OGH vom 24.09.2019, 5Ob112/19k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen Familienrechtssachen der Antragstellerin C*****, geboren am *****, vertreten durch Mag. Birgit de Cillia-Messner, VertretungsNetz – Sachwalterschaft, *****, als gerichtliche Erwachsenenvertreterin, diese vertreten durch Mag. Jutta Brandl, Rechtsanwältin in Klagenfurt, diese vertreten durch Frimmel|Anetter Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die Antragsgegner 1. M*****, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwalt in Völkermarkt, und 2. M*****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Erstantragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 55/19v-43, mit dem der (Zwischen-)Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 46 Fam 14/17f-36, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die im Dezember 1997 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer kognitiven Leistungseinschränkung und Intelligenzminderung nicht selbsterhaltungsfähig. Sie ist das eheliche Kind der Antragsgegner, kam aber bereits bald nach ihrer Geburt in Pflege und Obsorge der mütterlichen Großmutter. Seit Februar 2004 wurde sie im Rahmen der vollen Erziehung des Landes Kärnten in einem SOS-Kinderdorf betreut. Seit wird sie aufgrund eines Bescheids des Amtes der Kärntner Landesregierung gemäß § 25 Abs 2 iVm § 7 Abs 2 Kärntner Chancengleichheitsgesetz (K-ChG) in einer Einrichtung der Lebenshilfe voll intern gefördert. Die Kosten für diese Förderung werden vom Land vorschussweise übernommen.
Die Antragstellerin bezieht derzeit erhöhte Familienbeihilfe und seit Pflegegeld der Stufe 1.
Seit ist die Antragstellerin verheiratet, auch ihr Ehemann weist eine kognitive Leistungseinschränkung und Intelligenzminderung und wie sie einen Behinderungsgrad von 50 % auf. Beide gingen im maßgeblichen Zeitraum keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Der Erstantragsgegner ist berufstätig. Er ist für seine 2009 geborene Tochter und teilweise für seine Ehegattin sorgepflichtig.
Auch die Zweitantragsgegnerin ist berufstätig und für einen 2005 geborenen Sohn sorgepflichtig.
Die Antragstellerin begehrte vom Erstantragsgegner rückwirkend ab monatliche Unterhaltsbeiträge von 380 EUR, von der Zweitantragsgegnerin ab diesem Zeitpunkt Unterhalt in näher bezeichneter Höhe, zuletzt monatlich 212 EUR.
Beide Antragsgegner sprachen sich gegen eine Unterhaltsfestsetzung aus, weil sämtliche Bedürfnisse der Antragstellerin infolge der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Landes Kärnten gedeckt seien und kein Anspruch auf Doppelversorgung bestehe.
Das Erstgericht stellte dem Grunde nach fest, dass die Antragstellerin beiden Antragsgegnern gegenüber einen Geldunterhaltsanspruch beginnend mit habe und die Antragstellerin berechtigt sei, die Unterhaltsfestsetzung gegenüber der Zweitantragsgegnerin zu beantragen, obwohl diese bereits zu einem Kostenbeitrag an das Land Kärnten verpflichtet sei. Die Entscheidung über die konkrete Höhe der Unterhaltsleistung behielt es einer gesonderten Beschlussfassung vor.
Soweit die Unterhaltsbedürfnisse infolge einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestünden keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung bestehe. Erbringe der Sozialhilfeträger daher dem Unterhaltsberechtigten Leistungen, die Bedürfnisse decken, die durch den Unterhalt zu decken wären, könne der Unterhaltsberechtigte im Umfang dieser Leistungen seinen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen. Sozialhilfeleistungen seien bei der Unterhaltsbemessung dann nicht als Eigeneinkommen des Betroffenen anzurechnen, wenn das entsprechende Landessozialhilfegesetz Rückersatz- oder Legalzessions-
regelungen vorsehe. Derartige Regelungen sehe das KChG in § 17 vor und gehe daher indirekt vom Fortbestehen der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche des behinderten Menschen auch bei Vollversorgung durch die öffentliche Hand aus.
