OGH vom 23.06.1969, 1Ob119/69
Norm
ABGB 1435;
Kopf
SZ 42/94
Spruch
Auch Brautleuten, die im Hinblick auf eine beabsichtigte und dann unterbliebene Eheschließung Aufwendungen für ihren Partner gemacht haben, steht der Bereicherungsanspruch im Sinn des § 1435 ABGB. zu. Die Bestimmung des § 46 ABGB. gewährt ihnen zusätzlich Schadenersatzansprüche; § 1247 2. Satz ABGB. stellt eine Sondervorschrift dar.
Entscheidung vom , 1 Ob 119/69.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin belangte im vorliegenden Prozeß den Beklagten auf Zahlung von 70.500 S s. A., wobei sie vorbrachte, er habe ihr im Jahr 1963 die Ehe versprochen; auf Grund dieser Zusage sei sie im Dezember 1963 in seine Wohnung gezogen, wo sie bis Oktober 1967, insgesamt also 47 Monate, geblieben sei; sie habe die Wohnung verlassen, weil das Verlöbnis, nachdem sie der Beklagte mißhandelt habe, aufgelöst worden sei; sie habe in den vergangenen Jahren monatlich durchschnittlich 3200 S netto verdient und davon mindestens 1500 S für den Beklagten verwendet; da der ursprüngliche Zweck für diese Leistungen weggefallen sei, schulde ihr der Beklagte den Klagsbetrag.
Der Beklagte hielt dem im wesentlichen entgegen, es sei unrichtig, daß er der Klägerin die Ehe versprochen habe; er sei bis Oktober 1963 verheiratet gewesen und es sei allgemein bekannt gewesen, daß er nicht mehr heiraten wolle; da die Klägerin keine Wohnung gehabt habe, habe er sie als Untermieterin aufgenommen; richtig sei allerdings, daß er intime Beziehungen zu ihr unterhalten habe; die Klägerin habe keine Leistungen für ihn erbracht und wäre dazu in der meisten Zeit auch gar nicht in der Lage gewesen; es sei zwischen ihnen zu ständigen Streitigkeiten gekommen und er habe ihr immer wieder nahegelegt auszuziehen; im Jahr 1966 habe er sie sogar abgemeldet; seit Juni 1966 habe die Klägerin für ihn nicht mehr gekocht und auch sonst in der Wohnung nichts mehr gemacht, wie sie sich auch sonst unschön benommen habe. In dem bei der Tagsatzung vom vorgetragenen Schriftsatz ONr. 13 machte der Beklagte auch noch geltend, wenn man schon der Klägerin guten Glauben bezüglich einer zu erwartenden Eheschließung zubilligen wollte, sei dies nur bis Frühjahr 1965 möglich.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Rechtssache zu neuerlicher Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In rechtlicher Beziehung hat das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen, daß Aufwendungen, die während des Bestandes einer Lebensgemeinschaft von einem Lebensgefährten für den anderen gemacht wurden, in der Regel nicht zurückgefordert werden können; nur dann, wenn die Aufwendungen im Hinblick auf ein nicht eingehaltenes Eheversprechen erfolgten, komme ein Rückersatz unter dem Gesichtspunkt des § 1435 ABGB. in Betracht, weil die Umstände, die die Grundlage der Leistung bildeten, weggefallen seien; freilich entstunden in Fällen, in denen ein Verlöbnis vorlag, bei Zuerkennung einer Kondiktion nach dieser Gesetzesstelle Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nach § 46 ABGB. Schadenersatz nur von dem angesprochen werden könne, der selbst keine gegrundete Ursache für die Auflösung des Verlöbnisses geboten habe; nur der sei schutzwürdig, den kein Verschulden an der Lösung des Verlöbnisses treffe; ginge man davon aus, daß die rechtlichen Wirkungen des Rücktrittes vom Verlöbnis im § 46 ABGB. abschließend geregelt seien, käme der Frage nach dem Verschulden an der Lösung des Verlöbnisses Bedeutung zu; für eine derartige Auslegung spräche auch die Erwägung, daß die Bereicherungsklage notwendigerweise dort versagt werden müsse, wo kraft Gesetzes ein endgültiger Rechtsverlust auf der einen Seite und eine Besserstellung auf der anderen Seite eintreten soll; wollte man neben dem Anspruch aus § 46 ABGB., wie dies allerdings einem Teil der Judikatur entspreche, stets auch die Kondition nach § 1435 ABGB. gewähren, käme dies einer Beseitigung jener Schranken gleich, die im § 46 ABGB. für den Rückersatz normiert sind; in der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl. 1967 Nr. 302) werde denn auch das bloß einseitige Eheversprechen vom Verlöbnis als einem wechselseitigen Eheversprechen unterschieden; gehe man von den dort formulierten Gedankengängen aus, könne im vorliegenden Fall von einem Verlöbnis nicht gesprochen werden, weil nicht hervorgekommen sei, daß auch die Klägerin eine verbindliche Erklärung, den Beklagten zu ehelichen, abgegeben hätte; deshalb komme der Frage, ob auch sie Gründe gesetzt habe, die den Beklagten zum Rücktritt vom Verlöbnis berechtigt hätten, keine Bedeutung zu; dafür, daß sie die Erfüllung des Eheversprechens wider Treu und Glauben vereitelt hätte, in welchem Fall auch die Kondiktion zu versagen wäre, fehle jeder Anhaltspunkt; entscheidend sei daher nur, daß sie insgesamt 70.500 S zu Gunsten des Beklagten erbracht habe, was sie ohne das ihr gegebene und niemals ausdrücklich widerrufene Eheversprechen nicht getan hätte.
