OGH vom 12.12.1995, 5Ob126/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elfriede S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in Wien, sowie der am Verfahren beteiligten Miteigentümer der betroffenen Liegenschaft Harald M*****, und Elisabeth M*****, wegen Festsetzung der Nutzwerte (§ 26 Abs 1 Z 1 WEG), infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 190/95-16, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom , GZ 6 Msch 16/93-10 (6 Msch 197/94s-10), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Sachbeschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist jetzt Miteigentümerin, war jedoch bei Beginn dieses Verfahrens noch Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****. Sie hat - nach ergebnislos verlaufener Anrufung der Schlichtungsstelle - am gemäß § 26 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 26 Abs 3 WEG und § 40 Abs 2 MRG beim Erstgericht die Festsetzung der Nutzwerte für diese Liegenschaft beantragt, wobei sich im Verfahren folgendes ergab:
Auf der Liegenschaft befinden sich 4 Wohnungen und 8 "sonstige selbständige Räumlichkeiten". Bei letzteren handelt es sich um 2 Magazine und 6 für Wohnzwecke genutzte Räumlichkeiten, nämlich Substandardwohnungen iSd § 1 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG. Wohnungseigentumsverträge über diese Substandardwohnungen wurden noch nicht abgeschlossen.
Dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen, die Substandardwohnungen als sonstige "zu Wohnzwecken genutzte (selbständige) Räumlichkeiten" zu qualifizieren und auch ihnen Nutzwerte zuzuweisen (wodurch sich ein Gesamtnutzwert von 513 ergeben hätte), ist das Erstgericht nicht gefolgt. Es setzte nur für die mit Wasserentnahmestelle und Klosett ausgestatteten Wohnungen sowie für die Magazine (jeweils samt Zubehör iSd § 1 Abs 2 WEG) Nutzwerte fest und gelangte so zu einer Gesamtsumme der Nutzwerte von 357. An den "Substandardwohnungen" iSd § 1 Abs 3 WEG idF 3. WÄG könne nämlich kein Wohnungseigentum begründet werden, was die Festsetzung von Nutzwerten für diese Objekte ausschließe. Diese Räumlichkeiten seien als allgemeine Teile des Hauses zu behandeln.
Das Gericht zweiter Instanz nahm den dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs zum Anlaß, das Nutzwertfestsetzungsbegehren zur Gänze abzuweisen. Es führte aus:
Vorweg sei zu klären, nach welcher Rechtslage der gegenständliche Nutzwertfestsetzungsantrag zu beurteilen sei. Für dieses außerstreitige Verfahren (§ 26 Abs 2 WEG) gelte der allgemeine Grundsatz, daß Entscheidungen nach der Sach- und Rechtslage zu treffen sind, wie sie sich zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung darstellt, sofern nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen. Die das WEG ändernden Bestimmungen des 3. WÄG seien mit in Kraft getreten, doch gelte gerade für die erstmalige Nutzwertfestsetzung die Übergangsbestimmung des Art III Abschn II Z 6 des 3. WÄG, wonach auf einen vor dem gestellten Antrag die Bestimmungen des § 1 Abs 2, § 5 Abs 1 und 2 WEG idF des 3. WÄG (im folgenden: nF) nicht anzuwenden sind, sofern der Antrag nicht vor dem zurückgezogen wird. Diese Übergangsbestimmung sehe somit eine gewisse Rückwirkung der §§ 1 Abs 2, 5 Abs 1 und 2 WEG nF auf jene Nutzwertfestsetzungen vor, die nach dem beantragt werden, doch gelte das für vorher eingebrachte Anträge nicht (Würth/Zingher, WohnR '94 Anm 5 zu Art III Abschn II des 3. WÄG). Aus dieser Übergangsregelung ergebe sich aber auch, daß auf vor dem eingebrachte Anträge auf erstmalige Nutzwertfestsetzung, über die nach dem entschieden wird, die in der Übergangsregelung nicht genannten Vorschriften des 3. WÄG anzuwenden sind, weshalb das Erstgericht zutreffend von der Anwendung des § 1 Abs 3 WEG nF ausgegangen sei. Indizien dafür, daß der Gesetzgeber versehentlich § 1 Abs 3 WEG in der Übergangsbestimmung nicht angeführt hat, fänden sich in den Materialien nicht. Vielmehr sei aus der Übergangsbestimmung des Art III Abschn II Z 3 des 3. WÄG - wonach schriftlich vor dem geschlossene Verträge zur Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung iSd § 1 Abs 3 WEG nF noch verbücherbar sind - zu schließen, daß an einer solchen Wohnung nur noch dann Wohnungseigentum begründet werden könne, wenn der Wohnungseigentumsvertrag vor dem schriftlich abgeschlossen worden ist. Derartige Wohnungseigentumsverträge lägen hier nicht vor.
