OGH 30.05.2006, 5Ob119/06w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Sayed K*****, 2. Lampi P*****,
3. Arslan E*****, 4. Mohammad I*****, 5. Arslanhan S*****, 6. Andrzej O*****, 7. Sinan A*****, 8. Barbara L*****, 9. Hu K*****, 10. Dilber G*****, 11. Azim Y*****, 12. Korkmz Y*****, 13. Abdullah C*****, 14. Ali Osman G*****, 15. Ahmet E*****, 16. Jasmina T*****, 17. Ewa S*****, 18. Erciyas M*****, 19. Emil C*****, 20. I. Ö***** und P. M*****, 21. Abdullah S*****, 22. Yilmaz E*****, 23. Jan L*****, 24. Wen L*****, 25. Andrzey J*****, 26. Jerzy W*****, 27. Arslan R*****,
28. Sladjana W*****, 29. Engin C*****, 30. Tizhan Nurieva Y*****, 31. Kilic R*****, 32. Hüseyin Y*****, 33. Ilhan C*****, 34. Mustafa B*****, 35. Hildayet K*****, 36. Seukef S*****, 37. Yadic K*****, 38. Muhammet B*****, 39. Ates F*****, 40. Jianjua X*****, 41. Irena S*****, 42. Mintas C*****, 43. Fadime B*****, 44. Hatice Altug K*****, 45. Mustafa Y*****, 46. Ümüt D*****, 47. Miase Uysal M*****,
48. Ali K*****, 49. Marek G*****, 50. Ibrahim S*****, 51. Saglam M*****, 52. Dogan M*****, 53. Karl-Heinz R*****, 54. Seref H*****, 34., 35., 42., 44. und 54. Antragsgegner vertreten durch Günter Schneider MIG, Sekretär des MIG, Wien, 1., 6., 14., 17., 22., 29., 38., 41., 43., 44., 47. und 48. Antragsgegner vertreten durch Mag. Christan Otto Meier, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, wegen §§ 18, 19 MRG, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 33/06a-10, nachstehenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht zur Entscheidungsergänzung zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies gem. § 40 MRG die Anrufung des Gerichtes durch mehrere Antragsgegner gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle vom , GZ ZS 6833/2003, zurück.
Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht diese erstinstanzliche Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme von herangezogenen Zurückweisungsgrund auf. Die vom Erstgericht angenommene Verspätung der Anrufung des Gerichtes nach § 40 MRG liege nicht vor. Es sei nämlich von einer Bevollmächtigung der Mietervertreterin Mag. Brigitte Wagner im Schlichtungsstellenverfahren auszugehen, weshalb dieser Vertreterin zufolge § 37 Abs 3 Z 8 MRG jedenfalls zuzustellen gewesen wäre. Damit sei nicht der vom Erstgericht zugrunde gelegte Zeitpunkt des Hausanschlags für die Fristberechnung maßgeblich; die am erfolgte Anrufung des Gerichts durch die von der Mietervereinigung Österreichs vertretenen Mieter sei rechtzeitig.
Im Weiteren wies das Rekursgericht die Rekursbeantwortung der Zweitantragsgegnerin im Verfahren 15 Msch 15/05w als verspätet zurück.
Das Rekursgericht unterließ einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Diesen Ausspruch stützte es auf § 64 Abs 1 AußStrG.
Gegen den zweitinstanzlichen Beschluss hat die Zweitantragstellerin einen „außerordentlichen Revisionsrekurs" erhoben.
Rechtliche Beurteilung
Aus nachstehenden Erwägungen erweist sich der Ausspruch des Rekursgerichtes als ergänzungsbedürftig:
Die Regelung des § 64 Abs 1 AußStrG gilt nur für „echte" Aufhebungsbeschlüsse (vgl RIS-Justiz RS0111919; RS0044046; RS0111229 ua). Wird hingegen ein Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes beseitigt, etwa weil sich dessen Ansicht, dass Verfahrensvoraussetzungen fehlen, als unrichtig herausstellt, liegt in Wahrheit eine abändernde Entscheidung vor (vgl 10 ObS 226/03p; RIS-Justiz RS0039200 [T 30]).
