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OGH vom 18.10.2017, 7Ob119/17a

OGH vom 18.10.2017, 7Ob119/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in Bezau, gegen die beklagte Partei V***** VaG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen 69.960,49 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 45/17z-23, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 9 Cg 146/15b-18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Bei der Ehefrau des Klägers wurde im Jahr 2002 ein Melanom an der Regenbogenhaut (IrisMelanom) des rechten Auges festgestellt. Das Auge wurde deshalb am operativ entfernt. Im Oktober 2003 war sie wegen eines erforderlichen weiteren Eingriffs im Zusammenhang mit dem entfernten rechten Auge stationär in Behandlung.

2004 eröffnete der Kläger ein Konto bei der V*****. Deren Mitarbeiter vermittelte über das V*****service (nunmehrige Rechtsnachfolgerin: V***** GmbH) auch Versicherungs-
verträge mit verschiedenen Versicherungsunternehmen. Er schlug dem Kläger unter anderem den Abschluss einer Lebensversicherung vor. Der Kläger entschloss sich zu einer solchen Versicherung mit seiner Ehefrau als Mitversicherter. Am füllte ein Mitarbeiter der Bank in Anwesenheit des Klägers ein Antragsformular an die Beklagte für die Risikoversicherung aus, das der Kläger unterschrieb. Das Ausfüllen des Formulars erfolgte hinsichtlich der darin gestellten Fragen, insbesondere der Gesundheitsfragen, nach den Angaben des Klägers. Die Ehefrau des Klägers war nicht anwesend.

Zur Zeit des Antrags auf Abschluss der Lebensversicherung hatte die Ehefrau des Klägers keine gesundheitlichen Beschwerden und fühlte sich gesund. Sie trieb Sport, ging jeden Tag mit dem Hund joggen und fuhr im Jahr mehrere tausend Kilometer mit dem Fahrrad. Ob der Kläger und seine Ehefrau subjektiv der Auffassung waren, diese sei von einer Krebserkrankung am rechten Auge vollständig und endgültig geheilt, kann nicht festgestellt werden.

Im Antrag waren „Allgemeine Fragen an die versicherte(n) Person(en)“ enthalten. Die Ehefrau des Klägers betreffend wurde die Frage nach einer Operation mit „ja: Augenoperation“ beantwortet. Weiters wurde angegeben, dass sie an einem Auge blind sei und deshalb eine 50%ige Invalidität vorliege. Die Frage „Haben oder hatten Sie Krebs oder andere Geschwulstkrankheiten“ wurde verneint. Die zu den mit „ja“ beantworteten Fragen geforderten detaillierten Erläuterungen wurden nicht gegeben. Am Ende des Formulars bestätigte der Kläger mit Unterschrift, dass alle in diesem Antrag enthaltenen Fragen richtig und vollständig beantwortet wurden.

Ob der Kläger dem den Antrag aufnehmenden Mitarbeiter der Bank sagte, dass seiner Frau das rechte Auge operativ entfernt worden sei, und ob er ergänzte, dass dies wegen Verdachts auf ein Melanom geschehen sei, ist „nicht erwiesen, ebensowenig eine dazu seitens des Bankmitarbeiters gemachte Bemerkung, wonach Melanome normalerweise die Haut betreffen und er gar nicht gewusst hat, dass es ein solches auch am Auge geben kann“.

Der Kläger und der Versicherungsmakler unterschrieben den Versicherungsantrag, der Kläger ohne den Antrag davor durchzulesen.

Wäre die Beklagte darüber informiert worden, dass der Ehefrau des Klägers das Auge wegen eines Iris-Melanoms entfernt worden war, hätte sie den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.

Die Beklagte nahm den Versicherungsantrag hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau an und stellte am eine entsprechende Polizze aus. Die Versicherungsdauer betrug 10 Jahre ( bis ), die Versicherungssumme lautete auf 70.000 EUR, bezugsberechtigt war der jeweils überlebende „Versicherungsnehmer“.

Dem Versicherungsvertrag lagen die Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall (Lebensversicherung) zugrunde, diese lauten auszugsweise:

§ 1 Was ist bei der Antragstellung zu beachten?

(1) Als Versicherungsnehmer stellen Sie einen schriftlichen Antrag auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags.

Darin müssen alle Tatsachen angegeben werden, die für die Übernahme des Risikos bedeutend sind.

[...].

