OGH vom 03.04.1984, 5Ob530/84
Norm
KWG § 23;
Kopf
SZ 57/70
Spruch
Die im Interesse des Hauptschuldners zu wahrende Verschwiegenheitspflicht der Bank hat in besonderen Ausnahmefällen hinter die Pflicht zur Warnung und Aufklärung seines Bürgen zurückzutreten, so wenn die Bank bereits vor Abschluß des Bürgschaftsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden finanziellen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat oder weiß, daß der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Kredit nicht zurückzahlen kann
(OLG Graz 3 R 274/83; LGZ Graz 15 Cg 90/82)
Text
Im Jahre 1977 planten der Beklagte, Ing. Hans N und Rudolf B, letzterer damaliger Geschäftsführer der Firma VZ GesmbH, gemeinsam die Errichtung einer Ziegelfabrik in K, die unter der Firma A in der Geschäftsform einer Aktiengesellschaft geführt werden sollte. Zur Finanzierung dieses Vorhabens wandten sie sich an die damalige Raiffeisenkasse R, registrierte Genossenschaft mbH (Raika R), die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Klägerin. Über deren Vermittlung wurde der VZ seitens der G-Zentralbank AG (GZB) zur Durchführung des geplanten Vorhabens ein Ausfuhrförderungs- und Starthilfekredit von 18 170 000 S gewährt. Die Raika R verbürgte sich der GZB gegenüber als Bürgin und Zahlerin für die Rückzahlung dieses Kredites samt Zinsen und Nebengebühren durch die VZ. Diese wiederum erhielt seitens der Raika R deren Haftungsübernahme gegenüber der GZB mit Kreditvertrag eingeräumt und verpflichtete sich zur Zahlung von Haftungsprovision und für den Fall der Inanspruchnahme der Kreditgeberin aus der Haftung auch zur Zahlung von Verzugszinsen in der Höhe des jeweils für Kontokorrentkredite festgesetzten Verzugszinssatzes. Diesem Kreditvertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen zugrunde gelegt. Des weiteren verpflichtete sich die VZ in dem Kreditvertrag ua., der Kreditgeberin genehme Bürgen zu stellen. Mit den gestellten Bürgen, darunter dem heutigen Beklagten, schloß die Raika R sodann einen Bürgschaftsvertrag ab.
Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage nahm die Klägerin den Beklagten aus seiner Bürgschaftserklärung auf Zahlung von 18 170 000 S an Kapital und 1 197 956 S an Verzugszinsen samt
13.5 vH Zinsen aus Kapital und kapitalisierten Verzugszinsen seit in Anspruch. Sie brachte vor, über das Vermögen der VZ sei der Konkurs eröffnet worden, diese Gesellschaft habe den Kredit an die GZB nicht zurückzahlen können, weshalb die Raika R in Erfüllung ihrer Bürgschaftsübernahme an die GZB den Betrag von 19 367 956.31 S einschließlich vereinbarter Verzugszinsen bezahlt habe, welcher Betrag samt vereinbarten 13.5 vH Zinsen vom Beklagten aus der übernommenen Bürgschaft geschuldet werde.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dem damaligen Geschäftsführer der Raika R Hans B sei bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages mit dem Beklagten die schon damals bestehende Zahlungsunfähigkeit oder zumindest Überschuldung der Hauptschuldnerin VZ bekannt gewesen, doch habe er dies dem Beklagten verschwiegen und ihm auf dessen diesbezügliche Frage sogar die Auskunft erteilt, daß das Unternehmen ausgezeichnet stehe. Er habe dadurch den Beklagten über die Bonität der VZ im Zusammenwirken mit deren Gesellschaftern wissentlich in Irrtum geführt, weshalb (ein Bürgschaftsvertrag nicht wirksam zustande gekommen bzw.) ein Regreßanspruch der Raika R verwirkt sei. (Auch) durch diese Irreführung sei dem Beklagten ein Vermögensschaden zumindest in der Höhe des Klagebetrages entstanden, welcher der Klageforderung gegenüber aufrechnungsweise eingewendet werde.
