OGH vom 25.09.2019, 1Ob132/19x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr.
Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. HoferZeniRennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. D*****, vertreten durch Mag. Barbara Steiner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 89.837,45 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 29/19s15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 13/18v11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.974,37 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bewarb sich am für die vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (nunmehr Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz; nachfolgend kurz „Sozialminister“) ausgeschriebene Stelle eines Anwalts bzw einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen („Behindertenanwalt“). Nach Einholung eines Besetzungsvorschlags der österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (nunmehr: Österreichischer Behindertenrat) – in den die Klägerin nicht aufgenommen wurde – und Anhörung des Bundesbehindertenbeirats bestellte der Sozialminister einen anderen Bewerber zum Behindertenanwalt.
Die stützt ihre Klage darauf, dass sie wegen ihres Geschlechts und ihrer Behinderung (bereits bei der Erstellung des Besetzungsvorschlags) diskriminiert worden sei. Sie leitet daraus einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch die Nichtbestellung entstandenen Vermögensschadens (Verdienstentgang) sowie des durch die Diskriminierung verursachten ideellen Schadens (erlittene Kränkung) ab. Den Ersatz ihres Vermögensschadens gründet sie (auch) auf Amtshaftung, weil das Besetzungsverfahren intransparent und die Auswahl eines anderen Kandidaten sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.
Das wies die Klage ab. Der auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und/oder der Behinderung gestützte Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens sei ebenso verjährt, wie der aus einer solchen Diskriminierung abgeleitete Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens. Soweit letzterer auch auf Amtshaftung gestützt werde, hafte die Beklagte weder für das Verhalten des Österreichischen Behindertenrats noch des Behindertenbeirats, weil diesen keine Organstellung zukomme. Auch die – nach Ansicht der Klägerin rechtswidrige – Bestellung eines anderen Kandidaten zum Behindertenanwalt durch den Sozialminister selbst begründe keine Amtshaftung, weil dieser dabei nicht hoheitlich gehandelt habe. Weder habe der Gesetzgeber für die Bestellung des Behindertenanwalts eine hoheitliche Handlungsform, noch einen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz vorgesehen. Auch der Behindertenanwalt selbst verfüge über keine Hoheitsbefugnisse. Dass dessen Bestellung auf einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis sui generis beruhe, zeige sich auch darin, dass auf die Ausschreibung dieser Funktion das Ausschreibungsgesetz nicht anzuwenden sei. Die den Bestellungsvorgang konkretisierenden Regelungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) seien bloße Selbstbindungsnormen, aus denen keine Hoheitsbefugnisse abzuleiten seien.
Das bestätigte diese Entscheidung und führte zum – vom Erstgericht verneinten – Amtshaftungsanspruch aus, dass alleine aus dem Umstand, dass das Verfahren zur Bestellung des Behindertenanwalts gesetzlich geregelt sei, noch nicht geschlossen werden könne, dass der Sozialminister deshalb „in Vollziehung der Gesetze“ (also hoheitlich) gehandelt habe. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung sei, welche rechtstechnischen Mittel der Gesetzgeber zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zur Verfügung stelle, was unter Ausschöpfung sämtlicher Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln sei. Ob die Bestellung des Behindertenanwalts durch Bescheid oder Vertrag zu erfolgen habe, lasse sich dem Gesetz zwar nicht „unmittelbar“ entnehmen. Daraus, dass dessen Rechtsstellung weder derjenigen eines Beamten noch der eines Vertragsbediensteten entspreche, sondern die Merkmale eines freien Dienstvertrags aufweise, ergebe sich aber, dass für die Bestellung (nur) die Form des Vertrags zur Verfügung stehe, weshalb der Bestellungsvorgang der Privatwirtschafts- und nicht der Hoheitsverwaltung zuzuordnen sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob der Behindertenanwalt mittels Hoheitsaktes oder durch privatrechtlichen Vertrag bestellt wird, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht.
Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Vorauszuschicken ist, dass sich die Klägerin in dritter Instanz nicht mehr dagegen wendet, dass ihr Anspruch – sowohl auf Ersatz immateriellen, als auch materiellen Schadens – insoweit verjährt sei, als dieser auf eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts und ihrer Behinderung gestützt wurde. Da der Anspruch auf Geldersatz für die erlittene Kränkung allein auf dieser Anspruchsgrundlage gründet, ist dieser daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. In diesem ist vielmehr nur mehr die – den behaupteten Vermögensschaden betreffende – Frage strittig, ob der Sozialminister als Organ der Beklagten bei der Bestellung des Behindertenanwalts hoheitlich gehandelt hat, sodass aus dessen (nach Ansicht der Klägerin rechtswidrigem) Verhalten (noch unverjährte) Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können.
2.1. § 13b BBG sieht vor, dass der Sozialminister einen Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen zu bestellen hat. Dieser ist für die Beratung und Unterstützung von Personen zuständig, die sich im Sinn des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) oder der § 7a bis 7q des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) diskriminiert fühlen. Er kann zu diesem Zweck Sprechstunden und Sprechtage im gesamten Bundesgebiet abhalten (§ 13c Abs 1 BBG in der zum Zeitpunkt der Bewerbung der Klägerin geltenden Fassung des BGBl I 155/2017), Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen durchführen sowie Berichte veröffentlichen und Empfehlungen zu allen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen berührenden Fragen abgeben (§ 13c Abs 2 BBG). Er hat jährlich einen Tätigkeitsbericht an den Sozialminister zu legen und dem Bundesbehindertenbeirat mündlich zu berichten (§ 13c Abs 3 BBG idF BGBl I 155/2017). Der Sozialminister hat die Funktion des
Behindertenanwalts öffentlich auszuschreiben, wobei Menschen mit Behinderung ausdrücklich zur Bewerbung einzuladen sind (§ 13d Abs 2 BBG). Nach Einlangen der Bewerbungen und vor der Bestellung ist der Bundesbehindertenbeirat anzuhören. Der Österreichische Behindertenrat hat mit den in die engere Wahl gezogenen Bewerbern ein öffentliches Hearing durchzuführen (§ 13d Abs 4 BBG).
2.2. Der
Behindertenanwalt ist in Ausübung seiner Tätigkeit selbständig, unabhängig und an keine Weisungen gebunden (§ 13c Abs 1 BBG). Der Sozialminister hat den Behindertenanwalt von seiner Funktion zu entheben, wenn er dies beantragt oder die Pflichten seiner Funktion vernachlässigt (§ 13d Abs 6 BBG). Zur Führung der laufenden Geschäfte ist beim Sozialminister ein Büro einzurichten. Für die sachlichen und personellen Erfordernisse hat das Sozialministerium aufzukommen, wobei die Landesstellen des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen den
Behindertenanwalt bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere bei der Abhaltung von Sprechtagen, nach Bedarf zu unterstützen haben (§ 13e Abs 1 BBG). Steht der
Behindertenanwalt im aktiven Bundesdienst, steht ihm unter Fortzahlung seiner Dienstbezüge die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendige freie Zeit zu; die Inanspruchnahme ist dem Dienstvorgesetzten mitzuteilen. Er hat Anspruch auf den Ersatz der Reisegebühren nach den für ihn geltenden Vorschriften (§ 13e Abs 2 BBG). In allen anderen Fällen gebührt ihm neben dem Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 70 % des Ausgangsbetrags gemäß § 2 des Bundesbezügegesetzes (§ 13e Abs 3 BBG).
3.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen „in Vollziehung der Gesetze“ durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Im Bereich der Verwaltung besteht diese Haftung nur für ein Organhandeln im Rahmen der
Hoheitsverwaltung (vgl RS0049876), für die kennzeichnend ist, dass die öffentliche Gewalt dem Staatsbürger mit Befehls und Zwangsgewalt („Imperium“) ausgestattet gegenübertritt (RS0049876 [T1]).
Daneben kann der Staat auch als Träger von Privatrechten in Erscheinung treten (vgl Art 17 BVG), wobei sich auch dessen nichthoheitliche Tätigkeiten keineswegs auf die Verfolgung privatwirtschaftlicher Unternehmensziele beschränken, sondern letztlich ebenfalls der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen (vgl 1 Ob 201/16i).
