OGH vom 28.02.2018, 6Ob203/17x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** KG, *****, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagten Parteien 1. G***** O*****, 2. P***** O*****, beide *****, Deutschland, vertreten durch Mag. Christian Köchl, Rechtsanwalt in Villach, wegen 10.728 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 91/17k-42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 9 C 154/15y-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 946,39 EUR (darin 157,73 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der nach dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG geforderten Lesbarkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den entsprechenden Kriterien hiefür wie etwa Schriftgröße und Gestaltung.
Die klagende Immobilienmaklerin wurde von der Eigentümerin einer Liegenschaft in Kärnten mit deren Verkauf beauftragt und inserierte diese über das Internetportal www.willhaben.at, woraufhin sich die Beklagten (als Verbraucher) an die Klägerin wendeten und um Übersendung eines Exposés der Liegenschaft ersuchten. Dieses von der Klägerin per E-Mail übermittelte Exposé enthielt neben mehreren Lichtbildern und einer Beschreibung des Objekts unmittelbar unter der Angabe des Kaufpreises folgenden Passus in kleinerer Schrift (Größe 8 oder 9 pt):
Kaufnebenkosten: 3,5 % Grunderwerbsteuer, 1,1 % Grundbucheintragungsgebühr, Vertragserrichtungskosten: je nach Tarif des Urkundenverfassers, 3 % zzgl. 20 % USt. Vermittlungsprovision (Höchstbetrag)
Am unterfertigten die Verkäuferin und die Beklagten einen Kaufvertrag betreffend die Liegenschaft; die Verdienstlichkeit der Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Klagsgegenstand ist die Vermittlungsprovision, welche die Vorinstanzen der Klägerin in voller Höhe zusprachen.
1. Der Oberste Gerichtshof hat zum Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG zwar bereits klargestellt, dass dieses sowohl formale Verständlichkeit im Sinn von Lesbarkeit als auch Sinnverständlichkeit verlangt (6 Ob 16/01y; 5 Ob 64/10p), wobei die Frage der Lesbarkeit jedoch regelmäßig eine solche des Einzelfalls ist und von Schriftgröße, drucktechnischer Gestaltung, Farbwahl usw abhängt. Auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, die mit § 6 Abs 3 KSchG umgesetzt wurde, statuiert in Art 5 bloß, dass dem Verbraucher in Verträgen unterbreitete Klauseln stets klar und verständlich abgefasst sein müssen, wozu auch eine drucktechnisch und optisch deutliche Gestaltung gehören, um die Wahrnehmbarkeit zu erhöhen (Reich/Miklitz, Europäisches Verbraucherrecht4 [2003] Rz 156); konkrete Vorgaben werden dabei jedoch nicht gemacht.
1.1. Nach zweitinstanzlicher Rechtsprechung (OLG Wien , 1 R 66/10y [VKI/Hutchison 3G Austria]) ist eine Klausel, die in der Größe von rund 5,5 pt und mit geringem Zeilenabstand geschrieben ist, intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Aus dem Gebot der Erkennbarkeit, eines der Grundprinzipien des Transparenzgebots, ergebe sich, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mühelos lesbar sein müssen, weil die schwierige Lesbarkeit der Vertragsbestimmungen ebenso ein Informationsdefizit des Verbrauchers bewirke wie eine schwierige Sinnverständlichkeit; eine nicht einwandfrei lesbare Klausel sei unwirksam. Zu den Kriterien führte das Oberlandesgericht Wien aus, bei langen Texten ohne klare Untergliederung und einem unscharfen Druck, insbesondere aber bei einem engen Schriftbild, könne auch eine Schriftgröße von 6 pt oder sogar darüber nicht ausreichen, um ein müheloses Lesen zu ermöglichen; intransparent sei eine Klausel, die nicht ohne äußerste Mühe und Konzentration lesbar sei, was nicht nur an der kleinen Schriftgröße und dem geringen Zeilenabstand, sondern insbesondere auch an der geringen Zeichenbreite und dem geringen Zeichenabstand liegen könne.
1.2. Nach deutscher Rechtsprechung ist maßgeblich für die mühelose Lesbarkeit einer Klausel grundsätzlich deren Schriftgröße. Diese darf nicht so klein gehalten sein, dass die Lektüre dem Kunden besondere Anstrengungen abnötigt (BGH NJW-RR 1986, 1311; vgl auch NJW 1983, 2772 zu einer Klausel, die lediglich mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe zu lesen war), was bei Schriftgrößen unter 6 pt meist vermutet wird, sofern nicht andere Komponenten dieses Defizit ausgleichen wie beispielsweise Fettdruck. Neben der Schriftgröße kommt es aber auch auf das Druckbild an, also die Wort- und Zahlenanordnung, die Gliederung, das Papier, die Schriftart, die Farbe und den Hintergrund (vgl OLG Saarbrücken NJW-RR 2009, 989). Zuletzt entschied der Bundesgerichtshof zu Allgemeinen Bedingungen eines Reiseveranstalters, dass Kleinschriften nicht Vertragsinhalt wurden; Allgemeine Geschäftsbedingungen müssten in deutlich lesbarer Schriftgröße abgedruckt werden (NJW 2007, 2552).
