OGH 16.07.1998, 6Ob191/98a
Rechtssätze
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RS0110339 | Hat das Rekursgericht im Verfahren außer Streitsachen aus einer Verkennung der materiellrechtlichen Rechtslage (hier: untrennbarer Sachzusammenhang bei einer Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in insgesamt sieben Punkten ungeachtet der Erklärung des Rekurswerbers, drei Punkte nicht anzufechten) nur einen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses aufgehoben und die Rechtssache nur insoweit an das Erstgericht zurückverwiesen, somit in Wahrheit die Sachanträge des Rekurswerbers nicht vollständig erledigt, dann kann die dadurch beschwerte Partei - das kann auch der Gegner des Rekurswerbers sein - unabhängig von einem auch im Verfahren außer Streitsachen zulässigen (RIS-Justiz RS0005774) Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO und ungeachtet der Vorschrift des § 14b Abs 1 AußStrG idFd WGN 1997 Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erheben. |
Normen | |
RS0110340 | Hat das Berufungsgericht Sachanträge aus der Erwägung unerledigt gelassen, daß sie aus materiellrechtlichen Gründen nicht Gegenstand des Verfahrens seien, liegt kein Verstoß gegen Verfahrensgesetze und damit keine (einfache) Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinne des § 496 Abs 1 Z 1 ZPO vor, vielmehr ist die Unvollständigkeit eine Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und kann daher gleich den Feststellungsmängeln nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO mit der Rechtsrüge, also jedenfalls auch in der Revision (§ 503 Z 4 ZPO) geltend gemacht werden (4 Ob 509-511/92 = EFSlg 69.904 mwN). Diese Grundsätze haben auch für das Verfahren außer Streitsachen zu gelten. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers und Antragsgegners (im folgenden Antragsteller) Werner M*****, vertreten durch Dr.Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegnerin und Antragstellerin (im folgenden Antragsgegnerin) Silvia M*****, vertreten durch Dr.Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge "außerordentlichen Revisionsrekurses" des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 255/98b-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ 12 F 121/96f, 140/96z-33, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt, seine Entscheidung durch den Ausspruch zu ergänzen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig ist.
Text
Begründung:
Das Erstgericht nahm in insgesamt sieben Punkten (1. Zuweisung eines Miteigentumsanteils des Antragstellers an einer Liegenschaft mit Wohnhaus an die Antragsgegnerin, 2. Zuweisung eines Hälfteanteils der Antragsgegnerin an einer Liegenschaft an den Antragsteller, 3. Zuweisung eines Pkws an die Antragsgegnerin, 4. Zuweisung der derzeit in der Ehewohnung befindlichen Fahrnisse an die Antragsgegnerin, 5. Übernahme näher bezeichneter Darlehens- und Kreditverbindlichkeiten in das alleinige persönliche und dingliche Zahlungsversprechen des Antragstellers, 6. Übernahme einer Darlehensverbindlichkeit in das alleinige persönliche und dingliche Zahlungsversprechen der Antragsgegnerin und 7. Kostenaufhebung) eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse der Streitteile vor. Die allein rekurrierende Antragsgegnerin bezeichnete in ihrem Rekurs die Punkte 1., 3. und 4. des erstgerichtlichen Beschlusses ausdrücklich als unangefochten.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß in seinen Punkten 2., 5., 6. und 7. auf und sprach aus, daß der angefochtene Beschluß in seinen Punkten 1., 3. und 4. als von der Anfechtung unberührt aufrecht bleibe. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof unterblieb.