Gemäß § 49 Abs 4 K-KJHG gingen Forderungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung des Unterhaltsbedarfs dienen, bis zur Höhe der Ersatzforderung auf das die volle Erziehung gewährende Land über. Diese Regelung sehe eine aufgeschobene Legalzession ausdrücklich vor. § 330a ASVG (das Verbot des Pflegeregresses) habe insoweit keine Änderung herbeigeführt. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bestehe daher gegenüber beiden Eltern dem Grunde nach.
In Ansehung der Zweitantragsgegnerin ist diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.
Das vom Erstantragsgegner angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nur wenn das jeweilige Sozialhilfegesetz keine den Sozialhilfeempfänger betreffende Rückzahlungsverpflichtung oder keine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vorsehe, also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht (mehr) zurückgefordert werden könne, sei sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen. Das K-ChG sehe vor, dass Leistungen nach diesem Gesetz nur so weit gewährt werden dürften, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden könne und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist (§ 6 Abs 1 erster Satz K-ChG – Subsidiaritätsgrundsatz). Als Leistungen für die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen kämen unter anderem die Förderung der Erziehung und Entwicklung (§ 10) und die Unterbringung in Einrichtungen (§ 13) in Betracht. § 17 Abs 1 lit a und c K-ChG sehe vor, dass der Mensch mit Behinderung unter anderem zu den Kosten für Förderung, Erziehung und Entwicklung gemäß § 10 Abs 1 und für Unterbringung in einer Einrichtung gemäß § 13 entsprechend seiner finanziellen Leistungskraft beizutragen habe. Daraus sei abzuleiten, dass keine Entlastung eines Unterhaltspflichtigen bezweckt sei.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob und inwieweit Leistungen nach dem KChG als Eigeneinkommen des Kindes nach § 231 Abs 3 ABGB zu werten seien.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Erstantragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Antrag auf Festsetzung des Kindesunterhalts ab bzw zurückgewiesen werde, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht nach dem Spruch seiner Entscheidung (insbesondere Pkt II bis IV) eindeutig einen Zwischenbeschluss iSd § 36 Abs 2 AußStrG über den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin dem Grunde nach gefällt hat. Die prozessuale Zulässigkeit dieser Vorgangsweise hat im Rechtsmittelverfahren niemand bestritten, sodass sie nicht näher zu erörtern ist (vgl RIS-Justiz RS0040918). In Ansehung der Zweitantragsgegnerin ist die Entscheidung überdies bereits rechtskräftig.
1.2. Die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin ungeachtet ihrer Verehelichung bezweifelt der Revisionsrekurswerber nicht, davon ist für die weitere Beurteilung auszugehen. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur die Frage, ob der Antragstellerin dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Erstantragsgegner ungeachtet der ihr zugekommenen vollen Erziehung nach dem KKJHG bzw daran anschließenden Förderung nach dem KChG zusteht.
2. Der Revisionsrekurswerber meint, entgegen der Auffassung des Rekursgerichts liege hier eine Doppelversorgung vor. Das KChG kenne weder Rückersatz noch Legalzessionsregelungen, sodass das Rekursgericht insoweit von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweiche. Zwar sehe § 17 KChG unter bestimmten Voraussetzungen eine Kostenbeitragspflicht des behinderten Menschen vor, eine Kostenersatzpflicht der gesetzlich zum Unterhalt des Menschen mit Behinderung verpflichteten Personen aber nur unter den Voraussetzungen des § 19 Abs 3a leg cit. Davon sei insbesondere abzusehen, wenn dies für die unterhaltsverpflichtete Person eine soziale Härte bedeuten würde, die Unterhaltsleistung eine einmalige Leistung gewesen sei oder es sich um Leistungen nach § 9 bis 16 KChG handle. Eine Kostenersatzpflicht des Antragsgegners sei demnach zu verneinen. Zum Vorbringen des Antragsgegners zu seinen Sorgepflichten, Schulden und seinem Einkommen fehlten Feststellungen. Unterhaltsbeiträge für die Vergangenheit seien einmalige Leistungen und die Antragstellerin nehme nur die in § 9 bis 16 KChG angeführten Leistungen in Anspruch. Damit seien die öffentlichrechtlichen Leistungen des Landes Kärnten an die Antragstellerin ein unterhaltsentlastend wirkendes Eigeneinkommen.
