OGH vom 16.04.1996, 4Ob2030/96z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Tittel und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Claus Janovsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Günter F*****, vertreten durch Dr.Reinhold Kloiber und Dr.Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wegen S 121.115,20 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 875/95-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 9 C 247/93a-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Mietvertrag vom vermietete die K***** KG der Klägerin Hallen und Büroräume in M*****. 1986 wurde die K***** KG gelöscht; deren Gesellschafter bilden nunmehr eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Der Beklagte ist seit 1986 zu 80 % Miteigentümer jener Liegenschaft, auf der sich das Bestandobjekt befindet.
Die Klägerin mietete die Hallen, um sie als Lager zu verwenden. Die Hallen werden im Einverständnis mit dem Beklagten im Winter nicht geheizt; es werden nur zwei kleine Heizstrahler verwendet. Eine Zentralheizung ist nicht vorhanden.
In den Hallen ist eine Wasserleitung aus verzinktem geschweißtem Stahlrohr mit einem Durchmesser von einem Zoll verlegt. Zur Jahreswende 1992/93 fror die Wasserleitung ein; dies wurde von Mitarbeitern der Klägerin am bemerkt. Am selben Tag wurden die Vermieter verständigt; sie beauftragten das Installationsunternehmen P***** GesellschaftmbH, den Schaden zu beheben. Während der Reparaturarbeiten trat Wasser aus einem geborstenen Rohr schwallartig aus und überschwemmte das Ersatzteillager der Klägerin. Nach diesem Vorfall ließen die Vermieter für die Hauptrohrleitung ein elektrisches Heizband installieren.
Die Klägerin begehrt S 121.115,20,-- sA.
Durch die gemieteten Räumlichkeiten werde das Wasser für das über den Bestandräumen befindliche Haus zugeleitet. Bereits vor Jahren sei diese Wasserleitung eingefroren; der Schaden sei von den Vermietern (der von ihnen beauftragten Hausverwaltung) behoben und die Rohre seien - jedoch nur mangelhaft - isoliert worden. Durch den Wasseraustritt zur Jahreswende 1992/93 seien gelagerte Gegenstände im Wert von S 458.000,-- beschädigt worden. Der Klägerin sei es gelungen, den Schaden durch Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten auf S 151.394,-- zu verringern. Der Beklagte hafte entsprechend seinem Miteigentumsanteil für 80 % des Schadens. Der Anspruch werde auf Schadenersatz ex delictu gestützt; eine vertragliche Haftung werde "nur hinsichtlich der Beheizbarkeit des Mietobjektes" geltend gemacht.
Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Der Klägerin sei kein Schaden in der behaupteten Höhe entstanden. Den Beklagten treffe keine Haftung, weil er sich weder rechtswidrig noch schuldhaft verhalten habe. Der Wasseraustritt sei nicht vorhersehbar gewesen. Ursache sei offenbar gewesen, daß das Installationsunternehmen die Wasserleitung unsachgemäß aufgetaut habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es traf noch folgende Feststellungen:
An der Wasserleitung traten schon vor dem klagsgegenständlichen Vorfall mehrmals Frostschäden auf, die jedoch keinen größeren Schaden verursachten. Dem Beklagten war bekannt, daß die Rohrleitungen veraltet waren und daß immer wieder kleinere Rohrgebrechen durch Einfrieren entstanden. Er veranlaßte jedoch nie, daß die Leitung durch Professionisten kontrolliert werde. Für einen Professionisten wäre es angesichts der ungenügenden Isolierung und des Fehlens einer Raumheizung wahrscheinlich gewesen, daß die Rohrleitung einfrieren werde. Nur ein Aufheizen der Halle auf Plusgrade hätte das Rohrgebrechen verhindern können. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, aus welchen Gründen das Wasser schwallartig austrat, ob durch Umwelteinflüsse oder durch eine Fehlleistung der mit dem Auftauen befaßten Arbeiter.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Beklagte die gehörige Vorsorge unterlassen habe. Ihm seien das Alter der Anlage, das Fehlen einer Raumheizung und die Tatsache bekannt gewesen, daß es schon mehrmals zu Schäden durch Einfrieren der Leitung gekommen war. Der Beklagte habe nicht bewiesen, daß der Schaden durch - ihm bei der allein geltend gemachten deliktischen Haftung nicht zurechenbares - unsachgemäßes Auftauen entstanden sei.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Klägerin stütze ihren Anspruch nur insoweit auf den Mietvertrag, als das Bestandobjekt nicht geheizt worden sei. Dies sei aber vertragsgemäß gewesen; der Beklagte hafte daher nicht aus Vertrag. Zur geltend gemachten Haftung aus Delikt habe die Klägerin nicht behauptet, daß die Professionisten, welche die Wasserleitung im Auftrag des Beklagten auftauten, untüchtig gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Die Klägerin behauptet, daß austretendes Wasser in den Bestandräumen gelagerte Gegenstände beschädigt habe. Sie stützt ihren Schadenersatzanspruch darauf, daß der Beklagte es unterlassen habe, durch geeignete Maßnahmen ein Einfrieren der Wasserleitung zu verhindern. Dazu wäre er als (Mit-)Eigentümer verpflichtet gewesen; auf den Mietvertrag werde der Klageanspruch "nur hinsichtlich der Beheizbarkeit des Mietobjektes" gestützt.
