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OGH vom 20.06.2017, 2Ob236/16v

OGH vom 20.06.2017, 2Ob236/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr.

Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****bank ***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Josef Kaiblinger, Rechtsanwalt in Gunskirchen, gegen die beklagte Partei K***** L*****, vertreten durch Dr. Kurt Wolfmair, Rechtsanwalt in Linz, wegen 40.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 65/16h-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 2 Cg 41/15z-31, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom , GZ 2 Cg 41/15z-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.207,70 EUR (darin enthalten 367,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte war von 1984 bis 2006 bei einer GmbH beschäftigt.

Bereits im Jahr 1997 befand sich die GmbH in einer finanziellen Englage. Der Beklagte war schon im Jahr 1998, jedoch jedenfalls seit Sommer 1999 sehr gut über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft informiert. Im Sommer 1999 kam es dann erneut zu Zahlungsproblemen der GmbH. Diese konnte Forderungen von Gläubigern nicht mehr pünktlich begleichen und zahlte auch wiederholt Löhne nur verspätet aus.

Nach zwei bis drei Monaten, in denen der Kreditrahmen der GmbH im Zeitraum zwischen 15. und 25. eines Monats immer wieder ausgeschöpft war und nachdem sich auch Beschäftigte der GmbH wiederholt beim Beklagten darüber beschwert hatten, ihre Löhne nicht pünktlich zu bekommen, suchte der Beklagte das Gespräch mit dem Geschäftsführer der GmbH (in der Folge: „Geschäftsführer“) und fragte ihn, was los sei. Der Geschäftsführer teilte dem Beklagten mit, dass der Kreditrahmen der GmbH ausgeschöpft sei und eine Rahmenerhöhung laut Auskunft des Kreditkundenbetreuers des klagenden Kreditinstituts (in der Folge: „Kreditkundenbetreuer“) nur durch weitere Sicherheiten erzielt werden könne. Im Zuge weiterer Gespräche erklärte der Geschäftsführer dem Beklagten, er müsse als Bürge fungieren, anderenfalls müsse die GmbH zugesperrt werden und alle würden auf der Straße stehen.

Der Beklagte hatte Angst um seinen Arbeitsplatz und die Befürchtung, er würde aufgrund seiner Diabeteserkrankung keine vergleichbare Arbeitsstelle mehr finden.

Der Geschäftsführer hakte im Zeitraum von mehreren Monaten mehrmals beim Beklagten nach und fragte ihn wiederholt, ob er die Bürgschaft übernehmen würde, woraufhin der Beklagte Kontakt zum Kreditkundenbetreuer aufnahm und sich bereit erklärte, eine Bürgschaft einzugehen.

Der Kreditkundenbetreuer erklärte dem Beklagten jedoch in mehreren Telefonaten, dass eine Bürgschaft zu wenig sei, weshalb der Beklagte schließlich seinen Hälfteanteil an der im (nachstehend wiedergegebenen) Spruch des Ersturteils genannten Liegenschaft als Sicherung aufbot.

Nach einer internen Prüfung des Kreditantrags bei der klagenden Partei, die positiv ausfiel, kamen der Geschäftsführer und der Beklagte am zur Unterfertigung des Bürgschaftsvertrags, des Pfandvertrags und der Pfandurkunde zur klagenden Partei. Der Kreditkundenbetreuer teilte dem Beklagten vor der Unterfertigung dieser Urkunden mit, wie angespannt die finanzielle Situation der GmbH war.

Die klagende Partei hatte keine Kenntnis davon, dass die GmbH die Weiterbeschäftigung des Beklagten von der Eingehung eines Bürgschaftsverhältnisses abhängig machte.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten dazu, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 40.000 EUR samt 12,25 % Zinsen, vierteljährlich kapitalisiert, bei sonstiger Exekution in die Liegenschaftshälfte B-LNR 1 der EZ *****, GB *****, BG *****, zur Realisierung des Pfandrechts C-LNR 3 a im Höchstbetrag von 650.000 Schilling (47.237,34 EUR) zu bezahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die Revision nicht zu.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach § 3 Kautionsschutzgesetz dürfe der Abschluss oder die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, dass dem Dienstgeber vom Dienstnehmer oder einem Dritten ein Darlehen gewährt werde oder dass der Dienstnehmer oder ein Dritter sich mit einer Geldeinlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteilige. Dem § 3 Kautionsschutzgesetz (KautSchG) widersprechende Darlehen oder Geschäftsbeteiligungen seien nach § 4 desselben nichtig.

Zweck des § 3 leg cit sei, den Dienstnehmer davor zu schützen, dass er der Aufrechterhaltung des Dienstvertrags wegen dem Dienstgeber ein Darlehen gewähre und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt werde (RIS-Justiz RS0063461). Die Rechtsprechung habe den (bei wörtlicher Interpretation engen) Schutzbereich des Kautionsschutzgesetzes durch Analogie auf solche Sachverhalte erweitert, in denen eine Umgehung der Nichtigkeitssanktion dadurch versucht worden sei, dass eine darlehensgewährende Bank auf der Beibringung eines Bürgen bestanden habe, der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrags von der Bürgschaftsübernahme abhängig gemacht habe und dieser Umstand der darlehensgewährenden Bank bekannt gewesen sei (RIS-Justiz RS0032297).

Voraussetzung für eine analoge Anwendung dieser Schutznorm sei also das Wissen der klagenden Kreditunternehmung um die nichtigkeitsbegründenden Umstände (RIS-Justiz RS0063455 und RS0063439, etwa 8 Ob 67/09z). Im vorliegenden Fall scheitere die analoge Anwendung der §§ 3 f KautSchG schon daran, dass die kreditgewährende Bank von einer für den Kläger wegen des drohenden Verlusts seines Arbeitsplatzes bestehenden Drucksituation nichts gewusst habe und dass sie sich eine solche Drucksituation daher nicht zurechnen lassen müsse. Wenngleich der im Ersturteil zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung 9 Ob 41/09h ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen sei, so habe doch der Oberste Gerichtshof nicht nur in dieser, sondern auch in anderen Entscheidungen für eine analoge Anwendung des § 3 KautSchG die Kenntnis der kreditgewährenden Bank von der Drucksituation verlangt.

Der Geschäftsführer habe dem Beklagten nicht eine Kündigung, sondern eine Betriebsschließung angedroht. Der Geschäftsführer habe also nicht die Weiterbeschäftigung des Beklagten allein, sondern generell die Fortführung des Betriebs von der Bürgschaft des Beklagten abhängig gemacht. Damit sei aber nicht die Aufrechterhaltung eines einzelnen Dienstvertrags, sondern die Aufrechterhaltung des Betriebs der GmbH am Spiel gestanden, es sei also nicht nur um den Fortbestand eines Dienstvertrags, sondern um den Fortbestand eines gesamten Unternehmens gegangen. In der Entscheidung 9 ObA 107/09i habe der Oberste Gerichtshof anklingen lassen, dass etwa der Hinweis auf eine mögliche Insolvenz des Unternehmers als Druckmittel gegen den Dienstnehmer nicht ausreichen werde, weil in einem solchen Fall das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht Ergebnis einer willentlichen Reaktion des Arbeitgebers auf die Weigerung des Arbeitnehmers, sondern Ergebnis einer vom Arbeitgeber dargestellten wahrscheinlichen Entwicklung wäre. In einem solchen Fall wäre das Kautionsschutzgesetz auch bei Kenntnis der kreditgewährenden Bank von der Drucksituation des Dienstnehmers nicht anwendbar.

Die Klauseln des Bürgschaftsvertrags und des Pfandbestellungsvertrags seien weder intransparent noch gröblich benachteiligend.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist unzulässig.

