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OGH vom 30.08.2017, 1Ob142/17i

OGH vom 30.08.2017, 1Ob142/17i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei Dr. N***** M*****, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH, Bregenz, wegen Feststellung (in eventu Unterlassung), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 97/17f-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom , GZ 8 C 508/15x-27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist der Ehegatte und eingeantwortete Alleinerbe seiner zu Hause verstorbenen Ehefrau. Der Beklagte ist Arzt und betreibt in G***** eine Praxis für Allgemeinmedizin. Er hat am Todestag bei der Verstorbenen die Totenbeschau durchgeführt und gegen den Willen des Klägers die Obduktion des Leichnams angeordnet bzw veranlasst. Eine Anordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde dazu oder eine „Bevollmächtigung“ des Beklagten durch diesen zur Anordnung der Obduktion konnte nicht festgestellt werden. Der Beklagte veranlasste die Obduktion, weil er Klarheit haben wollte, ob die Verstorbene tatsächlich an der CreutzfeldJakobErkrankung litt und diese Erkrankung die Todesursache war.

„Der Beklagte würde beim Kläger für den Fall dessen Todes aufgrund des gegenständlichen Verfahrens und dessen Vorgeschichte keine Totenbeschau durchführen, sondern diese einem anderen Arzt ... überlassen.“

Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 116/16i (= EvBl 2017/32, 227 [Ballon] = RdM 2017/83, 107 [Kopetzki]) sprach das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit in die Hauptsachenentscheidung aufgenommenem (unangefochtenen) Beschluss aus, dass die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen werde. Mit Urteil wies es das Feststellungsbegehren des Klägers, dass die am Todestag vom Beklagten angeordnete bzw veranlasste Obduktion seiner Ehefrau rechtswidrig erfolgt sei, und das Eventualbegehren, der Beklagte sei schuldig, künftig jegliche Störung am Leichnam des Klägers zu unterlassen, welche sich aus der Missachtung von § 12 (Vorarlberger) Bestattungsgesetz durch den Beklagten ergäbe, ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe, ob und unter welchen Prämissen die Gesetzwidrigkeit der Anordnung einer Obduktion einer Patientin durch ihren behandelnden Arzt, ohne dass ein hoheitliches Handeln vorliege, als losgelöste Rechtsfrage Gegenstand einer Feststellungsklage ihres Rechtsnachfolgers sein könne.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte war durch den in die Hauptsachenentscheidung aufgenommenen Beschluss des Erstgerichts, mit dem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs (im engeren Sinn) „verworfen“ wurde, beschwert; er hat diesen aber nicht bekämpft (RISJustiz RS0040191; RS0040199). Den von ihm in der Revisionsbeantwortung angestellten Überlegungen zur (Un)Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs steht schon diese rechtskräftig gewordene Entscheidung entgegen (§ 42 Abs 3 JN; RISJustiz RS0035572 [insbesondere T 9, T 17]). Diese Frage unterliegt daher keiner weiteren Überprüfung mehr.

2. Zum Hauptbegehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit

2.1. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses im Sinn des § 228 ZPO, das der Kläger darzutun hat (RISJustiz RS0037977 [T1]; RS0039239), hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlassfall hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, den Vorinstanzen wäre bei ihrer Entscheidung eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (8 Ob 66/13h; RISJustiz RS0037977 [T2]; RS0039177 [T1]; RS0039201 [T6]). Das ist nicht der Fall.

2.2. Gemäß § 228 ZPO kann unter den dort näher angeführten Voraussetzungen unter anderem auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts Klage erhoben werden. Die Feststellungsklage bedarf eines konkreten aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RISJustiz RS0039215).

Begehren auf Feststellung, wie ein Tatbestand rechtlich zu qualifizieren ist, sind nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „unzulässig“ (RISJustiz RS0038902; vgl auch 9 Ob 250/02h = RS0038947 [T3]). Die rechtlichen Eigenschaften von Tatsachen und Rechtshandlungen sind grundsätzlich nicht feststellungsfähig, sondern nur ein daraus resultierendes Recht oder Rechtsverhältnis (5 Ob 218/10k = RISJustiz RS0039036 [T17] = RS0039087 [T8]). Die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“ genügt dem Zweck einer Feststellungsklage nicht (RISJustiz RS0037422 [T3, T 8]; RS0038802; RS0039215 [T3, T 4]). So hat der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Feststellung des Verschuldens oder seines Ausmaßes nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein kann, handelt es sich doch dabei um die Darstellung einer bloßen „Rechtslage“, einer einzelnen Komponente der Verpflichtung, Schadenersatz zu leisten (2 Ob 64/66 = ZVR 1966/343, 328; 2 Ob 288/67 = SZ 40/133, jeweils mwN ua; RISJustiz RS0038857).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der begehrten Festellung der behaupteten Rechtswidrigkeit der angeordneten bzw veranlassten Obduktion fehle als bloß rechtliche Qualifikation einer (rechtserheblichen) Tatsache die Festellungsfähigkeit und das beanstandete Verhalten sei auch als Rechtshandlung nicht feststellungsfähig, ist damit nicht korrekturbedürftig.

2.3. Das Urteil über eine Feststellungsklage entfaltet grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits bzw ihren Rechtsnachfolgern Bindungswirkung, sodass die Frage des Bestands oder Nichtbestands eines Rechts oder Rechtsverhältnisses nur in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien nicht neuerlich aufgerollt werden kann (Fasching in Fasching/Konecny, ZPO2§ 228 Rz 142; Rechberger/Klicka in Rechberger4 § 228 ZPO Rz 15; 1 Ob 36/16z). Die Rechtskraft der Entscheidung könnte sich nicht auf die Medizinische Universität erstrecken, gegenüber der der Kläger mit Klage einen Herausgabeanspruch (auf das Gehirn und etwaige weitere Leichenteile seiner Ehefrau) geltend macht, sodass es keine aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall und damit keine erhebliche Rechtsfrage begründet, dass das Berufungsgericht ein rechtliches Interesse aus diesem Grund verneinte.

2.4. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht einmal behauptet, dass aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Verhalten des Beklagten weitere Ansprüche resultieren könnten oder dass das Feststellungsurteil Grundlage für weitere (gegenwärtige) Rechtsbeziehungen der Parteien sein könnte, hält er nichts Stichhaltiges entgegen. Die Feststellung der Haftung des Beklagten für allfällige aus der veranlassten Obduktion ihm zustehende Ersatzansprüche begehrt der Kläger nicht und bringt dazu auch nichts vor. Auch insoweit zeigt er somit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Zum Eventualbegehren auf Unterlassung

3.1. Wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht, ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig (RISJustiz RS0010479; RS0012061 [T1]; RS0037660 [T3]). Unter der konkreten Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung sind greifbare Anhaltspunkte für ein künftiges rechtswidriges Verhalten zu verstehen. Diese Voraussetzung ist immer anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (7 Ob 4/05x mwN ua; RISJustiz RS0010479 [T2]; 4 Ob 26/05k = RS0012064 [T23]; RS0037587 [T3]).

3.2. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die das Eventualbegehren abwiesen, weil es am Nachweis der Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung durch den Beklagten mangle, da kein Anhaltspunkt vorläge, dass es in absehbarer Zeit überhaupt zu einer Totenbeschau bzw der Anordnung einer Obduktion des Leichnams des (ja noch lebenden) Klägers kommen könnte, zeigt er nicht auf.

4. Die Revision ist daher mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihm der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00142.17I.0830.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,4 Amtshaftungssachen,14 (Zivil-)Verfahrensrechtliche Entscheidungen,19 (zivilrechtl.)Entscheidungen

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