OGH vom 15.02.2000, 5Ob110/99h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin P***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin K***** F***** GesmbH, ***** vertreten durch Kerres & Diwok, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 4/99f-11, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 48 Msch 22/98p-7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin hat mit vier Mietverträgen jeweils aus den Jahren 1965, 1969, 1970 und 1978 im Haus ***** in***** die Objekte top Nr 6, 7, 8 und 9 und eine 40 m**2 große Souterrainfläche in Bestand genommen und betreibt in diesem Räumlichkeiten eine Fremdenpension.
Der Gesamtmietzins betrug zuletzt S 51.677,47 monatlich.
Am verstarb die alleinige Gesellschafterin und einzige Geschäftsführerin der Antragstellerin, Hermine G*****. Das Verlassenschaftsverfahren ist zu 19 A 300/97s beim Bezirksgericht Donaustadt anhängig. Mit Beschluss vom wurde der testamentarischen Alleinerbin Jutta A*****, welche eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hat, die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß §§ 810 ABGB, 145 AußStrG überlassen. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde die Alleinerbin Jutta A***** gemäß § 15a GmbHG zur Notgeschäftsführerin der Antragstellerin bestellt.
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses ***** in*****.
Sie wurde am von der Antragstellerin vom Ableben ihrer Alleingesellschafterin informiert. Mit Schreiben vom begehrte die Antragsgegnerin eine Anhebung des Hauptmietzinses rückwirkend mit auf S 300 pro m**2, somit auf insgesamt S
309.600.
Die Antragstellerin begehrt festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin begehrte Anhebung des monatlichen Hauptmietzinses auf S 309.600 beginnend mit nicht zulässig ist. Eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft der Mieterin sei durch den Tod der Alleingesellschafterin nicht eingetreten. Vielmehr setze die Verlassenschaft nach der Alleingesellschafterin deren Rechtsperson fort. Erst mit Rechtskraft der Einantwortung erfolge der Rechtsübergang auf die Erbin. Die Bestellung der Erbin zur Notgeschäftsführerin habe auch noch keine Änderung der Einflussmöglichkeiten im Sinn des § 12a Abs 3 MRG herbeigeführt.
Die Antragsgegnerin brachte vor, zur sofortigen Anhebung auf den angemessenen Hauptmietzins infolge der Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG berechtigt zu sein. Eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten sei durch den Tod der Alleingesellschafterin, jedenfalls aber durch die Überlassung der Verwaltung und Besorgung der Verlassenschaft an die erbserklärte Erbin und deren Bestellung zur Notgeschäftsführerin eingetreten.
Der begehrte Hauptmietzins sei auch angemessen.
Im Übrigen sei die Antragsgegnerin auch deshalb zur Anhebung berechtigt, weil im Jahr 1973 der Hauptmietzins durch eine zwischen den Parteien des Mietvertrags getroffene Vereinbarung auf S 52 pro m**2 angehoben worden sei. Damit sei der Mietvertrag noviert worden.
Das Erstgericht stellte fest, dass die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom begehrte Anhebung des bisherigen monatlichen Hauptmietzinses von S 51.677,47 auf S 309.600 beginnend mit nicht zulässig sei.
Selbst bei Zugrundelegung der Rechtsansicht, dass ein Gesellschafterwechsel im Erbweg grundsätzlich dazu geeignet sei, die Rechtsfolgen des § 12a Abs 3 MRG auszulösen, sei das Anhebungsbegehren der Antragsgegnerin nicht berechtigt. Die entscheidenden rechtlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Gesellschaft der Mieterin träten nämlich erst mit Rechtskraft der Einantwortung ein. Erst mit dieser vollziehe sich der endgültige Eigentumswechsel vom Erblasser auf den Erben. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Universalzukzession und damit auch für den des Eintritts der Rechtsfolgen des § 12a Abs 3 MRG sei weder der Erbanfall noch die Erbserklärung, noch die Übertragung der Besorgung und Verwaltung, sondern die Einantwortung. Bis dahin trete der ruhende Nachlass an die Stelle des Erblassers und setze die Person des Erblassers als Inbegriff seiner vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten fort.
Dem stehe auch die Regelung des § 46a Abs 2 MRG nicht entgegen, weil diese spezifisch auf die natürliche Person eines Hauptmieters zugeschnittene Sonderregelung eben nicht an den Übergang der Mietrechte vom ruhenden Nachlass auf den Erben im Weg der Universalzukzession abstelle, sondern nur an den Tod des Geschäftsraummieters anknüpfe.
