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OGH vom 17.09.2014, 4Ob125/14g

OGH vom 17.09.2014, 4Ob125/14g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Handelsgesellschaft mbH, **********, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Frieders Tassul Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 35/14w, 38/14m 14, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 57 Cg 63/13k 6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin mit Sitz in Wien ist ein Handelsunternehmen, das seit über 30 Jahren auch im Bereich Chemikalien und Polymere tätig ist.

Die am in das Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragene Beklagte ist Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich, die sich seit Jahrzehnten mit dem weltweiten Handel von Chemikalien beschäftigt. Auch die Beklagte betreibt den Handel mit Chemikalien.

Im Geschäftszweig „Industriechemikalien“ beendeten im Frühjahr/Sommer 2013 mehrere Arbeitnehmer der Klägerin ihr Dienstverhältnis, darunter auch zwei Personen, die bereits seit mehreren Jahren bei der Klägerin tätig waren, über einen großen Erfahrungsschatz und wichtige Lieferanten und Kundenkontakte verfügten und in der Folge ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten begründeten. Einer dieser beiden beendete sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin einvernehmlich zum , der andere kündigte mit Wirkung vom und begann am bei der Beklagten. Beide Arbeitnehmer hatten sich in ihren Dienstverträgen im Rahmen einer Konkurrenzklausel ua verpflichtet, während eines Zeitraums von 12 Monaten, beginnend mit dem Ende des Dienstverhältnisses, keine entgeltlichen oder unentgeltlichen Tätigkeiten für ein in einem oder mehreren Gebieten des Dienstgebers tätiges Handelsunternehmen einzugehen; die vereinbarte Vertragsstrafe war ein Jahresbruttobezug.

Im März/April 2013 nahm ein ehemaliger Mitarbeiter der Klägerin Kontakt zur Muttergesellschaft der Beklagten auf. Er bezeichnete sich als Anführer einer Gruppe von Mitarbeitern der Klägerin, die mit dem Arbeitsklima und der Persönlichkeit des Geschäftsführers der Klägerin unzufrieden seien und deshalb die Absicht hätten, ihre Dienstverhältnisse bei der Klägerin zu beenden bzw diese bereits beendet hätten. Er fragte, ob für ihn und diese Gruppe von Mitarbeitern künftig eine Beschäftigung bei der Unternehmensgruppe möglich wäre. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Muttergesellschaft der Beklagten keine Absicht, in Österreich eine Tochtergesellschaft zu gründen oder sonst in den österreichischen Raum zu expandieren. Wegen der Qualifikationen und der Berufserfahrung der vorsprechenden Gruppe hatte die Muttergesellschaft der Beklagten Interesse an der Prüfung einer Zusammenarbeit und beauftragte Mitte Mai 2013 einen Mitarbeiter, Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu sondieren. Als der Wortführer dieser Gruppe zu einem neuen Arbeitgeber wechselte, übernahm einer der beiden später zur Beklagten wechselnden Arbeitnehmer den Kontakt der restlichen Gruppe zur Muttergesellschaft der Beklagten. Dort dachte man zunächst daran, die anzustellenden neuen Mitarbeiter auf jeweils unterschiedlichen europäischen Teilmärkten außerhalb Österreichs einzusetzen. Die beiden später zur Beklagten wechselnden Mitarbeiter hatten jedoch ihren Wohnsitz in Wien und fragten deshalb an, ob auch Wien statt Zürich als Arbeitsort in Frage käme. Die Muttergesellschaft der Beklagten zog aufgrund dieser Anfrage in Betracht, in Österreich eine Tochtergesellschaft zu gründen, was auch geschah. Die Erschließung neuer Geschäftsfelder oder Tätigkeitsbereiche war kein Grund für die Gründung der Beklagten. Die Muttergesellschaft war bereits lange vor der Gründung der Beklagten in jenen Bereichen tätig, die von den künftigen neuen Mitarbeitern bei der Klägerin bearbeitet wurden. Parallel zu den Vorbereitungen der Gesellschaftsgründung wurden Dienstverträge für die drei in Aussicht genommenen Mitarbeiter der neu zu gründenden Beklagten vorbereitet.

