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OGH vom 22.09.2016, 3Ob128/16v

OGH vom 22.09.2016, 3Ob128/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der außerstreitigen Familienrechtssache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner R*****, vertreten durch Dr. Esther Pechtl-Schatz, Rechtsanwältin in Imst, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 44/16h 57, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom , GZ 1 Fam 10/14y 53, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die 1991 geborene Antragstellerin ist eine Tochter des Antragsgegners. Mit Unterhaltsvereinbarung vom verpflichtete sich der Vater, ihr ab bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, monatliche Unterhaltsbeiträge von 580 EUR zu bezahlen. Die Antragstellerin schloss im Juni 2011 die Handelsakademie mit Matura ab und begann im Herbst 2011 mit dem Bachelorstudium der Wirtschaftswissenschaften. Sie erkannte jedoch bald, dass dieses Studium nicht ihren Neigungen entsprach, brach es ab und begann im Dezember 2011 als Rezeptionistin zu arbeiten. Sie teilte ihrem Vater damals mit, dass er seine Unterhaltsleistung einstellen könne.

Seither leistet der Antragsgegner nur noch monatlichen Unterhalt für eine Schwester der Antragstellerin (580 EUR) und einen im Jahr 2001 geborenen Sohn (406 EUR).

Im Wintersemester 2013/14 nahm die Antragstellerin das Bachelorstudium der Soziologie auf. Seit dem Wintersemester 2014/15 studiert sie außerdem Politikwissenschaft. Seit Herbst 2013 arbeitete sie nur noch im Zeitraum November 2013 bis Juli 2014 aushilfsweise als Kellnerin. In diesem Zeitraum verdiente sie insgesamt 2.775,07 EUR netto, pro Monat also durchschnittlich 346,88 EUR.

Der 1958 geborene Antragsgegner war bis einschließlich November 2012 als Zimmerer unselbständig erwerbstätig. Im Zeitraum Jänner bis Oktober 2012 bezog er ein Nettoeinkommen von insgesamt 32.699,78 EUR. Im November 2012 erhielt er anlässlich der – auf einen am erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführenden – Beendigung seines Dienstverhältnisses eine Abfertigung von 49.804,56 EUR brutto und eine Urlaubsentschädigung von 13.719,55 EUR brutto (Band I, AS 131). Wegen seines Arbeitsunfalls bezieht der Antragsgegner seit Dezember 2012 eine Berufsunfähigkeitspension (14 mal jährlich), die ihm letztlich unbefristet zuerkannt wurde. Diese betrug zunächst 2.177,24 EUR brutto (1.649,55 EUR netto), ab 1.655,55 EUR netto, ab 2.222,59 EUR brutto und seit 2.259,88 EUR brutto pro Monat. Weiters bezieht er eine Versehrtenrente der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die im Dezember 2012 840 EUR netto und seit 863,52 EUR netto monatlich betrug und seit Juni 2014 mit 736,87 EUR netto pro Monat festgesetzt ist (Band I, AS 139).

Im Februar 2013 verwendete der Antragsgegner einen Teil seiner Abfertigung, nämlich 20.000 EUR, zur teilweisen Rückführung eines von ihm im Zusammenhang mit der Errichtung des von ihm und seiner Gattin bewohnten Hauses aufgenommenen Kredits. Im Zeitraum September bis Dezember 2013 wendete er einen weiteren Teilbetrag von insgesamt 17.146,59 EUR für die Sanierung bzw den Austausch der Heizung dieses Hauses auf.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am eingebrachten Antrag die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 535 EUR ab und von 605 EUR ab . Sie habe angesichts der weiteren Unterhaltspflichten des Antragsgegners Anspruch auf 16 % der Bemessungsgrundlage. Die Ablegung der Reifeprüfung führe noch nicht zur Selbsterhaltungsfähigkeit. Vielmehr sei es dem unterhaltsberechtigten Kind zuzubilligen, ein seinen Fähigkeiten und Anlagen entsprechendes Studium aufzunehmen. Die Antragstellerin habe im Herbst 2013 – nachdem sie die Unrichtigkeit ihrer ersten Studienwahl erkannt und sich neu orientiert habe – das Studium der Soziologie aufgenommen, um in weiterer Folge das Masterstudium Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik absolvieren zu können. Da mit dieser Ausbildung jedenfalls ein besseres Fortkommen als mit dem bloßen Abschluss der Handelsakademie zu erwarten sei, habe der Antragsgegner ihr diese weitere Berufsausbildung, die sie zielstrebig und mit durchschnittlichem Studienerfolg betreibe, zu ermöglichen. Da Kredite für Wohnungszwecke nicht zu einem Abzug von der Bemessungsgrundlage führten, sei die Abfertigung einzubeziehen. Diese sei auch nicht auf die statistische Lebenserwartung des Antragsgegners umzulegen, sondern auf einen kürzeren angemessenen Zeitraum.

Der Antragsgegner wendet ein, die Antragstellerin sei mit dem Abschluss der Handelsakademie selbsterhaltungsfähig geworden, weil sie damit einen Beruf erlernt habe, der es ihr ermögliche, im kaufmännischen und im touristischen Bereich tätig zu sein. Das nun von ihr gewählte Studium sei keine weiterführende Ausbildung, weil sie mit der vorangegangenen Ausbildung nicht das Geringste zu tun habe. Nach allgemeiner Erfahrung seien Anstellungen in dem von der Antragstellerin angestrebten Berufszweig äußerst schwer bis gar nicht zu finden. Im Übrigen sei auch zu bezweifeln, dass die Antragstellerin eine besondere Eignung für ihr derzeitiges Studium aufweise. Bei ihren Berechnungen gehe die Antragstellerin auch von einem weit überhöhten Einkommen des Antragsgegners aus; tatsächlich beziehe er ein monatliches Nettoeinkommen von nur 2.938,92 EUR. Die von ihm anlässlich seiner Pensionierung bezogene Abfertigung sei überhaupt nicht zu berücksichtigen, weil er sie dazu verwendet habe, Kreditverbindlichkeiten zu tilgen, die er anlässlich der Deckung seines Wohnbedürfnisses eingegangen sei. Damit sei die gesamte Abfertigung verbraucht; deren Investition in das Heim des Unterhaltsschuldners sei existenznotwendig gewesen. Selbst wenn aber die Abfertigung zu berücksichtigen sein sollte, wäre sie jedenfalls auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, nämlich auf seine statistische Restlebensdauer. Damit würde sich sein monatliches Nettoeinkommen (nur) auf 3.105,72 EUR erhöhen.

Das Erstgericht wies den Unterhaltsantrag (im zweiten Rechtsgang neuerlich) ab. Die Antragstellerin sei spätestens seit Jänner 2012 selbsterhaltungsfähig. Als Absolventin der Handelsakademie verfüge sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung und könne ein angemessenes Einkommen erzielen, weil sie befähigt sei, gehobene Berufe in allen Zweigen der Wirtschaft und Verwaltung auszuüben. Die Antragstellerin habe mehrmals ihr Ausbildungsziel geändert bzw Ausbildungen abgebrochen. Sie habe sich bereits voll im Berufsleben befunden. Es sei auch zu bezweifeln, dass die Antragstellerin mit der von ihr gewählten weiteren Ausbildung (politischer Journalismus/Printmedien) ein besseres Fortkommen und somit höheres Einkommen erzielen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Antragstellerin sei vor Aufnahme ihres Studiums bereits selbsterhaltungsfähig gewesen. Es komme deshalb nur darauf an, ob mit der Aufnahme des Soziologiestudiums im Oktober 2013 die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners wieder aufgelebt sei. An das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht wegen einer weiteren Berufsausbildung sei ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einer Erstausbildung. Die weitere berufliche Ausbildung eines Erwachsenen, der schon jahrelang einen erlernten Beruf ausgeübt habe, führe nur dann zu einem Wiederaufleben der Unterhaltsverpflichtung, wenn seine bisherige Ausbildung die Erzielung eines angemessenen Einkommens nicht zulasse. Die Antragstellerin habe jedoch bisher ohnehin ein ihrer Ausbildung angemessenes Einkommen erzielt. Es sei deshalb gar nicht mehr zu prüfen, ob es dem Antragsgegner möglich und zumutbar wäre, zu einer weiteren Berufsausbildung der Antragstellerin beizutragen, ob diese eine besondere Eignung für das Soziologiestudium aufweise oder mit hoher Wahrscheinlichkeit als Soziologin ein höheres Einkommen ins Verdienen bringen könnte. Aus diesem Grund könne auch dahingestellt bleiben, wie der Antragsgegner seine Abfertigung verwendet habe.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil die von ihm zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogenen Entscheidungen bereits älteren Datums seien, sodass keine aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob trotz Erzielung eines angemessenen Einkommens in der Phase der Selbsterhaltungsfähigkeit die Unterhaltspflicht bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen wieder aufleben könne.

