OGH vom 30.01.2018, 2Ob213/17p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** J*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** S*****, vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen (zuletzt) 15.098,12 EUR sA, Auskunft (Streitwert 5.000 EUR) und Zahlung eines noch unbestimmten Betrags (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 215/15s-85, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 16 Cg 5/13t-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 222,09 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Geschwister. Die Beklagte ist Erbin ihrer 2010 verstorbenen Mutter, der Kläger ist mit einer Quote von einem Neuntel pflichtteilsberechtigt. Im Jahr 2001 hatte die Erblasserin einer Tochter der Beklagten einen Hälftanteil an einer Liegenschaft geschenkt. Auf dieser Liegenschaft wurde bis Ende 2002 ein Doppelhaus errichtet, das die Erblasserin und ihre Enkelin bewohnten. Die Enkelin hat die Kosten der Errichtung „ihrer“ Haushälfte selbst getragen.
Der nimmt die Beklagte auf Leistung des Nachlass- und Schenkungspflichtteils in Anspruch. Dazu stellt er einerseits ein beziffertes Begehren, das insbesondere auf dem Wert des geschenkten Liegenschaftsanteils beruht. Andererseits erhebt er ein Auskunftsbegehren über die in den Nachlass fallenden Vermögenswerte, die Verwendung eines von der Erblasserin aufgenommenen Kredits und alle von der Erblasserin der Beklagten und ihrer Tochter gemachten Schenkungen.
Die wiesen die Klage – abgesehen von einem geringen Zuspruch beim Nachlasspflichtteil – ab, weil (a) die Geschenknehmerin beim Tod der Erblasserin nicht konkret pflichtteilsberechtigt gewesen sei, sodass der Ablauf der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 einem Anspruch wegen der Liegenschaftsschenkung entgegenstehe, und (b) nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens keine begründete Besorgnis bestehe, dass dem Kläger Nachlassgegenstände oder pflichtteilsrelevante Zuwendungen der Erblasserin an die Beklagte oder deren Tochter unbekannt seien.
Das sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision nachträglich zu, weil die Anwendung der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB aF auf Enkel des Erblassers, deren vom Erblasser abstammender Elternteil im Zeitpunkt des Erbanfalls noch lebe, zuletzt 1987 bejaht worden sei und sich seither eine Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit der Zweijahresfrist im Fall des Rechtsmissbrauchs entwickelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs .
1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Frage begründet die Zulässigkeit der Revision nicht.
1.1. Der Anspruch des Klägers auf den Schenkungspflichtteil ist wegen des Todes der Erblasserin vor dem nach § 785 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB). Daher bleiben Schenkungen unberücksichtigt, die der Erblasser früher als zwei Jahre vor seinem Tod an „nicht pflichtteilsberechtigte Personen“ gemacht hat. Als pflichtteilsberechtigt im Sinn dieser Bestimmung gilt, wer im Schenkungszeitpunkt abstrakt pflichtteilsberechtigt war und im Zeitpunkt des Erbanfalls konkret pflichtteilsberechtigt ist (1 Ob 152/03i SZ 2004/155 mwN; RIS-Justiz RS0012855 [T4]; zuletzt 2 Ob 145/16m EvBl 2017/57 [Apathy] = iFamZ 2017/73 [Schweda] = EF-Z 2017/37 [Tschugguel]). Letzteres trifft bei einer Schenkung an einen Enkel nicht zu, wenn der die Abstammung vermittelnde Elternteil im Zeitpunkt des Erbanfalls noch lebt und pflichtteilsberechtigt ist (5 Ob 120/74 SZ 47/76; RIS-Justiz RS0012913; die zu diesem Rechtssatz indizierte und vom Berufungsgericht genannte Entscheidung 5 Ob 558/87 enthält diese Aussage allerdings nicht). Gründe für ein Abgehen von dieser – nur mehr für Altfälle relevanten (vgl § 783 Abs 1 iVm § 757 ABGB idgF) – Rechtsprechung liegen nicht vor.
1.2. Der Oberste Gerichtshof hat zwar mehrfach ausgesprochen, dass die Berufung auf den Ablauf der Zweijahresfrist unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein kann (RIS-Justiz RS0037904). Das betrifft aber nur Fälle, in denen sich die mangelnde konkrete Pflichtteilsberechtigung des Beschenkten aus einem Pflichtteilsverzicht ergibt (2 Ob 145/16m mwN). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass die privatautonome Beseitigung einer aus dem Gesetz folgenden Anrechnungspflicht bei Vorliegen von weiteren, den Beschenkten belastenden Elementen sittenwidrig sein kann. Damit unterscheidet sich diese Fallgruppe von der hier zu beurteilenden Situation, in der die Schenkung – mangels Pflichtteilsberechtigung iSv § 785 Abs 3 ABGB – schon aufgrund objektiven Rechts nicht anzurechnen ist. Für solche Fälle hat der Senat die Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchseinwands zuletzt abgelehnt (2 Ob 145/16m, 2 Ob 91/16w; RIS-Justiz RS0131055). Denn die in § 785 Abs 3 ABGB aF angeordnete Ausnahme von der Anrechnung beruht auf der Wertung, dass nur Schenkungen in den letzten zwei Jahren vor dem Tod der Umgehung des Pflichtteilsrechts dienen (2 Ob 125/15v mwN). Bei Schenkungen innerhalb dieser Frist kann sich der Beschenkte – mangels Grundlage im Gesetz – nicht auf fehlende Umgehungsabsicht berufen; zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss daher bei Schenkungen außerhalb dieser Frist der Einwand einer tatsächlich bestehenden Umgehungsabsicht ebenfalls ausgeschlossen sein (2 Ob 145/16m). Durch diese vom Einzelfall abstrahierende Betrachtung wird dem Interesse an Rechtssicherheit Rechnung getragen (2 Ob 91/16w).
