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OGH vom 27.07.2017, 4Ob113/17x

OGH vom 27.07.2017, 4Ob113/17x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M***** C*****, geboren am ***** 2014, wohnhaft bei der Mutter M***** N*****, vertreten durch Dr. Eckhard Tasler, Rechtsanwalt in Linz, Vater: F***** C*****, vertreten durch Mag. Dr. Gerald Amandowitsch, Rechtsanwalt in Wilhering, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 157/17i-115, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen haben die getrennt lebenden Eltern mit der gemeinsamen Obsorge für die Minderjährige betraut, wobei die überwiegende Betreuung im Haushalt der Mutter zu erfolgen hat. Weiters wurde das Verbot gegen die Mutter, mit der Minderjährigen aus Österreich auszureisen, aufgehoben, dem Vater wurde ein Kontaktrecht eingeräumt, und die wechselseitigen Anträge, dass Auslandsaufenthalte der Minderjährigen jeweils nur mit Zustimmung des antragstellenden Elternteils erfolgen dürfen, wurden abgewiesen.

Mit seinem hält der Vater sein Begehren, ihm die alleinige Obsorge zu übertragen, in eventu ihm die überwiegende Betreuung zuzusprechen, das Ausreiseverbot nicht aufzuheben, die Betreuung im Sinne des Doppelresidenzmodells anzuordnen oder sein Kontaktrecht auszuweiten, aufrecht. Das Rekursgericht sei von der – nicht konkret bezeichneten – Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 107 Abs 3 Z 4 und 5 AußStrG abgewichen und es bestehe keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Regelung nach dem Doppelresidenzmodell. § 162 Abs 2 ABGB sei verfassungswidrig, weil jede sachliche Rechtfertigung für die Bevorzugung eines Elternteils gegenüber dem anderen fehle. Es werde daher angeregt, einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der genannten Norm zu stellen. Im Übrigen werde er selbst einen „Subsidiarantrag“ beim Verfassungsgerichtshof einbringen.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Revisionsrekurswerber keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Bei Fragen der gemeinsamen Obsorge und des Aufenthaltsbestimmungsrechts handelt es sich um Fragen des Einzelfalls, die in der Regel – abgesehen von grober Fehlbeurteilung des Rekursgerichts – keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründen (vgl RISJustiz RS0007101; RS0128812 [T5, T 8, T 19]; RS0106310 [T4]; RS0114625 [T1]).

2. Eine grobe Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die Vorinstanzen – entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs – ausdrücklich feststellten, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Mutter mit dem Kind Österreich dauerhaft in Richtung Iran verlassen möchte. Somit liegt auch keine Abweichung der rekursgerichtlichen Entscheidung von oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 107 Abs 3 Z 4 und Z 5 AußStrG vor.

3.1. Auch besteht durchaus gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 162 Abs 2 ABGB.

3.2. Nach § 162 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 hat bei gemeinsamer Obsorge zwar jener Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen. Der Justizausschuss (JAB 2087 BlgNR 24. GP, 3 zu § 162 ABGB) stellte aber ausdrücklich klar, dass sich dieser Domizilelternteil im Hinblick auf das Einvernehmlichkeitsgebot des § 137 Abs 2 ABGB um eine Zustimmung des anderen Elternteils zu bemühen und bei Ablehnung nach § 189 Abs 1 letzter Satz und Abs 5 ABGB dessen Äußerung zu berücksichtigen habe, wenn dies dem Wohl des Kindes besser entspreche. Diesen Überlegungen des Justizausschusses hat sich der Oberste Gerichtshof ausdrücklich angeschlossen (9 Ob 8/14p; 2 Ob 153/14k; zuletzt 6 Ob 170/16t).

3.3. Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen dieser Judikatur.

4. Die vom Revisionsrekurswerber gehegten verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom Senat nicht geteilt, wurde doch die Bedeutung des Domizilelternteils durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (G 152/2015) und des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 149/16d; 9 Ob 82/16y; 6 Ob 170/16t) in seiner Bedeutung maßgeblich eingeschränkt. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel kommt dem Domizilelternteil demnach kein unbeschränktes Aufenthaltsbestimmungsrecht zu, weil es sich bei der Bestimmung des Domizilelternteils nur um einen nominellen Anknüpfungshaushalt im Sinne der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs handelt (6 Ob 149/16d). Im Zusammenhang mit den von der neueren Rechtsprechung zu § 162 Abs 2 ABGB entwickelten Grundsätzen (siehe oben 3.2.) wirft diese Bestimmung somit keine verfassungsrechtlichen Bedenken auf.

Demgemäß besteht auch kein Anlass, die im Rechtsmittel enthaltene Anregung, einen Antrag auf Aufhebung von § 162 Abs 2 ABGB beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, aufzugreifen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00113.17X.0727.000
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