Der Beklagte macht nun geltend, ein Verlöbnis könne auch konkludent zustandekommen und gerade dies müsse nach den Umständen des Falles hier angenommen werden; die Klägerin hätte daher nur einen Anspruch nach § 46 ABGB.; einen solchen habe sie nicht geltend gemacht, zumindest sei er aber mangels Feststellungen, ob sie Grund für die Auflösung des Verlöbnisses gegeben habe, nicht spruchreif.
Dem Beklagten ist darin beizupflichten, daß ein Verlöbnis auch konkludent zustandekommen kann (vgl. dazu Wentzel in Klang[2] I/1 S. 332); es mag auch sein, daß das Verhalten der Klägerin in diesem Sinn deutbar ist, zumal sie selbst in der Klage ausdrücklich vorgebracht hat, sie habe die Wohnung des Beklagten verlassen, weil das Verlöbnis aufgelöst worden sei, nachdem sie der Beklagte mißhandelt gehabt habe. Damit ist für einen Erfolg des Beklagten aber nichts wesentliches gewonnen. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, die Bestimmung des § 46 ABGB., schließe - sei es nun für sich allein, sei es im Zusammenhalt mit § 1247, 2. Satz ABGB. - einen Bereicherungsanspruch nach § 1435 ABGB. aus, vermag sich der Oberste Gerichtshof nämlich nicht anzuschließen. Die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung vom , 2 Ob 7/67 (EvBl. 1967 Nr. 302 = EFSlg. 8459), betraf einen Fall, in dem sich der Kläger gar nicht auf ein Verlöbnis gestützt hatte, aber die Voraussetzungen des Bereicherungsanspruches nach § 1435 ABGB. bejaht wurden, weil Leistungen in der später enttäuschten Erwartung des Zustandekommens einer Ehe erbracht worden waren. Daß der Oberste Gerichtshof damals Erörterungen über das Zustandekommen und die Auflösung eines Verlöbnisses für entbehrlich erachtete, nötigt noch nicht zum Schluß, er hätte einen Bereicherungsanspruch nach § 1435 ABGB. für den Fall eines Verlöbnisses verneinen wollen. Zu einer derartigen Schlechterstellung von Brautleuten im Vergleich zu Lebensgefährten, die die Gemeinschaft ohne Verlöbnis im Sinn des § 45 ABGB. aufgenommen haben, besteht kein Anlaß. Es ist vielmehr daran festzuhalten, daß auch Brautleuten, die im Hinblick auf eine beabsichtigte Eheschließung Aufwendungen für ihren Partner gemacht haben, der Bereicherungsanspruch im Sinn des § 1435 ABGB. zusteht (SZ. XXVI 246, 6 Ob 349/65, 6 Ob 131/67; vgl. dazu auch Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, S. 136). Die Bestimmung des § 46 ABGB. gewährt ihnen zusätzlich Schadenersatzansprüche; § 1247 2. Satz ABGB. stellt eine Sondervorschrift dar. Da die Klägerin unzweifelhaft auch den Bereicherungsanspruch geltend macht, sind Erörterungen über die Frage ihres etwaigen Mitverschuldens am Scheitern des Eheplanes entbehrlich. Daß nicht hervorgekommen sei, sie habe seine Verwirklichung gegen Treu und Glauben vereitelt, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, wird in der Revision gar nicht bekämpft.
Recht zu geben ist dem Beklagten nur noch darin, daß auch klar gestellt werden muß, wie lange die Klägerin bei Erbringung ihrer Leistungen darauf vertraut hat, der Beklagte werde sie heiraten. Auf den Oktober 1967 als den Zeitpunkt des Auszuges der Klägerin aus der Wohnung des Beklagten kann hier schon deshalb nicht ohne weiteres abgestellt werden, weil sie in der Klage selbst vorgebracht hat, das Verlöbnis sei aufgelöst worden, nachdem sie der Beklagte mißhandelt hatte; nach ihrer Parteiaussage wäre letzteres im Juli oder August 1967 gewesen. Bei Leistungen, die sie an den Beklagten noch erbrachte, obgleich sie bereits wußte, er werde sie nicht heiraten, können die Voraussetzungen eines Anspruches nach § 1435 ABGB. nicht angenommen werden; der Widerruf des Eheversprechens muß nicht ausdrücklich erfolgt sein.