OGH vom 31.08.2006, 6Ob182/06t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Reinhard H*****, vertreten durch Dr. Mario Mandl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Alex Lykke H*****, wegen Einsicht gemäß § 93 Abs 4 GmbHG in die Bücher der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragen gewesenen E***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 114/06m-14, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist das Recht auf Bucheinsicht nach § 93 Abs 4 GmbHG nach Löschung der Gesellschaft mbH im Firmenbuch im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen (RIS-Justiz RS0118726); dies gilt auch für einen Gläubiger der Gesellschaft (6 Ob 314/03z = wbl 2004/206).
2. Dem Argument des Antragstellers, er sei vom Rekursgericht in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden, weil ihm die Rekursbeantwortung des Antragsgegners nicht zugestellt wurde, ist entgegen zu halten, dass der Oberste Gerichtshof bereits zur Rechtslage vor dem AußStrG BGBl I Nr. 2003/111 ausgeführt hatte, einem Rechtsmittelwerber müsse nicht (unbedingt) Gelegenheit zur Gegenäußerung zur Beantwortung seines Rechtsmittels durch den Gegner gewährt werden; sein rechtliches Gehör sei bereits durch die Einbringung seiner Rechtsmittelschrift gewahrt worden (2 Ob 83/03z = EFSlg 104.162). Daran hat sich durch § 15 AußStrG im Grundsätzlichen nichts geändert, auch wenn es im Einzelfall zur Wahrung des rechtlichen Gehörs durchaus notwendig sein kann, einen Rechtsmittelwerber zu konkreten Punkten der Rechtsmittelbeantwortung seines Gegners Stellung nehmen zu lassen; dies wird in der Regel aber Tatfragen betreffen.
Der Antragsteller hat im Revisionsrekursverfahren nicht dargetan, zu welchen konkreten Ausführungen in der Rekursbeantwortung des Antragsgegners er gehört hätte werden müssen. Dazu wäre er aber allein schon deshalb verpflichtet gewesen, weil der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs nunmehr dadurch gekennzeichnet ist, dass er nicht mehr absolut - wie die Nichtigkeitsgründe der Zivilprozessordnung - wirkt (RIS-Justiz RS0120213).
3. Der Anspruch auf Bucheinsicht nach § 93 Abs 4 GmbHG hat sich nach Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch jedenfalls nicht gegen die Gesellschaft zu richten, wenn sie vermögenslos und damit vollbeendet ist; sie ist ja dann nicht (mehr) parteifähig (6 Ob 201/97w = RdW 1998,75; vgl auch RIS-Justiz RS0050186). Der Antragsteller hat seinen Anspruch daher auch gegen den Antragsgegner mit der Behauptung gerichtet, dieser sei faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen und befinde sich im Besitz deren Bücher; jedenfalls sei ihm eine verlässliche Kenntnis des Verbleibs der Bücher zuzurechnen.
4. Die Vorinstanzen wiesen den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsgegner sei in der Gesellschaft nie in irgendeiner Funktion aufgeschienen; er sei auch nicht zum Verwahrer der Bücher bestellt worden. Die Bücher der Gesellschaft befänden sich auch nicht beim Antragsgegner, sondern seien an die Muttergesellschaft Ets. L***** in Belgien abgegeben worden.
Nach Auffassung des Antragstellers in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs kommt es bei der Frage, wer die Verpflichtungen des § 93 Abs 3 GmbHG zu erfüllen hat, nicht darauf an, wer tatsächlich Verwahrer der Bücher der Gesellschaft ist. Es sei daher unerheblich, dass sie sich nicht beim Antragsgegner befinden. Vielmehr habe das Gericht im Verfahren außer Streitsachen von Amts wegen die Person des tatsächlichen Verwahrers zu erheben, gegen den dann - erforderlichenfalls mit gerichtlicher Hilfe - die Gewährung der bewilligten Bucheinsicht durchzusetzen ist. Dieser Person sei eine verlässliche Kenntnis des Verbleibs der Bücher zuzurechnen; es sei daher auch nicht maßgeblich, ob sich die Bücher noch bei dieser Person befinden. Mangels anderer Erhebungsergebnisse seien der Geschäftsführer, und zwar auch der faktische Geschäftsführer, oder der Liquidator der Gesellschaft als Verwahrer der Bücher zu behandeln.
Der Antragsteller beruft sich dabei ausdrücklich auf die Entscheidung 6 Ob 50/04b (= GesRZ 2005, 85). Dort hat der erkennende Senat unter anderem klargestellt, dass das Gericht die Person des Verwahrers der Bücher zu ermitteln hat. „Mangels anderer Erhebungsergebnisse" und bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung eines Verwahrers durch Gesellschafterbeschluss oder Gesellschaftsvertrag (§ 93 Abs 3 GmbHG) sei der ehemalige Liquidator der Gesellschaft als Verwahrer zu behandeln, wenn der Löschung der Gesellschaft ein Liquidationsverfahren vorausgegangen war. Der Anspruch auf Bucheinsicht durch den Gesellschaftsgläubiger sei sodann gegen die ermittelte Person mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Ein Liquidationsverfahren hat es hier nicht gegeben; die Gesellschaft wurde von Amts wegen gelöscht. Nach § 94 Abs 1 GmbHG gelangen die Bestimmungen über die Liquidation aber auch zur Anwendung, wenn die Auflösung durch gerichtlichen Beschluss erfolgte. Das Gericht könnte daher einen Gesellschafter oder einen Dritten zum Verwahrer der Bücher der Gesellschaft bestimmen; einen Gesellschafterbeschluss oder eine Regelung im Gesellschaftsvertrag gibt es nicht. Als ehemaliger steuerlicher Vertreter der Gesellschaft mit (unstrittig) weit reichenden Aufgaben könnte dabei grundsätzlich auch der Antragsgegner Dritter im Sinne des § 93 Abs 4 GmbHG sein. Ob er (auch) faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft war, wie der Antragsteller behauptet, ist daher unerheblich.
Allerdings liegen „andere Erhebungsergebnisse" vor. Nach den Ausführungen der Vorinstanzen im Tatsachenbereich befinden sich die Bücher der Gesellschaft nicht beim Antragsgegner, sondern wurden an die Muttergesellschaft Ets. L***** in Belgien abgegeben. Im Gegensatz zum Sachverhalt der Entscheidung 6 Ob 50/04b steht hier somit fest, wo sich die Bücher befinden, sodass eine Notwendigkeit von Nachforschungen im Verfahren außer Streitsachen nicht erkennbar ist. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der Antragsgegner dem Antragsteller die Bucheinsicht gewähren könnte; dies vermag auch der außerordentliche Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen. Dass er etwa nicht wüsste, wo die Muttergesellschaft in Belgien ansässig ist, behauptet der Antragsteller nicht.
3. Schließlich hält der Antragsteller das Rekursverfahren für mangelhaft. Zur Frage der Verwahrung der Bücher sei kein Beweisverfahren durchgeführt und es sei auch nicht festgestellt worden, dass der Antragsgegner faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen ist. Allerdings hat sich der Antragsteller im Rekursverfahren selbst darauf berufen, der Antragsgegner habe die Bücher an die Muttergesellschaft in Belgien abgegeben. Und auch im Revisionsrekursverfahren behauptet er nicht, die Bücher befänden sich beim Antragsgegner; er geht vielmehr davon aus, dass dieser - aus rechtlichen Überlegungen - als Verwahrer „anzusehen" sei. Auf eine allfällige Tätigkeit des Antragsgegners als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft kommt es ohnehin nicht an.