Hiezu wurde erwogen:
3.1. Die Voraussetzungen, unter denen Sozialleistungen unterhaltsrechtlich als Eigeneinkommen iSd § 231 Abs 3 ABGB zu qualifizieren sind, haben schon die Vorinstanzen richtig wiedergegeben, darauf kann verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG). Demnach bestehen – soweit die Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden – keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht (RS0080395).
3.2. Der Grundsatz ist aber dann nicht anzuwenden, wenn der Gesetzgeber durch Anordnung einer (aufgeschobenen) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RS0063121). Der Bezug von Sozialhilfe steht der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Unterhaltsberechtigten daher dann nicht entgegen, wenn er gegenüber dem Sozialhilfeträger bei Erlangen hinreichenden Einkommens oder Vermögens ersatzpflichtig ist und ein Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger (noch) nicht bewirkt ist (8 Ob 137/15b = EF-Z 2018/16 [Gitschthaler]; 8 Ob 6/16i; 9 Ob 33/16t). Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des bedingt kostenersatzpflichtigen Leistungsempfängers wird aber in der Rechtsprechung dann verneint, wenn der Gesetzgeber die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zum Ersatz der Sozialhilfeaufwendungen ausdrücklich ausgeschlossen hat. Würde man nämlich auch in einer solchen Rechtslage einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des versorgten Sozialhilfeempfängers bejahen und einen dem Träger gegenüber nicht ersatzpflichtigen Verwandten zu Unterhaltsleistungen verpflichten, würde damit auf einem Umweg doch dem Sozialhilfeträger die Möglichkeit eröffnet, zur Deckung seiner Kosten auf Leistungen (nämlich als Einkünfte des Sozialhilfeempfängers) zu greifen, deren Inanspruchnahme ihm das Gesetz nicht erlaubt (so bereits 8 Ob 548/82 zu Großeltern nach dem NÖ SozialhilfeG; 8 Ob 137/15b, 8 Ob 6/16i und 9 Ob 33/16t jeweils zum Oö ChG). In den letztgenannten Entscheidungen war die Frage, ob öffentlich-rechtlich gewährte Leistungen des Landes nach dem Oö ChG aus unterhaltsrechtlicher Sicht als Einkommen der unterhaltsberechtigten behinderten volljährigen Person einzustufen sind und der unterhaltspflichtige Elternteil diesem nur insoweit Unterhalt zu leisten hat, als die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten nicht bereits durch derartige Leistungen gedeckt seien, zu bejahen. Eine dem Oö ChG völlig entsprechende Rechtslage lassen die hier maßgeblichen Kärntner Landesgesetze indes nicht erkennen:
4.1. Für den Zeitraum der vollen Erziehung der – damals noch minderjährigen – Antragstellerin im SOSKinderdorf ist das KKJHG LGBl 2013/83 anzuwenden, wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannte. Seine Rechtsauffassung, die Kosten der vollen Erziehung seien – soweit durch diese Leistungen der Unterhalt tatsächlich gewährt wurde – von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen, soweit diese nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind oder zum Zeitpunkt der Gewährung der Erziehungshilfe imstande waren (§ 49 Abs 3 KKJHG), und Forderungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung des Unterhaltsbedarfs dienen, gingen nach Anzeige (§ 49 Abs 4 KKJHG) bis zur Höhe der Ersatzforderung auf das die volle Erziehung gewährende Land über, blieb schon im Rekursverfahren ebenso unbeanstandet wie die mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung übereinstimmende Auffassung, dass diese besonderen Kostentragungs und Kostenersatzregelungen des KKJHG bewirken, dass der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin trotz primär voller Kostentragung durch das Land dem Grunde nach bestehen bleibt. Auf diese – einen selbständigen Streitpunkt bildende – Beurteilung ist daher nicht näher einzugehen (RS0043352 [T10, T 27, T 33, T 39]). Dass ein Übergang des Unterhaltsanspruchs auf das Land bereits bewirkt worden wäre (vgl 8 Ob 137/15b; 8 Ob 6/16i; RS0047347), wurde hier im Übrigen nie behauptet. Dass die Abschaffung des Pflegeregresses auf den Regressanspruch des Landes gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten und somit auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter keine Auswirkung hat (9 Ob 68/18t), hat ebenso bereits das Erstgericht zutreffend erkannt.
4.2. Für den Zeitraum bis zur Beendigung der vollen Erziehungsmaßnahme nach dem K-KJHG ist am Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegenüber ihrem Vater dem Grunde nach daher nicht zu zweifeln. Dies betrifft den Zeitraum bis , zumal die voll interne Förderung nach dem K-ChG laut Bescheid des Landes Kärnten erst am Folgetag begonnen hat. Eine Unterbrechung der vollen Erziehungsmaßnahme für die Zeit der Unterbringung der Antragstellerin im W***** vom bis geht aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht hervor.
5.1. Für die voll interne Förderung der Antragstellerin ab ist hingegen das KChG LGBl 8/2010 einschlägig. Dessen Bestimmungen – soweit hier relevant – lauten auszugsweise:
§ 6 – Subsidiarität, Leistungen Dritter, eigene Mittel
(1) Leistungen nach diesem Gesetz dürfen, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur so weit gewährt werden, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden kann und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist. Zu den Leistungen Dritter zählen auch
a) jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten, der den für diese Personen vorgesehenen Mindeststandard gemäß § 8 Abs 3 lit b Z 1 übersteigt, sowie
b) jener Teil des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Elternteils eines Menschen mit Behinderung mit Anspruch auf Familienbeihilfe, der den für diese Personen vorgesehenen Mindeststandard gemäß § 8 Abs 2 übersteigt.
(...)
(2) Der Mensch mit Behinderung hat Ansprüche gegen Dritte, bei deren Erfüllung Leistungen nach diesem Gesetz nicht oder nicht in diesem Ausmaß zu gewähren wären, zu verfolgen, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist und kein Fall des § 13 Abs 3a vorliegt. (…)
§ 8 – Hilfe zum Lebensunterhalt
(1) Menschen mit Behinderung ist Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes vorliegen. Die Hilfe zum Lebensunterhalt gewährleistet die Deckung des Lebensbedarfs und des angemessenen Wohnbedarfs. Der Lebensbedarf umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung, Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe. Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
(2) Der Lebensunterhalt ist durch einmalige Geldleistungen bei kurzdauernder Hilfsbedürftigkeit oder laufende monatliche Geldleistungen zu decken, sofern nicht persönliche Hilfe oder Sachleistungen zur Deckung des Lebensunterhalts in Betracht kommen. (…)
(…)
§ 13 – Unterbringung in Einrichtungen
(1) Wird einem Menschen mit Behinderung Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in einer stationären oder teilstationären Einrichtung gewährt, ist § 11 Abs 1 und 4 bis 6 des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes anzuwenden. § 11 Abs 3 des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes ist anzuwenden, wenn die Unterbringung in einer stationären Einrichtung erfolgt.
(2) Menschen mit Behinderung, welche eine Leistung nach Abs 1 in einer stationären Einrichtung erhalten, haben Anspruch auf ein Taschengeld in Höhe von 18 vH des Mindeststandards nach § 8 Abs 2, soweit ihnen nicht nach § 6 Abs 6 ein Betrag ihres Einkommens verbleibt und wenn es sich nicht um die Unterbringung von Pflegekindern im Sinn des § 13 des Kärntner Jugendwohlfahrtsgesetzes handelt.
§ 17 – Kostenbeitrag
(1) Der Mensch mit Behinderung hat zu den Kosten für folgende Leistungen entsprechend seiner finanziellen Leistungskraft beizutragen:
a) Förderung der Erziehung und Entwicklung gemäß § 10 Abs 1;
b) fähigkeitsorientierte Beschäftigung und berufliche Eingliederung gemäß § 11;
c) Unterbringung in Einrichtungen gemäß § 13.
(...)