§ 8 Welche Bedeutung haben Ihre Antwortenauf unsere Antragsfragen?

(1) Wir übernehmen den Versicherungsschutz im Vertrauen darauf, dass Sie alle mit dem Antrag verbundenen Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet haben.

(2) Wenn das Leben eines anderen versichert oder mitversichert werden soll, ist auch dieser für die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung verantwortlich.

(3) Werden Fragen schuldhaft unrichtig oder unvollständig beantwortet, können wir innerhalb der ersten 3 Jahre seit Abschluss, letzter Änderung oder Wiederherstellung des Vertrags zurücktreten; bei Ableben während der ersten drei Jahre auch noch nach Ablauf dieser Frist. Wir werden den Rücktritt innerhalb eines Monats ab

[...]

(4) Bei arglistiger Täuschung können wir den Vertrag anfechten.

(5) Wenn wir den Vertrag anfechten oder vom Vertrag zurücktreten, bezahlen wir den tariflichen Rückkaufswert.“

Im Jahr 2009 trat bei der Ehefrau des Klägers die Krebserkrankung wieder auf, am verstarb sie an deren Folgen (ausgeprägte Metastasierung des Melanoms). Der Tod stand sohin im ursächlichen Zusammenhang mit dem erstmals im Jahr 2002 durch Entfernung des rechten Auges behandelten IrisMelanom.

Mit Schreiben vom , eingelangt bei der Beklagten am , verlangte der Kläger die Auszahlung der Versicherungssumme abzüglich des bereits ausbezahlten Rückkaufwerts von 39,51 EUR, sohin 69.960,49 EUR. Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Versicherungsvertrag gemäß Art 8.4 AVB aufgrund arglistiger Täuschung anfechte. Beim Abschluss des Versicherungsvertrags seien falsche Angaben in Bezug auf den Gesundheitszustand der Ehefrau des Klägers gemacht worden.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 69.960,49 EUR sA. Er habe am für sich und seine Ehefrau eine Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme auf Ableben in Höhe von 70.000 EUR abgeschlossen. Arglist liege nicht vor. 2002 sei der Ehegattin des Klägers wegen des Verdachts auf Vorliegen eines IrisMelanoms prophylaktisch der rechte Augapfel entfernt worden. Das Rückfallrisiko bei einem IrisMelanom sei äußerst gering. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau seien subjektiv davon ausgegangen, dass sie vollkommen geheilt und völlig gesund sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags sei sie auch kerngesund gewesen. Die Beschwerden seien erst sieben Jahre später aufgetreten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe bei Vertragsabschluss im Jahr 2004 den Fragebogen zu den Gesundheitsfragen seiner Ehefrau falsch ausgefüllt. Zwar sei angeführt gewesen, dass das rechte Auge blind sei, 50 % Invalidität vorliege und eine Augenoperation durchgeführt worden sei. Die dahinterstehende schwere Krebserkrankung, die ursächlich für den Tod der Ehefrau gewesen sei, sei jedoch absichtlich verschwiegen und die Beklagte bewusst getäuscht worden. Hätte die Beklagte von der Krebserkrankung gewusst, hätte sie den Lebensversicherungsvertrag der Ehefrau des Klägers abgelehnt. Der Kläger habe seine Anzeigeverpflichtung nach Art 8 AVB bzw § 16 VersVG verletzt. Dies stelle eine Obliegenheitsverletzung dar, die zur Leistungsfreiheit führe. Weil die Beklagte erst nach Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis von dieser Obliegenheitsverletzung erlangt habe, könne sie sich auch ohne Vertragsauflösung auf Leistungsfreiheit berufen. Sie habe den Versicherungsvertrag auch berechtigt wegen Arglist angefochten und sei daher nur zur Zahlung des Rückkaufswerts verpflichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe gegen seine Anzeigepflicht nach §§ 16, 17 VersVG verstoßen. Ihm sei bewusst gewesen oder habe bewusst sein müssen, dass ein IrisMelanom eine Krebserkrankung darstelle. Selbst wenn er darüber im Zweifel gewesen wäre, hätte er annehmen müssen, dass die zugrundeliegende Erkrankung, die zur Entfernung des Auges geführt habe, bzw der dem zugrundeliegende Verdacht für die Beklagte von Interesse sei. Es sei erkennbar gewesen, dass die bloße Erwähnung einer Operation und der Blindheit die Frage nach der Krebserkrankung „eher verschleiert“ habe. Dem Kläger sei daher Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht nach § 16 Abs 1 VersVG stelle nach der Rechtsprechung eine Verletzung einer Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls dar. Es genüge leichte Fahrlässigkeit. Der Rücktritt der Beklagten infolge zumindest fahrlässig unterbliebener Anzeige sei zu Recht erfolgt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. In der Lebensversicherung gelte die Sondervorschrift des § 163 VersVG. Demnach sei das Rücktrittsrecht des Versicherers in der Lebensversicherung durch eine Höchstfrist von drei Jahren zeitlich begrenzt. Diese Frist beginne mit Vertragsabschluss und laufe unabhängig von einer Kenntnisnahme des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers. Da der Versicherungsvertrag bereits 2004 abgeschlossen worden sei und die Beklagte – wenn überhaupt – erst 2014 ihren Rücktritt erklärt habe, sei die Dreijahresfrist bereits längst verstrichen. Die von der Beklagten zu beweisende Arglist liege nicht vor.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger begehrt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen ist es nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte. Es reicht aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RISJustiz RS0080637). Ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (RISJustiz RS0080628 [T1]). An die vom Versicherten bzw Versicherungsnehmer bei Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt sind ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (RISJustiz RS0080641). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (RISJustiz RS0080572). Die Beweislast für das mangelnde Verschulden an der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht trifft grundsätzlich den Versicherungsnehmer (RISJustiz RS0080809). Der den Antrag ausfüllende Makler ist dem Kläger zuzurechnen (vgl RISJustiz RS0114041).

