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OGH vom 27.06.2022, 2Ob220/21y

OGH vom 27.06.2022, 2Ob220/21y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* C*, vertreten durch Mag. Georg E. Thalhammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Dr. K* H* und 2) A* H*, beide vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Auskunftserteilung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29.  September 2021, GZ 35 R 50/21v22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 6 C 560/20p17, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es einschließlich des rechtskräftigen Teils folgendermaßen zu lauten hat:

„1. Das Klagebegehren, die Erstbeklagte sei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und bewertungsrelevante Details sämtlicher der vom am * 2018 verstorbenen Gu* C* in der Zeit vom bis zum gemachten Schenkungen an die Erstbeklagte zu geben, wird abgewiesen.

2. Das Klagebegehren, die Zweitbeklagte sei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und bewertungsrelevante Details sämtlicher der vom am * 2018 verstorbenen Gu* C* in der Zeit vom bis zum gemachten Schenkungen an die Zweitbeklagte zu geben, wird abgewiesen.

3. Das Mehrbegehren, die Beklagten seien weiters schuldig, diese Schenkungen urkundlich nachzuweisen, wird abgewiesen.

4. Die Erstbeklagte ist schuldig, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft eidlich zu bekräftigen, dies mit Ausnahme von Schenkungen geringen Werts.

5. Die Zweitbeklagte ist schuldig, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft eidlich zu bekräftigen, dies mit Ausnahme von Schenkungen geringen Werts.

6. Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 3.799,39 EUR (darin enthalten 506,98 EUR USt und 757,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

7. Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.532,94 EUR (darin enthalten 337,99 EUR USt und 505 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 2.094,15 EUR (darin enthalten 181,64 EUR USt und 1.007,16 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.396,10 EUR (darin enthalten 120,78 EUR USt und 671,44 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist die pflichtteilsberechtigte Witwe nach ihrem am * 2018 verstorbenen Ehemann (im Folgenden: „Erblasser“), mit dem sie seit verheiratet war. Die Erstbeklagte ist die Tochter (aus einer früheren Ehe) des Erblassers und eingeantwortete Alleinerbin, die Zweitbeklagte ist die Tochter der Erstbeklagten.

[2] Die Klägerin hat gegen die Erstbeklagte am beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Pflichtteilsklage über 4.093.065,47 EUR sA eingebracht (im Folgenden: „Pflichtteilsprozess“).

[3] Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin gestützt auf § 786 ABGB, die Beklagten für schuldig zu erkennen, der Klägerin Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und Wert sämtlicher vom Erblasser an die Beklagten in der Zeit ab jeweils gemachten Schenkungen zu geben und urkundlich nachzuweisen, sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidlich zu bekräftigen, dies mit Ausnahme von Schenkungen geringen Werts. Sie brachte vor, der Erblasser habe den Beklagten mehrfach größere Geldbeträge sowie der Erstbeklagten eine Liegenschaft geschenkt, die Beklagten hätten im Schriftsatz vom im Pflichtteilsprozess keineswegs alle Schenkungen des Erblassers an die Beklagten vollständig, schlüssig und wahrheitsgemäß dargestellt, geschweige denn belegt.

[4] Die Beklagten wendeten ein, sie hätten im erwähnten Schriftsatz im Pflichtteilsprozess samt 58 angeschlossenen Urkunden alle auskunftspflichtigen Schenkungen vollständig, schlüssig und wahrheitsgemäß dargestellt und belegt. Sie hätten den Auskunftsanspruch der Klägerin bereits in der vorprozessualen Korrespondenz anerkannt und durch den Schriftsatz zur Gänze erfüllt. Eidesleistung habe die Klägerin vorprozessual nicht begehrt, die Beklagten erkannten das auf Eidesleistung gerichtete Klagebegehren an. Die Beklagten hätten keine Veranlassung zur Klage gegeben.

[5] Das Erstgericht verurteilte beide Beklagte dazu der Klägerin binnen 14 Tagen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und bewertungsrelevante Details sämtlicher der vom Erblasser in der Zeit vom bis zu seinem Tod gemachten Schenkungen an die jeweils Beklagte zu geben, sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidlich zu bekräftigen, dies mit Ausnahme von Schenkungen geringen Werts. Das Mehrbegehren auf urkundlichen Nachweis der Schenkungen wies das Erstgericht gegen beide Beklagten rechtskräftig ab. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen beschränken sich auf die Darstellung einiger Vermögensbestandteile des Erblassers sowie zweier von ihm durchgeführter Geldüberweisungen.

