OGH vom 07.08.2007, 4Ob122/07f

OGH vom 07.08.2007, 4Ob122/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Michael K*****, geb. , verstorben , wegen Rechnungslegung, infolge Revisionsrekurses der Erbin des Betroffenen Anneliese L*****, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 65/07x-74, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom , GZ 1 P 80/97a-69, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Rekursgegners auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Übergabsvertrag vom (Anhang zu ON 47) übergaben die Eltern ihrem Sohn, dem sodann mit Beschluss vom (ON 4) „für alle Angelegenheiten" bestellten Sachwalter des Übergebers, Liegenschaften. Darin wurden ua folgende Gegenleistungen des Übernehmers für beide Übergeber bedungen:

„A) Das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht (...).

B) Folgenden Auszug:

a) die vollständige, dem jeweiligen Alter und Gesundheitszustande entsprechende Verpflegung mit allen Mahlzeiten (...);

b) Aufmerksame Wartung und Pflege in gesunden und kranken Tagen, einschließlich Übernahme der Kosten für Arzt, Medikamente und einen ärztlich verordneten Spitals- oder Kuraufenthalt in der Gebührenklasse, soweit diese Kosten nicht von der Krankenversicherung getragen werden (...)."

Mit Übergabsvertrag vom übergab der Sachwalter die ihm von seinen Eltern übertragenen Liegenschaften seinem Sohn. Der Betroffene litt zuletzt an organischer Demenz mit Zuständen von Verwirrtheit, er war psychisch mangelhaft orientiert und brauchte Anleitung zur Körperpflege. Er bezog in den Jahren 2004 und 2005 Pflegegeld der Stufe 6. Nach dessen Tod am legte der Sachwalter dem Pflegschaftsgericht (Schluss-)Rechnung für die Jahre 2004 und 2005.

Das Erstgericht bestätigte die vom Sachwalter gelegte Rechnung abgesehen von bestimmten, im Verfahren dritter Instanz nicht maßgebenden Ausnahmen. Es stellte ua fest, dass der Betroffene seit 2001 überwiegend durch die Gattin des Sachwalters - mit Unterstützung einer Bekannten - gepflegt wurde. Der Sachwalter und seine Ehegattin verträten die Auffassung, dass das dem Betroffenen zuerkannte Pflegegeld dessen Betreuerin gebührt habe; es wurde daher regelmäßig an die Ehegattin des Sachwalters ausgezahlt.

Das Erstgericht hielt das Verhalten, das Pflegegeld an die die Pflege tatsächlich leistende Person zu zahlen, für vertretbar. Pflegegeld solle nicht gespart, sondern für die bezugsberechtigte Person verwendet werden. Deshalb werde nunmehr auch in Übergabsverträgen ausnahmslos vereinbart, dass ein dem Pflegebedürftigen zuerkanntes Pflegegeld letztlich demjenigen gebühre, der die Pflegeleistung tatsächlich erbracht habe. Vor Einführung des Pflegegelds geschlossene Verträge seien ergänzend in diesem Sinn auszulegen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Tochter und Erbin des Betroffenen nicht Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach dessen Ansicht ist die Rechtmäßigkeit der Verwendung des Pflegegelds nicht im Zivilprozess, sondern bereits als Vorfrage im Verfahren auf Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters durch Auslegung des Übergabsvertrags vom zu klären, sei doch „die Gesetzmäßigkeit, Notwendigkeit und Nützlichkeit der aus dem Vermögen des Pflegebefohlenen getätigten Ausgaben zu beurteilen". Die Verpflichtung zur „aufmerksamen Wartung und Pflege in gesunden und kranken Tagen" gelte nach der Übung des redlichen Verkehrs auch für den Fall der Gebrechlichkeit. Die letztlich tatsächlich erforderlich gewesene Pflege des Betroffenen habe die Ehegattin dessen Sachwalters unter Inanspruchnahme „weiterer Hilfe" geleistet. Das erst 1993 eingeführte Bundespflegegeld bezwecke eine pauschale Abgeltung pflegebedingter Mehraufwendungen, um Pflegebedürftigen die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern und diesen ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu ermöglichen. Das verdeutliche, dass Pflegegeld grundsätzlich nicht gespart, sondern für eine umfassende Erleichterung des Lebens des Bezugsberechtigten verwendet werden solle. Demnach sei es nicht Zweck des Pflegegeldgesetzes, die Erben einer gebrechlichen Person vermögensrechtlich zu fördern. Redliche Parteien eines Übergabsvertrags hätten bei Geltung des Pflegegeldgesetzes bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart, solche staatliche Leistungen im Fall des Eintritts einer Pflegebedürftigkeit des Übernehmers zur Finanzierung der erforderlichen Pflegeleistungen zu verwenden, wie dies in solchen Verträgen nunmehr üblicherweise vereinbart werde. Diese Auslegung werde auch durch die im Übergabsvertrag vom getroffene Regelung zur Tragung der Kosten für Arzt, Medikamente, Spitals- oder Kuraufenthalte durch den Übernehmer gestützt. Das Erstgericht habe daher die Pflegschaftsrechnung über den Verbrauch des Pflegegelds für erbrachte Pflegeleistungen zu Recht bestätigt. Die Entscheidung hänge indes von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu mangle, ob die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verbrauchs eines dem Betroffenen zuerkannten Pflegegelds zur Deckung des Pflegeaufwands in Ansehung der in einem Übergabsvertrag vereinbarten Pflegeverpflichtung der Übergeber bei Prüfung der Bestätigungsfähigkeit der Schlussrechnung des (vormaligen) Sachwalters als Vorfrage zu klären sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erbin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