Nach § 1 Abs 3 WEG nF könne an selbständigen Wohnungen Wohnungseigentum nur dann bestehen, wenn sie zumindest über eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett im Inneren verfügen. Unter selbständigen Wohnungen iSd § 1 Abs 1 WEG würden mangels Legaldefinition Wohnräume verstanden, die nach dem Bauplan eine in sich geschlossene, von den allgemeinen Teilen des Hauses unmittelbar zugängliche Einheit bilden und gegenüber den anderen Wohnungen in der Natur deutlich abgegrenzt sind; bloße Willensübereinstimmung der Beteiligten über die Abgrenzung würden nicht genügen (MietSlg 42.428; Feil, Wohnungseigentum2 52). Somit seien letztlich Bauvorschriften ausschlaggebend dafür, was Wohnung iSd WEG 1975 sei (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 6 zu § 1 WEG; Meinhart, ImmZ 1986, 283 und 330). Nach § 90 der BO für Wien liege eine Wohnung nur dann vor, wenn sie über eine Mindestgröße von 35 m2 und ein eigenes WC im Wohnungsverband verfüge. Diese Rechtslage habe in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, daß "Substandardwohnungen" als "sonstige zu Wohnzwecken genutzte selbständige Räumlichkeiten" deklariert und ins Wohnungseigentum übergeführt wurden. Um das zu verhindern, habe der Gesetzgeber des 3. WÄG klargestellt, daß an selbständigen Wohnungen Wohnungseigentum nur mehr dann bestehen kann, wenn diese zumindest über eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett im Inneren verfügen (vgl AB, abgedruckt in Würth/Zingher, WohnR '94, 248). Damit seien Substandardwohnungen, die zu Wohnzwecken genutzt werden, nach neuer Rechtslage keine wohnungseigentumstauglichen Objekte mehr, für die ein Nutzwert festzusetzen wäre (A. Kletecka, WoBl 1993, 218 ff; Feil, Wohnungseigentum2 58; Dirnbacher, Das Wohnungseigentumsgesetz idF des 3. WÄG, 24). Auch Würth/Zingher (in WohnR '94, Anm 5 zu § 1 WEG) verwiesen darauf, daß es ein wichtiges Anliegen des Gesetzgebers war, daß Substandardwohnungen nicht ins Wohnungseigentum übertragen werden können, und schließen aus, daß für solche Wohnungen ein Nutzwert festzusetzen sei. Solche Substandardwohnungen seien auch bei der Mindestanteilsberechnung nicht zu berücksichtigen, sie gingen vielmehr in den Anteilen der Miteigentümer auf, gehörten also zu den allgemeinen Teilen des Hauses (Kletecka aaO; Feil aaO; Würth/Zingher aaO). Dies sei eine vom Gesetzgeber beabsichtigte logische Folge der Neuregelung.