Auch die Bestellung der Erbin zur Notgeschäftsführerin der Antragstellerin reiche nicht aus, um die Rechtsfolgen des § 12a Abs 3 MRG auszulösen. Dadurch finde bloß ein Organwechsel statt, der für sich allein noch keine entscheidende Änderung der Einflussmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft bewirke.
Einem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluss mit der Einschränkung, dass das auf den Tod der Alleingesellschafterin Hermine G***** am gestützte Anhebungsbegehren nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass, wenn überhaupt ein Anhebungsrecht bestehe, die Voraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG im Falle der Vererbung von Geschäftsanteilen erst mit Rechtskraft der Einantwortung bewirkt würden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung weder zur Frage vorliege, ob die Vererbung von Geschäftsanteilen überhaupt ein Mietzinsanhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG bewirke, noch welcher Zeitpunkt dafür maßgeblich sei.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Antragsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Erst jüngst hat der erkennende Senat in der noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom , 5 Ob 25/99h, ausgesprochen, dass mangels ausdrücklicher Beschränkung auf Veräußerungsvorgänge (§ 12a Abs 1 MRG)§ 12a Abs 3 MRG auch die gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge erfasst, wenn damit eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes einhergeht. Eine Einschränkung auf Anteilsveräußerungen in Einzelrechtsnachfolge wurde durch den vom Gesetzgeber mit dem in § 12a Abs 3 MRG angeführten Beispielsfall nicht vorgenommen. Deshalb kann auch eine Gesamtrechtsnachfolge, und damit auch der Gesellschafterwechsel im Erbweg, grundsätzlich die gleiche Änderung in den Einflussmöglichkeiten bewirken, wie eine entsprechende Anteilsveräußerung (vgl Ostheim in WoBl 1993, 200 [210]; Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung 37; ders in ecolex 1993, 812; ecolex 1994, 169 ff; Schauer in GesRZ 1994, 31 f; aA Grünwald in JBl 1995, 273, der die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge unter § 12 Abs 1 MRG subsumiert).
Gegen die Anwendung des § 12a Abs 3 MRG auch für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge im Erbweg könnte noch eingewendet werden, dass mit der Schaffung des § 12a Abs 3 MRG durch das 3. WÄG nur davor erfolgreiche Vertragsgestaltungsmöglichkeiten von Mietern zur Vermeidung der Mietzinsanhebung bei Veräußerung ihres Unternehmens im Gesellschaftsbereich begegnet und typische Umgehungsfälle in einem Tatbestand erfasst werden sollten (vgl Würth in Miet- und WohnR20 Rz 16 zu § 12a MRG), welche Voraussetzungen bei Gesamtrechtsnachfolge durch Vererbung nicht angenommen werden können. Dazu kommt noch, dass § 46a Abs 2 MRG im Dauerrecht keine Anhebungsmöglichkeit bei Vererbung von Mietrechten vorsieht. Es ist daher zu erwägen, ob sich nicht bei Heranziehung des § 12a Abs 3 MRG im Fall der Vererbung von Gesellschaftsanteilen insofern ein Wertungswiderspruch ergibt, als der Gesetzgeber im Dauerrecht an den Tod des Geschäftsraummieters nicht die Rechtsfolge der Mietzinserhöhung knüpfen wollte.
Im Licht des § 46a Abs 2 MRG ist das aber jedenfalls für Altverträge, also für Verträge, die vor Inkrafttreten des 3. WÄG geschlossen wurden, zu verneinen.
Der erkennende Senat hält daher in Übereinstimmung mit dem Großteil der Lehrmeinungen dafür, dass auch der Fall des Rechtsübergangs von Gesellschaftsanteilen im Erbweg von § 12a Abs 3 MRG umfasst ist, wenn dadurch das Tatbestandsmerkmal der entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten erfüllt ist.