1. Die Rechtsmittelwerberin macht gegen die Richtigkeit der gelegten Rechnung geltend, der Sachwalter hätte die Pflegeleistungen für den Betroffenen wegen seiner vertraglichen Verpflichtung auf Grund des Übergabsvertrags vom völlig kostenlos erbringen müssen. Das Pflegegeld hätte demnach nicht für die Pflege verwendet werden dürfen, es hätte vielmehr gespart werden müssen; letzterenfalls wäre es in die Verlassenschaft gefallen. Eine solche Verwendung des Pflegegels hätte der Betroffene den Übernehmern der Liegenschaften im Übergabsvertrag vom auch vorgeschrieben, hätten die Parteien anlässlich des Vertragsabschlusses einen allfälligen künftigen Anspruch auf Pflegegeld bedacht. Damit hätte ein Ausgleich dafür erzielt werden sollen, dass der Tochter der Übergeber als künftiger Erbin keine Liegenschaften übertragen worden seien. Die Rechnungslegung des (vormaligen) Sachwalters sei daher insoweit unrichtig, als das vom Betroffenen in den letzten Jahren bezogene Pflegegeld von 58.964,50 EUR nicht als Guthaben aufscheine.

2.1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind noch vor Inkrafttreten des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 - SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92 am ergangen; sie sind daher noch nach der zuvor geltenden Rechtslage zu überprüfen.

2.2. Die aus der Vermögensverwaltung entspringende Pflicht des Sachwalters zur Rechnungslegung richtet sich hier gemäß § 282 Abs 1 ABGB idF vor dem SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92 nach den Vorschriften des vierten Hauptstücks des ABGB (§ 229 ABGB idF vor dem SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92).

2.3. Im Anlassfall begann die maßgebende Rechnungslegungsperiode am . Darauf sind die - Inhalt und Umfang der Rechnungslegung sowie deren gerichtliche Prüfung regelnden - Vorschriften der §§ 204 ff AußStrG alt idF des am in Kraft getretenen Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 - KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 anzuwenden, weil die Rechnungslegungsperiode frühestens mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begann (Art XVIII § 6 KindRÄG 2001) und die Neuordnung der Rechnungslegung nach §§ 134 ff AußStrG BGBl I 2003/111 gemäß § 204 Abs 7 dieses Gesetzes erst für die nach dem beginnenden „Rechnungslegungsperioden" gilt. Dabei bilden Perioden, die mehr als ein Jahr umfassen, eine Einheit, kann sich doch eine Rechnungslegungsperiode etwa für die „laufende Rechnung" nach § 204 Abs 1 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 auf maximal drei Jahre erstrecken. Infolgedessen fällt hier auch der das Jahr 2005 betreffende Rechnungsteil noch nicht unter die Bestimmungen der §§ 134 ff AußStrG BGBl I 2003/111.

3.1. Die Bestätigung einer Pflegschaftsrechnung gemäß § 207 Abs 1 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 erfolgt nach Durchführung eines außerstreitigen Prüfungsverfahren. Die Rechnung ist mangels Bedenken gegen deren „Richtigkeit und Vollständigkeit" zu bestätigen. Zufolge § 207 Abs 3 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 beschränkt die Entscheidung über die Rechnung nicht das Recht des Pflegebefohlenen, Ansprüche aus der Vermögensverwaltung auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen. Solche Ansprüche kann daher auch dessen Erbe als Rechtsnachfolger in vererbliche Vermögensrechte einklagen.