Damit sei jener Meinung entgegenzutreten (Heindl, WoBl 1994, 5), daß Substandardwohnungen weiterhin als sonstige selbständige Räumlichkeiten eigentumsfähig seien und für diese ein Nutzwert festzusetzen sei. Ihr widerspreche der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers, der an selbständigen "Substandardwohnungen", also an solchen zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten, die Begründung von Wohnungseigentum nunmehr für unzulässig erkläre. Er stelle in diesem Zusammenhang auf den Zweck der Benützung von Räumlichkeiten ab, der nicht dadurch umgangen werden dürfe, daß solche Wohnräume als sonstige (zu Wohnzwecken genutzte) selbständige Räumlichkeiten deklariert werden. Denn gerade durch diesen Zweck unterschieden sich eben Wohnräume von sonstigen selbständigen Räumlichkeiten, wie etwa Geschäftsräumlichkeiten, Lagerräume oder Werkstätten. Auch schade es nicht, daß die "Substandardwohnung" nicht ausdrücklich in § 1 Abs 4 WEG nF genannt ist, ergebe sich doch schon aus dem 3. Absatz dieser Bestimmung, daß an solchen Wohnungen eben kein Wohnungseigentum bestehen könne. Demnach zählten diese kraft Gesetzes zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, sodaß auch das Argument der Antragstellerin, selbständige Räumlichkeiten seien im Zweifel (!) nicht allgemeine Teile einer Liegenschaft, ins Leere gehe.
Daß an sonstigen selbständigen Räumlichkeiten Wohnungseigentum begründet werden könne und hiefür Nutzwerte festzusetzen seien, treffe zwar zu, doch sei dem gegenständlichen Antrag (und dessen Beilagen) unzweifelhaft zu entnehmen, daß die in Rede stehenden Objekte Wohnungen sind, woran ja auch die Antragstellerin immer festgehalten habe. Auch wenn eine Nutzwertfestsetzung für sonstige selbständige, zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten vom Gesetz nicht ausdrücklich untersagt werde, ergebe sich insbesondere aus den §§ 3, 5 und 7 WEG der enge Zusammenhang zwischen der Verbücherung, somit dem Mindestanteil, und dem Nutzwert. Eine selbständige, vom Mindestanteil losgelöste Bedeutung komme dem Nutzwert nach keiner Bestimmung des WEG zu.
Somit habe das Erstgericht die 6 zu Wohnzwecken genutzten sonstigen Räumlichkeiten zu Recht als "Substandardwohnungen" iSd § 1 Abs 3 WEG nF qualifiziert und zutreffend erkannt, daß für diese mangels Wohnungseigentumstauglichkeit keine Nutzwerte festzusetzen sind. Dies führe aber unter Berücksichtigung des inneren Zusammenhanges des Sachantrages, insbesondere im Hinblick auf den begehrten Gesamtnutzwert als entscheidende Größe für die künftigen Mindestanteile, zu dessen gänzlicher Abweisung. Da das Erstgericht kein minus zugesprochen (und auch ein Mehrbegehren nicht abgewiesen) habe, sondern seine Entscheidung ein aliud darstelle, gegen das sich die Antragstellerin wende, sei in Stattgebung des im Ergebnis berechtigten Rekurses der angefochtene Sachbeschluß aufzuheben und das Begehren, dem die Bestimmung des § 1 Abs 3 WEG entgegenstehe, abzuweisen gewesen.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 26 Abs 2 WEG, § 37 Abs 3 Z 16 und 18 MRG zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß zur Frage der Nutzwertfestsetzung für Wohnungen iSd § 1 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Im dagegen erhobenen Revisionsrekurs hält die Antragstellerin an ihrer Rechtsansicht fest, daß auch den Substandardwohnungen in ihrem Haus Nutzwerte zuzuweisen seien. Dementsprechend geht ihr Rechtsmittelantrag dahin, die Nutzwertfestsetzung so wie im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, allenfalls so wie im ursprünglich dem Antrag angeschlossenen Privatgutachten (unter Zugrundelegung eines Gesamtnutzwertes der Liegenschaft von 460) vorzunehmen und die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Sinn abzuändern; hilfsweise sei der angefochtene Sachbeschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Untergerichte (gemeint ist an eine der Vorinstanzen) zurückzuverweisen.
Den Miteigentümern der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft wurde die Möglichkeit einer Rechtsmittelbeantwortung eröffnet; sie haben sich jedoch am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist im Sinne einer vom Abänderungsbegehren mitumfaßten Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Anwendung des § 1 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG auf die gegenständliche, schon vor dem beantragte Nutzwertfestsetzung bringt die Rechtsmittelwerberin sinngemäß vor, daß das in Art III Abschnitt II Z 6 des 3. WÄG angeordnete Rückwirkungsverbot - auch wenn es nur einige neue Gesetzesbestimmungen ausdrücklich anführt - als generelle Außerkraftsetzung des Grundsatzes der Entscheidung nach der jeweils aktuellen Rechtslage zu deuten sei. Das wurde jedoch schon vom Rekursgericht mit überzeugenden Argumenten widerlegt. Da der Gesetzgeber in Z 3 der angeführten Gesetzesbestimmung Übergangsprobleme im Zusammenhang mit der neuen Bestimmung des § 1 Abs 3 WEG behandelte, ohne für Nutzwertfestsetzungsanträge, die vor dem gestellt wurden, eine Ausnahme zu machen, und dann in Z 6 leg cit für derartige Anträge nur hinsichtlich der Bestimmungen des § 1 Abs 2 sowie des § 5 Abs 1 und 2 WEG (also nicht für § 1 Abs 3 nF WEG) eine gewisse Rückwirkung vorsah, ist eine ungewollte Regelungslücke, die gemäß § 7 ABGB durch Analogie geschlossen werden könnte, nicht zu erkennen. Auch die Lehre sieht offenbar in den Übergangsbestimmungen des Art III Abschnitt II des 3. WÄG - was ja in Z 1 leg cit zum Ausdruck kommt - nur eine einschränkend auszulegende Ausnahme von der grundsätzlichen Geltung des neuen Rechts (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht '94, Anm 5 zu Art III Abschnitt II des 3. WÄG). Dementsprechend hat die gegenständliche Nutzwertfestsetzung die durch § 1 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG geschaffene neue Rechtslage zu berücksichtigen; diese steht jedoch entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen der Festsetzung von Nutzwerten für "Substandardwohnungen" nicht entgegen.
Das Argument der Rechtsmittelwerberin, das in § 1 Abs 3 nF WEG normierte Verbot der Begründung von Wohnungseigentum an den dort definierten Substandardwohnungen schließe es nicht aus, für derartige Objekte einen Nutzwert festzusetzen; ob es dann in weiterer Folge dem Erwerb von Wohnungseigentum an diesen Objekten, also der Verbücherung, entgegenstehe, sei allein vom Grundbuchsgericht zu prüfen, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Gesetzeswortlaut läßt eine solche Deutung zu; daß ein Liegenschaftseigentümer ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, auch nicht wohnungseigentumsfähige Objekte in die Nutzwertfestsetzung einzubeziehen, wenn er vorerst nur an Teilen der Liegenschaft Wohnungseigentum begründen und Substandardwohnungen selbst nutzen oder erst nach ihrer Sanierung als Eigentumswohnungen abverkaufen will, ist ohnehin kein Streitpunkt.