Der klagenden Partei wurde vorerst eine Revisionsbeantwortung freigestellt. Die nähere Prüfung der vom Beklagten vorgebrachten Argumente zeigt jedoch, dass der Revisionswerber auf keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO hinzuweisen vermag, weil sich die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts auf die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung stützen, von der das Berufungsgericht auch nicht abgewichen ist.

Ergänzend wird noch Folgendes ausgeführt:

1. Der Revisionswerber meint, es müsse für die Nichtigkeit von Sicherheitenbestellungen (hier unbeschränkte Bürge- und Zahlerhaftung sowie betraglich beschränkte Realhaftung) ausreichen, wenn für die kreditgewährende Bank aufgrund der Umstände des Einzelfalls erkennbar sein musste, dass der Dienstnehmer Bürgen- und Realhaftungen nicht freiwillig übernehme, sondern nur deshalb, weil er vom Hauptschuldner und Arbeitgeber zur Beibringung von Sicherheiten gedrängt werde, wodurch die Schließung des Unternehmens verhindert werden könne. Dabei habe sich das Höchstgericht speziell nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob für die kreditgewährende Bank bei Hereinnahme von Personal- und Realhaftungen eines Dienstnehmers bei angespannter finanzieller Situation des Unternehmens besondere Nachforschungs- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Bürgen- und Realpfandbesteller bestehen, insbesondere warum ein Dienstnehmer Haftungen für Dritte für bereits in Anspruch genommene und künftig zu gewährende Kredite übernimmt.

Dem ist zu entgegnen, dass nach ständiger, schon vom Berufungsgericht zitierter Rechtsprechung ausdrücklich Kenntnis der Bank von der wegen des drohenden Verlusts seines Arbeitsplatzes bestehenden Drucksituation verlangt wird (in der Leitentscheidung 3 Ob 588/85 = RIS-Justiz RS0063455 ist sogar die Rede davon, es müsse verlangt werden, dass der Dritte zumindest Kenntnis von der Drucksituation haben müsse; ebenso 5 Ob 615/88 SZ 61/229; 8 Ob 57/89; dies schließt bloßes Kennenmüssen aus).

2. Im Übrigen kommt es hier aber darauf aus zwei Gründen gar nicht an:

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 ObA 107/09i unter Hinweis auf die „überzeugenden“ Ausführungen von Geist, Beiträge der Arbeitnehmer zur Standortsicherung und Kautionsschutz-gesetz, RdW 1995, 338 (391 f), ausgesprochen, dass eine bevorstehende Insolvenz allein keinen unzulässigen Druck des Arbeitgebers in Form eines „Abhängigmachens“ iSd § 3 KautSchG darstellt. Genau dieser Fall liegt hier aber vor.

2.2. Gegenständlich ist – wie sich aus dem Spruch des Erstgerichts eindeutig ergibt und worauf auch die Revisionsgegnerin verweist – nicht die persönliche Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler, sondern nur seine Sachhaftung aufgrund der im Spruch bezeichneten Hypothek auf dem genannten Grundstück des Beklagten.

Selbst wenn man entgegen der in Punkt 2.1. dargestellten Rechtsmeinung hier die verpönte Drucksituation annähme, so beträfe sie nur die Haftung als Bürge und Zahler: Nach den Feststellungen drängte der Arbeitgeber den Beklagten gerade nicht, auch eine Hypothekarhaftung einzugehen, vielmehr entschloss sich der Beklagte von sich aus, die Liegenschaft als Sicherheit anzubieten, nachdem ihm der Kreditkundenbetreuer der klagenden Bank mitgeteilt hatte, dass eine Bürgschaft zu wenig sei. Es fehlt hinsichtlich der Realhaftung somit schon am Erfordernis des von § 3 KautSchG verpönten Drucks des Dienstgebers auf den Dienstnehmer, wie sich aus der einschlägigen Rechtsprechung ergibt:

