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OGH vom 10.12.2014, 7Ob126/14a

OGH vom 10.12.2014, 7Ob126/14a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen D***** S*****, geboren am *****, Mutter: L***** S*****, vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, Vater: Dr. U***** S*****, vertreten durch Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 148/14h, 23 R 149/14f 46, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Ablehnungsantrag der Mutter gegen die Erstrichterin wurde zwischenzeitig rechtskräftig zurückgewiesen. Das mit Beschluss vom , 7 Ob 126/14a, unterbrochene Revisionsrekursverfahren ist daher fortzusetzen.

2. Gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz ist in Ablehnungssachen auch dann ein weiterer Rechtszug ausgeschlossen, wenn die Ablehnung einen im Verfahren außer Streitsachen beigezogenen Sachverständigen betrifft und wie hier eine inhaltliche Prüfung der Ablehnungsgründe erfolgte (§ 24 Abs 2 JN; RIS Justiz RS0007183 [T1, T 4, T 5, T 6, T 7]; RS0016522 [T9, T 13]). Das Rekursgericht hat damit auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels erster Instanz verneint. Auch im Verfahren außer Streitsachen gilt, dass eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS Justiz RS0030748; RS0050037). Ein aus Gründen des Kindeswohls aufgreifbarer Verfahrensmangel (vgl RIS Justiz RS0030748 [T5, T 6]) liegt nicht vor.

Da das Rekursgericht rechtskräftig über die Ablehnung der Sachverständigen entschied und zugleich die Sachentscheidung traf, trifft der von der Mutter erhobene Vorwurf, die Sachentscheidung sei vor der Rechtskraft der Ablehnungsentscheidung erfolgt, nicht zu.

3. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz. Dieser Grundsatz gilt auch im Verfahren außer Streitsachen. Soweit sich die Mutter inhaltlich gegen das von den Tatsacheninstanzen ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten wendet, spricht sie Fragen der Beweiswürdigung an, die vom Obersten Gerichtshof daher nicht überprüft werden können (RIS Justiz RS0007236 [T2, T 3, T 4 und T 6]). Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, ist ebenso ein Akt der Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0043414) wie die Beurteilung der Frage, ob zur Kontrolle einer Sachverhaltsfeststellung aufgrund eines Sachverständigenbeweises ein Kontrollbeweis erforderlich ist (RIS Justiz RS0040586).

4.1. Nach § 179 Abs 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 bleibt bei Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der Eltern deren zuvor gemeinsam ausgeübte Obsorge aufrecht, sie haben aber nach § 179 Abs 2 ABGB vor Gericht eine Vereinbarung darüber zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird. Kommt es (wie hier) binnen angemessener Frist zu keiner solchen Vereinbarung, so hat das Gericht nach § 180 Abs 1 Satz 1 Z 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 von Amts wegen über eine allfällige Änderung der Obsorge zu entscheiden oder bei aufrecht bleibender Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge jenen Elternteil zu bestimmen, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut werden soll. Dies gilt im Hinblick auf § 180 Abs 1 Satz 1 Z 2 ABGB auch für den hier ebenfalls gegebenen Fall, in dem ein Elternteil gegen den Willen des anderen die Betrauung mit der Alleinobsorge anstrebt, aber auch wenn beide Elternteile jeweils allein obsorgeberechtigt sein wollen.

Ob das Wohl des Kindes die Anordnung einer Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung erfordert, ist eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG begründet (RIS Justiz RS0128813 [T1]). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS Justiz RS0044088 [T8]). Eine solche Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt nicht vor.

4.2. Das Gericht hat von Amts wegen zu beurteilen, ob es eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung (§ 180 Abs 1 ABGB) einleitet oder ohne diese endgültig über die Obsorge und den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut werden soll, entscheidet (6 Ob 41/13t; 1 Ob 126/13f jeweils mwN). Nach § 55 Abs 2 AußStrG ist das Rekursgericht in Verfahren, die wie hier von Amts wegen eingeleitet werden können, an das Rekursbegehren nicht gebunden; es kann den angefochtenen Beschluss auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei abändern. Das Verbot der reformatio in peius gilt insoweit nicht ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 55 Rz 2; Klicka in Rechberger ² § 55 AußStrG Rz 2; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 55 Rz 8). Das Rekursgericht konnte daher abweichend vom Rekursantrag der Mutter dem Vater die hauptsächliche Betreuung des Kindes in seinem Haushalt auftragen.

4.3. Nach den Feststellungen zeigt der gemeinsame Sohn eine deutlich ausgeprägte Präferenz für seinen Vater, mit dem er nach dessen Auszug am in der neuen Wohnung zusammenlebt. Seit dem Jahr 2012 bestehen Spannungen zwischen dem Sohn und der Mutter. Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage dem Vater (und nicht wie von ihr angestrebt der Mutter) den Auftrag erteilte, das Kind in seinem Haushalt hauptsächlich zu betreuen, ist darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.

5.1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaft und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt wird, ist eine solche des Einzelfalls im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, der keine grundsätzliche Bedeutung zuerkannt werden kann, wenn durch die Entscheidung nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS Justiz RS0097114 [T10]). Auch die Erlassung einer vorläufigen Maßnahme hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, es sei denn, dass bei dieser Entscheidung das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (RIS Justiz RS0097114 [T18]; 7 Ob 68/14x). Das ist hier nicht der Fall.

5.2. Der Rekurs der Mutter enthielt keine Ausführungen zur bereits vom Erstgericht getroffenen und vom Rekursgericht bestätigten vorläufigen Kontaktregelung. Das festgelegte Kontaktrecht entspricht dem von den Eltern seit der Trennung praktizierten Rhythmus. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die Mutter zwar Hauptbezugsperson ihres Sohnes war, dieser jedoch ihr gegenüber nunmehr eine deutlich ablehnende Haltung zeigt, sodass ein zu ausgedehntes Besuchsrecht zu einer weiteren Beeinträchtigung des Kindes führen würde. Diese Beurteilung ist vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen vertretbar. Die Mutter strebt im Revisionsrekurs ein Kontaktrecht „über das übliche Maß hinaus“ an, ohne sich konkret festzulegen und auch ohne diesbezüglich einen Rekursantrag zu stellen. Damit zeigt sie auch keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen hinsichtlich des ihr eingeräumten vorläufigen Kontaktrechts auf.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00126.14A.1210.000

Fundstelle(n):
VAAAD-35794