Mit ihrem Revisionsrekurs begehrt die Antragstellerin die Stattgebung ihres Unterhaltsantrags; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Antragsgegner beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung , dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung haben unterhaltspflichtige Eltern ihrem Kind nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung entsprechend ihrem Stand und Vermögen zu gewähren, sondern auch zu seiner höherwertigen weiteren Berufsausbildung beizutragen, wenn es die dafür erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und den Eltern nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums des Kindes möglich und zumutbar ist (RIS-Justiz RS0047580). Das gilt nicht nur für Absolventen einer allgemeinbildenden höheren Schule, sondern auch einer berufsbildenden mittleren oder höheren Lehranstalt – wie einer Handelsakademie –, selbst wenn dieser Schulabschluss mit der Berechtigung zur Ausübung eines Lehrberufs oder den Voraussetzungen für die Ausübung eines Gewerbes verbunden ist (RIS-Justiz RS0047580 [T2]; 8 Ob 43/11y).

2.1. Die Antragstellerin war unstrittig nach Absolvierung der Handelsakademie (und dem Abbruch des von ihr zunächst begonnen Studiums) unselbständig erwerbstätig und damit bereits selbsterhaltungsfähig, weshalb die Unterhaltspflicht des Antragsgegners erloschen war.

2.2. Die Unterhaltspflicht der Eltern kann allerdings unabhängig vom Alter des Kindes aus den unterschiedlichsten Gründen wieder aufleben, wenn dessen Selbsterhaltungsfähigkeit nachträglich wieder verloren geht, dieses also außerstande ist, die Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Gänze oder auch nur teilweise durch eigene Erwerbstätigkeit zu verdienen (RIS-Justiz

RS0111995). Ein solches Wiederaufleben der Unterhaltspflicht kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein neues Ausbildungsziel ernstlich und strebsam verfolgt wird und dem unterhaltspflichtigen Elternteil die Finanzierung der neuen Ausbildungswünsche zumutbar ist (RIS-Justiz

RS0047533 [T9]). In diesem Sinn wurde bereits judiziert, dass

selbst einem Absolventen einer berufsbildenden höheren Schule, der überdies schon einige Zeit einer Arbeit nachgegangen ist und nun eine akademische Ausbildung (dort: an einer Fachhochschule) anstrebt, – entsprechende Eignung und nachhaltiges Studium sowie die Erwartung eines besseren Einkommens vorausgesetzt – ein Unterhaltsanspruch nicht verwehrt werden kann (9 Ob 87/06v = RIS-Justiz RS0047580 [T13]).

2.3. Die vom Rekursgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen (älteren) Entscheidungen (RIS-Justiz RS0047691 = 2 Ob 503/87 und 3 Ob 4/92) sind hier nicht einschlägig: In dem der Entscheidung 2 Ob 503/87 zugrunde liegenden Fall war der Unterhalt begehrende Kläger nach Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit durch Erlernen des Berufs des Buchdruckers bereits fünf Jahre mit einem angemessenen Nettoeinkommen berufstätig und damit selbsterhaltungsfähig gewesen, bevor er sich zum Antritt einer weiteren Ausbildung (Besuch der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt) entschloss, um in Zukunft einen leitenden Posten in einer Druckerei zu erlangen. Demgegenüber sind im hier zu beurteilenden Fall zwischen dem Abschluss der Handelsakademie und der Aufnahme des Soziologiestudiums erst zwei Jahre vergangen.