Das Erstgericht bejahte den Bestand der Klageforderung, verneinte den Bestand der Gegenforderungen und verurteilte den Beklagten iS des Klagebegehrens. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest: Die Raika R hat gegenüber der GZB für einen der VZ zu gewährenden Ausfuhrförderungskredit von 18 170 000 S samt Zinsen und Nebengebühren die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen. Zu dieser zwecks Sicherstellung eines Kredites bis zur Höhe von insgesamt 18 170 000 S vorgenommenen Haftungsübernahme hatte sich die Raika R gegenüber der VZ in einem "Kreditvertrag für die Übernahme von Haftungen" am dagegen verpflichtet, daß die Kreditnehmerin (VZ) der Kreditgeberin und Haftungsübernehmerin (Raika R) genehme Bürgen stelle, eine Haftungsprovision bezahle, im Falle der Inanspruchnahme der Kreditgeberin aus der Haftungsübernahme vom Anspruchsbetrag Verzugszinsen in der Höhe des jeweils für Kontokorrentkredite von der Kreditgeberin festgesetzten Zinssatzes leiste und der Kreditgeberin bei deren Inanspruchnahme aus der Haftung sämtliche Auslagen und Kosten bar ersetze. Dem Vertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der jeweils gültigen Fassung zugrunde gelegt. Mit Bürgschaftsvertrag vom hat sich ua. auch der Beklagte gegenüber der Raika R als Bürge und Zahler für die Bezahlung aller aus dem vorgenannten Haftungskredit im Höchstbetrag von 18 170 000 S gegenüber der VZ entstandenen und künftig entstehenden Forderungen der Kreditgeberin Raika R verbürgt. In diesem Bürgschaftsvertrag hat der Beklagte auf die Erhebung der ihm als Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einreden und auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet. Von der Auszahlung des Kreditbetrages wurde der Beklagte seitens der Raika R schriftlich in Kenntnis gesetzt. Es wurde ihm mitgeteilt, daß sich seine Bürgschaft auf den Haftungskreditbetrag von 18 170 000 S erstrecke und daß er im Haftungsfalle zur Zahlung herangezogen werden werde. Der Kreditbetrag ist zur Gänze der A AG zugekommen. Die "Schwierigkeiten" mit der VZ haben im Jahre 1979 begonnen und waren insbesondere darauf zurückzuführen, daß in den Geschäftsfällen zwischen der VZ und der A AG eine Vermengung eingetreten ist, sodaß man praktisch nie unterscheiden konnte, ob ein Geschäft seitens der VZ oder seitens der A AG gemacht wurde. Der Beklagte wurde von Hans B laufend über die finanzielle Situation der VZ, telefonisch, schriftlich oder persönlich informiert und ab dem Zeitpunkt, als es sich herausstellte, daß die finanzielle Situation angespannt ist, auch auf diese gefährliche Entwicklung hingewiesen. Der Haftungsfall ist dann im Jahre 1981 eingetreten. Die Raika R hat als Haftungsübernehmerin am an die GZB den Betrag von 19 367 956.31 S bezahlt. Der der Raika R gegenüber geltend gemachte Haftungsbetrag war einer Verzugsverzinsung mit 13.5 vH pa. unterworfen worden.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß der Beklagte für die Summe von 18 170 000 S die Solidarbürgschaft übernommen habe und sein Haupteinwand, daß der Kreditbetrag nicht der A AG zugekommen sei, widerlegt worden sei. Auch habe er auf sämtliche einem Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einwendungen und die Einrede der Aufrechnung Verzicht geleistet. Die Höhe der Klageforderung und der Verzinsungsprozentsatz ergeben sich aus den von der Klägerin vorgelegten Urkunden.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil, das es hinsichtlich eines Zinsenteilbegehrens mit in Rechtskraft erwachsenem Teilurteil iS der Klageabweisung abänderte, im übrigen auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung unter Rechtskraftvorbehalt zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Berechtigte Kritik übe der Beklagte daran, daß das Erstgericht seine Behauptung, der damalige Geschäftsführer der Raika R Hans T habe dem Beklagten vor Abschluß des Bürgschaftsvertrages bewußt wahrheitswidrig die Wirtschaftslage der Hauptschuldnerin VZ als ausgezeichnet beschrieben, übergangen habe. Diese Einwendung richte sich insofern gegen den Bestand des Bürgschaftsvertrages, als damit eine betrügerische Irreführung des Beklagten durch den Vertragspartner und somit die Anfechtbarkeit des Vertrages geltend gemacht werde. Besonders auf diese Einwendung habe auch im voraus nicht verzichtet werden können (EvBl. 1968/395 ua.). Sie bewirke bei Erweislichkeit die Unwirksamkeit des Vertrages, weil bei listiger Irreführung des Vertragspartners auch der bloße (hier geltend gemachte) Motivirrtum beachtlich sei. Übereinstimmend hätten die Streitteile vorgebracht, daß Hans B im Feber 1978 Leiter der Raika R gewesen sei. Als solcher sei er zur Erteilung von Bonitätsauskünften mit Wirkung für die vertretene Genossenschaft ermächtigt gewesen, auch wenn er nicht deren organschaftlicher Vertreter gewesen sein sollte. Eine allfällige Beschränkung dieser Vollmacht müßte der Beklagte nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie zumindest hätte kennen müssen (§§ 13, 26 Satz 2 GenG; § 54 HGB; SZ 43/209; JBl. 1974, 261). Dergleichen sei nicht behauptet worden. Das erstgerichtliche Verfahren sei daher insoweit mangelhaft geblieben, als nicht geprüft worden sei, ob Hans B dem Beklagten vor Abschluß des Bürgschaftsvertrages Auskunft über die Bonität der Hauptschuldnerin VZ gegeben habe, welchen Inhalt eine allenfalls gegebene Auskunft gehabt habe, ob sie den Tatsachen entsprochen habe und ob, falls dies nicht der Fall gewesen sei, der Auskunftgeber die Tatsachenwidrigkeit gekannt habe. Der Beklagte werfe im Rahmen der gesetzmäßig erhobenen Rechtsrüge auch diese Frage auf, sodaß die wegen unrichtiger Rechtsbeurteilung der Sache durch das Erstgericht eingeflossene Mangelhaftigkeit des Verfahrens wahrzunehmen und das Ersturteil gemäß § 496 Abs. 1 Z 3 ZPO insoweit aufzuheben und die Sache aus Kostenersparnisgrunden an das Erstgericht zurückzuverweisen sei, als nicht - wie nachstehend noch auszuführen sei - bereits Entscheidungsreife vorliege. Im fortgesetzten Verfahren bleibe es den erstrichterlichen Zweckmäßigkeitserwägungen überlassen, welche der Fragen an Hand der vom beweispflichtigen Beklagten angebotenen Beweismittel zuerst geklärt werde. Hingewiesen sei nur darauf, daß das Beweisanbot der Einsichtnahme in einen Strafakt kein hinreichend bestimmt bezeichneter Beweis iS der ZPO sei. Der diesbezüglich wohl angesprochene Urkundenbeweis könne nur dadurch geführt werden, daß die einzelnen Urkunden, also die Aktenstücke des Strafaktes, aus denen sich der behauptete Umstand ergeben solle, detailliert nach Aktenseite, Ordnungszahl oder Beilagenbezeichnung angeführt würden.