3.2. Die Abgrenzung der Privatwirtschafts- von der Hoheitsverwaltung hat nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht nach den Motiven und Zwecken der Verwaltungstätigkeit zu erfolgen, sondern danach, welche rechtstechnischen Mittel der Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgabe bereit hält (RS0049882). Dies entspricht auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, der eine hoheitliche Verwaltung ebenfalls annimmt, wenn das Verwaltungsorgan mit „Imperium“, also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt auftritt, sohin also in jenen Rechtssatzformen handelt, die das öffentliche Recht für die Ausübung behördlicher Befugnisse zur Verfügung stellt. Auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit kommt es auch nach dessen Rechtsprechung nicht an, vielmehr stellt auch der Verfassungsgerichtshof auf die vom Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgabe bereitgestellten rechtstechnischen Mittel ab (VfGH B 881/06 mwN; vgl auch VfSlg 3262/1957).
3.3. Ob eine bestimmte Aufgabe der Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen ist, muss anhand der maßgeblichen (Verwaltungs)Rechtsvorschriften beurteilt werden, die unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten dahin auszulegen sind, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen wollte (vgl RS0102497). Dass eine Maßnahme den „Interessen der Allgemeinheit“ dient, bedeutet aber noch nicht, dass
ihre Vollziehung deshalb
hoheitlich ausgestaltet sein muss (VfGH B 881/06), weil nicht alles „Öffentliche“ auch hoheitlich zu vollziehen ist (1 Ob 201/16i; vgl idS auch VfSlg 3262/1957). Verbleiben bei der Auslegung Zweifel hinsichtlich der Zuordnung eines bestimmten Verwaltungsakts zur Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung, ist letzteres anzunehmen (RS0050117), weil ein hoheitliches Vorgehen nur zulässig ist, wenn die Befugnis dazu in deutlich erkennbarer Weise eingeräumt wird (vgl RS0050117 [T1]).
4.1. Die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen liegt zweifellos (auch) im öffentlichen Interesse. Mit dem Beitritt Österreichs zum UNÜbereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN
Behindertenrechtskonvention) verpflichtete sich der Staat dazu, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (vgl Art 1 dieser Konvention). Wenngleich das Abkommen erst durch die österreichische Gesetzgebung umzusetzen ist (vgl Ganner, Grundzüge des Alten- und Behindertenrechts² [2014] 31), übernahm Österreich die Garantie eines wirksamen Schutzes von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung (vgl Art 5 der genannten Konvention). Auf europäischer Ebene ist Österreich auch aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (insbesondere nach deren Art 5) verpflichtet, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt zu verhindern. Schließlich enthält auch Art 7 Abs 1 BVG die Vorgabe, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die Republik bekennt sich in dieser Bestimmung zur Gewährleistung der Gleichbehandlung behinderter und nichtbehinderter Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens.
4.2. Dass auch die Bestellung des Behindertenanwalts als zentrale Anlaufstelle zur Beratung von Menschen mit Behinderungen in Gleichbehandlungsfragen (vgl ErlRV 836 BlgNR 22. GP 17) im öffentlichen Interesse liegt, kann aufgrund dieses Rechtsrahmens nicht fraglich sein. Im öffentlichen Interesse gelegene Aufgaben können grundsätzlich – sofern der (einfache) Gesetzgeber nichts anderes vorsieht (vgl RS0049882 [T13]; RS0053270) – aber sowohl hoheitlich als auch mit den Mitteln des Privatrechts umgesetzt werden, sodass in weiterer Folge durch Auslegung der die Bestellung des Behindertenanwalts regelnden Bestimmungen zu ermitteln ist, welche rechtstechnische Form der Gesetzgeber dafür zur Verfügung stellen wollte.