[6] Das nur von den Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache. Da die Beklagten ihre Pflicht zur Eidesleistung anerkannt hätten, sei zu prüfen, welche Wirkungen dieses Anerkenntnis nach sich ziehe. Da eine außergerichtliche Auskunftserteilung nicht stattgefunden habe und nur unter dieser Voraussetzung ein bloßes Eidesleistungsbegehren als möglich erachtet werde, könne dieses nicht für sich alleine bestehen. Zur Verpflichtung zur Eidesleistung bedürfe es daher korrespondierend der Erteilung der Vermögensauskunft. Damit schlage das Anerkenntnis der Verpflichtung zur Eidesleistung auf das Auskunftsbegehren dergestalt durch, dass auch diesem stattzugeben sei, ohne dass es einer Prüfung der Behauptung der Erfüllung der Auskunftspflicht während des Verfahrens noch bedurft hätte. Das Erstgericht sei zu der von den Beklagten angebotenen Abnahme des Eides in der mündlichen Verhandlung nicht zuständig gewesen, weil dies in die Zuständigkeit des Außerstreitgerichts falle. Das erstinstanzliche Verfahren sei daher nicht mangelhaft gewesen.

[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zu den in einem Verfahren nach Art XLII EGZPO zu lösenden Rechtsfragen, nämlich zur Frage des Anerkenntnisses der Verpflichtung zur Eidesleistung unter gleichzeitiger Behauptung der Erfüllung des Auskunftsanspruchs keine, und zur Frage der Zuständigkeit zur Durchführung der Eidesleistung bei Anerkennung der Verpflichtung zur Eidesleistung im Prozess keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.

[8] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des erstgerichtlichen Urteils im Sinne der Klageabweisung betreffend das Auskunftsbegehren sowie auf Aufhebung betreffend die Eidesleistung; hilfsweise wird ein genereller Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[10] Die Revision ist wegen einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zulässig und teilweise berechtigt.

[11] Die Revision macht geltend, das Auskunftsbegehren wäre wegen Erfüllung abzuweisen gewesen, weil es mit dem Eidesablegungsbegehren nicht untrennbar verknüpft sei. Zwischen beiden Begehren bestehe aber ein innerer Zusammenhang, weshalb das Erstgericht die angebotene Eidesleistung in der mündlichen Streitverhandlung abnehmen hätte müssen.

Hierzu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Ob – wie das Berufungsgericht meint – hier ein bloßes Eidesablegungsbegehren nicht möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, weil ja auch das Auskunftsbegehren erhoben wurde. Selbst wenn die Auffassung des Berufungsgerichts zuträfe, wären aber beide Begehren nicht untrennbar miteinander verbunden: So kann etwa – wie es die Beklagten ja gerade behaupten – das Auskunftsbegehren bereits erfüllt sein und nur mehr die eidliche Bekräftigung ausstehen. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Rechnungslegung einerseits und Eidesleistung andererseits auch in der Exekution ein getrenntes Schicksal haben können (RS0004372; vgl auch 3 Ob 1/87 = RS0004478). Die Anerkennung der Verpflichtung zur Eidesleistung durch die Beklagten zieht daher nicht zwingend die Berechtigung des Auskunftsbegehrens nach sich.

2. Auskunftsanspruch

[13] 2.1. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Erstbeklagte im Pflichtteilsprozess mit am eingebrachtem Schriftsatz unter Vorlage der entsprechenden Urkunden und Angabe der entsprechenden Geld bzw Wertbeträge mehrere Schenkungen bzw Vermögenstransaktionen zwischen dem Erblasser einerseits und der Erstbeklagten und ihren Töchtern andererseits angegeben hat. Im vorliegenden Verfahren erfolgte dieselbe Angabe mit Schriftsatz vom .

[14] 2.2. Der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB ist ein Anwendungsfall des ersten Falls des Art XLII Abs 1 EGZPO (2 Ob 167/21d Rz 4). Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung ist erfüllt, wenn eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde. Der darüber hinaus bestehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Rechnungslegung kann – abgesehen von der Möglichkeit der Klage auf Eidesleistung nach Art XLII EGZPO – prozessual nicht erzwungen werden, sondern berechtigt nur zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen (SZ 25/99; RS0004372). Das gilt auch im Titelprozess für die Beurteilung der Frage, ob ein Rechnungslegungs oder Auskunftsanspruch erfüllt wurde. Liegt eine formell vollständige Auflistung vor (dazu unten 2.3.), so ist der Anspruch erfüllt. Dass der Berechtigte diese Auflistung für unrichtig hält, ändert daran nichts (2 Ob 142/19z zur Auskunft über das Nachlassvermögen).

[15] 2.3. Der Inhalt der Rechnungslegungspflicht ist nicht in allen Fällen gleich und bestimmt sich nach deren Zweck (RS0035044). Zweck der Rechnungslegungspflicht ist es, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, seine Ansprüche gegen den Verpflichteten feststellen und geltend machen zu können (vgl RS0019529, weiters RS0033946; RS0034974). Inhalt und Umfang der Rechnungslegung richten sich nach dem Verkehrsüblichen (RS0106851 [T4]). Die Rechnungslegung muss detailliert sein und kann sich nicht nur in der bloßen Angabe von Endziffern oder in der Überlassung von Belegen erschöpfen (RS0035140 [T5]).