Rechtliche Beurteilung
Der "außerordentliche Revisionsrekurs" des Antragstellers, der sich dagegen wendet, daß nicht der gesamte erstinstanzliche Beschluß aufgehoben wurde, ist nicht absolut unzulässig. Zwar waren nach der vor dem Inkrafttreten der WGN 1997 BGBl I 140 geltenden Rechtslage Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes im außerstreitigen Verfahren gemäß § 14 Abs 4 AußStrG nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hatte, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Mangels eines solchen Ausspruches war der Aufhebungsbeschluß jedenfalls unanfechtbar. Auch ein "außerordentlicher" Rekurs war ausgeschlossen. Auf - wie hier - nach dem ergangene Rechtsmittelentscheidungen finden nunmehr die mit der WGN 1997 novellierten Verfahrensbestimmungen Anwendung. § 14b Abs 1 AußStrG nF entspricht inhaltlich völlig der zuvor geltenden Rechtslage des § 14 Abs 4 leg cit (RV 898 BlgNR
20. GP, 30; 6 Ob 73/98y). Grundsätzlich ist daher die bisherige ständige Rechtsprechung zur absoluten Unzulässigkeit von Rekursen gegen Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes, die keinen Zulässigkeitsausspruch enthalten, fortzuschreiben (RIS-Justiz RS0109580). Hier wendet sich indes der Rechtsmittelwerber gerade nicht gegen die Aufhebung eines erstinstanzlichen Beschlusses, sondern dagegen, daß ein Teil desselben zu Unrecht als unangefochten beurteilt und daher nicht aufgehoben wurde.
Daß im Aufteilungsverfahren Teilregelungen materiellrechtlich grundsätzlich zulässig sind, folgt schon aus § 85 EheG. Die Zulässigkeit reicht jedoch nur soweit, als die Teilregelung(en) nicht für die Endentscheidung in Ansehung der verbleibenden gerichtlich aufzuteilenden Vermögensmasse Ausgleichsmöglichkeiten verschließen oder solche entgegen dem im § 94 Abs 2 EheG aufgestellten Grundsatz der Subsidiarität auf Geldzahlungen beschränken. Auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen sind der Teilrechtskraft fähig. Ihre Grenzen sind jedoch unter Wahrung des Funktionszusammenhanges mit dem Privatrecht von der regelnden Aufgabe des Richters her zu bestimmen, der den von den Parteien nicht erzielten Ausgleich rechtsgestaltend herbeiführen soll (EFSlg 38.893 ff ua, zuletzt 5 Ob 517/94, insoweit nicht veröffentlicht in EFSlg 78.734; RIS-Justiz RS0007209; vgl auch Bernat in Schwimann2, § 85 EheG Rz 6). Die Zuweisung eines Liegenschaftsanteils des Antragstellers, eines Pkws und von anderern Fahrnissen an die Antragsgegnerin und die übrigen Zuweisungen an den Antragsteller sowie die Übernahme von Verbindlichkeiten in das jeweils alleinige persönliche und dingliche Zahlungsversprechen eines der beiden Streitteile stellen wegen ihrer wechselseitigen Abhängigkeit eine Einheit dar. Kein Teil einer solchen rechtsgestaltenden richterlichen Gesamtregelung kann für sich allein in Rechtskraft erwachsen. Die Tatsache, daß die Antragsgegnerin drei sie begünstigende Punkte einer richterlichen Gesamtregelung unangefochten ließ, rechtfertigt allein keinen Schluß auf eine diesbezügliche - an sich zulässige - Einigung der geschiedenen Eheleute über die Aufteilung.
