OGH vom 28.08.1996, 5Ob503/96
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Ludmilla B*****, Näherin, *****, wider den Antragsgegner Franz B*****, Kesselwärter, ***** vertreten durch den Sachwalter Dr.Erwin Dillinger, emeritierter Rechtsanwalt, Spratzerner Kirchenweg 100/36, 3100 St.Pölten, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ 10 R 332/95-108, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom , GZ 1 F 18/89-103, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit seit (mit Ausnahme des Verschuldensausspruches) rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom geschieden.
Die Antragstellerin begehrte im nachehelichen Aufteilungsverfahren den Zuspruch einer Ausgleichszahlung von S 200.000,- mit der Begründung, daß ihr die Hälfte des Wertes der ehelichen Errungenschaft abzüglich der damit verbundenen Schulden zustehe. Die Streitteile hätten unter Aufnahme von Krediten nach der Eheschließung eine Eigentumswohnung gekauft und eingerichtet. Auch wenn die Wohnung auf den Mann lautet, habe sie die Antragstellerin, durch sparsame Haushaltsführung und teilweise auch durch Erwerbstätigkeit zur Darlehenszurückzahlung und damit zum Erwerb der Eigentumswohnung beigetragen.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Begehrens mit der wesentlichen Begründung, die Antragstellerin habe zum Erwerb keinerlei zweckentsprechende Beiträge geleistet.
Im ersten Rechtsgang wurde der Antragstellerin vom Erstgericht eine Ausgleichszahlung von S 200.000,- zuerkannt, vom Rekursgericht lediglich eine solche von S 120.000,-.
Während der Zuspruch von S 120.000,- in Rechtskraft erwuchs, wurde der abweisende Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung (betreffend weiterer S 80.000,-) vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen (ON 44).
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Begehren der Antragstellerin auf Zuerkennung einer weiteren Ausgleichszahlung von S 80.000,- ab.
Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Streitteile lernten einander 1982 kennen und lebten vor der Eheschließung im Dezember 1983 in der Wohnung der Antragstellerin in Tschechien. Auf Grund des dort geringen, von ihm zu leistenden Beitrags für die Lebenshaltungskosten konnte der Antragsgegner aus seinem in Österreich erzielten Einkommen einen Betrag von ca. S 170.000,- bis S 200.000,- ansparen. Im Jänner 1984 übersiedelten die Parteien nach Österreich.
Im Februar 1984 wurd die Eigentumswohnung in St.Pölten, H*****, gekauft. Beim Ankauf waren S 217.000,- zu bezahlen, die zum Großteil aus den erwähnten Ersparnissen des Ehemannes finanziert wurden. Für den Rest und für die Wohnungseinrichtung wurden Darlehen aufgenommen.
Im Wohnungsverband wohnte noch der Sohn der Antragstellerin; der Antragsgegner war für ein Kind unterhaltspflichtig. Beide Parteien waren während aufrechter Ehe unselbständig erwerbstätig, wobei die Frau monatlich ca. S 6.000,- bis S 6.500,-, der Mann S 12.000,- bis S 13.000,- verdiente. Der Haushalt wurde zum weitaus überwiegenden Teil von der Frau besorgt.
Dennoch kam es auf Grund erheblicher Darlehensaufnahmen in der Folge zu wirtschaftlichen Problemen, welche dadurch verstärkt wurden, daß der Antragsgegner Geld im Casino verspielte.
Im Juni 1988 zog die Antragstellerin aus der Ehewohnung aus.
Zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestand das Vermögen der Streitteile im wesentlichen aus der Ehewohnung in der H*****, welche im Alleineigentum des Antragsgegners stand. Schätzungen des Verkehrswertes dieser Wohnung ergaben zum S 855.000,-, für Juni 1990 S 1,009.000,- (ON 63). Im Zuge des Exekutionsverfahrens zu 3 E 37/93x des Bezirksgerichtes St.Pölten wurde ein weiteres Schätzgutachten eingeholt, welches für den Stichtag einen geschätzten Verkehrswert von S 1,170.000,-
ergab.
Der Wert der Wohnungseinrichtung zum Stichtag betrug S 48.650,-, zum Stichtag S 44.880,- (ON 15 und 62).
Daneben hatte die Antragstellerin bis zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft Einzahlungen auf ein Sparbuch getätigt, welches bei Auflösung der ehelichen Gemeinschaft einen Guthabensstand von S 34.761,02 aufwies. Von diesem Betrag entfallen jedoch S 17.000,- auf eine Schadenersatzleistung zugunsten des Sohnes der Antragstellerin, welche lediglich auf diesem Sparbuch aufbewahrt werden sollte, bis sie der Sohn benötige. Die gesamte Einlage wurde in der Folge an die Antragstellerin ausbezahlt.
Mit dieser eben beschriebenen ehelichen Errungenschaft standen Verbindlichkeiten von insgesamt S 775.410,- zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft im Zusammenhang.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß sich die Aufteilungsmasse dem Gegenstand nach zwar nach dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestimme, die Bewertung jedoch nach dem Wert bei Schluß der Verhandlung erster Instanz im Aufteilungsverfahren. Mit Rücksicht darauf, daß Schätzwerte immer gewisse Unsicherheiten in sich bergen würden, sei der Wert der Wohnung mit S 967.000,-, also dem im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens erzielten Erlöses anzusetzen. Unter Berücksichtigung des Wertes der Wohnungseinrichtung (S 44.880,-), des Sparbuches (Einlagenstand S 34.761,02) ergäbe sich eine Aufteilungsmasse von S 1,046.641,02. Ziehe man davon die mit der ehelichen Errungenschaft verbundenen Schulden von S 775.410,- ab, so verbleibe ein der Aufteilung unterliegendes Vermögen von S 271.231,02. 50 % davon würden S 135.615,51 ausmachen. Ziehe man davon die bereits an die Antragstellerin ausgezahlte Einlage aus dem Sparbuch ab, so ergäbe sich rechnerisch eine Ausgleichszahlung von S 100.854,49. Daraus folge, daß die Ansprüche der Antragstellerin mit dem bereits rechtskräftig zugesprochenen S 120.000,- abgegolten seien.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Antragsgegner eine weitere Ausgleichszahlung von S 80.000,- auferlegte.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Es sei von einer Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 und von einer Bewertung der Liegenschaft mit dem Verkehrswert möglichst nahe dem Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz auszugehen (EFSlg 54.535, 69.314). Wertänderungen zwischen der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und den Schluß der Verhandlung erster Instanz seien grundsätzlich beiden früheren Ehegatten zuzurechnen, sofern die Wertänderung nicht durch solche Umstände eingetreten sei, die nur einem der früheren Ehegatten zuzurechnen seien (EFSlg 48.910, 51.729; JBl 1983, 648 uva).
In der hier zu beurteilenden Rechtssache sei die nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eingetretene Wertänderung nicht bloß einem der Streitteile zuzurechnen.
Es zeige sich, daß ab dem eine nahezu lineare Steigerung des Verkehrswertes von S 855.000,- auf S 1,170.000,- (per ) eingetreten sei. Dieser Wert sei bei Ermittlung der Ausgleichszahlung im Rahmen des Aufteilungsverfahrens maßgebend, zumal gerichtsbekannt im Raum St.Pölten die Entwicklung der Immobilienpreise nach oben sich zwar verflacht habe, eine Trendumkehr jedoch bisher nicht zu beobachten sei.
Der im Rahmen von Zwangsversteigerungen erzielbare Erlös entspreche hingegen erfahrungsgemäß in den seltensten Fällen dem Schätzwert, sondern liege in der Regel wesentlich darunter. Dies habe seine Ursache in den Besonderheiten des Erwerbes im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens. So müsse der Ersteher gewärtig sein, daß selbst nach Zuschlagserteilung und Erfüllung der Versteigerungsbedingungen bis zur tatsächlichen Übergabe der Liegenschaft erhebliche Schwierigkeiten auftreten können und Verzögerungen in zeitlicher Hinsicht möglich seien. Auch müsse der Ersteher unter Umständen mit einem langwierigen Räumungsverfahren rechnen. Das bei einer Zwangsversteigerung erzielbare Meistbot könne daher nicht dem auf dem freien Markt erzielbaren Verkaufserlös gleichgesetzt werden, zumal ein freiwilliger Verkauf zeitlich mit der Marktentwicklung koordiniert werden könne.
Anderseits könne die erfolgte Versteigerung nicht nachhaltig der Antragstellerin zum Nachteil gereichen, weil ja der Antragsgegner durch Nichtzahlung der ihm rechtskräftig auferlegten Ausgleichszahlung die Zwangsversteigerung provoziert habe. Er müsse daher das letztlich für ihn negative wirtschaftliche Ergebnis auf Grund seiner Säumigkeit gegen sich gelten lassen.
Unter Berücksichtigung der anderen in die Aufteilungsmasse fallenden Werte sei daher eine Ausgleichszahlung von S 200.000,- durchaus angemessen. Dabei schade es nicht, daß der rechnerische Wert nur S 196.000,- betrage, weil die Aufteilung nicht primär in Form einer Rechenoperation, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen habe. Dabei falle auch ins Gewicht, daß seit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft nun schon mehr als sechs Jahre vergangen seien.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob bei der Bewertung von Liegenschaften im Rahmen des Aufteilungsverfahrens von dem im Wege der Schätzung ermittelten Verkehrswert oder von einem allenfalls im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens erzielten Meistbot auszugehen sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.
Die Antragstellerin erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsgegner macht in seinem Rechtsmittel ausschließlich geltend, richtigerweise dürfe nicht von dem im Wege einer Schätzung ermittelten hypothetischen Wert ausgegangen werden; es müsse der Aufteilung vielmehr der tatsächlich erzielte Verkaufserlös zu Grunde gelegt werden, auch wenn dieser bei einer Zwangsversteigerung erzielt worden sei.
Dem ist folgendes zu erwidern:
Vorweg weist der erkennende Senat darauf hin, daß er die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Beschlusses zutreffend erachtet. Der Oberste Gerichtshof kann sich daher mit einer kurzen Begründung seiner Beurteilung begnügen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Es ist zwar richtig, daß im Wege der Schätzung immer nur ein bloß annähernd richtiger Wert der geschätzten Sache werden kann. Der so ermittelte Schätzwert kommt jedoch aus den vom Rekursgericht genannten überzeugenden Gründen - insbesondere, wenn man die sich aus den mehreren Schätzgutachten ergebende kontinuierliche Wertsteigerung berücksichtigt - im Allgemeinen dem wahren Wert der Liegenschaft nicht weniger nahe als der bei einem tatsächlichen Verkauf oder gar bei einer Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung, bei der erfahrungsgemäß - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - häufig nur unter dem wahren Wert liegende Meistbote erzielt werden, erreichbaren Preis.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG.