OGH vom 28.09.2017, 2Ob226/16y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr.
Veith und Dr.
Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kranken- und Unfallfürsorge für Oö Gemeinden, Ferihumerstraße 8, Linz, vertreten durch Dr. Walter Müller ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, Wien 3, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.624,08 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 52/16d-21, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 7 Cg 73/15d-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR (darin enthalten 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist die Kranken- und Unfallfürsorgeeinrichtung der oberösterreichischen Gemeinden. Diese bedienen sich der Klägerin in ihrer Funktion als Dienstgeber zur Wahrnehmung der Kranken- und Unfallfürsorge für die Gemeindebediensteten als Pflichtversicherung (§ 1 der Satzung der Klägerin). Rechtsgrundlage bildet § 83 Abs 1 Oö Gemeindebedienstetengesetz (LGBl Nr 48/2001 idF Nr 13/2006), wonach die Gemeinden (Gemeindeverbände) durch eigene oder gemeinsame Einrichtungen für Gemeindebeamte (Beamte der Gemeindeverbände) Kranken- und Unfallfürsorge mindestens in jenem Ausmaß sicherzustellen haben, das der Gleichwertigkeit im Sinn des § 2 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung öffentlicher Bediensteter (B-KUVG) entspricht bzw den für Landesbeamte vorgesehenen Leistungen gleichwertig ist.
Die Beklagte ist die Trägerin der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung für den Bereich der Landwirte (§ 13 BSVG). Sie gehört dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger an (§ 14 BSVG).
J***** (in der Folge als Verletzter bezeichnet) war zum Unfallszeitpunkt am hauptberuflich bei der Marktgemeinde H***** als Gemeindebediensteter tätig und als Mitglied der Klägerin bei dieser pflichtversichert. Gleichzeitig war er – in seiner Eigenschaft als Landwirt – gegen Unfälle auch bei der Beklagten versichert. Am Unfalltag rutschte er bei der Fütterung seiner Schafe im landwirtschaftlichen Betrieb auf Eis aus, stürzte und verletzte sich dabei. Die Rechnungen über die ihm im Zusammenhang mit dem Unfall erbrachten ärztlichen, physiotherapeutischen und krankenan-staltenrechtlichen Leistungen reichte er bei der Klägerin zum Ersatz ein und erhielt von dieser einen Teil davon, nämlich 20.624,08 EUR, rückerstattet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung dieses Betrags sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin für alle künftigen Aufwendungen, die ihre Ursache im dargestellten Unfall haben.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, gemäß § 148r Abs 1 BSVG bestehe ein Anspruch auf Unfallheilbehandlung, soweit der Versehrte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch habe bzw für ihn kein solcher Anspruch bestehe. Bei der Klägerin handle es sich um eine gesetzliche Krankenversicherung im Sinn des § 148r Abs 1 BSVG. Die Beklagte sei dem Verletzten nicht leistungspflichtig gewesen. Ein Regressanspuch der Klägerin bestehe daher nicht.
Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die auf landesgesetzlicher Basis errichteten Kranken- und Unfallfürsorgeeinrichtungen für Gemeinde- und Landesbedienstete gesetzliche Krankenversicherungen im Sinn des § 148r Abs 1 BSVG seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Unstrittig ist, dass die Klägerin dem Verletzten im Umfang der den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Kostenerstattungen leistungspflichtig war.
2. Strittig ist, ob auch die Beklagte als gesetzliche Unfallversichererin zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet war. Das Berufungsgericht hat diese Frage unter Hinweis auf § 148r BSVG verneint. Ob diese Auffassung zutrifft, bedarf allerdings keiner Beantwortung.
2.1 Selbst wenn man nämlich – den Argumenten der Klägerin folgend – die Anwendbarkeit von § 148r BSVG verneint, weil die Klägerin keine „gesetzliche Krankenversichererin“ im Sinne dieser Bestimmung ist, kann sie sich nicht auf die im erstinstanzlichen Verfahren primär geltend gemachte Anspruchsgrundlage des § 1042 ABGB berufen.
