OGH vom 01.09.2011, 1Ob145/11x

OGH vom 01.09.2011, 1Ob145/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Karoline W*****, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Antragsgegner Gottfried W*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch, Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 195/11s 41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 2 C 182/08g 36, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer einer ca 30 ha großen Liegenschaft. Auf dieser befindet sich unter anderem das als Ehewohnung genutzte Wohnhaus mit integriertem Zwischentrakt und Stallungen. Strittiger Punkt des Aufteilungsverfahrens ist insbesondere die Teilung der Liegenschaft durch Abschreibung einer Grundfläche samt der Ehewohnung, die jedenfalls in die Aufteilungsmasse einzubeziehen ist.

Das Rekursgericht hielt diese, von der Antragstellerin begehrte, Realteilung im Aufteilungsverfahren grundsätzlich für zulässig. Es müsse aber geprüft werden, ob diese Teilung mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen (hohe Kosten der Trennung der Bereiche Landwirtschaft und Wohnhaus Wertverlust der landwirtschaftlichen Restflächen ohne Wohngebäude) verbunden und damit untunlich wäre. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Realteilung im Aufteilungsverfahren fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1. Nach § 86 Abs 1 EheG kann das Gericht bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens die Übertragung (auch) von Eigentum und sonstigen Rechten an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen Ehegatten sowie die Begründung dinglicher Rechte zu Gunsten des einen Ehegatten an unbeweglichen körperlichen Sachen des anderen anordnen.

2. Der Oberste Gerichtshof bejahte in einem Verfahren nach § 382 Z 8 lit c zweiter Fall EO bereits grundsätzlich die Möglichkeit des Gerichts, iSd § 86 Abs 1 EheG den der Ehewohnung dienenden und damit der Aufteilung unterliegenden Grundstücksteil von einem betrieblich genutzten Teil abzutrennen und einem Ehegatten zuzuweisen (4 Ob 18/99x).

3. Der Antragsgegner bezweifelt die grundsätzliche Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme im Außerstreitverfahren an sich nicht. Er sieht aber die Realteilung in diesem konkreten Fall als jedenfalls untunlich, weil sie ausschließlich (näher dargelegte) wirtschaftliche Nachteile mit sich bringe. Gerade (auch) zu diesem Thema ordnete das Rekursgericht eine Verfahrensergänzung an und trug dem Erstgericht ergänzende Feststellungen auf. Seiner Einschätzung, die Feststellungen des Erstgerichts seien nicht ausreichend und dessen Verfahren sei ergänzungsbedürftig, kann der Oberste Gerichtshof, der auch im außerstreitigen Verfahren nicht Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0007236), nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0043414 [T8, T 12]). Die im Revisionsrekurs angekündigte Einbringung einer Teilungsklage hinsichtlich der (nach Abtrennung eines Teilgrundstücks) verbleibenden, nicht dem Aufteilungsverfahren zu unterziehenden Restliegenschaft im streitigen Verfahren setzt die von der Antragstellerin angestrebte Realteilung logisch voraus und ist damit kein Argument gegen sie. Die Entscheidung 3 Ob 25/99v betraf die Zulässigkeit einer Klage auf Ersatz von Aufwendungen für eine Liegenschaft, die je zur Hälfte im Eigentum geschiedener Ehegatten gestanden und aufgrund eines rechtskräftigen Teilungsurteils veräußert worden war. Im Aufteilungsverfahren war eine Entscheidung über die gemeinsame Liegenschaft, die grundsätzlich als eheliches Gebrauchsvermögen der Aufteilung unterlag, abgelehnt worden, weil keiner der Ehegatten zur Leistung einer entsprechenden Ausgleichszahlung im Stande gewesen wäre. Aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der Anträge auf Aufteilung der Liegenschaft im außerstreitigen Aufteilungsverfahren, sah der Oberste Gerichtshof im streitigen Verfahren den Anspruch des geschiedenen Ehegatten als nicht rechtskräftig erledigt. Die Abtrennung ehelichen Gebrauchsvermögens von nicht der Aufteilung unterliegenden betrieblichen Liegenschaften betrifft diese Entscheidung jedenfalls nicht.

4. Das Rekursgericht hielt die Begründung eines Wohnrechts zu Gunsten eines Ehegatten gegen ein monatliches Benutzungsentgelt für grundsätzlich denkbar, allerdings nur, falls dies nicht zur gleichen Entwertung wie eine Realteilung führe. Auch in seinen gegen diese „angedachte“ Lösung gerichteten Argumenten zeigt der Antragsgegner keine erhebliche Rechtsfrage auf. Er wertet diese Variante als Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz des § 84 EheG (s dazu Koch im KBB³ § 84 EheG Rz 1 mwN), weil sie zwar eine örtliche Trennung der Lebensbereiche bedeute, jedoch durch die Vereinbarung eines Benützungsentgelts und dessen Zahlung bedingte Kontakte nicht einschränke. Ersteres ließe sich wohl auch über Vertreter regeln, letzteres durch bargeldlosen Zahlungsverkehr, weshalb diese Lösung dem Trennungsgrundsatz in vertretbarer Weise Rechnung tragen würde (vgl 9 Ob 42/99p mwN). Das Gericht kann im außerstreitigen Aufteilungsverfahren nicht beantragte Anordnungen treffen, darf dabei allerdings keinem der Beteiligten gegen dessen Willen eine Rechtsstellung zu seinen Gunsten aufdrängen (RIS-Justiz RS0008478; vgl Koch aaO § 85 EheG Rz 2). Dass die Antragstellerin ein Wohnrecht zu ihren Gunsten eindeutig ablehnt, lässt sich dem Akteninhalt aber nicht entnehmen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragstellerin hat nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.