§ 19 – Kostenersatz
(1) Ehemalige Empfänger von Dauerleistungen (§ 7 Abs 5a), ausgenommen Leistungen nach § 12 und 16, sind zum Ersatz der für sie aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn und insoweit
a) verwertbares Vermögen vor oder während der Inanspruchnahme der Leistung sichergestellt wurde, oder
b) sie ein solches innerhalb von drei Jahren nach Ende der Leistung erworben haben und dieses nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, oder
c) nachträglich bekannt wird, dass sie zur Zeit der Leistung hinreichendes Einkommen oder verwertbares Vermögen hatten oder nach wie vor haben.
(...)
(3) Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Menschen mit Behinderung verpflichtet sind, sowie sonstige Personen, gegen die der Mensch mit Behinderung Ansprüche hat, bei deren Erfüllung Leistungen nach diesem Gesetz nicht oder nicht in der erhaltenen Höhe zu erbringen wären, haben die Kosten für Leistungen nach diesem Gesetz im Rahmen der sie treffenden Verpflichtungen zu ersetzen.
(3a) Die Verpflichtung zum Kostenersatz besteht für Personen gemäß Abs 3 nicht:
a) wenn dieser wegen des Verhaltens des Menschen mit Behinderung gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre;
b) wenn dieser eine soziale Härte bedeuten würde;
c) für Enkel oder Großeltern von Menschen mit Behinderung;
d) bei einmaligen Leistungen;
e) bei Leistungen nach § 9 bis 16;
f) für Eltern von Menschen mit Behinderung, soweit der Leistungsempfänger das 25. Lebensjahr vollendet hat, sowie für Kinder von Menschen mit Behinderung.
(...)
(4) Hat ein Mensch mit Behinderung für die Zeit, in der Leistungen nach diesem Gesetz gewährt werden, Rechtsansprüche zur Deckung eines Bedarfs nach dem 2. Abschnitt gegen einen Dritten, so kann die Behörde nach § 43 oder der Träger nach § 44 – sofern sich aus § 80 des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes nichts anderes ergibt – durch schriftliche Anzeige an den Dritten bewirken, dass der Anspruch bis zur Höhe der Aufwendungen auf das Land übergeht.
(...)
Die verwiesenen Bestimmungen des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes (KMSG) lauten wie folgt:
§ 48 – Ersatz durch Dritte
(5) Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des Verpflichteten die Mindestsicherung nicht oder nicht im geleisteten Umfang gewährt worden wäre.
(6) Die schriftliche Anzeige bewirkt mit ihrem Einlangen beim Dritten einen Übergang des Anspruchs für die Aufwendungen, die in der Zeit zwischen dem Einsatz der Mindestsicherung, höchstens aber sechs Monate vor Erstattung der Anzeige unter Beendigung der Mindestsicherung entstanden sind oder entstehen (...).
§ 49 – Geltendmachung von Ersatzansprüchen
(1) Ersatzansprüche gemäß § 47 Abs 1 lit b und c sowie Abs 2 und § 48 Abs 1, 4 und 7 können nicht mehr gestellt werden, wenn mehr als drei Jahre seit Ablauf des Jahres verstrichen sind, in dem soziale Mindestsicherung geleistet wurde; (...)
(2) Bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Unterhaltspflichtigen ist auf deren wirtschaftliche Verhältnisse und ihre sonstigen Sorgepflichten Bedacht zu nehmen.
(...)
5.2. Aus dieser Rechtslage ergibt sich zunächst, dass das KChG entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers sehr wohl eine (aufgeschobene) Legalzession anordnet, sieht doch § 19 Abs 4 KChG ausdrücklich den Übergang der Ansprüche des Leistungsempfängers gegenüber einem Dritten auf das Land Kärnten vor. Es bedarf dazu einer schriftlichen Anzeige, deren nähere Modalitäten in § 19 Abs 5, 6 KChG iVm § 48 Abs 5 bis 8 und § 49 KMSG geregelt werden.
