OGH vom 09.07.1996, 4Ob2146/96h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Hermine C*****, 2.) Helga C*****, beide vertreten durch Dr.Hannes Pramer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 41 R 1085/95b-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 44 C 165/94-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gelten als Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung:
Die Klägerin erwarb von der grundbücherlichen Eigentümerin R***** AG mit Kaufvertrag vom 12./ ua das Haus Wien 4*****. Das Eigentumsrecht der Klägerin ist aufgrund dieses Kaufvertrages im Grundbuch bisher bloß vorgemerkt.
Die Klägerin kündigt den Beklagten die Wohnung Nr 23 und 24 in diesem Haus wegen unleidlichen Verhaltens auf. Obwohl ihr Eigentumsrecht aufgrund des Kaufvertrages vom 12./ im Grundbuch nur vorgemerkt sei, sei sie zur Kündigung berechtigt, weil ihr bereits im März 1993 der Besitz und die Verwaltung der Liegenschaft übergeben worden seien. Die Beklagten hätten bereits Anträge im Außerstreitverfahren nach dem MRG gegen die Klägerin angestrengt.
Die Beklagten beantragen die Aufhebung der Aufkündigung. Abgesehen davon, daß sie die behaupteten Kündigungsgründe nicht gesetzt hätten, sei die Klägerin zur Aufkündigung nicht legitimiert, weil die R***** AG nach wie vor grundbücherliche Eigentümerin des Hauses sei.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Es stellte auch noch fest, daß die Beklagten im Verfahren 44 MSch 200/94 des Erstgerichtes gegen die W*****GmbH einen Antrag eingebracht hätten, und die den Mangel ihrer Passivlegitimation mit der Begründung eingewendet habe, daß sie noch nicht (grundbücherliche) Eigentümerin der Liegenschaft sei. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, daß nur der bücherliche Eigentümer zur Aufkündigung eines Bestandverhältnisses aktiv legitimiert sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Behauptungen der Parteien des Verfahrens 44 MSch 200/94 des Erstgerichts seien für die rechtliche Beurteilung ohne Belang und würden daher nicht übernommen. Im Zeitpunkt der Aufkündigung sei das Eigentumsrecht der Klägerin an der Liegenschaft ***** nur vorgemerkt gewesen. Damit habe die Klägerin aufschiebend bedingtes Eigentum an dieser Liegenschaft erworben. Die Rechtfertigung der Vormerkung sei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht angemerkt worden.
Der Erwerber einer Liegenschaft trete in den Bestandvertrag ein. Auch der außerbücherliche Erwerber sei nach der Rechtsprechung zur Auflösung von Bestandverträgen berechtigt, wenn ihm vom Veräußerer der Besitz und die Verwaltung (Nutznießung) der Liegenschaft übertragen worden sei und er in den vom bisherigen Eigentümer abgeschlossenen Bestandvertrag eingetreten sei bzw diesen erneuert habe. In jüngeren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes sei auch schon die Auffassung vertreten worden, daß für diesen Eintritt in den Bestandvertrag die Zustimmung des Bestandnehmers nicht erforderlich sei und daß Gestaltungsrechte, sofern sie nicht höchstpersönliche Rechte seien, jedenfalls dann Gegenstand einer Zession sein könnten, wenn sämtliche Rechte aus einem Vertrag übertragen würden.
