso kürzer zu bemessen sei, je kürzer die Verjährungsfrist sei. Hier betrage die Verjährungsfrist nur ein Jahr, was eine Verkürzung der Nachfrist auf etwa einen Monat rechtfertigen würde. Die Klägerin habe erst mehr als ein halbes Jahr nach Scheitern der Vergleichsbemühungen Klage erhoben. Sie könne sich daher nicht auf die (Ablauf-)Hemmung berufen. Die Verjährung beginne nach Art 48 § 2 lit c CIM 1999 mit dem Tag, an dem der Anspruch erstmalig geltend gemacht werden könne. Die vertragliche Vereinbarung habe Zahlung „innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungslegung bzw Leistungserbringung“ vorgesehen. Frühestmögliche Fälligkeit sei also 14 Tage nach Erbringung der Leistung eingetreten, weil es statthaft wäre, noch am Tag der Leistungserbringung dem Schuldner die Rechnung zukommen zu lassen. Dies bedeute aufgrund der Klagseinbringung am , dass diese nur in Bezug auf die ab erbrachten Leistungen rechtzeitig erfolgt sei. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, wieviele der 12.354 Stehtage bereits vor dem angefallen seien, was zur Klärung der Verjährungsfrage nachzuholen sei.
Für den Beistellverschub sei zu beachten, dass die Klägerin erst nach Erhalt der Drittrechnung den ihr in Rechnung gestellten Betrag der Beklagten habe weiterverrechnen können. Es sei insoweit ergänzend festzustellen, inwieweit der Klägerin für den noch strittigen Beistellverschub bereits vor dem Drittrechnungen gestellt worden seien. Zur Klärung dieser für die Verjährung maßgeblichen Tatfragen sei die Aufhebung des Ersturteils unumgänglich.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es sei klärungsbedürftig, ob die Verjährungsvorschrift des Art 48 CIM 1999 auch für ein vereinbartes Standgeld und einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 1037 ABGB gelte.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils.
Die Beklagte erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, den Rekurs der Klägerin für unzulässig zu erklären, hilfsweise ihm keine Berechtigung zuzusprechen.
Die Klägerin macht in ihrem Rekurs als erhebliche Rechtsfrage zunächst geltend, dass auf die von ihr erhobenen Ansprüche auf Standgelder und Abgeltung des Beistellverschubs die CIM 1999, jedenfalls aber die Verjährungsregelung des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 nicht anzuwenden sei. Selbst wenn man aber von der Anwendbarkeit des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 ausginge, dann habe des Berufungsgericht verkannt, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach anerkannt habe. Dadurch sei es zur Unterbrechung der Verjährung gekommen und die Klage danach rechtzeitig erhoben worden. Die Verjährungseinrede verstoße überdies gegen Treu und Glauben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und teilweise auch berechtigt.
Der Senat hat Folgendes erwogen:
I. Anwendbarkeit der CIM 1999:
1. Nach Art 6 § 1 lit b des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr vom in der Fassung des Änderungsprotokolls vom (COTIF) finden, sofern keine Erklärungen oder Vorbehalte gemäß Art 42 § 1 Satz 1 COTIF abgegeben oder eingelegt worden sind, im internationalen Eisenbahnverkehr die „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM)“, Anhang B zum Übereinkommen Anwendung.
2. Die CIM regeln den internationalen Eisenbahnfrachtvertrag. Andere Verträge im Zusammenhang mit der Beförderung von Gütern, wie zB der Speditionsvertrag, werden von den CIM nicht erfasst ( Freise in MüKoHGB 3 Art 1 CIM Rn 2).
