OGH vom 16.11.2012, 6Ob199/12a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch Dr. Claudia Csáky, Rechtsanwältin in Wien als Verfahrenshelferin, gegen M***** I*****, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 48 R 9/12 63, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Beide Parteien sind marokkanische Staatangehörige.
Die Vorinstanzen gaben dem Scheidungsbegehren der Klägerin statt. Sie erachtet sich in der außerordentlichen Revision dadurch beschwert, dass das Berufungsgericht den Beklagten nicht zu einer Unterhaltszahlung von (insgesamt) 4.000 EUR verurteilt hat.
Dem ist zu entgegnen, dass die Klägerin keinen Unterhalt eingeklagt hat. Die in diesem Zusammenhang gerügte Aktenwidrigkeit liegt ebensowenig wie der gerügte Verfahrensmangel vor, was keiner Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Vor der Behandlung der Rechtsrüge ist zunächst anzumerken, dass die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl Nr. L 343 vom 29/12/2010 S. 0010 0016; „Rom III Verordnung“) auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist, weil sie nur für gerichtliche Verfahren, die ab dem eingeleitet wurden, gilt (Art 18 Abs 1 leg cit). Die vorliegende Ehescheidungsklage wurde am bei Gericht anhängig gemacht.
Die Frage des anzuwendenden materiellen Ehescheidungsrechts ist daher nach den §§ 9, 18, 20 Abs 1 Satz 1, § 1 Abs 1 IPRG zu lösen und führt zu der auch von den Vorinstanzen erkannten Anwendung marokkanischen Rechts, weil die Streitteile marokkanische Staatsangehörige sind.
In der Rechtsrüge macht die Revisionswerberin geltend, das marokkanische materielle Familienrecht sehe eine besondere, die Frau in ihren Ansprüchen schützende Manuduktionspflicht des Richters vor, gegen die das Erstgericht verstoßen habe. Dem Gericht obliege, von sich aus der Ehefrau den ihr zustehenden Unterhalt zuzusprechen oder sie durch entsprechende Anleitung sicherzustellen, dass alle für den Zuspruch eines Unterhalts erforderlichen Anträge gestellt werden. Ausgehend von der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Verschuldens- bzw Zerrüttungsausspruch im Scheidungsurteil, wie dies in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen ist, dem marokkanischen Eherecht fremd sei, und der zutreffenden Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin vom Beklagten geschädigt worden sei, hätte das Berufungsgericht der Klägerin von sich aus den ihr zustehenden Unterhalt zusprechen müssen.
Alle diese Aspekte (Manuduktionspflicht, Amtswegigkeit des Unterhaltszuspruchs, Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil) sind dem Verfahrensrecht zuzuordnen (vgl Nademleinsky/Neumayr , Internationales Familienrecht [2007] 05.98, 05.100; RIS Justiz RS0077171; RS0008498). Vor österreichischen Gerichten ist stets österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden (RIS Justiz RS0009195). Die Revisionswerberin hat in der Berufung weder die angebliche Verletzung weder der Manuduktionspflicht noch diejenige der Amtswegigkeit beim Unterhaltszuspruch als Verfahrensmangel gerügt, weshalb sie dies in der Revision nicht nachtragen kann (RIS Justiz RS0043111). Die Unterlassung des Verschuldenausspruchs durch die Vorinstanzen wird in der Revision nicht gerügt.