Der Eintritt in ein bestehendes Vertragsverhältnis erfordere aber neben der Vereinbarung zwischen Überträger und Übernehmer die zumindest schlüssig erteilte Zustimmung des verbliebenen Vertragspartners. Das Berufungsgericht schließe sich der Auffassung, daß mit der Abtretung von Bestandgeberrechten grundsätzlich auch die Gestaltungsrechte abgetreten werden könnten, nicht an, weil vertragsbezogene Gestaltungsrechte, wie das Kündigungsrecht, zum Unterschied von bloß forderungs- oder schuldbezogenen Gestaltungsrechten unlösbar mit der Rechtsstellung als Vertragspartner verbunden seien. Vertragsbezogene Gestaltungsrechte könnten daher nur mit der Rechtsstellung als Vertragspartei übertragen werden. Die Aufspaltung der Rechtsposition des Vermieters in einen berechtigten und einen verpflichteten Teil müsse vermieden werden, weil sonst die Möglichkeit eröffnet werde, daß Veräußerer und Erwerber einer Liegenschaft von vornherein nur die Abtretung der Bestandrechte, nicht aber auch die Übernahme der Bestandgeberpflichten vereinbaren und die Einverleibung des Eigentumsrechts hinauszögern könnten, damit sich der Erwerber den Erhaltungspflichten entziehen, gleichzeitig aber vom Bestandnehmer Mietzins fordern und den Bestandnehmer auch kündigen könne. Eine solche Aufspaltung von Rechten und Pflichten aus einem komplexen Dauerrechtsverhältnisses sei für den Bestandnehmer unzumutbar. Sie könnte außerdem zur Unsicherheit des Bestandnehmers darüber führen, wer in welchem Umfang sein Vertragspartner sei. Außerdem stehe § 42 Abs 2 MRG der Abtretung von Bestandzinsforderungen entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt.
Mit Recht weist die Revisionswerberin darauf hin, daß dem außerbücherlichen Erwerber einer Liegenschaft Rechte aus bestehenden Bestandverträgen vor der Verbücherung des Kaufvertrages wirksam übertragen werden können. Der Erwerber einer Liegenschaft tritt mit der sachenrechtlich wirksamen Übergabe, bei verbücherten Liegenschaften also gemäß § 431 ABGB mit der Einverleibung seines Eigentumsrechts im Grundbuch, in den Bestandvertrag ein (MietSlg 40.182; MietSlg 41.141; ecolex 1994, 226 uva; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 5 und 7 zu § 1120; Binder in Schwimann, ABGB Rz 21 zu § 1120). Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der des Einlangens des entsprechenden Gesuchs beim Grundbuchsgericht (SZ 51/151; SZ 58/117; ecolex 1994, 226; Spielbüchler in Rummel aaO Rz 8 zu § 431).
Der Bestandvertrag kann vom Erwerber aber auch schon vor der dinglichen Übergabe übernommen werden, weil der Bestandgeber nicht Eigentümer der Bestandsache sein muß. Die neuere Rechtsprechung hat daher - entgegen Klang2 V 129 - auch dem außerbücherlichen Erwerber das Recht zur Auflösung von Bestandverträgen zugebilligt, wenn ihm nur vom Veräußerer der Besitz und die Verwaltung (Nutznießung) des Bestandgegenstandes übertragen wurde und der Erwerber entweder in den bestehenden Bestandvertrag eingetreten ist oder diesen erneuert hat (SZ 59/127; MietSlg 40.182; WoBl 1991, 159; 5 Ob 82/92 ua).
Einem Teil dieser Rechtsprechung kann allerdings die Ansicht entnommen werden, daß der Eintritt in den Bestandvertrag bzw dessen Erneuerung auch in Ansehung der dem früheren Bestandgeber obliegenden Verpflichtungen die Zustimmung des Bestandnehmers nicht erfordere (SZ 57/156; MietSlg 38.218; MietSlg 40.182). Dagegen hat der erste Senat des Obersten Gerichtshofes in den Entscheidungen 1 Ob 512/93 (= ecolex 1994, 226) und 1 Ob 620/93 (JUS 1994/1615) Stellung bezogen und im wesentlichen folgendes dargelegt:
Ein vorzeitiger Übergang von Rechten und Pflichten ist nur durch Vertragsübernahme möglich, wozu es der Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners bedarf; durch die Übertragung von Besitz, Verwaltung und Nutznießung an den außerbücherlichen Erwerber tritt dieser nur zur Gänze in den Bestandvertrag ein, wenn der Mieter der Vertragsübernahme - ausdrücklich oder schlüssig - zustimmt; erst die Einverleibung des Eigentumsrechts bewirkt diesen Übergang ex lege; allerdings steht der Abtretung von Rechten aus gegenseitigen Verträgen nichts entgegen; die Abtretung der dem Bestandgeber aus dem Bestandverhältnis erwachsenden Rechte ist durch die Überlassung von Besitz, Verwaltung und Nutznießung an der Liegenschaft impliziert; geht es aber um die Pflichten des Bestandgebers, kann der Bestandnehmer vor dem Eigentümerwechsel zwar den außerbücherlichen Erwerber in Anspruch nehmen, weil der im Veräußerungsvertrag vereinbarte Eintritt des Erwerbers in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers als Vertrag zugunsten des Bestandnehmers als Dritten zu beurteilen ist; dem Mieter steht es aber frei, weiterhin den Veräußerer als bücherlichen Eigentümer auf Erfüllung der bestandvertraglichen Pflichten in Anspruch zu nehmen. Der bücherliche Eigentümer kann sich daher - ohne schlüssige Zustimmung des Mieters zur Vertragsübernahme - seiner Vertragspflichten nicht unter Berufung auf bestehende Veräußerungsverträge entledigen.
Die Frage, ob und inwieweit mit der Abtretung der Bestandzinsforderungen oder überhaupt aller Rechte des Bestandgebers aus dem Bestandvertrag auch dessen Gestaltungsrechte an den außerbücherlichen Erwerber übergehen, war in den genannten Entscheidungen des ersten Senats, in denen es um vertragliche Pflichten des Bestandgebers ging, nicht zu lösen. Diese Frage wurde in der Entscheidung JBl 1995, 525 dahin beantwortet, daß der außerbücherliche Erwerber - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - mit der vor der Eintragung seines Eigentumsrechts im Grundbuch vorgenommenen Übertragung des Besitzes und der Nutznießung der Liegenschaft die Forderung auf Zahlung des Bestandzinses durch Abtretung und damit schließlich die gesamten Rechte des Vermieters, auch aus dem Verzug des Mieters mit der Zinszahlung, erwirbt, ohne daß es dabei zur vollen - die Zustimmung des Bestandnehmers erfordernden - Vertragsübernahme kommt. Auch die Entscheidung 7 Ob 546/95 gelangte in einem Streit um Zinszahlung und Räumung zu demselben Ergebnis.
An den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die Gestaltungsrechte sind, sofern sie nicht höchstpersönliche Rechte sind, Gegenstand der Zession (vgl EvBl 1980/140; SZ 61/238; P.Bydlinski, Übertragung von Gestaltungsrechten 25; Ertl in Rummel aaO Rz 5 zu § 1393; Koziol/Welser10 I 290 f). Ob eine Einschränkung zu machen ist, wenn das Gestaltungsrecht selbständig, also unabhängig von dem Recht, auf das es Bezug hat, abgetreten werden soll, muß hier nicht beurteilt werden. Hat der Veräußerer den Besitz und die Verwaltung des Hauses an den Erwerber übertragen, dann steht diesem als redlichem Besitzer der Anspruch auf die Früchte der Sache zu. Die Übertragung des Besitzes an der Liegenschaft an den Erwerber schon vor dessen Eintragung im Grundbuch umfaßt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Abtretung der Bestandzinsforderung durch den Veräußerer an den Erwerber. Ein solches Verhalten des Veräußerers bringt aber auch zum Ausdruck, daß er an der Geltendmachung von Rechten, die ihm aufgrund seiner Stellung als Vermieter zustehen, und damit auch an der Geltendmachung von Gestaltungsrechten kein Interesse mehr hat; es kann daher nur dahin verstanden werden, daß er schlüssig seine gesamten Rechte als Vermieter an den Erwerber abgetreten hat. Eine Vertragsübernahme, der der Mieter zustimmen müßte, ist damit nicht verbunden. Die Abtretung von Rechten allein erfordert aber nicht die Zustimmung des Schuldners.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß das Kündigungsrecht als vertragsbezogenes Gestaltungsrecht zum Unterschied von bloß forderungs- oder schuldbezogener Gestaltungsrechten nur mit der Rechtsstellung als Vertragspartei (also nur durch Vertragsübernahme) übertragen werden könne, ist nicht beizutreten. Ertl (in Rummel aaO Rz 5 zu § 1393) weist darauf hin, daß es für die Zulässigkeit der Abtretung von Kündigungsrechten keine generelle Lösung gibt und Schwierigkeiten der Auslegung im Einzelfall ofmals darin bestehen, daß eine künstliche Aufspaltung von Rechtsdispositionen zu einer schweren und durch nichts zu rechtfertigenden Belastung des Gestaltungsgegners führen kann, daß aber andererseits das Gestaltungsrecht nicht ohne Not bei einem an dessen Ausübung nach Abtretung der Hauptdisposition völlig uninteressierten Zedenten verbleiben soll, obwohl es offensichtlich Vermögenswert hat. P.Bydlinski (Übertragung von Gestaltungsrechten 290) hält Gestaltungsrechte, die im Rahmen eines Schuldverhältnisses den präsumtiven Schuldner des Gestaltungsgegners nicht auswechseln, also bloß mit Ansprüchen verbunden sind, generell auch ohne Zustimmung des Gestaltungsgegners für übertragbar, namentlich auch Kündigungsrechte; eine Zustimmung sei nur erforderlich, wenn das Gestaltungsrecht nach dem Parteiwillen nur einer bestimmten Person zustehen soll. Krecji (Betriebsübertragung 185) meint dagegen, daß Gestaltungs- rechte wie das Kündigungsrecht nur dem Vertragspartner als solchem zustünden und unlösbar mit der Rechtsstellung als Vertragspartei verbunden seien.
