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OGH vom 26.08.2008, 4Ob116/08z

OGH vom 26.08.2008, 4Ob116/08z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Deschka Klein Daum, Rechtsanwälte-Partnerschaft (OG) in Wien, wider die beklagte Partei Roland M*****, wegen 5.123,98 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 37 R 40/08v-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 25 C 2692/07k-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, dem die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin, eine Verwertungsgesellschaft nach dem VerwGesG, nimmt nach dem Klagevorbringen in Österreich die Rechte der Tonträgerhersteller an ihren weltweit produzierten Aufnahmen sowie die Rechte der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen treuhändig wahr. Sie begehrt mit der beim für den Wohnort des Beklagten zuständigen allgemeinen Bezirksgericht eingebrachten Klage 5.123,98 EUR sA. Im Zuge gezielter Überprüfungen des Internets auf unautorisierte Verwertungen und Benutzungen geschützter Musik habe sie festgestellt, dass zumindest am über den Internetzugang des Beklagten 1.833 Musikdateien ohne entsprechende Genehmigung der Rechteinhaber öffentlich zum Download zur Verfügung gestellt worden seien. Sie habe den Beklagten mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom mit diesen Eingriffen in das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung und das Vervielfältigungsrecht der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller (§ 15 UrhG iVm §§ 67 Abs 2, 71a, 76 Abs 1 UrhG) konfrontiert und ihm vor zivilgerichtlicher Geltendmachung der daraus entstehenden Ansprüche einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der die Abgabe einer durch Konventionalstrafe gesicherten rechtsverbindlichen Unterlassungserklärung, die Verpflichtung zur Löschung der betreffenden Musikdateien und der Filesharing-Software sowie die Zahlung eines reduzierten und pauschalierten reinen Schadenersatzbetrags samt Kostenersatz umfasst habe. Der Beklagte habe sich in einem Telefonat am gegenüber dem Rechtsvertreter der Klägerin hinsichtlich der erfolgten Rechtsverletzung einsichtig gezeigt. In der Folge sei schriftlich ein reduzierter Gesamtbetrag in Höhe von 3.223,98 EUR, zahlbar in monatlichen Raten zu 50 EUR ab , für den Fall des Verzugs Zahlung des ursprünglichen Betrags von 5.123,98 EUR zuzüglich 7 % Zinsen p.a. (Prämienvergleich) vereinbart worden. Der Beklagte habe keine einzige Rate gezahlt, Terminsverlust sei eingetreten.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Die Klägerin mache Ansprüche auf Schaden- und Auslagenersatz infolge Eingriffs des Beklagten in Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller nach dem Urheberrechtsgesetz geltend. Es handle sich um eine Streitigkeit über im Urheberrechtsgesetz selbst geregelte Rechte und Ansprüche (§§ 81 bis 87b UrhG), die gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN vor die Handelsgerichte gehöre.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob nach einer vergleichsweisen Regelung hinsichtlich eines Anspruchs nach § 87 UrhG der Zuständigkeitstatbestand des § 51 Abs 2 Z 10 JN gegeben sei. Nur solche urheberrechtlichen Streitigkeiten gehörten vor die selbständigen Handelsgerichte, die sich auf das Urheberrechtsgesetz stützen könnten. Dazu zählten etwa Ansprüche auf angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG sowie auf Schadenersatz und Herausgabe des Gewinns nach § 87 UrhG im Falle einer (deliktischen) Urheberrechtsverletzung, nicht hingegen Ansprüche aus Urheberrechtsverträgen (zB Ansprüche der Verwertungsgesellschaft auf Zahlung des Entgelts für Aufführungen und Sendungen gegen den Veranstalter) und Ansprüche infolge der Verletzung solcher Verträge. Nach dem Klagevorbringen habe der Beklagte Urheberrechtsverletzungen begangen, weshalb die Klägerin von ihm einen pauschalierten Schadenersatzbetrag im Rahmen eines Anspruchs nach § 87 UrhG verlange. Durch die behauptete vergleichsweise Regelung mit dem Beklagten, die überdies als Prämienvergleich nicht mehr wirksam sei, habe sich nichts an der Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs als Schadenersatz nach § 87 UrhG geändert. Die Zuständigkeitsregelung des § 51 Abs 2 Z 10 JN finde daher Anwendung.

Rechtliche Beurteilung

Der nach dem Ausnahmetatbestand in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässige Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, sie habe den klageweise geltend gemachten Anspruch auf einen mit dem Beklagten abgeschlossenen Prämienvergleich gestützt, der trotz Nichteinhaltung der Zahlungsverpflichtung und trotz Eintritts von Terminsverlust weiterhin wirksam sei. Sie mache somit einen vertraglichen Anspruch in Form vereinbarten Schadenersatzes geltend, der keine vor die Handelsgerichte gehörende Streitigkeit über einen deliktischen Schadenersatzanspruch nach dem Urheberrechtsgesetz sei.

1.1. Gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN gehören ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands (auch) Streitigkeiten nach dem Urheberrechtsgesetz vor die Handelsgerichte.

