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OGH vom 14.11.1990, 3Ob120/90

OGH vom 14.11.1990, 3Ob120/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Margit G***, Lehrerin, und 2. Anita G***, Angestellte, beide Draisweg 12, 8073 Feldkirchen und vertreten durch Dr.Hella Ranner und Dr.Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Josef S***, Beamter, 2. Maria S***, Pensionistin, 3. Johann F***, Buchhalter, und

4. Erna F***, Angestellte, alle Gasselberg 82, 8564 Krottendorf, der Drittbeklagte vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, die übrigen Beklagten vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwendungen gegen die Exekution auf zwangsweise Räumung der Wohnung, infolge Rekurses der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 107/90-20, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 8 C 204/89x-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Rekursbeantwortung der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird im angefochtenen Punkt II aufgehoben und in der Sache selbst unter Abweisung des Kostenrekurses der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei das Urteil des Gerichtes erster Instanz wieder hergestellt. Die klagenden Parteien sind schuldig, der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei die mit S 6.195,46 (darin S 1.032,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens und die mit S 5.059,68 (darin S 593,28 Umsatzsteuer und S 1.500,- Barauslagen) bestimmten Rekurskosten, sowie der drittbeklagten Partei die mit S 6.450,58 (darin S 1.075,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen waren die Mithauptmieter einer Wohnung im Haus der vier Beklagten in Graz. Sie kündigten den Vermietern das Mietverhältnis zum gerichtlich auf und erwirkten den Auftrag, daß der Mietgegenstand binnen vierzehn Tagen nach diesem Termin geräumt von den Fahrnissen zu übernehmen ist. Den Beklagten wurde am auf Grund dieser Aufkündigung iSd § 561 Abs 2 ZPO die Räumungsexekution bewilligt und für den der Termin zum Vollzug der zwangsweise Räumung angesetzt. Die Klägerinnen erhoben am ihre Klage "gemäß § 36 EO" und begehrten die Unzulässigerklärung der Räumungsexekution. Sie hätten die Wohnung in der Frist geräumt, doch habe der Vertreter der Vermieter die Übernahme der Schlüssel verweigert, weil noch die Einbauküchenmöbel der Klägerinnen in der Wohnung verblieben waren. Da sie aber nach dem Mietvertrag mit einem Nachmieter eine Vereinbarung über die Ablöse zurückgelassener Investitionen treffen dürften, der Nachmieter aber noch nicht bekannt gegeben wurde, sei ein Anspruch der Vermieter auf Entfernung auch der Küchenmöbel nicht fällig.

Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerinnen seien ihrer Räumungsverpflichtung nicht nachgekommen und hätten an Fahrnissen die Einbauküchenmöbel und die Spannteppiche nicht entfernt.

Das Erstgericht hatte auf Antrag der Klägerinnen die Aufschiebung der Räumungsexeution angeordnet und am die Verhandlung für geschlossen erklärt. Nach Abweisung des Aufschiebungsantrages durch das Rekursgericht am wurde die zwangsweise Räumung am vollzogen. Die Vermieter wurden durch den Vollstrecker in den Besitz der geräumten Wohnung eingewiesen.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom das Klagebegehren auf Unzulässigerklärung der Exekution ab. Der betriebene Räumungsanspruch sei mit Ablauf der Räumungsfrist am 14. Feber 1989 fällig und vollstreckbar gewesen. Ein Grund für Einwendungen nach dem § 36 EO liege nicht vor.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung, hob aber über die Berufung der Klägerinnen das erstgerichtliche Urteil auf. Es verwies die Sache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen erheblicher Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage für zulässig, ob in der Anführung des § 36 EO die bindende Angabe des Rechtsgrundes liege, die eine Prüfung der sinngemäßen Behauptung, daß die Wohnung geräumt und der Anspruch daher erfüllt wurde (§ 35 EO), verhindere. In Wahrheit hätten die Klägerinnen Einwendungen nach § 35 EO erhoben. Das Erstgericht habe aber keine Feststellungen über die Räumung der Wohnung getroffen. Die erst-, zweit- und viertbeklagte Partei haben den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes rechtzeitig mit ihrem Rekurs angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekursbeantwortung der Klägerinnen ist verspätet, weil es sich jedenfalls um eine der in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten handelt, die nach § 224 Abs 1 Z 5 ZPO Ferialsache ist. Auf den Ablauf von Fristen in Ferialsachen haben die Gerichtsferien nach § 225 Abs 2 ZPO keinen Einfluß. Die Notfrist von vier Wochen ab der Zustellung des Rekurses (§ 521 a Abs 1 ZPO) am wurde daher nicht durch die Dauer der Gerichtsferien verlängert, sondern lief mit dem ungenützt ab. Die erst am zur Post gegebene Rekursbeantwortung ist zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel der Rekurswerber ist zulässig und im Ergebnis berechtigt, so daß, weil die Streitsache zur Entscheidung reif ist, über diesen Rekurs durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen ist (§ 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO).