[16] 2.4. Der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB bezweckt, den Pflichtteilsberechtigten durch die Information über Schenkungen in die Lage zu versetzen, seinen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach zu beziffern oder wenigstens ungefähr abzuschätzen, um ihm die klageweise Geltendmachung gegen den Verpflichteten zu ermöglichen. Dazu ist es erforderlich, den Gegenstand und – im Hinblick auf § 788 ABGB – den Zeitpunkt der Schenkung zu wissen. Bei Geldschenkungen ist der geschenkte Betrag zu beziffern. Bei Sachschenkungen muss der Auskunftspflichtige eine (eigene oder gar sachverständige) Bewertung nicht vornehmen, vielmehr liegt es am Berechtigten selbst, den Wert der geschenkten Sache einzuschätzen.

[17] 2.5. Die Beklagten haben die so eben dargestellten Angaben mit dem im Pflichtteilsprozess am eingebrachten Schriftsatz gemacht. Sie haben somit den Auskunftsanspruch bereits erfüllt. Demgemäß ist das Auskunftsbegehren gegenüber beiden Beklagten abzuweisen.

3. Eidesleistung

[18] Da die Beklagten das Eidesleistungsbegehren anerkannt haben, erübrigt sich eine materielle Prüfung über dessen Berechtigung. Obwohl die in der mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht anwesenden Beklagten dort die Eidesablegung angeboten haben, erfolgte diese nicht, weil sich die Erstrichterin dafür unzuständig erachtete. Das diesbezügliche Begehren ist daher nicht erfüllt, weshalb es bei der Klagestattgebung bleibt.

[19] Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten den angebotenen Eid (prozessökonomisch) in der Verhandlung vor dem Erstgericht hätten ablegen (dies nicht ausschließend vgl 2 Ob 144/18t ErwGr 2.). eine des Erstgerichts bestand dazu nicht: Zum Einen hat das Berufungsgericht diesbezüglich den von den Beklagten gerügten Verfahrensmangel verneint, was im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden kann (RS0042963). Zum anderen liegt hier das Titelverfahren vor, in dem die Erfüllung der (im Exekutionsverfahren erzwingbaren, vgl RS0004478) Eidesleistung nicht Prozessgegenstand ist. Vielmehr hat die Eidesleistung im Außerstreitverfahren zu erfolgen (5 Ob 551/76, 2 Ob 144/128t, RS0005935).

[20] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich für alle Instanzen auf §§ 41, 45 (iVm § 50) ZPO. Nach dem unwidersprochenen Beklagtenvorbringen gingen die Aufforderungsschreiben des Klagevertreters an die Beklagten betreffend die Auskunftserteilung mit Fristsetzung bis diesen am zu. Noch am selben Tag reagierte der Beklagtenvertreter mit einem Antwortschreiben, in dem er die Auskunftserteilung durch einen für angekündigten Schriftsatz im Pflichtteilsprozess in Aussicht stellte. Wie ausgeführt, wurde diese Frist auch eingehalten. Eidesleistung wurde vorprozessual nicht begehrt und im vorliegenden Prozess von den Beklagten bei erster Gelegenheit anerkannt.

[21] Die Klageerhebung ist ua dann vom Beklagten nicht veranlasst worden, wenn ihm vor dem Verfahren zwar eine Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten gemacht wurde, es ihm aber bis zur Klageerhebung aus objektiven Gründen nicht möglich sein konnte, dem klägerischen Ansinnen nachzukommen, was etwa bei komplexer Sachlage der Fall ist (M. Bydlinski in Fasching/Konecny, ZPO3 § 45 Rz 2). Diese Voraussetzungen liegen angesichts der äußerst knappen Fristsetzung durch den Klagevertreter in den Aufforderungsschreiben hier vor, sodass bis zum Schriftsatz vom im Pflichtteilsprozess § 45 ZPO anzuwenden ist und die Klägerin den Beklagten sämtliche Verfahrenskosten zu ersetzen hat. Da die Beklagten aber nicht solidarisch verpflichtet sind bzw waren, war ihnen der Kostenbetrag anteilig (nach dem jeweiligen Interesse, somit der Erstbeklagten zu 60 %, der Zweitbeklagten zu 40 %) zuzusprechen (vgl § 46 ZPO). Der im Berufungsschriftsatz hilfsweise erhobene Kostenrekurs wurde nicht schlagend und ist daher nicht zu honorieren (, 3 Ob 227/11w).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00220.21Y.0627.000

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