3.2. Nach den Gesetzesmaterialien soll sich „die Entscheidung über die Rechnung ... dem grundsätzlichen Konzept der Vereinfachung und Modernisierung der Vermögensverwaltung gemäß immer auf eine Art 'Unbedenklichkeitsbestätigung' beschränken: Stellt das Pflegschaftsgericht nach Ausschöpfung aller Beweisquellen fest, dass keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit weiterer gerichtlicher Tätigkeit bestehen, erteilt es der Rechnung die Bestätigung; scheitern alle Aufklärungsversuche, versagt das Gericht diese Bestätigung (ErläutRV zum KindRÄG 2001 296 BlgNR 21. GP, abgedruckt bei Fucik/KloiberAußStrG 412 f). Diese Sicht der Rechtslage wurde im Schrifttum zum neuen Außerstreitgesetz, dessen § 137 - abgesehen von einer Verweisung in Abs 1 - dem Wortlaut des § 207 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 entspricht, übernommen (Fucik/Kloiber, AußStrG §§ 134-138 Rz 2; Müller in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 328; Zankel/Mondel in Rechberger, AußStrG § 137 Rz 1, 4). Danach wird durch die Bestätigung der Rechnung keine Entlastung des gesetzlichen Vertreters bewirkt, sondern das Gericht spricht lediglich aus, dass es keinen Anlass für eine fortgesetzte Prüfung der Rechnung gibt (Fucik/Kloiber aaO; Zankel/Mondel aaO § 137 Rz 4). Wie im Übrigen unmissverständlich aus § 207 Abs 3 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 folgt, schließt die rechtskräftige Bestätigung der Rechnung über die Vermögensverwaltung im Außerstreitverfahren die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Vermögensverwaltung durch den Pflegebefohlenen oder seinen Erben im streitigen Rechtsweg nicht aus (siehe dazu ferner ErläutRV zum KindRÄG 2001 296 BlgNR 21. GP, abgedruckt bei Fucik/KloiberAußStrG 413). Der Begriff „Bedenken gegen die Richtigkeit" in § 207 Abs 1 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 ist daher im Sinn einer bloß formalen Unbedenklichkeit der gelegten Rechnung zu verstehen. Ob hier der (vormalige) Sachwalter nach materiellem Recht berechtigt war, einzelne Einkünfte des Betroffenen für bestimmte Zwecke zu verwenden, ist dagegen nicht Gegenstand der Rechnungsprüfung im Außerstreitverfahren.

3.3. Die bisherigen Erwägungen sind folgendermaßen zusammenzufassen:

Der Begriff „Bedenken gegen die Richtigkeit" in § 207 Abs 1 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 (§ 137 Abs 1 AußStrG BGBl I 2003/111) bezieht sich nur auf die formale Richtigkeit einer geprüften Rechnung. Eine rechtskräftige Bestätigung der Rechnung über die Vermögensverwaltung im Außerstreitverfahren schließt die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Vermögensverwaltung durch den Pflegebefohlenen oder seinen Erben im streitigen Rechtsweg nicht aus. Ob der gesetzliche Vertreter nach materiellem Recht berechtigt war, einzelne Einkünfte des Betroffenen für bestimmte Zwecke zu verwenden, ist nicht Gegenstand der Rechnungsprüfung im Außerstreitverfahren.

4. Die Rechtsmittelwerberin macht keine Bedenken gegen die Vollständigkeit und (formale) Richtigkeit der Rechnung geltend. Aus der gelegten und geprüften Rechnung ist ersichtlich - und unter den Beteiligten auch unstrittig -, wie das in der Abrechnungsperiode bezogene Pflegeldgeld verwendet wurde. Daher wird auch im Revisionsrekurs nicht behauptet, die Rechnung sei rechnerisch unrichtig oder inhaltlich nicht nachvollziehbar. Beanstandet wird lediglich, dass die Rechnung kein Guthaben von 58.964,50 EUR wegen des vom Erblasser in den Jahren vor seinem Ableben bezogenen Pflegegelds aufweist. Insofern wird allein eine nach materiellem Recht unzutreffende Verwendung des Pflegegelds durch den (vormaligen) Sachwalter behauptet. Das betrifft aber nach der voranstehend erläuterten Rechtslage keine Frage, die im Außerstreitverfahren zu einer Versagung der Bestätigung der vom (vormaligen) Sachwalter gelegten Rechnung führen könnte. In diesem Prüfungsverfahren bedarf es somit keiner weiteren gerichtlichen Klärung, ob es an einem Aktivum des Erblassers in der behaupteten Höhe mangle.

5.1. Nach § 203 Abs 9 AußStrG BGBl I 2003/111 sind die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Kostenersatz auf nach dem anhängig gewordene Sachen anzuwenden. Im Anlassfall wurde das Verfahren zur Prüfung der vom (vormaligen) Sachwalter gelegten Schlussrechnung erst nach dem anhängig.

5.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 139 Abs 2 AußStrG AußStrG BGBl I 2003/111. Das Verfahren über die Prüfung einer Pflegschaftsrechnung zählt zum Recht der Vermögensverwaltung, in dem ein Kostenenersatz nicht stattfindet (Fucik/Kloiber aaO § 139 Rz 2).