3. Die Parteien haben in dem von ihnen abgeschlossenen Vertrag unter „1. Vertragsgrundlage“ ohne Unterscheidung zwischen internationalen und nationalen Transporten als „für die Art und den Umfang der auszuführenden Leistungen und Lieferungen sowie für die Abwicklung … die folgenden rechtlichen Bestandteile in der gegebenen Reihenfolge“ für maßgeblich erklärt, nämlich
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | COTIF, Internationales Eisenbahnbe- förderungsrecht |
- | die Bestimmungen dieses Vertrags |
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4. Die Erklärung der COTIF zum rechtlichen Bestandteil der Vereinbarung der Streitteile macht inhaltlich nur Sinn durch den Verweis des Art 6 § 1 lit b COTIF auf die Geltung der CIM 1999, regeln diese doch gerade den Eisenbahnfrachtvertrag und damit jedenfalls einen wesentlichen Teil der hier zwischen den Streitteilen maßgeblichen Vertragsbeziehung. Die in Punkt 1. des Vertrags enthaltene Beschreibung des Geltungsbereichs der bezeichneten rechtlichen Bestandteile ist entgegen der Ansicht der Klägerin eine Verdeutlichung ihrer umfassenden Anwendung auf die gesamte Vertragsbeziehung und gerade keine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs. Andernfalls wäre nämlich angesichts der weiteren Regelungstiefe des 15 Punkte umfassenden Vertrags zu erwarten gewesen, dass gewollte Einschränkungen des Anwendungsbereichs der eingangs vereinbarten rechtlichen Bestandteile und ein diesfalls ersatzweise geltendes Regelungsregime genau bezeichnet worden wären. All dies ist nicht der Fall, weshalb mit dem Berufungsgericht davon auszugehen ist, dass die Streitteile die umfassende und nicht bloß selektive Anwendung der CIM 1999 (iVm Art 6 § 1 lit b COTIF) vertraglich vereinbart haben.
5. Inwieweit der von den Parteien im April geschlossene, auf rückdatierte Vertrag neben den Elementen eines Frachtvertrags auch noch weitere Elemente, etwa solche eines Speditionsvertrags, enthält, muss in diesem Kontext nicht hinterfragt werden, weil mit den Standgeldern jedenfalls frachtvertragliche Ansprüche geltend gemacht werden (s Punkt III.3.; vgl 4 Ob 180/07k).
II. Anwendungsbereich des Art 48 CIM 1999:
1. Nach Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 verjähren Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag in einem Jahr.
2. Es entspricht auf dem Hauptbericht des Zentralamtes (1980, 44; abgedruckt bei Spera , Internationales Eisenbahn-Frachtrecht Art 58.2) beruhender, ganz herrschender Ansicht, dass der inhaltlich insoweit gegenüber dem früheren Art 58 CIM 1980 unveränderte Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 nicht nur für Ansprüche von Absender und Empfänger gegen „die Eisenbahn“ (nunmehr: den Beförderer), sondern auch für solche des Beförderers gegen den Absender (6 Ob 168/04f) und Empfänger gilt ( Schütz in Straube , UGB [2011], Anh § 453 Art 48 CIM Rz 2; Schütz in Schütz/Schärmer , Transportrecht [2013] Eisenbahn Rz 44; Csoklich , Einführung in das Transportrecht [1990] 261; Freise in MüKoHGB 3 Art 48 CIM Rn 4).
3. Die Beklagte und die Klägerin stehen sich hier nicht, wie die Klägerin meint, als Beförderer und ausführender Beförderer im Sinn des Art 3 lit a und b CIM 1999 gegenüber. Vielmehr hatte die AM mit der Beklagten einen „Logistikvertrag“ abgeschlossen, der jedenfalls wesentliche Elemente eines Speditionsvertrags aufwies. Die Beklagte war dann in dem von den Streitteilen abgeschlossenen Beförderungsvertrag (Frachtvertrag), wie vom Berufungsgericht bereits zutreffend begründet, als Spediteur der AM der Absender und die Klägerin der Beförderer (zur gleichartigen Rechtslage bei der CMR vgl RIS-Justiz RS0106763; allgemein zum nicht selbst eintretenden Spediteur als Absender vgl Schütz in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 407 Rz 9; Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB I 2 § 407 UGB Rz 4). Allein unter dem Gesichtspunkt der beteiligten Vertragsparteien ist demnach von der Geltung des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 auszugehen.