Damit ist aber für die Revisionszulässigkeit § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 AußStrG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die gemäß § 62 Abs 3 und 5 und § 63 Abs 1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze EUR 10.000 beträgt.
Nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG hat das Rekursgericht in seinem Beschluss auszusprechen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 zulässig ist, wenn der Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 2 jedenfalls unzulässig ist. Hat das Rekursgericht nach Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist und besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht ferner auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 (hier zufolge § 37 Abs 3 Z 16 MRG idFd WohnAußStrBeglG EUR 10.000) übersteigt oder nicht. Diese Wertgrenze für außerordentliche Revisionsrekurse gilt ausnahmslos; die bisherigen Ausnahmen in § 37 Abs 3 Z 18a MRG und § 52 Abs 2 Z 7 WEG 2002 aF sind entfallen (vgl 5 Ob 72/05g). Klarzustellen ist noch, dass für die Zulässigkeit von Revisionsrekursen kein Unterschied zwischen einfachen Beschlüssen und Sachbeschlüssen besteht, wobei allerdings unterschiedliche Rechtsmittelfristen zu beachten sind.
Das Rekursgericht wird daher seine Entscheidung um den Ausspruch des Werts des Entscheidungsgegenstandes sowie einen Ausspruch über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses zu ergänzen haben. Anschließend werden die Ergänzungsbeschlüsse den Parteien zuzustellen und - falls erforderlich, entsprechende Verbesserungsaufträge zu erteilen sein. Allenfalls wird ein Verfahren über eine Zulassungsvorstellung (§ 63 AußStrG) abzuführen sein. Dann wird das Rechtsmittel der Zweitantragstellerin dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung wieder vorzulegen sein.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. Carla W*****, vertreten durch Gerhard Brichard, Immobilienverwalter, Peter Jordan-Straße 8, 1190 Wien, 2. R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Sayed K*****, 2. Lampi P*****, 3. Arslan E*****, 4. Mohammad I*****,
5. Arslanhan S*****, 6. Andrzej O*****, 7. Sinan A*****, 8. Barbara L*****, 9. Hu K*****, 10. Dilber G*****, 11. Top I/13 leer, 12. Azim Y*****, 13. Korkmz Y*****, 14. Abdullah C*****, 15. Top I/17-18 leer,
16. Ali Osman G*****, 17. Ahmet E*****, 18. Jasmina T*****, 19. Ewa S*****, 20. Erciyas M*****, 21. Emil C*****, 22. I. Ö***** und P. M*****, 23. Abdullah S*****, 24. Yilmaz E*****, 25. Jan L*****, 26. Wen L*****, 27. Andrzey J*****, 28. Jerzy W*****, 29. Arslan R*****,
30. Sladjana W*****, 31. Engin C*****, 32. Tizhan N*****, 33. Kilic R*****, 34. Hüseyin Y*****, 35. Ilhan C*****, 36. Mustafa B*****, 37. Hildayet K*****, 38. Seukef S*****, 39. Yadic K*****, 40. Muhammet B*****, 41. Ates F*****, 42. Top II/35-36 leer, 43. Top II/37-38 leer, 44. Jianjua X*****, 45. Irena S*****, 46. Mintas C*****, 47. Fadime B*****, 48. Hatice Altug K*****, 49. Mustafa Y*****, 50. Ümüt D*****, 51. Miase Uysal M*****, 52. Ali K*****, 53. Marek G*****, 54. Ibrahim S*****, 55. Saglam M*****, 56. Dogan M*****, 57. Karl-Heinz R*****, 58. Top II/58 leer, 59. Seref H*****, Antragsgegner 36, 37, 46, 48 und 59 vertreten durch Günter Schneider, MIG, Sekretär des MIG, Antonsplatz 22, 1100 Wien, Antragsgegner 1, 6, 16, 19, 24, 31, 32, 40, 45, 47, 48, 51 und 52 vertreten durch Mag. Christian Otto Meier, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, wegen §§ 18, 19 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 10 MRG, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Zweitantragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 33/06a-10 (verbunden mit GZ 39 R 65/06g-9), womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 15 Msch 8/05s-6 und vom , GZ 15 Msch 15/05w-5, aufgehoben und die Rekursbeantwortung der Zweitantragstellerin GZ 15 Msch 15/05w-7, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Rückziehung der Anrufung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle durch die 1., 6., 16., 19., 24., 31., 32., 40., 45., 47., 48., 51. und 52. Antragsgegner wird zurückgewiesen.