4.3. Der Wortlaut der § 13b ff BBG lässt offen, ob die Bestellung durch den Sozialminister (einschließlich des vorangehenden Auswahlverfahrens) dem hoheitlichen oder dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist. Dass der Behindertenanwalt durch Bescheid zu ernennen wäre, sieht das BBG ebensowenig vor, wie den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags. Es fehlen auch Bestimmungen zu einem allfälligen Rechtsschutz von Bewerbern um die Stelle des Behindertenanwalts. Die relativ detaillierte Regelung des „Bestellungsvorgangs“ ist kein ausreichendes Indiz für eine intendierte hoheitliche Vorgehensweise, kann sich der Rechtsträger doch auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung selbst binden. Auch die Bestellung durch den Sozialminister als mit Hoheitsgewalt ausgestattetes Organ begründet kein taugliches Abgrenzungskriterium, üben Organe (insbesondere ein Bundesminister) doch häufig eine „Doppelfunktion“ aus, weshalb nicht jeder Akt eines solchen ein Hoheitsakt sein muss (vgl RS0104191). Dass das Sozialministerium für die sachlichen und personellen Erfordernisse des Behindertenanwalts aufzukommen hat, begründet ebenfalls kein taugliches Unterscheidungskriterium, weil der Staat nur über „öffentliche Mittel“ verfügt, die er sowohl für die Hoheits als auch die Privatwirtschaftsverwaltung einzusetzen hat (vgl 1 Ob 201/16i). Die Ausübung von Kontrolle bzw Aufsicht im privatwirtschaftlichen Bereich zählt nicht per se zur Hoheitsverwaltung (vgl RS0049882 [T17]), sodass auch die Verpflichtung des – nicht mit „Imperium“ ausgestatteten –Behindertenanwalts zur jährlichen Berichterstattung an den Sozialminister (worin man ein Kontrollinstrument sehen könnte) keinen Aufschluss bietet. Das Ausschreibungsgesetz 1989 ist sowohl auf Beamte als auch auf Vertragsbedienstete anzuwenden (vgl etwa dessen § 1 Abs 4), sodass der fehlende Verweis des BBG auf dieses Gesetz keinen Hinweis auf ein hoheitliches oder privatwirtschaftliches Vorgehen liefert. Die Bestellung des Behindertenanwalts steht auch in keinem engen Zusammenhang mit einer konkreten Hoheitstätigkeit des Sozialministers. Die Rechtsprechung, wonach eine schädigende Handlung, die im „äußern und inneren“ Zusammenhang mit einer hoheitlichen (also nicht bloß im öffentlichen Interesse gelegenen) Tätigkeit steht, Amtshaftungsansprüche begründen kann (vgl RS0049897), betrifft primär die Beurteilung faktischer Handlungen, nicht aber die – hier vorzunehmende – rechtliche Einordnung eines bestimmten „Rechtsakts“.
4.4. Zusammengefasst kann den Bestimmungen über die Bestellung des Behindertenanwalts bei Ausschöpfung sämtlicher Interpretationsmöglichkeiten kein verlässlicher Hinweis auf die vom Gesetzgeber intendierte Vollzugsform entnommen werden. Die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Personen ist auch keine per se „typisch staatliche“ Aufgabe (vgl zu diesem Abgrenzungskriterium etwa 1 Ob 201/16i; 1 Ob 98/16t; 1 Ob 116/16i), wird die Behindertengleichstellung doch schon seit langem sowohl durch staatliche als auch nichtstaatliche Einrichtungen angestrebt. Damit kommt die bereits dargelegte „Vermutung“ zum Tragen, wonach ein Verwaltungsakt im Zweifel nicht der Hoheitsverwaltung zuzuordnen ist, weil hoheitliche Befugnisse vom Gesetzgeber in „deutlich erkennbarer Weise“ angeordnet werden müssen.
5. Die Vorinstanzen gelangten somit zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aus der Bestellung eines anderen Bewerbers zum Behindertenanwalt keine Amtshaftungsansprüche ableiten kann. Fehlt es dem Bestellungsakt am hoheitlichen Charakter, sind aber auch diesen bloß vorbereitende Handlungen (hier vor allem die in § 13d Abs 4 BBG vorgesehene Anhörung des Bundesbehindertenbeirats sowie die Durchführung eines Hearings durch den [nunmehr] Österreichischen Behindertenrat und die – gesetzlich nicht vorgesehene – Erstellung eines Besetzungsvorschlags durch diesen) nicht dem Hoheitsbereich zuzuordnen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00132.19X.0925.000 |
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