In der erwähnten Entscheidung 3 Ob 588/85 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, nach den Gesetzesmaterialien solle sich § 3 KautSchG nicht auf Fälle beziehen, in denen sich der Dienstnehmer selbst (oder ein Dritter, z.B. ein Anverwandter für ihn) um den Dienstposten unter dem Versprechen der Gewährung eines Darlehens oder der Beteiligung als stiller Gesellschafter bewerbe (168/Ge der Beilagen – Haus der Bundesgesetzgebung – Gesetzesvorlage zum Kautionsschutzgesetz BGBl 1937 Nr 229 S 4). Trotz diesbezüglich vorhandener Anregungen habe es der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt, dem Gesetz eine Fassung zu geben, die eine Umgehung der Absicht des Gesetzes zB durch ein scheinbar freiwilliges Darlehensangebot seitens des Dienstnehmers ausschließen würde, „weil man zur Erreichung eines solchen Zweckes praktisch überhaupt jede Darlehensgewährung eines Dienstnehmers an einen Dienstgeber verbieten müsse, was eine zu weitgehende Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit und des Wirtschaftslebens bedeuten würde“ (ebendort S 5).

Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass ein (analoger) Anwendungsfall des § 3 KautSchG nicht vorliegt, wenn der Dienstnehmer nicht vom Dienstgeber zur Sicherheitenbestellung gedrängt wurde, sondern – selbst bei Kenntnis der Liquiditätsprobleme des Dienstgebers – aus eigener Initiative dem Kreditunternehmen Sicherheiten anbietet (4 Ob 22/98h; 9 Ob 41/09h SZ 2009/163; 9 ObA 107/09i; vgl auch Kallab in ZellKomm2§ 3 KautSchG Rz 4 [Stand , rdb.at]).

3. Auf die Verletzung der Informationspflicht gemäß § 25c KSchG hat sich der Revisionswerber in seiner Berufung nicht gestützt, weshalb er dies in der Revision nicht mehr geltend machen kann (RIS-Justiz RS0043573 [T29, T 31]).

4. Für die hier nur zu beurteilende Pfandhaftung aus einer Höchstbetragshypothek ist nur die Auslegung der Pfandurkunde (Beilage ./D), nicht auch des Bürgschaftsvertrags (Beilage ./B) oder des die Verpfändung von Gehalt, Lohn und Pension betreffenden Pfandvertrags (Beilage ./C) relevant. Die vom Revisionswerber herangezogene Entscheidung 6 Ob 212/09h ist nicht einschlägig, weil sie eine Bürgschaftsverpflichtung betrifft.

Dem Beklagten war klar, dass er die Pfandhaftung für bestehende Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin einging, weil in der Pfandurkunde von einem am eingeräumten Kredit die Rede ist und er in der Klausel C. 13. darüber aufgeklärt wurde (und unterschriftlich bestätigte), dass der zu sichernde Kredit zur Abdeckung einer bereits bestehenden Kreditverbindlichkeit verwendet wird.

Die Aufzählung der Nebenverbindlichkeiten in der Klausel C. 3. ist durchaus ausreichend. Dass diese Bestimmung nicht gälte oder gesetz- oder sittenwidrig wäre, behauptet der Revisionswerber nicht.

5. Da die Klagsstattgebung bereits aus den bisherigen Gründen nicht korrekturbedürftig ist, muss auch die von der Revisionsgegnerin angesprochene Frage nicht erörtert werden, ob § 3 KautSchG analog auch auf Pfandbestellungen anzuwenden ist. Der Oberste Gerichtshof hat sich dazu bisher nicht geäußert. In der Entscheidung 8 Ob 67/09z wurde die Frage zwar angesprochen, der Senat musste damals dazu aber nicht Stellung beziehen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00236.16V.0620.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,14 (Zivil-)Verfahrensrechtliche Entscheidungen,18 Konsumentenschutz- und Produkthaftungsrecht

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