5.3. Dazu kommt, dass § 19 Abs 3 K-ChG ausdrücklich auch eine Kostenersatzpflicht der gesetzlich zum Unterhalt des Menschen mit Behinderung verpflichteten Personen normiert, von der § 19 Abs 3a K-ChG lediglich Ausnahmen vorsieht. Eltern von Menschen mit Behinderung werden dort erst ab Vollendung des 25. Lebensjahrs des Leistungsempfängers generell von einer Kostenersatzpflicht ausgenommen, dieser Fall liegt hier nicht vor. Dass ein – auch noch so geringer – Unterhaltsbeitrag des Revisionsrekurswerbers bereits eine soziale Härte für ihn iSd § 19 Abs 3a lit b K-ChG bedeuten würde, ist aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen auszuschließen, wonach er berufstätig und sorgepflichtig nur für ein weiteres Kind und (teilweise) seine Ehefrau ist. Über die konkrete Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung (bzw eines allfälligen Kostenersatzes im Sinn des § 19 Abs 3a K-ChG) trifft der Zwischenbeschluss ja keine Aussage. Eine einmalige Leistung im Sinn des § 19 Abs 3a lit d K-ChG ist hier nicht zu beurteilen, sind doch damit nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Gesetzes lediglich vom Leistungsempfänger nur einmalig bezogene öffentlich-rechtliche Leistungen gemeint, wozu die laufende Unterbringung ebenso wenig gehört wie die laufende Leistung eines Unterhaltsbeitrags (wenn auch für die Vergangenheit). Richtig ist aber, dass eine Kostenersatzverpflichtung bei Leistungen nach § 9 bis 16 K-ChG grundsätzlich ausgeschlossen sein soll. Die Ersatzpflicht Dritter, also auch des Revisionsrekurswerbers als Unterhaltspflichtigen, ist daher nach § 19 Abs 3 K-ChG letztlich auf Leistungen nach § 8 K-ChG (Hilfe zum Lebensunterhalt) beschränkt. Soweit die Ersatzpflicht Dritter durch § 19 Abs 3a K-ChG beschränkt wird, ist dies nach der zitierten Judikatur auch bei der Beurteilung einer möglichen Ersatzpflicht des Menschen mit Behinderung selbst nach § 17 K-ChG zu berücksichtigen, die nur insoweit entstehen kann, als das Gesetz die Heranziehung der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteten nicht ausschließt.
5.4. Der Wortlaut des § 19 Abs 3a lit e KChG schließt eine Kostenersatzpflicht Dritter bei Leistungen nach § 13 KChG aus, sagt aber nichts darüber aus, ob dies bei der stationären oder teilstationären Unterbringung auch die an sich im § 8 KChG genannten Hilfen zum Lebensunterhalt betreffen soll. Diese Bestimmung bedarf daher der Auslegung. Sie wurde mit der Novelle des KChG, KLGBl 56/2013, geändert. Nach den Materialien war mit der Abschaffung des (zuvor angeordneten) Kostenersatzes für den Bereich der Menschen mit Behinderung eine Angleichung an die Abschaffung des Pflegeregresses bezweckt. Die Abschaffung der Kostenbeteiligung von unterhaltspflichtigen Angehörigen sollte die stationäre Unterbringung nach dem KChG und dem KMSG als pflegebezogene Leistung betreffen, sonstige Leistungen nach dem KChG und dem KMSG, insbesondere die Hilfe zum Lebensunterhalt und nicht primär pflegerische Leistungen sollten hingegen von der Neuregelung nicht umfasst sein. Die Abschaffung der Kostenbeteiligung von unterhaltspflichtigen Angehörigen und auch die Kostenersatzpflicht für diese Personen für stationäre Leistungen sollte auch zur Folge haben, dass insoweit keine Rechtsverfolgungspflicht der Menschen mit Behinderung mehr besteht. Im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt sollten Unterhaltspflichten hingegen weiterhin berücksichtigt werden.
5.5. Der eindeutige Wille des Landesgesetzgebers geht daher dahin, den Ausschluss des Kostenersatzes (und damit auch der aufgeschobenen Legalzession) nur auf die mit der stationären Unterbringung verbundenen Leistungen zu beziehen, nicht jedoch auf die unabhängig von einem derartigen stationären Aufenthalt erforderlichen Leistungen zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs, die an sich § 8 KChG zu unterstellen wären.