Vor dem Abschluss seines Arbeitsvertrags mit der Beklagten wies eine der später zur Beklagten wechselnden Personen auf die in seinem Dienstvertrag mit der Klägerin bestehende Konkurrenzklausel hin. Er befürchtete für den Fall eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Beklagten während der aufrechten Konkurrenzklausel, die Klägerin könnte ihm deshalb Schwierigkeiten bereiten. Die Muttergesellschaft der Beklagten holte deshalb Rechtsauskunft bei ihren Schweizer Rechtsanwälten ein. Die Rechtsanwaltskanzlei prüfte die Konkurrenzklauseln nach der österreichischen Rechtslage und gelangte zum Ergebnis, es handle sich bei den betroffenen Mitarbeitern um absolute Spezialisten in ihrem Tätigkeitsgebiet „Industriechemikalien“, die ohne Zusatzausbildung oder größere Umschulung nicht ohne massive Einkommenseinbuße in einer anderen Branche tätig werden könnten. Die Konkurrenzklauseln seien unklar und zu weit gehend, weil die Frage des Tätigwerdens auf „Gebieten“ des Arbeitgebers nicht erschließen lasse, ob es sich um eine geografische oder eine sachliche Begrenzung handle, auch sei die örtliche Geltung des Konkurrenzverbots überhaupt nicht eingeschränkt worden. Die Rechtsanwaltskanzlei gelangte zum Ergebnis, dass das Konkurrenzverbot bei einer Interessenabwägung nach österreichischem Recht nicht haltbar wäre, weshalb es einer Anstellung bei der Beklagten nicht entgegenstehe. Die Beklagte gab sodann folgende Schadloserklärung ab:

„Schutz vor rechtlichen Konsequenzen einer Zusammenarbeit mit der [Beklagten]

[fünf Namen] beabsichtigen, sich bei [Beklagte] anstellen zu lassen. Sie befürchten, dass diese Anstellung mit ihrem Konkurrenzverbot kollidieren und entsprechende rechtliche Konsequenzen auf sie zukommen könnten. [Beklagte] ist nicht der Meinung, dass solche Konsequenzen auftreten werden, versteht jedoch die Befürchtungen. Aus diesem Grund garantiert [Beklagte] seinen neuen Mitarbeitern, sie im Falle solcher Konsequenzen schadlos zu halten. Diese Zusicherung steht unter der Bedingung, dass [Beklagte] frühzeitig und umfassend Gelegenheit erhält, allfällige gegen [fünf Namen] erhobene Vorwürfe im Zusammenhang mit den so adressierten Damen und Herren zu bestreiten bzw zu entgegnen sowie über die zur Abwehr unberechtigter Forderungen erforderlichen Verfahrensschritte zu entscheiden bzw solche zu veranlassen.“

Nicht bescheinigt ist, dass es der Beklagten und der von ihr beauftragten Kanzlei wesentlich war, eine Schadloshaltung nur für die Abwehr unberechtigter Forderungen in Aussicht zu stellen. Zum Abschluss eines Dienstvertrags durch die Beklagte kam es letztlich nur mit zwei ehemaligen Mitarbeitern der Klägerin; ausschlaggebend waren ihre Erfahrung und ihre Fach und Branchenkenntnisse. Die Beklagte oder ihre Muttergesellschaft forderten ehemalige Mitarbeiter der Klägerin nicht dazu auf, sich widerrechtlich Informationen aus dem Datenbestand der Klägerin zu beschaffen oder zu verwerten. Seit ihrer Gründung erzielte die Beklagte noch keine Umsatzerlöse in Österreich. Bisher sind in der Gesellschaft lediglich Anlaufkosten angefallen.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage im geschäftlichen Verkehr

1. aufzutragen zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin unter Verletzung einer mit der Klägerin vereinbarten Konkurrenzklausel abzuwerben;

2. zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr ehemalige Mitarbeiter der Klägerin während aufrechter mit der Klägerin vereinbarter Konkurrenzklausel entgeltlich oder unentgeltlich bei der Beklagten zu beschäftigen, insbesondere [Name 1] bis zum oder einer allfälligen früheren rechtskräftigen Entscheidung über die Klage und [Name 2] bis zum oder einer allfälligen früheren rechtskräftigen Entscheidung über die Klage.

Die Beklagte habe Dienstnehmer der Klägerin unlauter mit dem Ziel abgeworben bzw unlauter zum Vertragsbruch verleitet, in den Bereich der „Industriechemikalien“ als das Hauptgeschäftsfeld der Klägerin vorzudringen. Dazu habe sich die Beklagte einiger Schlüsselmitarbeiter der Klägerin bedient, die trotz mit der Klägerin vereinbarter Konkurrenzklausel unter sittenwidrigen Umständen für die Beklagte tätig seien. Die Beklagte habe den betreffenden Mitarbeitern der Klägerin die Schadloshaltung im Fall eines rechtlichen Vorgehens der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel zugesichert. Damit habe die Beklagte gegen § 1 UWG verstoßen. Die Klägerin habe auch einen Beseitigungsanspruch: Beim unlauteren Abwerben von Arbeitskräften bestehe nämlich der Störungszustand weiter, solange sich die Folgen dieser Handlung noch in der Sphäre des früheren Dienstgebers auswirkten. Daher sei ein befristetes Beschäftigungsverbot für die betroffenen Arbeitgeber gerechtfertigt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie habe keine Dienstnehmer der Klägerin aktiv abgeworben, vielmehr seien Mitarbeiter der Klägerin an sie herangetreten. Nach Prüfung der österreichischen Rechtslage seien die Anwälte der Muttergesellschaft der Beklagten zum Ergebnis gelangt, dass die von den betroffenen Personen mit der Klägerin vereinbarten Konkurrenzklauseln unwirksam seien und einer sofortigen Beschäftigung bei der Beklagten nicht entgegenstünden. Die Beklagte habe die im Wettbewerb erforderliche Sorgfalt angewendet und die Rechtsfrage durch eine anerkannte und international tätige Rechtsanwaltskanzlei prüfen lassen. Die Schadloshaltungserklärung sei auf der Grundlage einer vertretbaren Rechtsauffassung abgegeben worden, sodass keine Unlauterkeit im Sinne des Wettbewerbsrechts vorliege. Im Übrigen stelle die Schadloshaltungserklärung lediglich die Abwehr unberechtigter Forderungen in Aussicht. Die Tätigkeit der Beklagten auf dem Markt sei derzeit überhaupt nicht spürbar, weil sie seit ihrer Gründung keine Umsätze getätigt habe.

Das Erstgericht erließ die zu Punkt 2. begehrte einstweilige Verfügung unter Anordnung des Erlags einer Sicherheitsleistung von 60.000 EUR und wies das zu Punkt 1. gestellte Sicherungsbegehren ab. Ein neuer Arbeitgeber handle nicht schon deshalb sittenwidrig, weil er in Kenntnis von den Dienstnehmer bindenden Konkurrenzklauseln mit diesem einen Dienstvertrag abschließe, sondern nur dann, wenn er darüber hinaus den Vertragsbruch des Dienstnehmers bewusst fördere oder sonst in irgend einer Weise aktiv dazu beitrage. Solches sei hier der Fall, da sich die Beklagte gegenüber durch Konkurrenzklauseln gebundenen fremden Arbeitnehmern verpflichtet habe, die für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe zu zahlen. Auf diese Weise habe sie den Vertragsbruch des Dienstnehmers in einer über den Abschluss des Dienstvertrags hinausgehenden Weise gefördert und sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt. Eine Schadloshaltung nur für unberechtigte Forderungen aus der Konkurrenzklausel sei der Erklärung vom nicht zu entnehmen. Da die Beklagte keine Mitarbeiter der Klägerin aktiv abgeworben habe und ein Abwerben für sich alleine nicht rechtswidrig sei, sei Punkt 1. des Sicherungsbegehrens abzuweisen. In Ansehung des Beschäftigungsverbots sei dem Sicherungsbegehren hingegen stattzugeben.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Sicherungsantrag abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Berufung auf eine vertretbare Vertragsauslegung des fremden Vertrags auch in der Fallgruppe „Beteiligung an einem fremden Vertragsbruch“ zulässig sei.

Die Schadloserklärung vom betreffe nicht nur Abwehrkosten einer unberechtigten Inanspruchnahme aus den Konkurrenzklauseln; nach deren Wortlaut umfasse sie auch die Abwehr und den Ersatz von berechtigten Forderungen infolge einer Verletzung der Konkurrenzverbote. Der Beklagten könne aber trotz ihrer Schadloshaltungsgarantie deshalb kein unlauteres Verhalten vorgeworfen werden, weil sie die zwischen der Klägerin und deren ehemaligen Mitarbeitern vereinbarte Konkurrenzklausel durch eine Schweizer Rechtsanwaltskanzlei nach der österreichischen Rechtslage prüfen habe lassen, dies mit dem Ergebnis, dass die Konkurrenzklausel nach österreichischem Recht nicht wirksam sei. Die Beklagte habe daher von der Unwirksamkeit der Konkurrenzklauseln als vertretbarer Rechtsansicht ausgehen können, sodass sie keinen Verstoß gegen § 1 UWG begangen habe. Damit fehle auch eine Rechtsgrundlage für das beantragte Beschäftigungsverbot.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung nach der UWG-Novelle 2007 zur Unlauterkeit der Beschäftigung ehemaliger Mitarbeiter eines Mitbewerbers fehlt, denen der Ersatz einer vom früheren Arbeitgeber allenfalls begehrten Konventionalstrafe wegen Verstoßes gegen ein vertragliches Konkurrenzverbot zugesichert worden ist. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