2.2 § 1042 ABGB ist grundsätzlich nur anzuwenden, wenn weder zwischen dem Kläger und dem Beklagten noch zwischen dem Kläger und dem Dritten, an den geleistet wurde, sondern nur zwischen dem Beklagten und dem Dritten eine Rechtsbeziehung bestand, die jenen zum Aufwand verpflichtet hätte (RIS-Justiz RS0104150). Besteht eine eigene Schuld des Handelnden, ist § 1042 ABGB nur anwendbar, soweit diese Schuld gegenüber der Schuld des anderen subsidiär war (Meissel in Rummel/Lukas4 § 1042 ABGB Rz 3 mwN). Hier war aber die Klägerin gegenüber dem Dritten (Verletzten) leistungspflichtig, wobei diese Leistungspflicht auf den dargestellten gesetzlichen Grundlagen beruhte und nicht subsidiär ist.
3. Zu § 896 ABGB führt die Revision nur aus, ein darauf gestützter Regressanspruch sei „offenkundig“. Insoweit ist die Rechtsrüge zur eigenständigen Anspruchsgrundlage des § 896 ABGB (P. Bydlinski in KBB5 § 896 Rz 4 mwN) nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043605 [T2]; RS0043603; RS0041719). Diese Anspruchsgrundlage ist somit aus der Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden (RIS-Justiz RS0043352 [T35]).
4. Auch mit § 30 Abs 1 der Satzung der Klägerin lässt sich das Klagebegehren nicht begründen:
4.1 Dazu verwies die Klägerin in erster Instanz lediglich darauf, dass § 30 ihrer Satzung „ebenfalls eine Rechtsgrundlage für den Regressanspruch darstelle“.
4.2 § 30 dieser Satzung lautet wörtlich:
„(1) Hat die KFG [= klagende Partei] Leistungen erbracht, zu deren Erbringung ein anderer Träger einer öffentlich-rechtlichen Kranken- oder Unfallfür-sorgeeinrichtung oder ein Sozialversicherungsträger zuständig war, hat dieser andere Träger nach Maßgabe der für ihn geltenden Bestimmungen der KFG den Leistungsaufwand zu ersetzen.
(2) Hat ein anderer Träger einer öffentlich-rechtlichen Kranken- oder Unfallfürsorgeeinrichtung oder ein Sozialversicherungsträger Leistungen erbracht, zu deren Erbringung die KFG zuständig war, hat die KFG diesem anderen Träger den Leistungsaufwand zu ersetzen, soweit die Gegenseitigkeit gewährleistet ist.“
4.3 Aus diesen in einem Zusammenhang stehenden Absätzen ist abzuleiten, dass sich Abs 1 nur auf den – hier nicht vorliegenden Fall – von Leistungen der Klägerin bezieht, zu deren Erbringung nicht sie, sondern (nur) ein anderer Träger einer öffentlich-rechtlichen Kranken- oder Unfallfürsorgeeinrichtung oder ein Sozialversicherungsträger zuständig war. Beide in § 30 geregelten Tatbestände betreffen somit den Fall der Ersatzpflicht bei Erbringung von Leistungen trotz fehlender Leistungszuständigkeit (vgl auch den hier ebenfalls nicht anwendbaren § 9 der Satzung und das dort explizit geregelte Zusammentreffen mehrerer Anspruchsberechtigungen auf Leistungen aus der Krankenfürsorge oder Krankenversicherung).
4.4 Mangels Anwendbarkeit von § 30 Abs 1 der Satzung auf den zu beurteilenden Fall erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung damit, auf welcher Rechtsgrundlage diese Bestimmung in der Satzung der Klägerin – die als Verordnung zu qualifizieren ist (VfGH V 104/01 VfSlg 16.767) – beruht. Ebenso entbehrlich ist ein Eingehen darauf, ob gegen die genannte Bestimmung Bedenken im Hinblick darauf bestehen, dass sie andere Träger einer öffentlich-rechtlichen Kranken- oder Unfallfürsorgeeinrichtung bzw Sozialversicherungsträger in ihren Geltungsbereich einbezieht (vgl auch dazu VfGH V 104/01 VfSlg 16.767). Mangels Anwendbarkeit und damit mangels Präjudizialität der Satzung der Klägerin sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht zu einem Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof veranlasst.
5. Da somit die vom Berufungsgericht aufgezeigte Rechtsfrage nicht entscheidungsrelevant ist und die Revisionswerberin auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt hat, ist die Revision zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00226.16Y.0928.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.