1.3. Zieht man diese Grundsätze zur Beurteilung der Provisionsklausel der Klägerin heran, so ist die Auffassung der Vorinstanzen, die Klausel sei gerade noch nicht intransparent, durchaus vertretbar. Abgesehen davon, dass die Klausel in einer Druckgröße von 8 oder 9 pt geschrieben ist, findet sie sich auf dem einseitigen Exposé auch nicht an einer unerwarteten oder versteckten Stelle, sondern unmittelbar unterhalb des Kaufpreises. Die Kaufnebenkosten sind zwar tatsächlich in kleinerer Schrift abgedruckt als der sonstige Text und das Druckbild ist leicht verschwommen, die Lektüre erfordert für einen Durchschnittsverbraucher aber keine besondere Anstrengung.
2. Die Beklagten machen geltend, ein Vermittlungsvertrag sei gar nicht zustande gekommen, weshalb ein Provisionsanspruch schon dem Grunde nach nicht bestehe; die Klägerin habe gegen das „Schriftlichkeitsgebot“ des § 30b KSchG verstoßen.
Nach § 30b Abs 1 KSchG hat der Immobilienmakler vor Abschluss des Maklervertrags dem Auftraggeber, der Verbraucher ist, eine schriftliche Übersicht mit bestimmtem Inhalt zu übermitteln. Die Mitteilung der nach § 3 Abs 3 MaklerG erforderlichen Nachrichten – dazu zählen unter anderem sämtliche Umstände, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind (vgl § 30b Abs 2 KSchG) – muss zwar schriftlich sein, weshalb mündliche Zusagen die in der Norm statuierten Informationspflichten nicht erfüllen; das Gebot der Schriftlichkeit in § 30b KSchG bedeutet aber nicht, dass die Parteien das Dokument unterschreiben müssen. Eine Unterfertigung der schriftlichen Übersicht durch den Verbraucher ist somit nicht erforderlich (2 Ob 190/13z);
die in der Revision zitierte Rechtsprechung bezieht sich auf § 31 KSchG, der hier nicht einschlägig ist.
3. Aus der Übersicht nach § 30b Abs 1 KSchG muss hervorgehen, dass der Immobilienmakler als Makler einschreitet und es müssen die Kosten, die den Verbraucher durch den Abschluss des zu vermittelnden Geschäfts voraussichtlich erwarten, angegeben werden. Dazu gehört auch, dass der Makler die Vermittlungsprovision ausweist. Die Höhe der Vermittlungsprovision ist gesondert anzuführen; auf ein allfälliges wirtschaftliches oder familiäres Naheverhältnis im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG ist hinzuweisen. Erfüllt der Makler diese Pflichten nicht spätestens vor einer Vertragserklärung des Auftraggebers zum vermittelten Geschäft, kann der Verbraucher nach § 3 Abs 4 MaklerG einerseits Schadenersatz geltend machen und andererseits, soweit dem Makler ein Provisionsanspruch zusteht, wegen der Verletzung wesentlicher Pflichten auch eine Mäßigung nach Maßgabe der durch den Pflichtverstoß bedingten geringeren Verdienstlichkeit des Maklers verlangen.
3.1. Nach der jüngeren, nunmehr ständigen (10 Ob 26/07g) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 43/02p; 1 Ob 304/02s [unter ausdrücklicher Ablehnung von 10 Ob 335/98g]; 6 Ob 135/16w) besteht ein solcher Minderungsanspruch immer schon dann, wenn vom Makler eine wesentliche Pflicht verletzt wurde; es reicht also die Pflichtverletzung aus, um einen Mäßigungsanspruch begründen zu können, ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Verdienstlichkeit (Leistung) des Maklers ist nicht (mehr) notwendig. Demnach hängt nur das Ausmaß der Provisionsminderung davon ab, in welchem Maß die Verletzung einer wesentlichen Pflicht die Verdienstlichkeit des Maklers gemindert hat; das Ausmaß der Mäßigung richtet sich nach der Schwere der vom Makler begangenen Vertragsverletzung (5 Ob 43/02p; 4 Ob 135/01h; 4 Ob 242/01v).
Das Ausmaß der Provisionsminderung ist immer eine Entscheidung im Einzelfall, weshalb nur im Falle eines groben Ermessensfehlers der Vorinstanzen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden muss (5 Ob 43/02p; 4 Ob 242/01v; 4 Ob 139/06d).
3.2. Eine solche Fehlbeurteilung ist hier nicht erkennbar. Auch wenn es die Klägerin in ihrem Exposé unterlassen hat, auf ihre Funktion als Doppelmaklerin hinzuweisen, unterlassen es die Beklagten in ihrer Revision, konkret darzustellen, warum dies eine Minderung des Provisionsanspruchs auf 0 EUR begründen sollte. Dass der Erstbeklagte anlässlich seiner Parteieneinvernahme ausführte, er hätte die Liegenschaft nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass die Klägerin als Doppelmaklerin auftritt, ist mangels entsprechender Feststellungen der Vorinstanzen unbeachtlich. Im Übrigen treten die Beklagten den Überlegungen des Berufungsgerichts, zum einen sei die Verdienstlichkeit der Klägerin durch den unterlassenen Hinweis in keiner Weise gemindert worden, zum anderen sei für die Beklagten noch vor Kaufvertragsabschluss unschwer der Schluss zu ziehen gewesen, dass die Klägerin von der Verkäuferin mit der Vermittlung beauftragt worden war, in der Revision inhaltlich nicht entgegen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00203.17X.0228.000 |
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