Infolge dieses Sachzusammenhanges und der daraus resultierenden Einheit des Aufteilungsbeschlusses, mag er auch in Punkte gegliedert gewesen sein, trat ungeachtet der Anfechtungserklärung der Antragsgegnerin eine Teilrechtskraft einzelner Punkte nicht ein. Daher konnte auch die zweite Instanz den erstinstanzlichen Aufteilungsbeschluß nur als Ganzes aufheben, wenn es der Meinung war, daß einzelne Punkte desselben noch einer weiteren Klärung bedurften. Das Rekursgericht hat somit aus einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Rechtslage über einen Teil des in Wahrheit zur Gänze angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses nicht entschieden. Hat das Berufungsgericht Sachanträge aus der Erwägung unerledigt gelassen, daß sie aus materiellrechtlichen Gründen nicht Gegenstand des Verfahrens seien, liegt kein Verstoß gegen Verfahrensgesetze und damit keine (einfache) Mangelhaftig- keit des Verfahrens iSd § 496 Abs 1 Z 1 ZPO vor, vielmehr ist die Unvollständigkeit eine Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und kann daher gleich den Feststellungsmängeln nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO mit der Rechtsrüge, also jedenfalls auch in der Revision (§ 503 Z 4 ZPO) geltend gemacht werden (4 Ob 509-511/92 = EFSlg 69.904 mwN). Diese Grundsätze haben auch für das Verfahren außer Streitsachen zu gelten: Hat das Rekursgericht im Verfahren außer Streitsachen aus einer Verkennung der materiellrechtlichen Rechtslage (hier: untrennbarer Sachzusammenhang bei einer Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in insgesamt sieben Punkten ungeachtet der Erklärung des Rekurswerbers, drei Punkte nicht anzufechten) nur einen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses aufgehoben und die Rechtssache nur insoweit an das Erstgericht zurückverwiesen, somit in Wahrheit die Sachanträge des Rekurswerbers nicht vollständig erledigt, dann kann die dadurch beschwerte Partei - das kann auch der Gegner des Rekurswerbers sein - unabhängig von einem auch im Verfahren außer Streitsachen zulässigen (RIS-Justiz RS0005774) Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO und ungeachtet der Vorschrift des § 14b Abs 1 AußStrG idFd WGN 1997 Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erheben.
Da somit der Revisionsrekurs des Antragstellers nicht nach § 14b Abs 1 oder § 14 Abs 2 AußStrG nF jedenfalls unzulässig ist, bedarf es eines Ausspruches des Rekursgerichtes nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG nF, ob es den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG nF für zulässig erachtet oder nicht. Vor einem entsprechenden Ausspruch der zweiten Instanz steht nicht fest, ob es sich beim Rechtsmittel des Antragstellers um einen ordentlichen oder einen außerordentlichen Revisionsrekurs handelt.
Sollte das Rekursgericht seine Entscheidung durch den Ausspruch ergänzen, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, hätte es den Akt unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zurückzustellen. Bei einem Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses wäre hingegen der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Revisionsrekursbeantwortung zu geben und der Akt unter Anschluß der Akten der zweiten Instanz dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Pückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers und Antragsgegners (im folgenden Antragsteller) Werner M*****, vertreten durch Dr. Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegnerin und Antragstellerin (im folgenden Antragsgegnerin) Silvia M***** , vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 255/98b-37, idF des Berichtigungsbeschlusses vom , AZ 1 R 255/98b, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ 12 F 121/96f, 140/96z-33, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der gesamte erstgerichtliche Beschluß aufgehoben und die Familienrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Bereits durch seine Vorentscheidung vom , GZ 6 Ob 191/98a-43, stellte der erkennende Senat klar, daß durch die zweite Instanz die gesamte erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben gewesen wäre und ungeachtet der Anfechtungserklärung der Antragsgegnerin im Rekursverfahren eine Teilrechtskraft einzelner Punkte der erstinstanzlichen Aufteilungsentscheidung nicht eintrat und deshalb das Rechtsmittel des Antragstellers nicht iSd § 14b AußStrG jedenfalls unzulässig sei. Damit erweist sich nun nach Berichtigung des zweitinstanzlichen Beschlusses dahin, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, zu dem bereits eine Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin erstattet wurde, als zulässig und iS einer Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses dahin, daß der gesamte erstgerichtliche Aufteilungsbeschluß - und nicht nur dessen Punkte 2., 5., 6. und 7. - aufgehoben und die Familienrechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen wird, als berechtigt.
Der Kostenvorbehalt beruht auf dem § 234 AußStrG.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00191.98A.0716.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAD-36496