Der Kläger hat wesentliche Umstände, nach denen die Beklagte ausdrücklich gefragt hatte, unrichtig beantwortet. Die Vorinstanzen nahmen zutreffend eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht an.

2.1 Im Revisionsverfahren strittig ist die Frage, ob eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung von der der Versicherer erst durch den – außerhalb der Dreijahresfrist des § 163 VersVG liegenden – Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis erlangte, zur Leistungsfreiheit führt.

Die Beklagte argumentiert, nach § 163 VersVG sei nur das Rücktrittsrecht des Versicherers durch eine Höchstfrist von drei Jahren begrenzt. Wenn der Versicherer jedoch erst nach Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis von der vorvertraglichen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers erlange, könne er sich auch ohne Vertragsauflösung auf Leistungsfreiheit berufen, sodass die Frist des § 163 VersVG keine Bedeutung habe.

2.2 Ist der Vorschrift des § 16 Abs 1 VersVG zuwider die Angabe eines erheblichen Umstands unterblieben oder entgegen § 17 Abs 1 VersVG unrichtig erfolgt, so kann der Versicherer nach §§ 16 Abs 2, 17 Abs 1 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Nach § 20 Abs 1 VersVG kann der Rücktritt nur innerhalb eines Monats erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Versicherer die Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungspflicht trotz Verstreichen der Monatsfrist des § 20 Abs 1 VersVG geltend machen, wenn ihm die Verletzung der Aufklärungspflicht vor dem Versicherungsfall nicht bekannt geworden ist (RISJustiz RS0107649, RS0129732).

3.1 Nach § 163 VersVG kann der Versicherer aber wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags obliegenden Anzeigepflicht vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seither drei Jahre verstrichen sind. Das Rücktrittsrecht bleibt bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden ist.

Damit enthält § 163 VersVG, dem die Bestimmung des § 178k VersVG für die Krankenversicherung entspricht, für die Lebensversicherung eine Einschränkung der für die vorvertragliche Anzeigepflicht geltenden Regeln.

3.2 Die Rücktrittsfrist in § 163 VersVG ist eine Ausschlussfrist (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG § 178k Rz 4, Schwintowski in Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 163 Rn 4, Kollhosser in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz27§ 163 Rn 3). § 163 VersVG ist zugunsten des Versicherungsnehmers zwingendes Recht (Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer Komm zu den VersVGNovellen §§ 163 bis 164 Rz 4, Kollhosser aaO Rn 5, Schwintowski aaO Rn 9).