Eine Verpflichtung zum Schadenersatz setzt, neben der adäquaten Verursachung eines Schadens, regelmäßig Rechtswidrigkeit des Verhaltens (§ 1294 ABGB) und Verschulden (§§ 1295, 1306 ABGB) voraus. Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, Schäden zu verhindern; das bloße Unterlassen macht in der Regel nicht verantwortlich (SZ 50/100 = JBl 1979, 254). Die Widerrechtlichkeit einer Unterlassung setzt eine Pflicht zum Tun voraus (Reischauer in Rummel, ABGB**2 § 1294 Rz 3 mwN). Eine Pflicht zum Handeln kann aus besonderen vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten, aber auch daraus folgen, daß jemand, wenn auch erlaubterweise, eine Gefahrenquelle schafft (Ingerenzprinzip; Reischauer aaO Rz 4 mwN). Das gilt auch für die Schädigung absolut geschützter Güter. Unterläßt jemand die Abwendung einer Schädigung absolut geschützter Güter Dritter, so handelt er rechtswidrig, wenn er die Gefahrensituation verursacht hat, wenn die Interessen des Gefährdeten wesentlich höher zu bewerten sind als jene des Untätigen oder wenn besondere vertragliche oder gesetzliche Pflichten bestehen (Koziol/Welser10 I 450; Koziol, Haftpflichtrecht**2 I 100; SZ 50/100 = JBl 1979, 254; WBl 1994, 210 - "Schätzwert").
Die Klägerin ist Mieterin von Räumen, durch die eine Wasserleitung führt, welche - wie aufgrund des unbestritten gebliebenen Vorbringens der Klägerin feststeht - das über den Bestandräumen gelegene Gebäude mit Wasser versorgt. Der Beklagte ist zu vier Fünfteln Miteigentümer der Liegenschaft und auch (Mit-)Vermieter. Als Vermieter ist der Beklagte verpflichtet, die Mieterin nicht im bedungenen Gebrauche und Genusse zu stören (§ 1096 ABGB). Diese Verpflichtung umfaßt sowohl die Unterlassung alles dessen, was der Bestandnehmer nicht aufgrund besonderer Vereinbarung, der Verkehrsauffassung oder des Gesetzes zu dulden hat, als auch aktives Handeln sowie auch Schutz gegen Dritte (Würth in Rummel, ABGB**2 § 1096 Rz 7 mwN). Gewährt der Bestandgeber dem Bestandnehmer den bedungenen Gebrauch nicht, so tritt ex lege eine Zinsminderung oder -befreiung ein; bei Verschulden haftet der Bestandgeber über die Zinsbefreiung hinaus für jeden durch Vernachlässigung einer seiner Pflichten zur Gebrauchsüberlassung verursachten Schaden (Würth aaO Rz 10 ff).
Der bedungene Gebrauch wird nicht gewährt, wenn eine durch die Bestandräume führende Wasserleitung einfriert, beim Auftauen Wasser austritt und die gemietete Lagerhalle überschwemmt. Hat der Bestandgeber es unterlassen, Maßnahmen zu treffen, die ein Einfrieren verhindert hätten, so hat er damit gegen vertragliche Pflichten verstoßen. Seine Unterlassung ist rechtswidrig; er haftet für den von ihm verschuldeten Schaden.
Die Klägerin hat ihren Schadenersatzanspruch "nur hinsichtlich der Beheizbarkeit des Mietobjektes" auf den Mietvertrag gestützt. Sie hat damit offenbar gemeint, daß der Beklagte nach dem Mietvertrag verpflichtet gewesen wäre, Vorsorge zu treffen, daß der Klägerin aus der mangelnden Beheizbarkeit des Mietobjektes kein Schaden entsteht. Nach den Feststellungen war dem Beklagten bekannt, daß die Klägerin das Bestandobjekt nicht heizte (mangels Zentralheizung auch gar nicht heizen konnte); er hätte daher vorsorgen müssen, daß die Wasserleitung, die das über den Bestandräumen liegende Gebäude mit Wasser versorgt, nicht einfror.
Nach den - in der Berufung bekämpften - Fest- stellungen des Erstgerichtes war dem Beklagten bekannt, daß die Leitungen veraltet waren und daß es immer wieder zu kleineren Rohrgebrechen durch Einfrieren kam. Dennoch habe der Beklagte die Leitungen nie kontrollieren lassen; ein Professionist hätte es angesichts der unzureichenden Isolierung und der Tatsache, daß die Halle nicht geheizt wurde, als wahrscheinlich erachtet, daß die Leitung einfrieren werde.
Sind diese Feststellungen richtig, so ist es dem Beklagten als Verschulden anzulasten, daß er es unterlassen hat, geeignete Maßnahmen zu treffen, um ein Einfrieren zu verhindern. Erst nach dem gegenständlichen Vorfall ließ er für die Hauptrohrleitung ein elektrisches Heizband installieren. Da der Beklagte der Klägerin gegenüber vertragliche Pflichten verletzt und die Klägerin ihren Anspruch insoweit auch auf Vertrag gestützt hat, hat er für ein allfälliges Verschulden des von ihm beigezogenen Installationsunternehmens einzustehen (§ 1313a ABGB).
Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge nicht erledigt, weil es aufgrund seiner - vom erkennenden Senat nicht geteilten - Rechtsauffassung meinte, daß das Klagebegehren jedenfalls abzuweisen sei. Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht die Beweisrüge zu erledigen und neuerlich über die Berufung des Beklagten zu entscheiden haben.
Der Revision war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.