In derselben Entscheidung wurde auch ausgesprochen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten nach der dabei auch nicht analog anzuwendenden Regelung des § 46a Abs 2 MRG nicht bereits durch den Tod eines Mehrheits- oder wie hier Alleingesellschafters endgültig und abschließend verwirklicht wird (zu § 46a Abs 2 MRG vgl WoBl 1997/48, 153). Maßgeblich kommt es auf die Rechtskraft der Einantwortung an. Die herrschende Meinung hält unter Berufung auf § 797 ABGB die rechtskräftige Einantwortung dafür für maßgebend, wann die Rechtsnachfolge des Erben nach dem Erblasser eintritt. Erst mit der Einantwortung erlangt der Erbe die volle Herrschaft über den Nachlass, Besitz, Eigentum, Forderungen und sonstige Rechte gehen auf ihn über (vgl Welser in Rummel Rz 5 zu §§ 797, 798 ABGB; Gschnitzer/Faistenberger, Österreichisches Erbrecht**2 4; Eccher in Schwimann**2 Rz 8 zu § 819 ABGB; SZ 60/162 ua).
Nichts anderes gilt für den Erwerb von Geschäftsanteilen im Erbweg (§ 76 Abs 1 GmbHG). Durch den Tod des Gesellschafters gelangt zunächst die Verlassenschaft in die Gesellschafterposition. Sie übt die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Mitgliedschaftsrechte aus (SZ 59/172). Nach der Regelung des § 26 FBG ist die Verlassenschaft im Firmenbuch als Gesellschafter einzutragen. Vertreten wird sie durch einen Kurator oder einen Erben, dem die einstweilige Verwaltung des Nachlasses eingeräumt wurde. Nach der Einantwortung ist der Erbe einzutragen (vgl Reich-Rohrwig GmbHR**2, 2/275). Der Tod des Gesellschafters bewirkt auch bei Möglichkeit statutarischer Einflussnahme bei einer für den Fall des Todes getroffenen Vereinbarung nicht, dass der Geschäftsanteil mit dem Tod des Gesellschafters den überlebenden Gesellschaftern zufällt, sondern er gehört zum Nachlass (ecolex 1990, 756 mit Anmerkung Reich-Rohrwig). Erst mit der Einantwortung rückt der Erbe in die Gesellschaft nach (Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften, 262).
Die Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Liegenschaft die der verwaltende Erbe unter Aufsicht des Verlassenschaftsgerichtes ausübt (so ist etwa die Aufgabe von Mietrechten genehmigungspflichtig: JBl 1968, 522; ebenso der Abschluss nicht üblicher Mietverträge: NZ 1997, 331, ebenso die Abstimmung im Sinn des GmbHG:ecolex 1994, 684; allgemein SZ 65/108), bewirkt keine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinn des § 12a Abs 3 MRG.
Dass durch den Tod des Geschäftsführers dessen Funktion erlischt und ein neuer, selbst der künftige Erbe zum Notgeschäftsführer bestellt wird, bewirkt schon nach der ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetzgebers (des § 12a Abs 3 MRG) keine entscheidende Änderung der Einflussmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft (AB 1268 BlgNR 18. GP 11). Die Bestellung der Alleinerbin der Alleingesellschafterin zum Notgeschäftsführer nach § 15a GmbHG gebietet daher keine andere Betrachtungsweise.
Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen erkannt, dass die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses schon deshalb nicht zu einem Machtwechsel in der Gesellschaft führt, da die in diesem Zusammenhang relevante Gelegenheit zur Einflussnahme jedenfalls eine gesellschaftsrechtlich begründete sein muss (vgl Schauer GesRZ 1994, 16 f).
Das von P. Doralt (in WoBl 1998, 201) gebrauchte Argument, es komme entscheidend darauf an, ob das Mietrecht zugunsten anderer Personen verwendet werde, weshalb auch eine mittelbare Gewinnerzielung für ein Anhebungsrecht maßgeblich sei, eignet sich nicht zur Reduzierung der in § 12a Abs 3 MRG geforderten Voraussetzungen für einen Machtwechsel innerhalb der Gesellschaft. Im Übrigen wurde es auch in anderem Zusammenhang gebraucht (Verhältnis § 12a Abs 1 und Abs 3 MRG).
Im Fall der Vererbung von Geschäftsanteilen besteht somit ein Anhebungsrecht des Vermieters gemäß § 12a Abs 3 MRG nicht vor rechtskräftiger Einantwortung der Verlassenschaft an den Erben, weshalb derzeit eine Auseinandersetzung mit der Frage unterbleiben kann, in welcher Höhe ein Anhebungsbegehren gerechtfertigt wäre.
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist daher nicht berechtigt.