Die Rechtsansicht, daß für Substandardwohnungen iSd § 1 Abs 3 nF WEG kein Nutzwert festgesetzt werden könne, baut darauf auf, daß nur wohnungseigentumsfähige Objekte bei der Ermittlung des Gesamtnutzwertes einer Liegenschaft zu berücksichtigen seien. Die dafür angeführte Begründung, § 1 Abs 1 WEG verstehe unter "Wohnungen oder sonstige selbständige Räumlichkeiten" nur die wohnungseigentumsfähigen Objekte und finde sich in dieser Bedeutung bei den in die Nutzwertberechnung einzubeziehenden "Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten" des § 3 Abs 1 WEG wieder (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 6 zu § 3 WEG; dieselben, Wohnrecht '94, Anm 1 zu § 3 WEG), überzeugt jedoch nicht. Vielmehr ist zu unterscheiden:
Wohnungen, deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht (etwa die in § 1 Abs 4 WEG erwähnte Hausbesorgerwohnung), sind als allgemeine Teile der Liegenschaft bei der Nutzwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen, alle anderen Wohnungen und selbständigen Räumlichkeiten, soweit sie nicht wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder auf Grund ihrer Widmung der allgemeinen Benützung dienen oder eine ausschließliche Benützung nicht zulassen, also auch Substandardwohnungen iSd § 1 Abs 3 nF WEG, hingegen sehr wohl. Die Bestimmung des § 1 Abs 3 WEG, wonach an "Substandardwohnungen" Wohnungseigentum nicht bestehen kann, und die Bestimmung des § 3 Abs 1 WEG über den für das Wohnungseigentum unerläßlichen Mindestanteil an der ganzen Liegenschaft bestehen unabhänig voneinander, regeln verschiedene Bereiche und verfolgen auch verschiedene Normzwecke einerseits etwa die Verhinderung einer faktischen Außerkraftsetzung von Mieterschutzbestimmungen durch die Begründung von Wohnungseigentum an Substandardwohnungen, was zu einer Verengung des "Marktes" in diesem Bereich führen würde; andererseits den Schutz des Wohnungseigentümers durch die Garantie eines Miteigentumsanteils an der gesamten Liegenschaft, die dem Nutzwert seines Objektes entspricht). Die beiden Bestimmungen miteinander zu vermengen bzw einen "Zusammenhang" zwischen ihnen herzustellen (Würth/Zingher, WohnR '94, Anm 1 zu § 3 WEG), ist somit weder notwendig noch zweckmäßig. Die Orientierung an den unterschiedlichen Normzwecken verhindert vielmehr, daß ein Haus wie das verfahrensgegenständliche, soll an ihm zur Gänze Wohnungseigentum begründet werden, entsprechend der Anzahl wohnungseigentumsfähiger Objekte höchstens sechs Miteigentümer haben könnte, obwohl sich sechs weitere Wohnungen im Haus befinden, die zwar als solche benützt werden, aber nicht den in § 1 Abs 3 nF WEG geforderten Mindeststandard erreichen. Noch gravierender wäre der vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewünschte Effekt einer Einengung der Vergabe von Nutzwerten bloß an wohnungseigentumsfähige Objekte dann, wenn jemand Wohnungseigentum an der einzigen (vielleicht durch einen Dachbodenausbau geschaffenen) Standardwohnung im Haus erwerben wollte. Er müßte praktisch alle Substandardwohnungen (auch wenn sie sich auf zahlreiche Geschoße verteilen) mitkaufen, um über den erforderlichen Mindestanteil zu verfügen. Ein solches Auslegungsergebnis kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Das WEG läßt an einer Liegenschaft schlichtes Miteigentum neben Wohnungseigentum zu. Es regelt sogar, wie in einem solchen Fall die Erträgnisse von Objekten, die im Wohnungseigentum stehen, und solchen, die nicht im Wohnungseigentum stehen, zu verteilen sind (§ 20 WEG). Eine Änderung dieser Bestimmung durch das 3. WÄG erfolgte nicht. Nirgends im Gesetz wird verlangt, daß in einem Haus, in dem an einzelnen Wohnungen - unter Beachtung der Einschränkung des § 1 