2. Auch sonst zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1. Der Senat hat zum Eintritt des für die Anwendung der Zweijahresfrist maßgebenden Vermögensopfers bereits mehrfach Stellung genommen (RISJustiz RS0130273). Entscheidend ist, ob sich der Geschenkgeber den Widerruf der Schenkung oder ein dingliches Fruchtgenussrecht an der geschenkten Sache vorbehalten hat; auf die Einräumung oder Nichteinräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots kommt es nicht an (2 Ob 125/15v).
2.2. Die Entscheidung über den Auskunftsanspruch ist ebenfalls durch die Rechtsprechung gedeckt.
(a) Der – ebenfalls nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilende – Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten umfasst neben dem Nachlassvermögen auch pflichtteilsrelevante Verfügungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat (2 Ob 316/02p, 2 Ob 186/10g = RISJustiz RS0127349). Daher ist im vorliegenden Fall das Auskunftsbegehren nach Art XLII Abs 1 EGZPO zu beurteilen; Fall 2 dieser Bestimmung wäre nur anwendbar, wenn sich das Begehren– anders als hier – gegen den Beschenkten richtete. Im Anwendungsbereich von Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO besteht der Anspruch schon bei subjektiv begründeter Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten, dass ihm nicht das gesamte Nachlassvermögen oder nicht alle für den Schenkungspflichtteil relevanten Verfügungen des Erblassers bekannt sind; die diese Besorgnis begründenden Umstände hat der Pflichtteilsberechtigte konkret darzulegen (2 Ob 186/10g). Zur Begründung verwies der auch hier erkennende Senat in der letztgenannten Entscheidung auf die Parallele zur Nachlassseparation, die nach damaliger Rechtsprechung ebenfalls schon dann zu bewilligen war, wenn der Antragsteller darlegte, dass er aufgrund konkret genannter Gründe die Uneinbringlichkeit seiner Forderung befürchtete (RIS-Justiz RS0013068; vgl nun aber – auch zum alten Recht – 2 Ob 144/15p sowie § 812 ABGB idF des ErbRÄG 2015). Steht allerdings aufgrund des Beweisverfahrens ohnehin fest, dass die Besorgnis unbegründet ist, ist das Auskunftsbegehren trotz entsprechender Darlegung in der Klage abzuweisen (2 Ob 186/10g).
(b) In Bezug auf das Nachlassvermögen hat das Berufungsgericht die Ausführungen des Erstgerichts im Sinn einer positiven Feststellung verstanden, dass der Nachlass nur aus den im Inventar des Verlassverfahrens genannten Vermögenswerten bestanden habe. Ob diese vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der erstgerichtlichen Feststellungen zutrifft, begründet keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0118891); eine zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt angesichts der klarstellenden Ausführungen des Erstgerichts in seiner rechtlichen Beurteilung nicht vor. Damit steht aber fest, dass die Besorgnis des Klägers jedenfalls in Bezug auf den Nachlasspflichtteil unbegründet ist (2 Ob 186/10g). Allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die nach Auffassung des Klägers die genannte Feststellung betreffen, können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RISJustiz RS0043111; RS0042963).
(c) Zur Begründung des Auskunftsbegehrens in Bezug auf Schenkungen der Erblasserin nennt der Kläger in der Zulassungsbeschwerde nur Umstände, die sich auf die Errichtung des im Miteigentum der Erblasserin und der Enkelin stehenden (Doppel-)Hauses beziehen. Hier steht fest, dass die Enkelin die Errichtungskosten ihrer Hälfte selbst getragen hat. Zudem wurde das Haus schon 2002 bezogen, während pflichtteilsrelevant nur Verfügungen der Erblasserin in den letzten zwei Jahren vor ihrem Tod (2010) gewesen sein konnten (oben 1.). Für diesen Zeitraum hat der Kläger kein konkretes Vorbringen erstattet, das seine Besorgnis begründen könnte. Damit zeigt er auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3. Aufgrund dieser Erwägungen ist die Revision zurückzuweisen. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, hat ihr der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00213.17P.0130.000 |
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