4. Es ist ebenfalls herrschende Ansicht, dass die Verjährungsregelung des Art 48 § 1 CIM 1999 nicht generell für alle in den CIM geregelten Ansprüche gilt, sondern (nur) für frachtvertragliche Ansprüche ( Schütz in Straube , UGB [2011], Anh § 453 Art 48 CIM Rz 2; Csoklich , Einführung in das Transportrecht [1990] 261), also solche die aus dem Frachtvertrag entspringen ( Koller , Transportrecht 8 [2013] Rn 2; Spera , Internationales Eisenbahn-Frachtrecht Art 58.2) und zwar auch dann, wenn sich diese aus dem subsidiär anwendbaren Landesrecht ergeben ( Freise in MüKoHGB 3 Art 48 CIM Rn 5). Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits in 6 Ob 168/04f (= RdW 2005/118) ausgesprochen, dass ein „Anspruch aus dem Frachtvertrag“ im Sinn des Art 58 § 1 CIM 1980, der Vorläuferbestimmung des Art 48 CIM 1999, einen hinreichend engen sachlichen Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag selbst voraussetzt (dem folgend Schütz in Straube , UGB [2011], Anh § 453 Art 48 CIM Rz 2; Schütz in Schütz/Schärmer , Transportrecht [2013] Eisenbahn Rz 44). In dieser Entscheidung verneinte allerdings der Oberste Gerichtshof diesen engen sachlichen Zusammenhang für „Umschlagsleistungen“ (dort: Umladung des Guts von der Bahn auf ein Transportschiff), die erst nach Erfüllung des Transportauftrags durch Übergabe an den im Frachtbrief vorgesehenen Empfänger vorgenommen werden.
5. Für Ansprüche, denen der enge sachliche Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag fehlt und die demnach nicht der Verjährung nach Art 48 § 1 CIM unterliegen, gelten gemäß Art 48 § 5 CIM betreffend die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung die nationalen Verjährungsvorschriften („Landesrecht“; Csoklich , Einführung in das Transportrecht [1990] 261).
III. Standgelder:
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die den Standgeldern zugrundegelegenen Stehzeiten keinen im Sinn der Entscheidung 6 Ob 168/04f hinreichend engen Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag aufweisen, würden sie doch denknotwendig entweder vor Beginn des Transports beziehungsweise nach der Übergabe des Guts an den Empfänger auftreten. Die Standgeldforderungen der Klägerin seien deshalb kein Anspruch aus dem Beförderungsvertrag im Sinn des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen:
1. Nach Art 13 § 1 CIM vereinbaren der Absender und der Beförderer, wem das Verladen und das Entladen des Guts obliegt. Fehlt eine solche Vereinbarung, trifft die Pflicht zum Verladen und Entladen bei Stückgut den Beförderer, während bei Wagenladungen die Pflicht zum Verladen den Absender und die Pflicht zum Entladen nach der Ablieferung den Empfänger trifft.
2. Die Ablieferung ist jener Vorgang, durch den die Bahn (der Beförderer) den Gewahrsam an dem beförderten Gut im Einverständnis mit dem Empfangsberechtigten aufgibt und diesen instandsetzt, über das Gut zu verfügen (RIS-Justiz RS0073585). Die Ablieferung kann nur mit Wissen und Willen des Empfängers erfolgen (RIS-Justiz RS0062704).
3. Die Parteien haben in ihrem Vertrag vom April 2009 unter „Bedingungen für Entladung und Bereitstellung“ (Vertragspunkt 7.) für jeden Zielbahnhof eine bestimmte Entladedauer (24 bzw 48 Stunden) und überdies vereinbart, „der Beistellverschub wird durch das Schienenschweisswerk durchgeführt und ist nicht Leistungsbestandteil des AN“. In Vertragspunkt 9. war dann vorgesehen, „werden die Be- bzw Entladezeiten gemäß Punkt 7 überschritten, werden die Stehzeiten der Wagen zu bahnüblichen Sätzen verrechnet“. Diese spezifische vertragliche Regelung der Vergütung der Stillstandszeiten war gerade integraler Teil der zwischen den Streitteilen vereinbarten Leistungsabwicklung in Form von Zugumläufen, somit wesentlicher Bestandteil des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Frachtvertrags. Es ist daher nicht daran zu zweifeln, dass die Standgelder auch hier, wie es dem Regelfall entspricht, zum Frachtlohn gehörten, also ein Teil der Vergütung des Frachtführers waren (7 Ob 45/13p = SZ 2013/37; 7 Ob 105/14p) und somit nach ihrem Regelungsgehalt dem Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 unterliegen.
IV. Beistellverschub:
Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Beistellverschubs insoweit dem Einwand der Beklagten vom Fehlen einer vertraglichen Grundlage folgend auf Basis der Geschäftsführung ohne Auftrag iSd § 1037 ABGB bejaht. Diese rechtlich selbstständige Beurteilung wird im Rekursverfahren nicht mehr aufgegriffen; von ihr ist folglich auszugehen (vgl RIS Justiz RS0043338 [insb T 15 und T 20]). Daraus folgt aber auch, dass dieser Anspruch auf Gesetz und nicht auf Vertrag beruht, somit gerade kein solcher „aus dem Beförderungsvertrag“ sein kann. Damit unterliegt aber der auf § 1037 ABGB beruhende Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Beistellverschubs auch nicht dem Verjährungsregime des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999.
V. Zwischenergebnis:
Die Verjährungsregelung des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 gilt entsprechend der Ansicht des Berufungsgerichts für die Forderung der Klägerin nach Standgeldern, aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht für den gesetzlichen Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Beistellverschubs. Als Zwischenergebnis folgt daher, dass die vom Berufungsgericht zur Klärung der Verjährung nach Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 angeordnete Aufhebung des Ersturteils für die Beurteilung des Anspruchs auf Abgeltung des Beistellverschubs nicht erforderlich, sondern dieser noch strittige Teil des Klagebegehrens im Umfang von 158.776,39 EUR im Sinn der Bestätigung des Ersturteils entscheidungsreif ist.
VI. Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung nach Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999:
1.1. Die Klägerin ist zunächst der Meinung, dass bei angenommener Geltung des Art 48 CIM 1999 auch dessen § 3 und die daraus resultierende Fortlaufshemmung schriftlicher Reklamationen zu berücksichtigen sei. Die vom Erstgericht festgestellten Fakturen seien nämlich solche Reklamationen, sodass auch bei Zugrundelegung einer bloß einjährigen Verjährungsfrist frühestens bis zum Scheitern der über diese Fakturen geführten Vergleichsgespräche Verjährung nicht habe eintreten können.
1.2. Nach Art 48 § 3 Satz 1 CIM 1999 wird die Verjährung durch eine schriftliche Reklamation gemäß Art 43 CIM 1999 bis zu dem Tag gehemmt, an dem der Beförderer die Reklamation schriftlich zurückweist und die beigefügten Belege zurücksendet. Warum eine vom Beförderer an den Absender gerichtete Faktura, mit der diesem vermeintliche Entgeltansprüche in Rechnung gestellt werden, eine Reklamation gemäß Art 43 CIM 1999 darstellen soll, ist nicht erkennbar. Auf eine Hemmung der Verjährung nach Art 48 § 3 Satz 1 CIM 1999 hat sich die Klägerin vor dem Erstgericht auch nicht berufen ( RIS-Justiz RS0042025).
2.1. Die Klägerin stützt sich darauf, dass gemäß § 1497 ABGB die Verjährung durch ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung unterbrochen werde. Die Beklagte habe ihre Forderungen immer nur der Höhe nach bestritten, aber nicht dem Grunde nach zurückgewiesen, sondern ein Gentlemen's Agreement in Aussicht gestellt. Daraus folge ein Anerkenntnis dem Grund nach, womit der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen worden sei und die Frist nach der Unterbrechung wieder neu zu laufen begonnen habe.
2.2. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Schuldner die Forderung ausdrücklich oder schlüssig anerkannt hat (§ 1497 ABGB). Anerkennung iSd § 1497 ABGB ist jede Rechtshandlung des Schuldners, die eine Anerkennung des Rechts des Gläubigers denknotwendig voraussetzt oder seine Absicht, die Schuld anzuerkennen, deutlich erkennen lässt (RIS-Justiz RS0034477). Die Verjährung wird auch durch ein deklaratives Anerkenntnis (als bloße Bestätigung oder Bekräftigung eines vom Schuldner als bestehend angenommenen Rechtsverhältnisses im Sinn einer Wissensklärung [vgl 8 Ob 27/04k; RIS-Justiz RS0032666; Ertl in Rummel 3 , § 1380 ABGB Rz 7 mwN]) unterbrochen (RIS Justiz RS0033015). Die nach der Anerkennung neu laufende Verjährungsfrist richtet sich dann nach der Beschaffenheit der ursprünglichen Forderung (RIS Justiz RS0032639).