1.1. Das Ausnützen fremden Vertragsbruchs ist auch wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht nicht wettbewerbswidrig an sich, es sei denn, der Dritte hat den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen; das gilt auch nach der UWG Nov 2007 (vgl RIS Justiz RS0107766; Schmid in Wiebe/Kodek , Kommentar zum UWG § 1 Rn 856 mit Beispielen aus der Rsp).

1.2. Nach der Rechtsprechung vor der UWG Nov 2007 galt es als Förderung des Vertragsbruchs des Dienstnehmers in einer über den Abschluss des Dienstvertrags hinausgehenden Weise und damit als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sich der neue Dienstgeber eines durch eine Konkurrenzklausel gebundenen Arbeitnehmers diesem gegenüber verpflichtete, ihm die für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe zu ersetzen (RIS Justiz RS0117491). Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Wertungen bedürfen einer Überprüfung im Lichte der geltenden Rechtslage und des jüngeren Schrifttums.

2. Im jüngeren Schrifttum (Nachweise bei Ohly in Ohly/Sosnitza , UWG 6 § 4.10 Rn 10/28a) wird die These von der Unlauterkeit des bloßen Hinwirkens auf einen Vertragsbruch zunehmend kritisch gesehen. Verwiesen wird darauf, dass die Ausnahme vom Grundsatz der Relativität vertraglicher Verhältnisse dogmatisch nicht haltbar sei. Als unlauter könne man die Verleitung zum Vertragsbruch nur ansehen, wenn man einen Außenschutz von Forderungen befürworte oder ein rechtliches Verbot nennen könne, das allein durch die Verleitung gebrochen werde ( Peifer in Teplitzky/Peifer/Leistner , UWG Großkommentar² § 4 Nr 10 Rn 317).

Nach Köhler (in Köhler/Bornkamm , UWG 32 § 4 Rn 10.108) sei diese These zu sehr vom Besitzstandswahrungsdenken vergangener Jahrzehnte geprägt und berücksichtige zu wenig den Vorrang des Vertragsrechts, die Privatautonomie und das Prinzip der Wettbewerbsfreiheit; dass das Verleiten zum Vertragsbruch weiterhin als moralisch anstößig empfunden werde, dürfe die lauterkeitsrechtliche Beurteilung nicht präjudizieren. Ein Wettbewerbsverstoß werde erst begründet, wenn zum bloßen Hinwirken auf einen Vertragsbruch zusätzliche unlauterkeitsbegründende Umstände hinzukämen (so auch Peifer in Teplitzky/Peifer/Leistner , UWG Großkommentar² § 4 Nr 10 Rn 318).

Götting (in Fezer , Lauterkeitsrecht § 4 10 Rn 53) hält es grundsätzlich für richtig, die Relativität von Vertragsverhältnissen auch aus lauterkeitsrechtlichen Überlegungen nicht zu durchbrechen, indem Verträgen absolute Wirkung gegenüber Dritten zukommen soll, die an deren Zustandekommen nicht beteiligt gewesen seien. Auch schließe das Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes das Recht ein, selbst über das Ende seines Arbeitsverhältnisses und den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber zu entscheiden und dabei gegebenenfalls das Risiko einzugehen, durch das neue Arbeitsverhältnis den Vertrag mit dem alten Arbeitgeber zu verletzen. Die Abgrenzung zwischen der Verleitung zur Begehung eines Vertragsbruchs und der Ausnutzung eines begangenen Vertragsbruchs sei in der Praxis schwierig. Ein Arbeitnehmer werde einen Vertragsbruch in der Regel nicht in Betracht ziehen, wenn er nicht bereits eine Alternative in Aussicht habe. Andererseits werde ein Unternehmen nicht ohne jede eigene Initiative auf den Vertragsbruch eines Mitarbeiters eines Konkurrenzunternehmens warten, um ihm dann ein attraktives Angebot zu unterbreiten. Dies gelte gerade für die Gruppe hoch qualifizierter Fachkräfte, nach denen eine große Nachfrage bestehe und die man nur durch gezielte attraktive Angebote abwerben könne.

Ohly (in Ohly/Sosnitza , UWG 6 § 4.10 Rn 10/28a) verweist hingegen darauf, dass es legitime Aufgabe des Lauterkeitsrechts sei, das Interesse des betroffenen Arbeitgebers und das Allgemeininteresse an Vertragstreue in Arbeitsverhältnissen durch deliktsrechtliche Sanktionen repressiv und präventiv abzusichern, sofern das vertragliche Instrumentarium dafür nicht ausreiche.

Jänich (in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht² UWG § 4 Nr 10 Rn 89) betont, dass der attackierte Wettbewerber seine betriebliche Struktur durch Schuldverhältnisse die Arbeitsverträge mit den Mitarbeitern abgesichert habe und diese Struktur angegriffen werde, wenn Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleitet würden. Der Unlauterkeitsvorwurf beruhe also nicht nur auf einem Verleiten zum Bruch schuldrechtlicher Bindungen, sondern auch auf einem Angriff auf die Unternehmensstruktur des Wettbewerbers, doch müsse dieser Angriff von einem Behinderungswillen getragen sein, um als unlauter beurteilt zu werden.

3.1. Der Senat hat schon mehrfach betont, dass die Wettbewerbsfreiheit auch die Nachfrage nach Mitarbeitern umfasst. Unternehmen haben ebenso wenig einen Anspruch auf den Mitarbeiterbestand, wie sie einen Anspruch auf einen Kundenbestand haben. Das Abwerben oder Ausspannen von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist daher für sich allein selbst dann noch nicht wettbewerbswidrig, wenn es unter Verleitung zum Vertragsbruch erfolgt. Erst durch Hinzutreten besonderer Begleitumstände, die den Wettbewerb verfälschen, insbesondere, wenn das Abwerben unter Irreführung oder mittels aggressiver geschäftlicher Handlung vorgenommen wird, wird ein wettbewerbsrechtlich verpöntes Verhalten verwirklicht (vgl RIS Justiz RS0116886).

3.2. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Anlassfall das Vorliegen unlauterer Begleitumstände verneint. Hier hat die Beklagte die ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin weder durch Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, etwa durch Täuschung oder Ausübung von Druck, noch mittels Irreführung oder aggressiver geschäftlicher Handlungen abgeworben. Die hier gegebenen Umstände des Einzelfalls sind vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte von sich aus keine abwerbenden Handlungen unternommen und vor Einstellung der bei ihr vorsprechenden ehemaligen Mitarbeitern der Klägerin eine rechtliche Prüfung der diese bindenden Konkurrenzklausel veranlasst hat, die zum plausiblen Ergebnis gelangt ist, dass diese Klauseln nicht rechtsbeständig seien.

3.3. Eine Unlauterkeit des angegriffenen Verhaltens der Beklagten wird auch nicht allein dadurch begründet, dass von dem guten Angebot des Mitbewerbers eine attraktive Wirkung ausgeht: (Finanziell) interessante Vorteile sind Bestandteil jedes attraktiven Angebots, und die von ihnen ausgehende Beeinflussung ist daher nicht unlauter, sondern wettbewerbsimmanent. Das Versprechen von Prämien („Wechselprämie“) oder sonstigen Vorteilen zum Zweck des Abwerbens ist daher grundsätzlich zulässig ( Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG 32 § 4 Rn 10.108b; Ohly in Ohly/Sosnitza , UWG 6 § 4.10 Rn 10/30; Scherer , Verleiten zum Vertragsbruch Neukonzeption aufgrund § 4 Nr 10 UWG und der RL UGP, wrp 2009, 518, 521). Ob die Beklagte gegenüber den anzuwerbenden Mitarbeitern eine Garantiezusage im dargelegten Sinn abgab oder ihnen eine „Wechselprämie“ in Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe verspricht, macht wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied.

3.4. Im Anlassfall bedeutet dies, dass die Zusage der Beklagten an die beiden durch eine Konkurrenzklausel gebundenen Mitarbeiter der Klägerin, sie bezüglich aller rechtlichen Konsequenzen der Verletzung dieser Vertragspflicht als Folge eines Dienstgeberwechsels schadlos zu halten, unter den hier gegebenen Umständen nicht dazu führt, ihr Verhalten als unlauteres Handeln gegenüber der Klägerin zu beurteilen. Das Rekursgericht hat das Sicherungsbegehren daher zu Recht abgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00125.14G.0917.000