OGH vom 27.01.2016, 4Ob208/15i

OGH vom 27.01.2016, 4Ob208/15i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Heinz Heher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Adrian Hollaender, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.680 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 18.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 93/15y 48, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 136/12i 43, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.973,34 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 328,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Betreiberin von Wettbüros in ihren Geschäftslokalen unbefugt Fernsehübertragungen von Fußballspielen öffentlich gezeigt und damit Urheberrechte der Klägerin verletzt hat.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 22.680 EUR Schadenersatz gemäß § 87 Abs 3 UrhG und verbot ihr, ohne einer hiezu berechtigenden Vereinbarung mit der Klägerin für diese geschützte Filmwerke, insbesondere Sportveranstaltungen, zu deren öffentlichen Aufführung die Klägerin exklusiv berechtigt ist, insbesondere Fußballspiele der österreichischen Bundesliga oder der deutschen Bundesliga, öffentlich aufzuführen. Ausgehend von detailliert getroffenen Feststellungen zum Betrieb der Lokale der Beklagten und den darin öffentlich aufgeführten Fernsehsportübertragungen, deren Herstellung und Vermarktung sowie inhaltlichen Gestaltung (nicht auf die statische Wiedergabe durch eine Kameraposition beschränkt, wechselnde Aufnahmen aus verschiedenen Kamerapositionen, unterschiedliche Blickwinkel und Bildausschnitte oder Übersichten, gestaltete Detailwiederholungen in verschiedenen Ausschnitten und Wiedergabegeschwindig-keiten, einzelne originelle Einstellungen sowie ergänzende Grafiken etc) bejahte das Erstgericht die Schutzfähigkeit der gegenständlichen Liveübertragungen, dies insbesondere im Hinblick auf die vom Sendeleiter nach seinem Ermessen getroffenen Auswahl der Kameraposition und einstellung, Wiederholungen, Zeitlupen, Einblendungen von Publikum, Tränen oder einzelner spieltechnisch nicht relevanter Szenen. Die ausschließlichen Ausstrahlungsrechte der Muttergesellschaft der Klägerin seien für Österreich der Klägerin übertragen worden. Die Klägerin sei somit aktiv klagelegitimiert.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil über Berufung der Beklagten auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob die festgestellten Elemente der Fußballspiel Darstellungen für die Qualifizierung als Filmwerk ausreichten. In Ansehung des vom Erstgericht geschaffenen Tatsachensubstrats zur Beurteilbarkeit, ob es sich um Filmwerke handle, verneinte das Berufungsgericht geltend gemachte erstinstanzliche Verfahrensmängel. Darüber hinaus legte es seiner Entscheidung die erstgerichtlichen Feststellungen über den Inhalt des Gezeigten als durch die geltend gemachten Berufungsgründe nicht stichhältig in Zweifel gezogene Ergebnisse der Verhandlung und Beweisführung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO). Im Übrigen teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts, dass das Vorgeführte anhand der festgestellten Umstände, etwa schon wegen der Auswahl, welche Szenen gezeigt, weggelassen oder wiederholt werden, jeweils als Filmwerk im Sinn des § 4 UrhG zu beurteilen sei. Die zur tatsächlichen Grundlage der strittigen Aktivlegitimation sowie des von der Klägerin erhobenen Zahlungsbegehrens vom Erstgericht getroffenen Feststellungen erachtete das Berufungsgericht aber als unzureichend begründet und die damit im Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Beklagten als berechtigt. Die insoweit als mangelhaft beurteilten Feststellungen seien für die darauf beruhende rechtliche Beurteilung nicht tragfähig, weshalb das Urteil aufzuheben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten erhobene Rekurs, mit dem sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Auch die unmittelbare Übertragung eines Sportereignisses kann ein Werk der Filmkunst im Sinn von § 4 UrhG sein. Dies setzt voraus, dass die Kameraführung, Bildregie (einschließlich Wiederholungen, Einblenden von Grafiken und andere Gestaltungsmittel) und gegebenenfalls auch der Kommentar eine individuelle Zuordnung zum (jeweiligen) Schöpfer erlauben (4 Ob 184/13g Livesportübertragungen mwN). Die von der Beklagten auch in diesem Rekursverfahren vertretene Auffassung, dass bei der öffentlichen Wiedergabe von Sportübertragungen von vornherein keine Urheberrechtsverletzung vorliegen könne, trifft also keinesfalls zu. Die dagegen neuerlich ins Treffen geführten europarechtlichen sowie auf österreichisches Urheberrecht (§ 41a UrhG) gestützten Bedenken hat der Senat bereits ausdrücklich nicht geteilt (4 Ob 184/13g). Einer neuerlichen Befassung mit diesen Argumenten bedarf es daher nicht.

Der Frage, ob die im konkreten Fall von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zur Gestaltung der verfahrensgegenständlichen Übertragungen für eine Beurteilung als Filmwerk im Sinn des § 4 UrhG ausreichend sind, kommt vom Fall der (hier eindeutig nicht vorliegenden) im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu.

Das Berufungsgericht hat seiner Erledigung der Beweisrüge der Beklagten das Regelbeweismaß der ZPO im Sinn ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegt (hohe Wahrscheinlichkeit und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit; RIS Justiz RS0110701). Auch in diesem Zusammenhang vermag die Beklagte daher keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Der Rekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies, hat die Beklagte gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen (RIS Justiz RS0123222).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00208.15I.0127.000