Auch der Sachverhalt der Entscheidung 3 Ob 4/92 ist mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar: Die dort (in einem Oppositionsverfahren) Beklagte brach nach Ablegung des Abiturs (in Deutschland) das zunächst von ihr aufgenommene Studium nach einem Semester ab, hielt sich anschließend zwei Jahre in Asien auf, wo sie von Ersparnissen lebte, nahm danach ein Semester lang ein anderes Studium auf, das sie ebenfalls abbrach, ohne Prüfungen abgelegt zu haben, weil sie das Interesse verloren hatte. Sie lebte anschließend wieder rund eineinhalb Jahre in Asien und begann erst sechs Jahre nach dem Abitur – über ein Jahr nach ihrer Rückkehr, nachdem sie als Hilfskraft gearbeitet hatte – eine neue Ausbildung.

3.1. Während bei einem unmittelbar nach der Matura begonnenen „Anschlussstudium“ keine Bewertung der Studienwahl nach Berufs- und Einkommensaussichten vorzunehmen ist ( Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht 8 170), ist für eine Unterhaltspflicht der Eltern für die Zeit einer qualifizierten Weiterbildung nach eindeutig abgeschlossener Berufsausbildung bzw – wie hier – nach Eintritt in das Berufsleben zunächst das elterliche Einverständnis mit der Weiterbildung einschließlich der weiterlaufenden Unterhaltspflicht entscheidend. Für eine Finanzierung der Weiterbildung gegen den Willen des Unterhaltsschuldners müssen strengere Voraussetzungen gefordert werden als im Regelfall, und zwar neben einem durch Fleiß dokumentierten besonderen Interesse noch eine besondere Eignung des Kindes für die gewählte Ausbildung, die begründete Erwartung gesteigerter Verdienstchancen sowie die an ihren Lebensverhältnissen zu messende Zumutbarkeit weiterer Unterhaltsleistungen für die Eltern ( Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht 8 175; RIS-Justiz

RS0107722).

3.2.

Diese Bestimmungsfaktoren sollen eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen (8 Ob 82/13m; 9 Ob 7/16v). Maßstab für die Belastbarkeit eines Geldunterhaltspflichtigen bei einer weiteren Ausbildung ist die Orientierung an der intakten Familie, dh ob auch solche Eltern einen durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begrenzten finanziellen Beitrag zu einer weiteren Berufsausbildung leisten würden (RIS-Justiz RS0107722 [T4]; 2 Ob 179/10b).

3.3. Ob diese strengen Voraussetzungen hier erfüllt sind, kann mangels ausreichender Feststellungen zu diesem Thema noch nicht abschließend beurteilt werden:

Es fehlen bisher Feststellungen dazu, ob die Antragstellerin ihr Studium mit entsprechendem, ihr besonderes Interesse dokumentierenden Fleiß betreibt und ob sie für die gewählte Ausbildung und ihr berufliches Ziel eine besondere – über die jedem Maturanten zuzugestehende grundsätzliche Eignung für ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium

(

4 Ob 377/97p) hinausgehende – Eignung aufweist; beides wäre jedenfalls dann zu bejahen, wenn sie ihr Soziologie-Studium (wie von ihr beabsichtigt [Band I, AS 361]) mittlerweile in der Mindeststudienzeit abgeschlossen haben sollte.

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eine akademische Ausbildung ein besseres Fortkommen ermöglicht, also insbesondere mit erhöhten Verdienstchancen verbunden ist. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist dies auch angesichts des von der Antragstellerin letztlich angestrebten Berufs – nach ihrer Aussage (Band I, AS 361) möchte sie „im politischen Journalismus tätig sein“ – nicht von vornherein zu verneinen.

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind (auch beträchtliche) Einmalzahlungen, die der Geldunterhaltspflichtige im Zusammenhang etwa mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bezieht, wie hier die Abfertigung und die Urlaubsentschädigung, bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen (RIS Justiz

RS0047425 ua).

4.2. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 6 Ob 544/87 = SZ 61/143 kann Unterhalt – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 72 EheG – auch für die Vergangenheit gefordert werden (RIS-Justiz

RS0034969 [T1]). Der rückwirkenden Geltendmachung des Unterhalts steht kein schützenswertes Vertrauen des Unterhaltspflichtigen darauf entgegen, dass er wegen des bisherigen Unterbleibens auf keine oder keine höhere Leistung mehr in Anspruch genommen werde (7 Ob 71/02w; Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht 8 104). Dass die Antragstellerin ihren Unterhaltsantrag erst im März 2014 beim Erstgericht eingebracht hat, kann somit nicht dazu führen, dass die vom Antragsgegner bereits im November 2012 bezogene (und vor dem Zeitpunkt der Antragstellung größtenteils verbrauchte) Abfertigung nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen wäre.

4.3.

Die festgestellte Verwendung der Abfertigung durch den Antragsgegner kann die Unterhaltsbemessungsgrundlage aber auch deshalb nicht schmälern, weil Zahlungen zur (teilweisen) Rückführung eines der Finanzierung der Errichtung oder des Erwerbs eines Wohnhauses und zur Begleichung der Kosten einer Heizungssanierung nicht existenznotwendig sind (RIS-Justiz RS0047508; vgl auch RS0007202 und 8 Ob 59/13d = RIS Justiz

RS0128907).

4.4. Eine vom Unterhaltsschuldner bezogene, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehende Abfertigung ist nach ständiger Rechtsprechung auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen. Welcher Zeitraum angemessen ist, richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz

RS0009667 [T14, T 23]). Eine Aufteilung des Gesamtbetrags auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht, kann ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder mehrere Jahre bis hin zu einem Zeitraum, der der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht (RIS-Justiz RS0047428 [T7]; 3 Ob 96/15m mwN).

Wenn die Abfertigung als gesetzlich gebührende einmalige Zahlung für den Unterhaltsschuldner reinen Überbrückungscharakter – bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes – hat und dabei den Einkommensverlust durch den Berufswechsel ausgleichen soll, kann sie nach einhelliger Rechtsprechung auf so viele Monate aufgeteilt werden, als sie Monatsentgelten entspricht (RIS Justiz

RS0050466 [T1, T 9, T 16]).

Dieser Überbrückungscharakter einer Abfertigung tritt allerdings insbesondere dann in den Hintergrund, wenn der Unterhaltspflichtige zwar noch nicht das gesetzliche Pensionsalter erreicht hat, aber angesichts seines Alters und seines beruflichen Werdegangs sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist und nicht mehr mit einer neuerlichen (unselbstständigen) Beschäftigung, sei es auch mit einem zumutbaren geringeren Einkommen, gerechnet werden kann. In solchen Fällen ist die Abfertigung nicht auf so viele Monate aufzuteilen, als sie Monatsentgelten entspricht, sondern auf die Monate der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen; steht doch in einem solchen Fall die Vorsorge eines höheren Einkommens auf Lebenszeit, somit für einen längeren Zeitraum, eindeutig im Vordergrund, weil klar ist, dass der Unterhaltspflichtige nicht nochmals eine Abfertigung erreichen kann (

1 Ob 224/98t = RIS-Justiz

RS0009667 [T10]).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner derzeit eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension bezieht, weil er, wie sich aus dem mit ON 42 vorgelegten Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom ergibt, aufgrund der Dauerfolgen seines Arbeitsunfalls weder seine erlernte Berufstätigkeit als Zimmerer noch die in Frage kommenden Verweisungsberufe mehr ausüben kann.

Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob die künftige Alterspension des Antragsgegners eine ins Gewicht fallende andere Höhe haben wird als die derzeit von ihm bezogene Berufsunfähigkeitspension, oder ob sein Gesamteinkommen auch nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters in etwa gleich bleiben wird. In letzterem Fall wäre es angemessen, die von ihm bezogene Abfertigung auf seine statistische Restlebensdauer zu verteilen, während im ersten Fall eine Umlegung (nur) auf den Zeitraum von Dezember 2012 bis zur Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters vorzunehmen wäre (vgl 7 Ob 186/08s).

5. Das Erstgericht wird also das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00128.16V.0922.000