1.2. Fasching (Die Zuständigkeit der Gerichte für Klagen der Verwertungsgesellschaften auf Zahlung von Aufführungsentgelten, ÖBl 1983, 100) hat anhand der Entstehungsgeschichte dieser Zuständigkeitsnorm und der Motive des Gesetzgebers erläutert, dass diese durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 bewirkte Erweiterung der Eigenzuständigkeit der Handelsgerichte so eng wie möglich ausgelegt werden müsse, weil mit „der dadurch bewirkten Unzuständigkeit der Bezirksgerichte, mit dem damit verbundenen Prorogationsverbot vom Handelsgericht weg zum Bezirksgericht, durch die Schwerfälligkeit des Gerichtshofverfahrens und schließlich durch die zwangsläufige Folge des absoluten Anwaltszwanges eine wesentliche Erschwerung und Verzögerung der Rechtsverfolgung sowie deren entscheidende Verteuerung verbunden" sei, der „keinerlei Vorteile" gegenüberstünden; eine „Spezialgerichtsbarkeit" für allgemeine vertragliche Ansprüche (auch aus Urheberrechtsverträgen) sei weder notwendig noch nützlich.

§ 51 Abs 2 Z 10 JN erfasse daher nur solche Urheberrechtsansprüche, die sich unmittelbar und ausschließlich auf das UrhG stützten, also Unterlassungsklagen nach § 81 UrhG, Beseitigungsbegehren gemäß §§ 82 bis 84 UrhG, Urteilsveröffentlichungsbegehren nach § 85 UrhG sowie die Ansprüche auf angemessenes Entgelt zufolge § 86 UrhG sowie auf Schadenersatz und Gewinnherausgabe nach § 87 UrhG jeweils gegen den unbefugten Benützer.

1.3. Simotta (in Fasching2 I § 51 JN Rz 145) und Mayr (in Rechberger³ § 51 JN Rz 13) haben sich der Auffassung Faschings angeschlossen, die im Kern auch der Senat für überzeugend hält.

2.1. Ausgehend von den Angaben in der Klage (§ 41 Abs 2 JN) und bei der gebotenen engen Auslegung des Zuständigkeitstatbestands nach § 51 Abs 2 Z 10 JN haben die Vorinstanzen zu Unrecht die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts verneint.

2.2. Die Klägerin stützt ihren Zahlungsanspruch auf einen (Prämien-)Vergleich, den sie mit dem Beklagten abgeschlossen habe; diesem Vergleichsabschluss seien Eingriffe des Beklagten in nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten von Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern vorausgegangen. Es sind zwar jene Rechte, die der Beklagte nach dem Klagevorbringen verletzt haben soll, im Urheberrechtsgesetz geregelt, das ändert aber nichts daran, dass die klageweise geltend gemachte Anspruchsgrundlage ein zwischen den Streitteilen abgeschlossenes Rechtsgeschäft (Vergleich) und nicht etwa ein Schadenersatzanspruch nach reinem Deliktsrecht ist, der unmittelbar auf das Urheberrechtsgesetz gestützt wäre.

2.3. Gemäß § 1380 ABGB gehört der Vergleich zu den Neuerungsverträgen. Ob durch den Abschluss eines Vergleichs immer ein neuer Rechtsgrund für die vormals strittige Forderung entsteht, oder ob es dazu einer besonderen Vereinbarung bedarf, ist zwar in Lehre und Rechtsprechung umstritten, doch billigt die Rechtsprechung dem Vergleich jedenfalls dann Novationswirkung zu, wenn er die ursprüngliche Obligation - als Ergebnis einer Auslegung des Parteiwillens - durch eine Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands des Anspruchs ersetzen sollte, sodass ein Rückgriff auf das seinerzeitige Schuldverhältnis nicht mehr möglich ist (5 Ob 37/04h = RdW 2005, 18 mwN; RIS-Justiz RS0108086, RS0032310).

Ein Neuerungsvertrag liegt jedenfalls dann vor, wenn kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Parteien die außervertragliche Schadenersatzpflicht durch den Vergleich auf eine neue rechtliche Grundlage stellen und ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausschließen wollten (RIS-Justiz RS0032462), wenn streitige oder zweifelhafte Rechte unter gegenseitigem Nachgeben neu festgelegt werden (RIS-Justiz RS0032600 [T3]) und der Rechtsgrund des Anspruchs geändert wird. Letzteres liegt vor, wenn jene rechtserzeugende Tatsache, aus der die Obligation entspringt, somit der Entstehungsgrund des Anspruchs, geändert wird (RIS-Justiz RS0032600 [T4]).

2.4. Hier lässt die Klagserzählung keinen Zweifel daran offen, dass durch den von den Streitteilen abgeschlossenen Vergleich streitige oder zweifelhafte Rechte unter gegenseitigem Nachgeben neu festgelegt und die außervertragliche, im Urheberrecht begründete Leistungspflicht des Beklagten auf eine, wie auch im Revisionsrekurs ausgeführt wird, neue rechtliche Grundlage gestellt werden sollte. Grundlage des gerichtlich verfolgten Anspruchs ist somit das zwischen den Streitteilen abgeschlossene Rechtsgeschäft (der Vergleich), das nicht unter den von den Vorinstanzen herangezogenen Zuständigkeitstatbestand des § 51 Abs 2 Z 10 JN fällt.

3. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich in folgender Weise zusammenzufassen:

Der Zuständigkeitstatbestand nach § 51 Abs 2 Z 10 JN ist eng auszulegen. Darunter fallen nur solche Ansprüche, die unmittelbar auf das Urheberrechtsgesetz gestützt werden. Nicht darunter fallen daher Ansprüche aufgrund eines Vergleichs mit Novationswirkung, durch den eine außervertragliche - im Urheberrecht begründete - Leistungspflicht des Beklagten auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt wurde.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.