Das Berufungsgericht hat zwar richtig erkannt, daß es auf die Angabe der Tatsachen, auf welche sich der Anspruch gründet (§ 226 Abs 1 ZPO), und nicht darauf ankommt, daß die Klage als solche nach § 36 EO bezeichnet wurde und auch der Urteilsantrag den Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (Impugnationsklage) entspricht. Daß die rechtliche Beurteilung, die der Kläger dem von ihm vorgetragenen Sachverhalt angedeihen läßt, nicht zutrifft, schließt eine Prüfung nicht aus, ob der Anspruch bei richtiger rechtlicher Beurteilung ganz oder teilweise begründet ist (SZ 46/109; JBl 1986, 514). Klagsgrund ist das tatsächliche Vorbringen, also die kurze und vollständige Angabe der rechtserzeugenden Tatsachen (Fasching, ZPR2 Rz 1040; SZ 44/41; ÖBl 1987, 132 ua). Daß die Rechtsprechung eine rechtliche Beurteilung durch den Kläger nicht verlangt, sie aber als bindend betrachtet, wenn sie erfolgt ist (Fasching, ZPR2 Rz 1162; SZ 46/109; MietSlg 33.627; VersRdSch 1984, 178), ändert nichts daran, daß es bei der Beurteilung der Rechtsnatur einer Klage nach § 35 oder § 36 EO nicht allein auf die Bezeichnung oder das Begehren, sondern auf das gesamte Klagsvorbringen ankommt (SZ 42/32 ua). Bei den unterschiedlichen Ansichten zum Urteilsspruch über Einwendungen nach § 35 oder § 36 EO (vgl die Ausführungen in Heller-Berger-Stix 403 ff) darf es dem Kläger nicht schaden, wenn er sich bei der Bezeichnung der maßgebenden Gesetzesstelle oder in seinem Urteilsbegehren vergreift, sofern er nur seine Einwendungen durch Anführung der sie begründenden Tatsachen hinreichend deutlich darstellt.

Es besteht also entgegen der Ansicht der Rekurswerber keine Beschränkung auf einen nach § 36 EO zu beurteilenden Sachverhalt. Selbst wenn der Kläger zunächst ausdrücklich einen bestimmten Rechtsgrund geltend gemacht hat, besteht daran keine Bindung, wenn er den Sachverhalt ausführlich dargestellt hat und sich daraus ergibt, daß er diesen offenbar unrichtig qualifiziert hat (VersRdSch 1987, 360).

Dennoch bedarf es keiner weiteren Feststellungen, um endgültig über die erhobenen Einwendungen nach den §§ 35/36 EO absprechen zu können, weil schon nach dem übereinstimmenden Vorbringen keines der möglichen Begehren berechtigt ist. Dem Berufungsgericht ist nicht zu folgen, wenn es meint, die Klägerinnen hätten vorgebracht, die Wohnung vollständig geräumt zu haben. Sie haben selbst vorgetragen, daß sie die dem Vormieter abgelöste Kücheneinrichtung zurückgelassen haben, um vor der Demontage Gelegenheit zu einer Kaufvereinbarung mit einem (allfälligen) Nachmieter zu haben. Daß diese Möbelstücke auf Grund des Mietvertrages im Eigentum der Vermieter gestanden und die Klägerinnen also ihrer Räumungsverpflichtung aus dem Titel dadurch nachgekommen seien, daß sie alle ihnen gehörigen Fahrnisse aus der Wohnung gebracht, diese verlassen und den Vermietern die Schlüssel zur Verfügung gestellt hätten, haben die Klägerinnen vor dem Erstgericht nicht behauptet, sondern gemeint, auf Grund des Mietvertrages zur Zurücklassung der Küchenmöbel bis zur Neuvermietung der Wohnung und der Möglichkeit eines Anbotes zur Ablöse der Einrichtungsgegenstände berechtigt zu sein, weshalb (insoweit) der Anspruch auf Räumung auch von den Küchenmöbeln noch nicht fällig sei. Sie haben in der Klage diese ihre Fahrnisse ausdrücklich von den ins Eigentum der Vermieter übergegangenen Aufwendungen unterschieden.