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß der Beklagte nach der Bonität der Hauptschuldnerin weder gefragt habe noch darüber informiert worden sei, so wäre der Beweis als mißlungen anzusehen. Sollte sich herausstellen, daß der Beklagte ohne oder mit Offenlegung seiner diesbezüglichen Unwissenheit zwar gefragt, aber keine Information erhalten habe, so wäre der Beweis ebenfalls als nicht erbracht anzusehen, weil die Bank auch dem Bürgen gegenüber grundsätzlich zur Verschwiegenheit über die Verhältnisse des Hauptschuldners verpflichtet sei und damit ihr objektiv möglicherweise listiges Schweigen subjektiv gerechtfertigt gewesen wäre (Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft[2], 162). Auch der Umstand, daß der Bürge vom Schuldner gestellt worden sei, würde diese Verschwiegenheitspflicht nicht aufheben, weil eine Verpflichtung zur Solidarbürgschaft den Bürgen aus der Sicht des Gläubigers zum Mitschuldner mache, dessen Interesse an der Offenlegung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners als ungleich geringer eingestuft werden müßte als das Interesse des Hauptschuldners an der Wahrung seines Kredits. Bei dieser Interessenabwägung hätte sich die Bank im Zweifel zugunsten der zuerst begrundeten Verbindlichkeit gegenüber dem Hauptschuldner zu entscheiden und dessen Zustimmung zur Offenlegung einzuholen. Auch sei nicht zu übersehen, daß die Bürgenstellung in erster Linie Schuldnerinteressen und erst danach Gläubigerinteressen diene, welchen Gesichtspunkt auch der Gläubiger bei Entgegennahme der Bürgschaftserklärung berücksichtigen müsse. Schließlich spreche auch die im Bürgschaftsvertrag enthaltene Klausel, daß die Bank nicht verpflichtet sei, dem Bürgen Aufschluß über den jeweiligen Stand der Hauptschuld zu geben, sich der Bürge vielmehr diesbezüglich an den Hauptschuldner halten müsse, dafür, daß im konkreten Fall die Verschwiegenheitspflicht eher strikt zu handhaben gewesen wäre. Sollte die VZ im Feber 1978 noch in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gewesen sein oder ihre schlechte wirtschaftliche Lage von den maßgeblichen Leuten der Raika R noch nicht erkannt worden sein, so wäre der Beweis ebenfalls mißlungen, da im ersteren Fall eine (günstige) Auskunft nicht unrichtig, im letzteren Fall nur fahrlässig unrichtig erteilt gewesen wäre; weil der Irrtum des Beklagten nicht Geschäftsirrtum, sondern nur Motivirrtum gewesen wäre, bestunde wegen bloß fahrlässiger Verursachung eines solchen Irrtums keine Anfechtungsmöglichkeit. Nur in dem verbleibenden Fall, daß der Auskunftgeber von sich aus oder auf Befragen durch den Beklagten wissentlich die tatsächlich schlechte Lage und Bonität der VZ als gut oder gar ausgezeichnet geschildert und der Beklagte von der tatsächlichen Lage der VZ nicht ohnedies von anderer Seite her Kenntnis besessen haben sollte, damit also listig hierüber in Irrtum geführt worden wäre, könnte der Bürgschaftsvertrag als betrügerisch veranlaßt unwirksam sein. Nur zu diesen Fragen würden im weiteren Verfahren bezüglich des Bestehens einer wirksamen Verbürgung für die Kreditschuld von 18 170 000 S Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein. Sollte im fortgesetzten Verfahren eine Entscheidung über die Aufrechnungseinrede des Beklagten erforderlich werden, so werde das Erstgericht schließlich zu beachten haben, daß im Falle des vereinbarten Aufrechnungsausschlusses die Gegenforderung nicht zu prüfen, sondern im Urteil auszusprechen sei, daß die Aufrechnungseinrede abgewiesen werde (Fasching III 582; Klang[2] VI 511; SZ 5/106; SZ 27/197; JBl. 1978, 266 ua.).
Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der OGH hatte sich in jüngster Zeit mit den Fragen der Verschwiegenheits- bzw. Aufklärungspflicht einer Bank in den Entscheidungen SZ 53/13 und EvBl. 1983/128 auseinanderzusetzen, in denen er unter Hinweis auf die einschlägige Lehre nachstehende Grundsätze entwickelte: In der Entscheidung SZ 53/13 (der ein Sachverhalt zugrunde lag, der sich vor dem Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes, BGBl. 1979/63, am verwirklicht hatte) wurde ausgeführt, daß das Geschäftsverhältnis zwischen Kreditunternehmung und Kunden ein Vertrauensverhältnis ist (Schinnerer-Avancini, Bankverträge[3] I 22; Canaris im Großkommentar zum HGB[3] III/2, 553 RNr. 9), das auch Grundlage für eine Aufklärungspflicht der Kreditunternehmung sein kann. Im Rahmen der Geschäftsverbindung kann sich auch die Verpflichtung ergeben, bei drohendem wirtschaftlichem Zusammenbruch eines Dritten in banküblicher Weise, dh. vorsichtig und alle Interessen schonend, Bedenken zu äußern oder auf sonstige Bedenken aufmerksam zu machen (Schinnerer-Avancini aaO 22; in diesem Sinne auch Canaris aaO 588, RNr. 55; Schlegelberger-Hefermehl, HGB[5] IV 445, RNr. 22). Diese Anforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden. Es sind Geschäfte des Kunden, die über die Bank abgewickelt werden, sodaß primär er selbst seine Interessen zu wahren hat. Außerdem muß die Kreditunternehmung bei Verwertung von Tatsachen, die für die Entscheidung des Kunden von Bedeutung sein können, das Bankgeheimnis wahren. Sie darf daher grundsätzlich die geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, die einen anderen Kunden betreffen, nicht offenbaren. Für die Bank besteht damit ein Interessenkonflikt, bei dessen Lösung nicht übersehen werden darf, daß Diskretion für das Bankgeschäft als solches lebenswichtig ist (Schinnerer-Avancini aaO 23). Eine allfällige Aufklärungspflicht der Bank hat insbesondere in dem nunmehr im § 23 KWG normierten Bankgeheimnis, das vor diesem Gesetz gesetzlich nicht geregelt war, aber als Bestandteil des bankgeschäftlichen Verkehrs und eine der Grundlagen, auf denen die vertragsmäßigen Übereinkünfte zwischen den Kreditunternehmungen und ihren Kunden aufbauen, anerkannt war (Schinnerer-Avancini aaO 166 f.), ihre Grenzen. In aller Regel braucht daher die Kreditunternehmung ohne besonderes Verlangen nach Auskunft ihren Kunden nicht über die Vermögensverhältnisse eines anderen Kunden unterrichten und ihm etwaige Bedenken gegen dessen Kreditwürdigkeit mitteilen (vgl. Schinnerer-Avancini aaO 173; Canaris aaO 571 und 588, RNr. 38 und 55; Schlegelberger-Hefermehl aaO). Eine besondere Aufklärungspflicht über die Bonität des Akzeptanten eines Wechsels wird daher die Kreditunternehmung in der Regel auch bei Ankauf eines Wechsels nicht treffen. Jeder Aussteller oder Indossant eines Wechsels muß vielmehr damit rechnen, daß der spätere Inhaber des Wechsels bei Nichtzahlung der Wechselsumme durch den Akzeptanten Rückgriff bei ihm nimmt (Art. 43 Abs. 1 WG). Es obliegt also vor allem ihm, vor Diskontierung eines Wechsels, mit der besondere Nachteile oder Risken für ihn verbunden sein können, indem er etwa damit die Aufgabe von Sicherheiten wie die eines Eigentumsvorbehaltes verbinden will, sich selbst über die Bonität des Akzeptanten Gewißheit zu verschaffen. Es steht ihm insbesondere frei, vor Diskontierung des Wechsels eine allgemeingehaltene bankübliche Auskunft über den Akzeptanten zu verlangen. Grundsätzlich muß die Bank hingegen, wenn ihr besondere Umstände auf seiten des Wechselausstellers, die eine außergewöhnliche Wahrung von dessen Interessen gefordert hätten, nicht bekannt waren, nicht tätig werden (vgl. Canaris aaO 558, RNr. 54). Dies gilt insbesondere einem Kaufmann gegenüber, bei dem die Kenntnis der Bestimmungen des Wechselrechtes, aber auch ein weitgehendes Maß an Wahrung eigener Interessen vorausgesetzt werden kann.