6.1. Daraus folgt hier:
Jedenfalls in dem Umfang, als das Land Kärnten der Antragstellerin unmittelbar mit der stationären Unterbringung verbundene Leistungen erbringt, die unter § 9 bis 16 des KChG (Zuschüsse zu Therapien und Hilfsmitteln, Förderung der Erziehung und Entwicklung, fähigkeitsorientierte Beschäftigung und berufliche Eingliederung, Assistenzleistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Unterbringung in Einrichtungen, Beratung für Menschen mit Behinderung, sonstige Unterstützungsleistungen und Fahrtkostenzuschuss) subsumiert werden können, ist eine Ersatzpflicht der Unterhaltsverpflichteten ebenso ausgeschlossen wie eine aufgeschobene Legalzession. Insoweit erwächst der Antragstellerin daher kein Bedarf mehr. Anders ist es im Hinblick auf Leistungen nach § 8 KChG (Hilfe zum Lebensunterhalt), die im Fall der Unterbringung in Einrichtungen nach § 13 Abs 2 KChG in Form eines Taschengeldes im dort genannten Umfang zu gewähren sind. Insoweit bleibt die Ersatzpflicht der Unterhaltsverpflichteten ebenso aufrecht wie die grundsätzliche Möglichkeit der Legalzession nach § 19 Abs 4 KChG. Jedenfalls in diesem Umfang ist ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ungeachtet ihrer voll internen Förderung nach dem KChG daher dem Grunde nach weiterhin zu bejahen.
6.2. Dass die Feststellungen hier offen lassen, ob der Antragstellerin überhaupt Leistungen iSd § 13 Abs 2 iVm § 8 Abs 2 KChG (Taschengeld) gewährt werden, schadet nicht: sollte dies nicht der Fall sein, wäre davon auszugehen, dass ihr regelmäßig wiederkehrender Aufwand zumindest für Körperpflege, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse wie angemessene soziale und kulturelle Teilhabe ungeachtet ihrer vollen internen Förderung in der stationären Einrichtung weiterhin erwächst, der jedenfalls in diesem Umfang zu einem – wenn auch der Höhe nach entsprechend geringen – Unterhaltsanspruch dem Grunde nach führen müsste. Das Pflegegeld dient der Abdeckung eines Mehraufwands und gilt daher nicht als Eigeneinkommen der Antragstellerin (RS0080395 [T8, T 13]). Dass die Familienbeihilfe nicht als Einkommen des Kindes zu werten ist, regelt § 12a FamLAG ausdrücklich (RS0047498), dies gilt auch für den Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs 4 ff FamLAG (6 Ob 107/16b).
7. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im Hinblick auf die in § 19 Abs 3a KChG bei Leistungen nach § 8 KChG grundsätzlich weiterhin bestehende Kostenersatzpflicht der gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Personen und der in § 19 Abs 4 KChG angeordneten aufgeschobenen Legalzession für diesen Fall ein Unterhaltsanspruch der gemäß § 13 KChG voll intern in einer stationären Einrichtung geförderten Person mit Behinderung dem Grunde nach jedenfalls in dem Umfang weiterhin aufrecht besteht, als ihr ein Taschengeld nach § 13 Abs 2 iVm § 8 Abs 2 KChG gewährt wird oder aber sie ungeachtet der vollen internen Förderung in der stationären Einrichtung noch unter § 8 Abs 1 KChG zu subsumierende Bedürfnisse hat. Soweit Menschen mit Behinderung Unterbringung, Verpflegung, Betreuung und Hilfe in einer stationären oder teilstationären Einrichtung gewährt wird, ist aber eine Kostenersatzpflicht der gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Personen ebenso ausgeschlossen wie eine Legalzession, sodass in diesem Umfang ein Bedarf des Unterhaltsberechtigten zu verneinen ist.
8. Damit war dem Revisionsrekurs im Ergebnis letztlich nicht Folge zu geben.
9. Da mit der vorliegenden Entscheidung die Rechtssache noch nicht iSd § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG erledigt wird, war ein Kostenvorbehalt auszusprechen (vgl RS0123011).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00112.19K.0924.000 |
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