2. Die „Äußerung der Zweitantragstellerin vom " wird zurückgewiesen.
3. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.
Gemäß § 40 Abs 1 MRG tritt durch die Anrufung des Gerichts die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichts zurückgezogen wird. Anders als im Fall des § 40 Abs 2 MRG, bei dem eine Zurücknahme der Anrufung des Gerichts im Gesetz nicht vorgesehen und daher nur eine Rückziehung des das Verfahren einleitenden Rechtsschutzantrags durch den Antragsteller möglich ist (7 Ob 182/98k = MietSlg 50.510), bedarf es im Fall des § 40 Abs 1 MRG einer Rückziehung der die sukzessive Zuständigkeit des Gerichts bewirkenden Anrufung des Gerichts durch denjenigen, der das Gericht angerufen hat. Haben aber mehrere Parteien, hier mehrere Mieter(gruppen) im Verfahren nach §§ 18, 19 MRG gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle das Gericht angerufen, so bedarf es zur Wirksamkeit einer Rücknahme sämtlicher Anträge auf Entscheidung des Gerichts durch alle, die das Gericht angerufen haben, weil nur hinsichtlich aller Mieter des Hauses eine einheitliche Entscheidung ergehen kann (5 Ob 28/91 = wobl 1992/111 = MietSlg 43.225/39).
Weil die Rückziehung der Anrufung des Gerichts aber von jener Gruppe der Antragsgegner nicht getragen ist, die durch die Mieter-Interessens-Gemeinschaft vertreten sind, erweist sich die Rückziehung als unwirksam. Sie war daher zurückzuweisen.
2.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine Ergänzung eines Rechtsmittels außerhalb der Rechtsmittelfrist nicht in Betracht. Die als „Äußerung und Antrag an den Obersten Gerichtshof" bezeichneten Ausführungen stellen inhaltlich Ausführungen über die Berechtigung des außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 62 Abs 1 AußStrG dar. Mangels Zulässigkeit war diese Rechtsmittelergänzung daher vom Obersten Gerichtshof zurückzuweisen.
3.
Im außerordentlichen Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin werden keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dargetan. Was die angeblich unrichtige Zurückweisung einer Revisionsrekursbeantwortung der Zweitantragstellerin betrifft, verkennt die Rechtsmittelwerberin, dass nicht die von ihr zitierte Revisionsrekursbeantwortung, sondern die im Parallelverfahren erstattete zurückgewiesen wurde. Das ist aus Punkt 4 des angefochtenen rekursgerichtlichen Beschlusses auch eindeutig erkennbar.
Was die Frage der Rechtzeitigkeit der Anrufung des Gerichtes betrifft, liegt ebenfalls keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG vor. Die Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde im Verwaltungsverfahren stellt gemäß § 10 Abs 2 AVG ein iSd § 13 Abs 3 AVG behebbares Formgebrechen dar, doch ist die Behörde auch berechtigt, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auf die Vorlage einer Vollmacht iSd § 10 AVG zu verzichten (ZfVB 1992/2202). Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass die vierwöchige Frist zur Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs 1 erster Satz MRG die Wirksamkeit einer Zustellung der Schlichtungsstellenentscheidung an jene Parteienvertreter voraussetzt, die vor der Schlichtungsstelle, sogar im Kopf der Entscheidung, als Parteienvertreter behandelt wurden, begegnet daher keinen Bedenken. Eine Frage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG wird dadurch jedenfalls nicht aufgezeigt. Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Zweitantragstellerin zu führen.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2006:0050OB00119.06W.0530.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-36150