3.3 §§ 163 ff VersVG gehen im Wesentlichen auf die ursprüngliche Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes zurück. Die Materialien zur VersVG-Novelle 1994, die die Frist auf drei Jahre verkürzt hat, gehen davon aus, dass durch eine außerhalb der Frist geltend gemachte Obliegenheitsverletzung – mangels Arglist – keine Leistungsfreiheit eintreten soll, wenn auch der Versicherungsfall außerhalb der Frist eingetreten ist (ErlRV 1553 Beil 18. GP 27). Der Sinn der Bestimmungen liegt darin, dem Lebensversicherungsvertrag, der für den Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen essentielle Bedeutung haben kann, eine besondere Bestandfestigkeit zu verleihen. Dies geschieht dadurch, dass Rechtsfolgen, die an die – wenngleich schuldhafte – Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder eine Gefahrenerhöhung geknüpft sind und grundsätzlich unbefristet geltend gemacht werden können, entfallen, wenn ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Mit den Interessen des Versicherers ist dies verträglich, weil eine besondere Gefahr, die sich während eines langen Zeitraums nicht ausgewirkt hat, für das übernommene Risiko nicht wesentlich erscheint (Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Komm zu den VersVGNovellen § 163 bis 164 Rz 1, derselbe in Fenyves/Schauer, VersVG § 178k Rz 1).

3.4 Die in §§ 16 ff VersVG enthaltenen Rechte der Vertragsauflösung, insbesondere die Rücktrittsrechte, werden ausgeschlossen. Die Leistungsfreiheit ergibt sich aus der Rückwirkung des Rücktritts. Ist aber aufgrund des Verstreichens der genannten Ausschlussfrist der Rücktritt– mangels Arglist – gerade nicht mehr möglich, dann kann nach dem Zweck des § 163 VersVG auch Leistungsfreiheit nicht mehr geltend gemacht werden. So auch Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG,§ 178k Rz 13, der davon ausgeht, dass sich, wenn – wie hier – der Versicherungsfall nach Fristablauf eintritt, die Leistungspflicht des Versicherers nicht in Zweifel ziehen lässt.

3.5 Die Frist beginnt mit Vertragsabschluss (Schauer aaO § 178k Rz 4, Kollhosser aaO § 163 Rn 2, Schwintowksi aaO Rn 4). Sie läuft unabhängig von einer Kenntnisnahme des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers (Heiss/Lorenz in Fenyves/Schauer VersVG § 20 Rz 7; Kollhosser aaO § 163 Rn 3, Hohlfeld in Honsell, Berliner Kommentar, § 178k VVG Rn 5).

3.6 Zusammengefasst folgt daher, dass bei Vorliegen einer schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten – mangels Arglist – Leistungspflicht des Versicherers besteht, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der in § 163 VersVG genannten Ausschlussfrist eintritt, dies selbst dann, wenn der Versicherer erst mit dem außerhalb der Frist liegenden Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis von der Anzeigepflichtverletzung erlangt.

4. § 163 VersVG greift nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer die Auskunftspflicht arglistig verletzt hat.

Für die arglistige Täuschung reicht bedingter Vorsatz (RISJustiz RS0130762). Eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache kannte, sondern um die Erheblichkeit dieser Tatsache für den Versicherer wusste. Arglist liegt demnach vor, wenn der Getäuschte absichtlich oder doch bewusst durch unrichtige Vorstellungen zur Einwilligung in einen Vertragsabschluss gebracht wurde (7 Ob 136/08p). Ob die Voraussetzungen für die Annahme von Arglist vorliegen, ist eine Tatfrage. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung obliegt auch bei der Anfechtung eines Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung dem Versicherer die volle Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer ihn in unlauterer Weise durch seine unrichtigen Angaben zur Annahme des Versicherungsvertrags bestimmen wollte. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Versicherungsnehmer, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, regelmäßig auch mit Arglist in Bezug auf die Willensbildung des Versicherers gehandelt hat (7 Ob 136/08p; RISJustiz RS0103030).

Die Feststellung einer unrichtigen Angabe ersetzt damit nicht die Feststellung des Täuschungs und Beeinflussungsvorsatzes. Im vorliegenden Fall fehlen ausdrückliche und klare Feststellungen, aus welchen Gründen die geforderte nähere Erläuterung der Augenoperation unterblieb, die Frage nach einer Krebserkrankung verneint und verschwiegen wurde, dass das rechte Auge entfernt wurde. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren im Sinn der dargelegten Judiktatur – unmissverständliche – Feststellungen zu treffen haben, die die Beurteilung des (Nicht)Vorliegens von Arglist erlauben.

5. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00119.17A.1018.000

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