Abs 3 WEG - Wohnungseigentum begründet wurde, nicht auch Wohnungen vorhanden sein dürfen, an denen die Begründung von Wohnungseigentum nicht zulässig ist. Somit sieht das Gesetz (auch in der Fassung des 3. WÄG) selbst die Möglichkeit vor, daß sich die wohnungseigentumsfähigen Objekte in der Hand von Wohnungseigentümern befinden und dennoch Miteigentumsanteile für schlichte Miteigentümer übrig bleiben, die die Nutzungen aus den übrigen Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten ziehen. Der bloße Umstand, daß an einer Wohnung Wohnungseigentum nicht bestehen kann, nimmt ihr nicht den Charakter als Wohnung, sodaß sie Objekt der Eigennutzung eines Miteigentümers, aber auch eines Mietvertrages sein kann; er macht sie auch nicht zu einem allgemeinen Teil des Hauses, weil eine Substandardwohnung iSd § 1 Abs 3 WEG typischerweise individuell genutzt wird und nach dem Willen des Gesetzgebers auch weiterhin für die Befriedigung von Wohnbedürfnissen zur Verfügung stehen soll (vgl etwa § 15a Abs 1 Z 4 MRG). Nur die Begründung von Wohnungseigentum an Substandardwohnungen (in der speziellen Definition des § 1 Abs 3 nF WEG) wollte der Gesetzgeber ausschließen; darauf ist die Aussage der diesbezüglichen Gesetzesbestimmung zu reduzieren.
Daß der Gesetzgeber des 3. WÄG tatsächlich nur die Verhinderung der Begründung von Wohnungseigentum an Substandardwohnungen, also letztlich ein vom Grundbuchsgericht wahrzunehmendes Eintragungshindernis, und nicht die Herausnahme der Substandardwohnungen aus dem Gesamtnutzwert einer Liegenschaft vor Augen hatte, ergibt sich auch aus § 12 Abs 2 Z 2 nF WEG. Demnach ist dem Gesuch um Einverleibung des Wohnungseigentums eine Bescheinigung der Baubehörde oder ein Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers über den Bestand an selbständigen Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten beizulegen, in der die Objekte, an denen Wohnungseigentum nicht bestehen kann - insbesondere die in § 1 Abs 3 WEG genannten Substandardwohnungen - gesondert zu bezeichnen sind. Eine derartige Vorsichtsmaßnahme zur Verhinderung unrichtiger, die Bestimmung des § 1 Abs 3 nF WEG mißachtender Grundbuchseintragungen wäre gar nicht notwendig, dürfte den Substandardwohnungen von vorn herein gar kein Nutzwert zugewiesen werden. Die Gesetzeslage schließt also die von den Vorinstanzen verneinte Möglichkeit, ein nicht wohnungseigentumsfähiges Objekt bei der Ermittlung des Gesamtnutzwertes einer Liegenschaft zu berücksichtigen, wenn dem nicht die besondere Vorschrift des § 1 Abs 4 nF WEG entgegensteht, keineswegs aus.
Da für die verfahrensgegenständlichen Substandardwohnungen bisher kein Nutzwert festgesetzt wurde, ist über den Sachantrag der Antragstellerin neuerlich zu entscheiden (was wiederum die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen bedingt). Ob es dazu einer Verfahrensergänzung bedarf oder ob entsprechende Feststellungen schon aus dem Akt entnommen werden können, muß dem Erstgericht überlassen bleiben. Da der Nutzwert eines Objektes entscheidend durch dessen Zweckbestimmung beeinflußt wird (§ 5 Abs 1 WEG), und die Zweckbestimmung einer Substandardwohnung darin liegt, bewohnt zu werden, auch wenn es sich dabei nicht um eine wohnungseigentumsfähige Wohnung handelt, werden die verfahrensgegenständlichen Substandardwohnungen als Wohnungen mit den durch das Fehlen von Wasserentnahmestelle und/oder Klosett eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten zu bewerten sein. Bei der Bezeichnung dieser Objekte empfiehlt sich der Zusatz "Substandardwohnung iSd § 1 Abs 3 WEG", um von vornherein klarzustellen, daß an ihnen kein Wohnungseigentum begründet werden kann.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.