2.3. Allerdings reicht eine Erklärung des Schuldners, aus der sich nicht deutlich entnehmen lässt, dass er das Bestehen der Forderung zugibt, zur Annahme eines Anerkenntnisses iSd § 1497 ABGB nicht aus (RIS-Justiz RS0034477 [T2]). Die Beklagte hat die von der Klägerin gelegten Rechnungen immer wieder als überhöht beanstandet, was mehrfach zu deren Stornierung durch die Klägerin geführt hat. Die Beklagte hat zur Bereinigung der Situation auf eine künftig zu treffende Lösung verwiesen und ein Gentlemen's Agreement in Aussicht gestellt. Mit einem Gentlemen's Agreement soll aber eine (hier: erst für die Zukunft in Aussicht gestellte) Abrede in der Regel gerade nicht der Rechtsordnung unterstellt und verbindlich gemacht werden (vgl Koziol-Welser/Kletečka , Bürgerliches Recht I 14 108). Die Erklärungen der Beklagten reichen daher für die Annahme eines Anerkenntnisses nicht aus.
3. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin ausgehend von einer zufolge geführter Vergleichsgespräche konzedierter Ablaufhemmung der einjährigen Verjährungsfrist nicht innerhalb angemessener Frist Klage erhoben hat, tritt die Klägerin in ihrem Rekurs nicht erkennbar entgegen.
4.1. Die Klägerin beruft sich letztlich noch darauf, dass die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte gegen Treu und Glauben verstoße.
4.2. Die Verjährungseinrede verstößt dann gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist. Dazu zählt nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners dergestalt, dass er den Gläubiger geradezu abhält, der Verjährung durch Einklagung vorzubeugen, sondern es verstößt auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (RIS Justiz RS0014838 [T5, T 7, T 11]; RS0034537 [T1, T 4, T 8, T 9]). Ein derartiges von der Klägerin auch nicht konkretisiertes Verhalten der Beklagten liegt hier nicht vor, hat sich die Beklagte doch tatsächlich an in Aussicht gestellten Einigungsgesprächen beteiligt und nach deren offenkundigem Scheitern kein Verhalten gesetzt, aus dem die Klägerin hätte erwarten können, dass ihre Ansprüche ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft werde.
5. Insgesamt ist es daher betreffend die Standgelder zu keiner den Ablauf der Verjährungsfrist des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999 zur Gänze verhindernden Hemmung oder Unterbrechung gekommen.
VII. Ergebnis:
1. Das Begehren der Klägerin auf Abgeltung des Beistellverschubs hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des § 1037 ABGB für berechtigt erachtet. Dieser Anspruch beruht auf Gesetz und ist damit kein solcher „aus dem Beförderungsvertrag“. Er unterliegt damit nicht dem Verjährungsregime des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999, sodass sich die Rechtssache im Sinn des Zuspruchs weiterer 158.776,39 EUR sA als entscheidungsreif erweist. Dies ergibt einschließlich des bereits rechtskräftigen erstinstanzlichen Zuspruchs eine Klagsstattgebung im Umfang von 334.156,68 EUR sA.
2. Die vertragliche Vereinbarung der Streitteile über die von der Klägerin begehrten Standgelder war ein wesentlicher Bestandteil des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Frachtvertrags und folglich ein Anspruch „aus dem Beförderungsvertrag“. Die Standgeldforderung unterliegt daher dem Verjährungsregime des Art 48 § 1 Satz 1 CIM 1999. Eine den Ablauf dieser Verjährungsfrist zur Gänze verhindernde Hemmung oder Unterbrechung ist nicht eingetreten. Zur Klärung des von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwands ist daher die bereits vom Berufungsgericht für erforderlich erachtete Verfahrensergänzung notwendig.
3. Die Kostenentscheidung betreffend die Kosten in zweiter Instanz gründet sich auf § 52 Abs 1 und 4 ZPO. Der Kostenvorbehalt für das Rekursverfahren gründet sich auf § 52 ZPO. Mit ihrem Kostenrekurs wird die Klägerin auf die Urteilsaufhebung verwiesen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00146.15V.0406.000