Der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft, dem der Besitz daran schon vor der Einverleibung seines Eigentumsrechts übertragen wurde, hat aber Interesse am Erwerb der Bestandzinsforderung und damit auch am Recht, den Verzug des Mieters mit Kündigung oder Räumungsklage geltend zu machen, weil er regelmäßig nicht erwarten kann, daß der Veräußerer, der mit dem Besitz und der Verwaltung der Liegenschaft nichts mehr zu tun haben will, diese Rechte wahrnimmt. Das Kündigungsrecht wegen Mietzinsrückstandes soll daher grundsätzlich auch auf den Zessionar übergehen (vgl P.Bydlinski aaO 187 f). An der Übertragbarkeit des Kündigungsrechts durch Zession in Verbindung mit der Übergabe des Besitzes einer Liegenschaft an den außerbücherlichen Erwerber ist daher festzuhalten. Die Gefahr, daß dem Erwerber durch die Aufspaltung von Bestandgeberrechten und -pflichten die Möglichkeit eröffnet wird, zwar den Bestandzins zu fordern, die Erhaltungspflichten aber nicht wahrzunehmen, besteht nicht, weil der Mieter zur Erfüllung seiner Ansprüche aus dem Vertrag nicht nur den bücherlichen Eigentümer, sondern auch den außerbücherlichen Erwerber in Anspruch nehmen kann (ecolex 1994, 226). Die vom Berufungsgericht angenommene Unzumutbarkeit der Aufspaltung der Rechtspositionen besteht daher in Wahrheit nicht.
§ 42 Abs 2 MRG, der im Anwendbarkeitsbereich des MRG jede Verfügung über Mietzinse für Mietgegenstände in Gebäuden ua durch Abtretung als ohne rechtliche Wirkung erklärt, hat nur die Abtretung zur Sicherung eines mit der ordnungsgemäßen Erhaltung oder notwendigen oder nützlichen Veränderung (Verbesserung) nicht im Zusammenhang stehenden Darlehens an einen Gläubiger des Hauseigentümers im Auge. Die Abtretung der Zinsforderung an den außerbücherlichen Erwerber, dem auch Besitz und Verwaltung an der Liegenschaft übertragen wurde, wird dadurch nicht gehindert, kann doch der Mieter nach der dargelegten Rechtsprechung auch gegen diesen die Rechte nach dem MRG geltend machen.
Im vorliegenden Fall steht nicht fest, ob die bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft aus Anlaß des Abschlusses des Kaufvertrags der Klägerin den Besitz und die Verwaltung (Nutznießung) der Liegenschaft übertragen hat. Sollte das der Fall sein, ist die Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung der außerordentlichen Kündigung zu bejahen. In diesem Fall wird das Erstgericht auch die Beweise über den geltend gemachten Kündigungsgrund aufzunehmen haben.
Sohin waren die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision aufzuheben; dem Erstgericht ist eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufzutragen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.