In der Entscheidung EvBl. 1983/128 (der ein Sachverhalt zugrunde lag, der sich nach dem Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes, BGBl. 1979/63, abgespielt hatte) wurde ausgesprochen, daß es ebenso, wie die Bank nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluß eines Bürgschaftsvertrages über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären (Schinnerer-Avancini aaO II 159), nicht üblich ist, daß die Bank demjenigen, der ein Pfand beistellt, Auskünfte über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers erteilt (Schinnerer-Avancini aaO II 179). Es ist grundsätzlich nicht Sache einer Kreditunternehmung, einem ihrer Kunden, der mit einem anderen Kunden Geschäfte abschließt, die ein Risiko enthalten, Mitteilungen über die Vermögensverhältnisse des letzteren zu machen (Schinnerer-Avancini aaO I 22). Der Pfandbesteller muß zwar einerseits aus dem Verlangen der Bank, daß er als Dritter für den Kredit des Hauptschuldners ein Pfand bestelle, noch nicht schließen, daß die Bank dem Hauptschuldner kein Vertrauen entgegenbringe oder daß dessen Kreditwürdigkeit beeinträchtigt sei (Schinnerer-Avancini aaO II 179), er darf aber andererseits nicht erwarten, daß ihn die Bank über die wirtschaftliche Situation des Hauptschuldners aufklären werde oder daß sie diese in einer Weise prüfen werde, daß ihm aus der Pfandbestellung kein Risiko entstehen könne. Eine Warnpflicht der Bank wird nur dann ausnahmsweise und mit entsprechenden Vorbehalten angenommen, wenn die Bank schon Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Kreditnehmers hat, diesem wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit aber trotzdem noch einen Kredit gewährt (Canaris im Großkommentar zum HGB[3] III/3, 61, RNr. 110; Schinnerer-Avancini aaO I 22).
Geht man von den in diesen Entscheidungen, insbesondere in EvBl. 1983/128 dargelegten Erwägungen aus, so ist dem Berufungsgericht zwar darin beizupflichten, daß die Bank grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluß eines Bürgschaftsvertrages über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners aufzuklären; sie kann es vielmehr in der Regel dem künftigen Bürgen überlassen, sich über die Bonität des Hauptschuldners in geeigneter Weise Gewißheit zu verschaffen. Nichts anderes gilt für den Bürgen und Zahler. Auch wenn der Hauptschuldner mit der Bürgschaftsübernahme einverstanden ist und selbst den Bürgen der Bank namhaft macht, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, er sei mit einer Offenbarung seiner (ungünstigen) Vermögensverhältnisse gegenüber diesem Bürgen einverstanden (Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft[2], 162 f.). In besonderen Ausnahmefällen hat jedoch die Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Hauptschuldner hinter die Warn- und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen zurückzutreten, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluß des Bürgschaftsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat (zur allgemeinen Güter- und Interessenabwägung im Falle einer Kollision zwischen der Schutzpflicht zugunsten des einen Bankkunden und der Warn- und Aufklärungspflicht zugunsten eines anderen Bankkunden vgl. Canaris aaO III/3, 37, RNr. 63; zur Warn- und Aufklärungspflicht gegenüber einem Bürgen siehe auch Canaris aaO 62, RNr. 112). Ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank auf Grund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein - abweichend von der (bank)üblichen Funktion einer Bürgschaft - wird in Anspruch nehmen müssen (vgl. Canaris aaO 794, RNr. 1540, für den Fall des Wechseldiskonts). Ist der Hauptschuldner in solchen Fällen nach Rückfrage der Bank mit einer entsprechenden Auskunft über seine Vermögensverhältnisse an den Bürgen nicht einverstanden, so hat die Bank überdies die Möglichkeit, die durch die Bürgschaft zu besichernde Kreditgewährung an den Hauptschuldner abzulehnen.
Bei entsprechenden Ergebnissen des fortgesetzten Verfahrens (dem die durch die vorstehenden Ausführungen modifizierte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zugrunde zu legen sein wird) könnten also durchaus die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit des Bürgschaftsvertrages wegen listiger Irreführung des Beklagten seitens der zur Aufklärung verpflichteten Raika R durch Schweigen vorliegen (vgl. Koziol-Welser[6] I 108 ff., insbesondere 109 bei und in FN 68; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 870; siehe auch SZ 53/13, wonach die arglistige Unterlassung einer nach der Verkehrsanschauung erforderlichen Aufklärung den als Folge dieser Handlungsweise geschlossenen Vertrag nach § 870 ABGB anfechtbar macht).