Mit dieser Klage mußten die Klägerinnen jedenfalls scheitern. Der Inhalt ihrer durch Exekution durchsetzbaren Verpflichtung bestimmt sich nicht nach den vertraglichen Beziehungen, sondern nach dem Exekutionstitel, hier also nach dem von ihnen selbst erwirkten Gerichtsbeschluß über die gerichtliche Aufkündigung des Mietverhältnisses, der eine Einschränkung der Verpflichtung zur Übernahme (= Übergabe zufolge § 561 Abs 2 ZPO) dahin, daß nicht alle Fahrnisse der Aufkündigenden zu räumen seien, nicht enthält. Auch die mit der Aufkündigung verbundene schriftliche Anzeige des Anspruches auf Ersatz von Aufwendungen auf die Wohnung (§ 10 Abs 4 Z 2 MRG) erwähnte die Kücheneinrichtungsgegenstände nicht. Der titelmäßige Anspruch der Vermieter auf Räumung erstreckte sich also darauf, daß mit Ablauf des vierzehnten Tages nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung geräumt von allen Fahrnissen der Mieterinnen übergeben wird. Zur Zurückstellung eines unbeweglichen Bestandobjektes gehört es in der Regel, daß der Bestandnehmer seine Fahrnisse vollständig aus dem Bestandgegenstand entfernt und dem Bestandgeber wieder die Innehabung und die tatsächliche Verfügungsmacht über den Bestandgegenstand einräumt (MietSlg 27.191; JBl 1986, 257; SZ 58/104 ua). Dieser Verpflichtung sind die Klägerinnen nach dem von ihnen selbst vorgetragenen Sachverhalt bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz nicht nachgekommen, denn sie haben sich ausdrücklich darauf berufen, sie seien nach dem Mietvertrag berechtigt gewesen, von der Räumung die Einbauküchenmöbel vorerst auszunehmen und diese ihre Fahrnisse im Mietgegenstand zurückzulassen. Dieses Recht ist aber nach dem für die Berechtigung der Exekutionsführung allein maßgebenden Inhalt des Titels nicht gegeben.

Ebensowenig ist im Titel die Fälligkeit des Anspruches von Tatsachen abhängig gemacht, also etwa von der Möglichkeit eines Anbots an einen Nachmieter, die Kücheneinrichtungsgegenstände zu kaufen. Es kann daher nicht mit Erfolg eingewendet werden, es seien nach Entstehen des dem Räumungsexekutionsverfahrens zugrunde liegenden Titels den Räumungsanspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen eingetreten (§ 35 Abs 1 EO), noch können die Verpflichteten berechtigt bestreiten, daß die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit des Anspruchs maßgebenden Tatsachen iSd § 7 Abs 2 EO eingetreten sind (§ 36 Abs 1 Z 1 EO), weil im Exekutionstitel die Vollstreckbarkeit des Anspruches eben nicht vom Eintritt einer Tatsache abhängig gemacht ist. Einen Verzicht auf Einleitung der Exekution haben die Klägerinnen nicht geltend gemacht (§ 36 Abs 1 Z 3 EO).

Das Erstgericht hat daher nach dem Stand zur Zeit des Schlusses der Verhandlung zutreffend das Klagebegehren, gleich ob es Elemente von Einwendungen nach § 35 EO oder nach § 36 EO enthält, abgewiesen, weil diese Einwendungen schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerinnen weder zum Erlöschen (zur Hemmung) des Räumungsanspruches noch zur Feststellung der Unzulässigkeit der Exekutionsbewilligung führen können.

Dabei ist der für die Beurteilung der Zulässigkeit exekutionsrechtlicher Klagen (§§ 35, 36 EO) maßgebende Zeitpunkt der Schluß der Verhandlung in erster Instanz (Heller-Berger-Stix 402; RZ 1974/19 ua). Es kann nicht berücksichtigt werden, daß die Exekution nach dem Vollzug der zwangsweisen Räumung am beendet war (Heller-Berger-Stix 402; ZBl 1929/16 uva). Es ist daher über den Rekurs das abweisende Urteil des Erstgerichtes (auch zugunsten der drittbeklagten Partei; § 14 ZPO) wieder herzustellen. Damit muß auf den Kostenrekurs der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei gegen das Ersturteil eingegangen werden, weil die Zurückweisung dieses Rechtsmittels durch das Gericht zweiter Instanz ausschließliche Konsequenz der Aufhebung des Urteils einschließlich der Kostenentscheidung war und mit der Beseitigung des Aufhebungsbeschlusses wegen des untrennbaren Zusammenhanges - die Zurückweisung des Rekurses wäre für sich nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO nicht anfechtbar gewesen - die Bekämpfung der erstgerichtlichen Kostenentscheidung auflebt. Zu Unrecht wenden sich die Rekurswerber jedoch gegen die Ansicht, Bemessungsgrundlage für die Kosten nach dem Rechtsanwaltstarif sei nur der Betrag von S 24.000,- (§§ 3 und 10 Z 2 lit b RATG) und nicht der in dieser Klage mit S 74.111,04 angegebene Jahresmietzins des Mietgegenstandes. Der für die Bemessungsgrundlage nach § 3 RATG maßgebende Wert des Streitgegenstandes der Klage nach §§ 35/36 EO folgt dem des Exekutionsverfahrens, in dem der Anspruch auf Räumung betrieben wird. Dieser wieder ist bei Räumungsansprüchen nach § 10 Z 2 lit a RATG nur dann mit einem S 24.000,- übersteigenden Betrag des Jahresmietzinses anzunehmen, wenn diese Bemessungsgrundlage in der Aufkündigung oder Räumungsklage ziffernmäßig geltend gemacht ist. Mangels einer solchen Angabe in der Aufkündigung bleibt es bei der Bemessungsgrundlage von höchstens S 24.000,-.

Auf dieser Bemessungsgrundlage haben die Klägerinnen den Beklagten nun auch die Kosten des Berufungsverfahrens und der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO).