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OGH vom 20.04.2021, 4Ob195/20k

OGH vom 20.04.2021, 4Ob195/20k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** regGenmbH, *****, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte C***** Sàrl, *****, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. T***** GmbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Ö***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Bauer, Rechtsanwalt in Wien, 3. S***** GmbH, *****, 4. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 108.500 EUR), im Verfahren über die Revision der Klägerin sowie über die Revisionen der Beklagten und der 3. und 4. Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 23/20v-90, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 58 Cg 2/19f-72, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A. Die Parteienbezeichnung der Beklagten sowie jene der Dritt-, Viert- und ehemals Fünftnebenintervenientin wird jeweils wie im Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.

B. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 1 Abs 2 lit b Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) dahin auszulegen, dass nicht nur das Sendeunternehmen, sondern auch ein an der unteilbaren und einheitlichen Sendehandlung mitwirkender Satellitenbouquet-Anbieter eine – allenfalls zustimmungsbedürftige – Nutzungshandlung bloß in jenem Staat setzt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, dies mit der Folge, dass es durch die Mitwirkung des Satellitenbouquet-Anbieters an der Sendehandlung zu keiner Verletzung von Urheberrechten im Empfangsstaat kommen kann?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 1 Abs 2 lit a und c Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) sowie in Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl L 167, S 10) dahin auszulegen, dass der während einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit als weiterer Akteur mitwirkende Satellitenbouquet-Anbieter, der mehrere verschlüsselte High-Definition-Signale von Free- und Pay-TV-Programmen verschiedener Sendeunternehmen nach seiner Vorstellung zu einem Paket bündelt und das auf diese Weise geschaffene eigenständige audiovisuelle Produkt seinen Kunden entgeltlich anbietet, eine gesonderte Erlaubnis des Inhabers der betroffenen Rechte auch hinsichtlich der geschützten Inhalte in den im Programmpaket enthaltenen Free-TV-Programmen benötigt, obwohl er seinen Kunden insoweit ohnedies bloß Zugang zu solchen Werken verschafft, die im Sendegebiet bereits für jedermann – wenngleich in schlechterer Standard-Definition-Qualität – frei zugänglich sind?

C. Das Verfahren über die Rechtsmittel der Klägerin, der Beklagten und der Dritt bis Viertnebenintervenientinnen wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.

Text

Begründung:

Zu A.

[1] 1. Die beklagte M***** SA wurde per mit Gesamtrechtsnachfolge in die U***** Sàrl verschmolzen. Die U***** Sàrl wurde sodann in C***** Sàrl umfirmiert. Die Parteienbezeichnung der Beklagten ist daher entsprechend zu berichtigen.

[2] 2. Die ehemals Viertnebenintervenientin S***** GmbH ist mit Verschmelzungsvertrag vom als übertragende Gesellschaft mit der bisherigen Drittnebenintervenientin P***** GmbH als aufnehmender Gesellschaft verschmolzen worden. Die bisherige Drittnebenintervenientin ist damit Gesamtrechtsnachfolgerin der S***** GmbH geworden. Die Gesellschafterversammlung der bisherigen Drittnebenintervenientin hat am eine Änderung der Satzung beschlossen und die Firma der Gesellschaft auf S***** GmbH geändert. Die Parteienbezeichnung ist daher entsprechend zu ändern. Nach der Verschmelzung zwischen ehemals Dritt- und Viertnebenintervenientin ist die ehemals Fünftnebenintervenientin als Viertnebenintervenientin zu bezeichnen.

[3] I. Sachverhalt

[4] Die Klägerin ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, die für Werke der Tonkunst über eine aufrechte Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten auf dem Gebiet der Republik Österreich verfügt. Sie hat mit ausländischen Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge abgeschlossen, so mit der GEMA in Deutschland, der BUMA in den Niederlanden, der PRS in Großbritannien und der SACEM in Frankreich.

[5] Die Beklagte mit Sitz in Luxemburg bietet gegen Entgelt in Österreich Programme zahlreicher Rundfunkunternehmen zu unterschiedlichen Paketen (Satellitenbouquets) gebündelt über Satellit in High Definition (HD) und Standard Definition (SD) verschlüsselt an. Ihren Kunden stellt sie mit Zustimmung der Sendeunternehmen Zugangsschlüssel zur Verfügung. Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst und in ihrer Verantwortung, in wenigen Fällen durch die Beklagte, durchwegs jedoch nicht in Österreich, sondern in anderen EU-Mitgliedstaaten. Versendet wird ein Sendestream, in dem das gesamte Programm in HD-Qualität mitsamt allen zusätzlichen Informationen (wie Audiodaten, Untertiteldaten usw) enthalten ist. Der Stream wird mittels SAT-Empfangsanlage innerhalb des Sendegebiets empfangen. Dabei wird der Stream geteilt, und die einzelnen Programme werden über ein Endgerät dem Nutzer zugänglich. Wurden Programme mit einem Code verschlüsselt, müssen diese von der Empfangsanlage decodiert werden, um genützt werden zu können. Die Sendebouquets „entstehen“ durch die Kombination der Zugangsschlüssel. Durch die Nutzung der Bouquets werden den österreichischen Kunden der Beklagten Werke zugänglich gemacht, die im Repertoire der Klägerin enthalten sind. Die Bouquets beinhalten sowohl Pay- als auch Free-TV-Programme. Letztere sind im Hoheitsgebiet der Republik Österreich über Satellit ohnedies für jedermann in SD-Qualität zu empfangen. Eine (auch auf ihre hier zu beurteilenden Nutzungshandlungen bezogene) Rechteeinräumung vermochte die Beklagte im Verfahren – jedenfalls was einen beträchtlichen Teil ihres Programmangebots betrifft – nicht nachzuweisen. In Ansehung jener programmtragenden Satellitensignale, die in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland eingespeist werden, ließ sich auch nicht feststellen, ob die jeweils verantwortlichen Sendeunternehmen überhaupt Lizenzverträge mit den Verwertungsgesellschaften des Uplink-Staats abgeschlossen haben.

[6] II. Anträge und Vorbringen der Parteien

[7] Die begehrt hinsichtlich eines Großteils der in den Bouquet-Angeboten der Beklagten enthaltenen Pay- und FreeTV-Programme die Unterlassung der Benutzung der Signale zur Weitersendung in Österreich sowie die Unterlassung der Sendung der Rundfunkprogramme über Satellit auf das Gebiet der Republik Österreich als Empfängerstaat ausgerichtet, wenn in dem Staat, in dem die Handlung der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe über Satellit stattfindet, für diese Nutzung keine Bewilligung eingeholt wurde. Weiters begehrte sie im Rahmen einer Stufenklage Auskunftserteilung sowie angemessenes Entgelt und Schadenersatz. Sie habe der Signalweiterverbreitung bzw -übertragung, die einen zusätzlichen Kundenkreis der Beklagten bedient, keine Zustimmung erteilt. Die im Sendestaat getroffenen Vereinbarungen mit den Rundfunkunternehmen umfassten diesen Empfängerkreis nicht, weiters umfasse die Bewilligung zur Werknutzung (erteilt von den jeweiligen Verwertungsgesellschaften im UplinkStaat) nicht die Verbreitung des Programms in HD. Da die Beklagte nicht über die erforderliche Bewilligung für die öffentliche Wiedergabe über Satellit in den jeweiligen Uplink-Staaten verfüge, komme das Privileg des Verwerters, lediglich im Uplink-Staat die Bewilligung einholen zu müssen, nicht zum Tragen. Abgesehen davon sei der Vorgang als integrale Kabelweiterverbreitung durch die Beklagte zu qualifizieren (§ 59a UrhG). Der Schaden durch die nicht lizenzierte Ausstrahlung trete in Österreich ein. Die Klägerin könne daher die Beklagte nach österreichischem Recht in Anspruch nehmen. Die Beklagte sei nicht bloß technischer Dienstleister, sie richte ihr Angebot in Gewinnerzielungsabsicht direkt an Kunden und handle dabei im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, wähle die Fernsehprogramme aus, bündle diese zu einem neuen audiovisuellen Produkt und entscheide, in welcher Form die verschlüsselten Programme ihren eigenen zahlenden Empfängerkreis erreichen. Sie habe so ihren eigenen Kundenkreis im Empfangsland und trage die inhaltliche Verantwortung für die öffentliche Wiedergabe über Satellit iSd Art 1 Abs 2 lit a der Richtlinie 93/83/EWG (SatellitenRL).

[8] Die hält dem entgegen, sie stelle lediglich – mit Zustimmung der Sendeunternehmen – Infrastruktur zur Verfügung, die es ermögliche, ein von den Sendeunternehmen außerhalb Österreichs in eine Kommunikationskette zu einem Satelliten eingegebenes Signal zu codieren. Endnutzer mit entsprechenden Empfangsgeräten könnten das Satellitensignal dann decodieren und die Programme empfangen. Ausgehend davon greife das Sendelandprinzip des § 17b Abs 2 UrhG iVm Art 1 Abs 2 lit b SatellitenRL. Die Sendung sei nicht in Österreich erfolgt. Damit sei aber nicht die Klägerin zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verwertung aktiv legitimiert, sondern die im jeweiligen Uplink-Staat bestehende Verwertungsgesellschaft. Die Klägerin sei hinsichtlich der ihr eingeräumten Rechte territorial auf Verwertungsakte in Österreich beschränkt. § 59a UrhG sei nicht anwendbar. Abgesehen davon verwerte die Beklagte als technischer Dienstleister die geschützten Werke nicht in einer urheberrechtlich relevanten Art. Das von den Endnutzern direkt an sie abgeführte Entgelt werde nicht für den Zugang zur Wiedergabe bezahlt, sondern bloß für die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen. Die Rechteeinräumung gegenüber den jeweiligen Sendeunternehmen reiche daher aus, zumal das auf diese Art gesendete Programm keine neue Öffentlichkeit erreiche, seien doch die in den Paketen enthaltenen Fernsehprogramme und die darin enthaltenen Werke ohnedies in SDQualität frei abrufbar. Schließlich erfasse die Rechteeinräumung durch die Rechteinhaber in den Uplink-Staaten auch die Nutzungshandlungen der Beklagten.

[9] Auf Seiten der Beklagten traten dem Verfahren mehrere Sendeunternehmen als Nebenintervenientinnen bei und schlossen sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten zur fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin sowie zur urheberrechtlich nicht relevanten Verwertungshandlung der Beklagten an.

[10] III. Bisheriges Verfahren

[11] Die Vorinstanzen wiesen das auf Unterlassung der Weiterverbreitung des Satellitensignals in Österreich gerichtete Klagebegehren ab, gaben aber der Klage in Ansehung der (teils Eventual)Begehren auf Unterlassung der auf das österreichische Hoheitsgebiet ausgerichteten Satellitensendung der in Frage stehenden Programmsignale jeweils weitgehend – wenngleich in unterschiedlichem Umfang – ebenso statt wie dem korrespondierenden Auskunftsbegehren. Das Berufungsgericht führte aus, das (Haupt)Begehren auf Unterlassung der Weitersendung des Satellitensignals sei schon deshalb abzuweisen, weil es zu generell gefasst sei. Den sonstigen Begehren auf Unterlassung der Satellitensendung (und dem daran anschließenden Auskunftsbegehren) könne aber bei richtlinienkonformer Auslegung und unter Bedachtnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht das (innerstaatlich in § 17b Abs 1 UrhG verankerte) Sendelandprinzip und damit die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin als österreichischer Verwertungsgesellschaft entgegengehalten werden. Vor dem Hintergrund der in den Entscheidungen Rs C431/09, C432/09, Airfield, und C325​/14, SBS Belgium, entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sei zudem davon auszugehen, dass die von der Beklagten zu verantwortenden Sendungen eine neue Öffentlichkeit erreichten, denn das Zielpublikum der Satelliten-Bouquets der Beklagten gehe über jenes hinaus, das die einzelnen Sendeunternehmen mit ihrem SDAngebot bedienten. Abgesehen davon trete die Beklagte im Verhältnis zu den Sendeunternehmen nicht als technischer Dienstleister, sondern in autonomer Stellung auf, indem sie selbst über die Zusammenstellung ihrer Bouquets entscheide und damit ein eigenes, zusätzliches Angebot für Endkunden schaffe. Daraus ergebe sich die urheberrechtliche Relevanz der Vermarktung durch die Beklagte, der nur für einzelne der in ihren Bouquets enthaltenen Programme Verwertungsrechte eingeräumt worden seien.

[12] Der Oberste Gerichtshof hat einerseits über die Revision der Klägerin zu entscheiden, mit der diese im Wesentlichen die Klagestattgebung auch in Ansehung des im angefochtenen Berufungsurteil abgewiesenen Teilbegehrens anstrebt, andererseits über die Revisionen der Beklagten sowie zweier Nebenintervenientinnen, die jeweils auf die vollständige Abweisung der Klage abzielen.

[13] IV. Rechtsgrundlagen

[14] Art 1 Abs 2 Richtlinie 93/83/EWG lautet:

a) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ die Handlung, mit der unter der Kontrolle

b) Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

c) Sind die programmtragenden Signale kodiert, so liegt eine öffentliche Wiedergabe über Satellit unter der Voraussetzung vor, daß die Mittel zur Dekodierung der Sendung durch das Sendeunternehmen selbst oder mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

d) Findet eine öffentliche Wiedergabe über Satellit in einem Drittstaat statt, in dem das in Kapitel II vorgesehene Schutzniveau nicht gewährleistet ist, so gilt folgendes:

i) Werden die programmtragenden Signale von einer in einem Mitgliedstaat gelegenen aussendenden Erdfunkstation an den Satelliten geleitet, so gilt, daß die öffentliche Wiedergabe über Satellit in diesem Mitgliedstaat stattgefunden hat, und die in Kapitel II vorgesehenen Rechte sind gegenüber der Person ausübbar, die die aussendende Erdfunkstation betreibt.

ii) Wenn keine in einem Mitgliedstaat gelegene aussendende Erdfunkstation verwendet wird, ein in einem Mitgliedstaat niedergelassenes Sendeunternehmen die öffentliche Wiedergabe jedoch in Auftrag gegeben hat, so gilt, daß die Wiedergabe in dem Mitgliedstaat stattgefunden hat, in dem das Sendeunternehmen seine Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft hat, und die in Kapitel II vorgesehenen Rechte sind gegenüber dem Sendeunternehmen ausübbar.

[15] Art 9 Richtlinie 93/83/EWG lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, da

(2) Hat ein Rechtsinhaber die Wahrnehmung seiner Rechte keiner Verwertungsgesellschaft übertragen, so gilt die Verwertungsgesellschaft, die Rechte der gleichen Art wahrnimmt, als bevollmächtigt, seine Rechte wahrzunehmen. Nimmt mehr als eine Verwertungsgesellschaft Rechte dieser Art wahr, so steht es dem Rechtsinhaber frei, unter

(3) Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, da

[16] Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich

[17] § 17b (österreichisches) UrhG lautet:

(1) Im Fall der Rundfunksendung über Satellit liegt die dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung in der unter der Kontrolle und Verantwortung des Rundfunkunternehmers vorgenommenen Eingabe der programm

(2) Findet die in Abs. 1 bezeichnete Eingabe in einem Staat statt, der kein Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums ist und in dem das in Kapitel II der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften

1. in dem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Erdfunkstation liegt, von der aus die programmtragenden Signale zum Satelliten geleitet werden;

2. wenn die Voraussetzung nach Z 1 nicht vorliegt, in dem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Haupt

(3) In den Fällen des Abs. 2 gilt das Betreiben der Erdfunkstation beziehungsweise die Auftragserteilung zur Eingabe im Sinn des Abs. 1 als Sendung im Sinn des § 17 Abs. 1.

[18] § 59a UrhG lautet:

(1) Das Recht, Rundfunksendungen von Werken einschließlich solcher über Satellit zur

(2) Rundfunksendungen dürfen zu einer Weitersendung im Sinn des Abs. 1 benutzt werden, wenn der weitersendende Rundfunkunternehmer die Bewilligung dazu von der zuständigen Verwertungsgesellschaft (§ 1 Verwertungsgesellschaftengesetz 2006) erhalten hat. Mit Beziehung auf diese Bewilligung

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten jedoch nicht, soweit das Recht zur Weitersendung im Sinn des Abs. 1 dem Rundfunkunternehmer, dessen Sendung weitergesendet wird, zusteht.

Rechtliche Beurteilung

[19] V. Vorlagefragen

[20] 1. Der hier in Rede stehende Übertragungsvorgang ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichts – auch unter Bedachtnahme auf die gebotene technologieneutrale Auslegung des § 59a UrhG (dazu 4 Ob 89/08d, ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00089.08D.0826.000) – funktionell einer integralen Kabelweiterverbreitung nicht gleichzuhalten.

[21] 1.1. Für das Weiterverbreiten ist entscheidend, dass die vom Erstsender öffentlich ausgestrahlten programmtragenden Sendesignale vom Weitersender (Zweitsender) empfangen und als Betreiber eines Rundfunknetzes über das eigene Netz an seine Kunden weitergeleitet werden, wodurch ein neues Publikum erschlossen wird, das sonst in der konkreten Situation keinen Zugang zu den Rundfunksendungen hätte (4 Ob 124/18s, ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00124.18S.0823.000). Die Bestimmung des § 59a Abs 1 UrhG erfordert damit zunächst eine vorgelagerte Rundfunksendung, die zur Weitersendung übernommen wird (RS0076975 ECLI:AT:OGH0002:1986: RS0076975).

[22] 1.2. Vor dem Hintergrund der Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen zum technischen Vorgang der Übertragung des verschlüsselten Sendesignals, der gleichsam auf ein bloßes „Mitreisen“ der beklagten Satellitenbouquet-Anbieterin mit dem einheitlichen Sendesignal des jeweiligen Sendeunternehmens hinausläuft, kann im vorliegenden Fall aber nicht davon gesprochen werden, dass die Tätigkeit der Beklagten dem nachgeschalteten Betrieb eines eigenständigen Rundfunknetzes gleichkommt.

[23] 1.3. Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rs C-431/09 und C-432/09, Airfield, die ebenfalls die Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters zum Gegenstand hatte, zur Frage einer allfälligen Kabelweiterverbreitung gemäß Art 9 Satelliten-RL nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat. Allerdings kommt die Entscheidung mit Blick auf das auch hier maßgebliche technische Verfahren der Signalverschlüsselung unter Beiziehung eines solchen Satellitenbouquet-Anbieters doch zum Schluss, dass es im Zuge der Signalübertragung gerade zu keiner Unterbrechung der Kommunikationskette kommt und von einer einzigen und unteilbaren öffentlichen Wiedergabe über Satellit auszugehen ist (vgl insb Rn 61, 69).

[24] 1.4. Wenn der Bouquet-Anbieter im Rahmen seiner Tätigkeit folglich als Teilnehmer neben dem Sendeunternehmen bloß an der ursprünglichen Satellitensendung mitwirkt (so im Ausgangspunkt auch Walter, Anm zu EuGH C-431/09 und C-432/09, MR-Int 2012, 70 [76]), kann er aber schon aus diesem Grund nicht als „Weitersender“ im oben dargelegten Sinn qualifiziert werden.

[25] Zur ersten Vorlagefrage:

[26] 2.1. Ausgehend von dieser Annahme und der weiteren Erwägung des vorlegenden Gerichts, dass der Beklagten – entgegen ihrem auch noch im Revisionsverfahren aufrecht erhaltenen Rechtsstandpunkt – der ihr obliegende Nachweis einer auch auf ihre Nutzungshandlungen bezogenen Rechteeinräumung durch die jeweiligen Rechteinhaber in den Sendestaaten nur in Bezug auf einen kleinen Teil der in ihren Senderpaketen zusammengefassten TV-Programme gelungen ist, hängt die im vorliegenden Fall zu treffende Entscheidung folglich von der Frage ab, ob die Beklagte überhaupt durch die angesprochene Mitwirkung an der Satellitensendung neben dem jeweiligen Sendeunternehmen zum Zweck der Bereitstellung des Satelliten-Bouquets für ihre österreichischen Kunden eine Verwertungshandlung im Empfangsstaat gesetzt hat.

[27] 2.2. Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen (die insoweit der Argumentation der Klägerin folgen) lasse sich aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Rs C-431/09, C-432/09, Airfield, und C-403/08, C-429/08, Premier League, sowie unter Bedachtnahme auf die noch vor der Satelliten-RL ergangene Entscheidung in der Rs C-62/79, Coditel I, ableiten, dass in Fällen, in denen Vermarkter an der öffentlichen Wiedergabe über Satellit teilhaben bzw sich an die eigenständige Erstverwertung „anhängen“, aber einen eigenen Kundenkreis bedienen, zu prüfen sei, ob der Vermarkter im Sendeland eine Bewilligung für sein Angebot eingeholt habe. Werde dies verneint, sei sodann zu prüfen, ob das Rundfunkunternehmen, das den Uplink vornehme, über eine Erlaubnis verfüge, dem Vermarkter die eigenständige Vermarktung zu bewilligen, und wenn ja, ob eine solche Bewilligung auch tatsächlich erfolgt sei. Mangels Bewilligung im Sendeland gelte unverändert und trotz des Sendelandprinzips, dass der Weiterverbreiter dafür verantwortlich sei, im Empfangsstaat die Bewilligung einzuholen, denn dort wirke sich die entgeltliche Vermarktung der geschützten Inhalte wirtschaftlich zu seinen Gunsten aus. Verfüge der Vermarkter (wie im vorliegenden Fall) über keine Erlaubnis, dann verletze er im Empfangsstaat das dort geltende materielle Recht. Diese Rechtsprechung habe der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rs C-325/14, SBS Belgium, weiterentwickelt, wo er neuerlich auf jenen Ort abstelle, an dem faktisch die wirtschaftliche Verwertung des Zugangs zum Werk stattfindet und der Vermarkter Erlöse lukriert. Der Gerichtshof der Europäischen Union berücksichtige, wo sich die konsenslose Verwertung faktisch erstmals auswirke, und gehe davon aus, dass die entgeltliche Zugangsvermittlung nach dem materiellen Recht des Empfangsstaats – und nicht des Sendelands – zustimmungspflichtig sei.

[28] 2.3. Das vorlegende Gericht geht demgegenüber davon aus, dass die angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union die daraus von den Vorinstanzen gezogenen Schlüsse in Bezug auf die Reichweite des Sendelandprinzips nicht zu tragen vermögen:

[29] 2.3.1. In der Entscheidung C-431/09 und C-432/09, Airfield, hatte sich der Gerichtshof der Europäischen Union zwar mit einem Satellitenbouquet-Anbieter wie der Beklagten zu beschäftigen. Er kam dabei zum Schluss, dass ungeachtet der Aufbereitung des vom Sendeunternehmen übertragenen Signals durch den Bouquet-Anbieter eine unteilbare und einheitliche Sendehandlung vorliege; mache der Bouquet-Anbieter durch seine eigenständige Dienstleistung im Rahmen der Wiedergabe über Satellit die geschützten Werke einem Publikum zugänglich, das zu dem Zielpublikum des Sendeunternehmens hinzutrete, benötige er für dieses neue Publikum die Erlaubnis der Inhaber der betroffenen Rechte. Da es sich um einen reinen Binnensachverhalt handelte, musste der Gerichtshof aber nicht dazu Stellung nehmen, welcher Rechteinhaber in welchem Staat dazu befugt ist, die jeweiligen Rechte einzuräumen bzw bei unterbliebener Rechteeinholung Ansprüche aufgrund einer dennoch erfolgten Verwertungshandlung zu erheben.

[30] 2.3.2. Ebenso wenig hatte sich der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rs C-403/08 und C-429/08, Premier League, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei Satellitensendungen, die vom Sendestaat aus in einen anderen (Empfangs-)Staat übertragen werden, dem Rechteinhaber im Empfangsstaat eine Rechtsdurchsetzung bei konsenslosen Verwertungshandlungen seitens des Sendeunternehmens oder eines Teilnehmers an der Übertragung möglich ist. Im Ausgangsverfahren ging es um britische Betreiber von Gastwirtschaften, die – ohne ein Abonnement mit der Inhaberin der Exklusivrechte für die Live-Übertragungen abzuschließen – das Satellitensignal betreffend Fußballspiele der Premier League durch eine ausländische Decodiervorrichtung entschlüsselten und auf diese Weise in ihren Betrieben den Gästen Zugang zu diesen Übertragungen verschafften (vgl Rn 36 ff). Die Rechtsverletzung erfolgte somit zweifellos durch öffentliche Wiedergabe im Sendestaat selbst.

[31] 2.3.3. Der Verweis in der Rs C403/08 und C429/08, Premier League, auf die ältere, vor der SatellitenRL ergangene Entscheidung C62/79, Coditel I, erfolgte in Zusammenhang mit der Frage der Rechtfertigung von Beschränkungen der freien Erbringung von Rundfunkdiensten (vgl Rn 94, 117 ff). Eine – für das Ausgangsverfahren rechtlich gar nicht maßgebliche – Aussage betreffend den Ort der Rechtsverletzung bzw die Anspruchsberechtigung des Rechteinhabers im Empfangsstaat bei einer mit verschlüsseltem Signal über Landesgrenzen hinaus ausgestrahlten Satellitensendung wollte der Gerichtshof der Europäischen Union damit augenscheinlich nicht treffen. Darüber hinaus betraf auch die Entscheidung C62/79, Coditel I, eine Fallkonstellation, die mit der hier vorliegenden nichts zu tun hat: Darin gelangte der Gerichtshof der Europäischen Union zur Auffassung, dass ein Verwertungsberechtigter, dem der Vertrieb eines Films zeitlich versetzt zuerst in Kinos und dann im Fernsehen für das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeräumt wurde, aufgrund dieser Vorführungsrechte einem Kabelfernsehbetreiber untersagen kann, das Filmwerk, das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig ausgestrahlt wurde, auf dem Gebiet des Mitgliedstaats des Verwertungsberechtigten (noch während der Zeit der Kinoaufführungen) im Fernsehen zu senden. Es ging also wiederum nicht um eine Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken durch eine von einem anderen als dem Empfangsstaat ausgehende Rundfunkübertragung, weiters nicht einmal um eine Satellitenübertragung, sondern um eine Kabelweiterverbreitung.

[32] 2.3.4. Schließlich brachte auch die Entscheidung C325/14, SBS Belgium, für die hier maßgebliche Frage keine Klärung: Entgegen der Annahme der Vorinstanzen traf der Gerichtshofs der Europäischen Union in dieser Entscheidung keine Aussage dahingehend, dass (hinsichtlich der Rechtsverletzung des Vermarkters) auf jenen Ort abzustellen sei, an dem faktisch die wirtschaftliche Verwertung des Zugangs zum Werk stattfindet und der Vermarkter Erlöse lukriert, bzw dass zu berücksichtigen sei, wo sich die konsenslose Verwertung erstmals auswirkt. Ebenso wenig ist in dieser Entscheidung davon die Rede, dass die entgeltliche Zugangsvermittlung nach dem materiellen Recht des Empfangsstaats (und nicht des Sendestaats) zustimmungspflichtig sei. Tatsächlich ging die Entscheidung auf den angesprochenen Themenkreis überhaupt nicht ein; sie betraf ein Rundfunkunternehmen, das seine Sendetätigkeit von keinem anderen Staat als vom Empfangsstaat aus entfaltete.

[33] 2.4. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die hier entscheidende Frage, ob bei einer grenzüberschreitenden Satellitenübertragung mit Signalverschlüsselung ein Rechteinhaber im Empfangsstaat gegen einen Satellitenbouquet-Anbieter Ansprüche aus konsenslosen Verwertungshandlungen stellen kann, in den angesprochenen Entscheidungen weder zu klären hatte noch dazu obiter Stellung bezog. Auch in anderen Entscheidungen findet sich, soweit ersichtlich, keine Stellungnahme zum Problemkreis, die die Rechtsauffassung der Vorinstanzen stützen könnte.

[34] 2.6. Abgesehen davon hat der Senat auch inhaltliche Bedenken gegen die dargelegte Rechtsansicht der Vorinstanzen.

[35] 2.6.1. Nach überwiegender Auffassung ist das in Art 1 Abs 2 lit b Satelliten-RL statuierte – in Österreich in § 17b Abs 1 UrhG umgesetzte – Sendelandprinzip nicht als (primär) kollisionsrechtliche Regelung zu verstehen; vielmehr handle es sich um eine sachrechtliche Festlegung über den Ort der Sendehandlung im Fall von Satellitensendungen aus dem Gebiet der EU bzw des EWR (vgl BGH , I ZR 75/10, Oscar, NJW-RR 2012, 943; weiters statt vieler Walter, Anm zu OGH 4 Ob 137/16z, MR 2017, 273 [277]; ders in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts3 [2021] § 64 Rz 132 mwN zum Diskussionsstand; Schack, Internationale Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrechtsverletzungen im Internet - Internationales Privatrecht, MMR 2000, 59 [63]; ders, Europäisches Urheberrecht im Werden, ZeuP 2000, 799 [814]; Sutterer, Prozessuale Bedeutung des europäischen Sendelandprinzips – Anmerkung zu OLG Wien, ZUM-RD 2017, 301 [307]; Drexl in MüKomm zum BGB7 XII [2018] IntImmGR Rz 128 mwN; aA etwa Mankowski in MüKomm zum UWG2 I [2020] Internationales Wettbewerbs- und Wettbewerbsverfahrensrecht Rz 104; offen gelassen in 4 Ob 137/16z, ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00137.16Z. 0221.000; krit Anzenberger in ÖBl 2017/79). Durch diese Verortung der Nutzungshandlung im Sendestaat solle erreicht werden, dass sich das Sende- bzw Rundfunkunternehmen bei Satellitensendungen die Rechte für die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur für den Sendestaat einräumen lassen muss und es gleichzeitig zu keiner Verletzung von Urheberrechten in den Empfangsstaaten kommen kann (Drexl in MüKomm zum BGB7 XII [2018] IntImmGR Rz 128; idS auch Lusser/Krassnigg-Kulhavy in Kucsko/Handig, urheber.recht2§ 17b UrhG Rz 13).

[36] 2.6.2. Schließt man sich dieser mehrheitlich vertretenen dogmatischen Einordnung des Sendelandprinzips an, sprechen gute Gründe dafür, nicht nur die Nutzungshandlung des eigentlich für die Satellitensendung verantwortlichen Rundfunkunternehmens ausschließlich im Uplink-Staat zu lokalisieren, sondern auch jene des Satellitenbouquet-Anbieters. So wirkt nach der bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union C431/09 und C432/09, Airfield, der Bouquet-Anbieter im Zuge seiner Tätigkeit neben dem Sendeunternehmen bloß an der ursprünglichen, einheitlichen und einzigen Satellitensendung mit (vgl insb Rn 61, 69; diesen Aspekt herausstreichend etwa auch Walter, MRInt 2012, 76; ders, Diskussionsentwurf für eine Teilrevision des UrhG anlässlich der Umsetzung der Online-ÜbertragungsRL und der BinnenmarktRL, MR 2020 H 3 Beilage, 1 [9 Fn 76] sowie Lusser/Krassnigg-Kulhavy in Kucsko/Handig, urheber.recht2§ 59a UrhG Rz 68, die jeweils im Ergebnis darauf verweisen, dass der Bouquet-Anbieter nach diesem Ansatz Teilnehmer [Mittäter] in Ansehung der „Erstsendung“ sei; idS erkennbar auch Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz6 [2018] § 20a UrhG Rz 13 f).

[37] 2.6.3. Wenn nun aber das Sendeunternehmen und der Satellitenbouquet-Anbieter als (Mit-)Verantwortliche für eine einheitliche Sendehandlung anzusehen sind, liegt die Annahme nahe, dass beide erforderlichenfalls dort die Zustimmung des jeweiligen Rechtsinhabers einzuholen haben, wo die Eingabe des Satellitensignals erfolgt, kann doch ein- und dieselbe Sendung denklogisch nicht einerseits – bezogen auf das Sendeunternehmen – ausschließlich im Sendestaat stattfinden, andererseits jedoch – bezogen auf den beteiligten Bouquet-Anbieter – (auch) im Empfangsstaat. Konsequenterweise wäre dann aber bei unterbliebener Zustimmung zur Werknutzung eine allenfalls rechtswidrige Verwertungshandlung ausschließlich im Sendestaat erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob die fehlende Einwilligung in die Werknutzung das Sendeunternehmen betrifft oder den beteiligten Bouquet-Anbieter.

[38] 2.7. Geht man von der dargelegten Rechtsauffassung aus, wäre die Rechtsdurchsetzung aufgrund allenfalls zustimmungsbedürftiger Verwertungshandlungen der Beklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Satellitenbouquet-Anbieterin ausschließlich dem Rechteinhaber im Sendestaat vorbehalten, zumal der Klägerin auch keine exklusiven Rechte am Repertoire des jeweiligen Rechteinhabers im Sendestaat zukommen und eine Forderungsabtretung nicht erfolgt ist.

[39] Dieses Ergebnis ist allerdings nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht derart zwingend, dass vom Fehlen jeglichen Auslegungszweifels („acte clair“) ausgegangen werden kann.

[40]

[41] 3.1. Folgt allerdings aus dem Sendelandprinzip nicht, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der an der einheitlichen Sendehandlung des Sendeunternehmens bloß als Mittäter teilnimmt, (allenfalls konsenslose) Verwertungshandlungen nur im UplinkStaat und nicht (auch) im Empfangsstaat setzt, stellt sich in der Folge die Frage, inwieweit den konkreten Nutzungshandlungen der beklagten Bouquet-Anbieterin durch das Erreichen einer neuen Öffentlichkeit urheberrechtliche Relevanz zukommt. Die vom vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung hängt in diesem Fall von der Frage ab, ob es (ausgehend von den in den Entscheidungen des EuGH in den Rs C431/09 und C432/09, Airfield, und C325/14, SBS Belgium, dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen zur Schaffung eines „neuen Publikums“) einen rechtlich relevanten Unterschied macht, wenn ein Bouquet-Anbieter in seinem für Abonnenten eigens zusammengestellten Senderbouquet neben PayTV auch FreeTV-Angebote bereitstellt. Zu bedenken ist dabei, dass Abonnenten hinsichtlich dieser verschlüsselten HD-Signale von FreeTV-Programmen ohnedies Zugang zu solchen geschützten Werken erhalten, die im Sendegebiet bereits für jedermann (wenngleich in schlechterer SDQualität) frei nutzbar sind, sodass eine über das Zielpublikum des Sendeunternehmens hinausgehende Öffentlichkeit gar nicht erreicht wird.

[42] 3.2. Die Vorinstanzen lehnen im Anschluss an die Argumentation der Klägerin eine solche Differenzierung ab, und zwar nicht nur wegen des Umstands, dass die geschützten Werke den Abonnenten der Beklagten exklusiv in besserer HD-Qualität zugänglich gemacht werden, sondern vor allem auch deshalb, weil die Beklagte, die für Endkunden ein eigenständiges, selbst zusammengestelltes Paketangebot schaffe, im Verhältnis zu den Sendeunternehmen nicht als bloßer technischer Dienstleister, sondern in autonomer Stellung auftrete.

[43] 3.3. In die selbe Richtung deuten auch verschiedene jüngere Stellungnahmen im Schrifttum. So lassen etwa Frhr. Raitz von Frentz/Masch (Öffentlichkeit trotz Verschlüsselung – Auch die Weitersendung verschlüsselter Sendesignale ist nur mit Zustimmung der Rechteinhaber zulässig, ZUM 2020, 212 [215]) erkennen, dass aus ihrer Sicht eine Differenzierung zwischen Pay- und FreeTV nicht geboten ist. Von der Zustimmungsbedürftigkeit ausgenommen seien nämlich nur die rein technischen Dienstleistungen, wobei nach der angesprochenen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich sei, dass der betreffende Dienstleister „nicht in autonomer Stellung zum Sendeunternehmen“ stehe und die Verbreitungsleistung rein technischer Natur sei. Die gewillkürte Übermittlung programmtragender, verschlüsselter Sendesignale durch einen Netzbetreiber, der eigenverantwortlich handle und damit in autonomer Stellung zum Sendeunternehmen stehe, sei dagegen stets eine zustimmungsbedürftige Wiedergabe gemäß Art 3 Abs 1 InfoRL, wenn der Empfängerkreis eine Öffentlichkeit ist.

[44] Auch Peukert (Die Bedeutung der „AKM“Entscheidung des EuGH für das Recht der Kabelweitersendung in Deutschland, ZUM 2017, 881 [886]) geht unter Verweis auf die Entscheidung Rs C325/14, SBS Belgium, Rn 32, davon aus, dass Bouquet-Anbieter, die Abonnementverträge über den Zugang zu verschlüsselten Sendern anbieten, ganz allgemein – und offenbar unabhängig vom spezifischen Inhalt des Senderpakets – von Verteilern abzugrenzen seien, die Verbreitungsdienstleistungen rein technischer Natur erbringen. Den Paketanbietern, die nach eigener Entscheidung mehrere Programme verschiedener Sendeunternehmen in einem eigenständigen Produkt bündelten und mit ihren Kunden einen Vertrag gerade über dieses Produkt abschlössen, komme nämlich eine autonome Stellung zu, die sie zwischen Sendeunternehmen und Zuschauern ausüben. Walter (MR 2017, 278) zieht schließlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgenden Schluss: Indem der Gerichtshof (ergänzend) auf die mit dem Anbieten von Senderpaketen gewöhnlich verbundene Gewinnerzielungsabsicht und den Umstand abstelle und damit insoweit ein „Mehrwert“ erzielt werde, als mehrere Programme verschiedener Sendeunternehmen (eben in der Form eines „Bouquets“) angeboten werden, nähere er sich bereits der Auffassung an, dass solche interventionistischen Dienstleistungen selbstständiger Unternehmer für sich genommen als Akt der öffentlichen Wiedergabe angesehen werden könnten (idS wohl auch GA Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen vom zu C682/18 und C683/19, Rn 75 [Fn 53] sowie Rn 88 [Fn 72]).

[45] 3.4. Auch dieses Verständnis ist aber nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht zwingend, entfernt es sich doch im Ergebnis von der grundsätzlichen Festlegung seitens des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Entscheidung C-431/09 und C-432/09, Airfield, wo er (unter Verweis auf bereits früher ergangene Entscheidungen zu Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG; vgl ua Rs C-306/05, SGAE, Rn 40, 42) gerade mit Blick auf einen Satellitenbouquet-Anbieter aussprach, dass jede Person eine eigenständige Erlaubnis des Inhabers der betroffenen Rechte benötige, die während einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit in der Weise als „weiterer Akteur“ tätig werde, dass sie die geschützten Werke mittels der betreffenden Wiedergabe einem größeren Publikum zugänglich mache als dem Zielpublikum des betreffenden Sendeunternehmens, dh einem (neuen) Publikum, an das die Urheber der geschützten Werke nicht gedacht haben, als sie dem Sendeunternehmen die Erlaubnis zur Nutzung dieser Werke erteilt haben (vgl Rn 72, 76 f). Dies sah der Gerichtshof im Hinblick auf das entscheidungsgegenständliche Pay-TV-Programmangebot des Anbieters Airfield als gegeben an, könnten doch die betreffenden Abonnenten ohne dessen Tätigkeit die gesendeten Werke nicht nutzen, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhalten.

[46] 3.5. Hält man die Bereitstellung geschützter Werke für ein neues Publikum tatsächlich für ein entscheidendes Kriterium, muss wohl (entsprechende dem Prozessstandpunkt der Beklagten) konsequenterweise anderes gelten, sofern – wie im vorliegenden Fall – Kunden des Bouquet-Anbieters bloß Zugang zu geschützten Inhalten in Free-TV-Programmen in verbesserter audiovisueller Qualität (HD) ermöglicht wird, die im Sendegebiet ohnedies bereits aufgrund der Sendetätigkeit der Sendeunternehmen (in SD-Qualität) frei nutzbar sind. Allein der Umstand, dass die Beklagte nicht bloß eine Gebühr für die technische Abwicklung einhebt, sondern als autonome Anbieterin eines eigenständigen audiovisuellen Produkt in Erscheinung tritt, vermag dann für sich genommen die Annahme nicht zu tragen, dass durch die Tätigkeit der Beklagten eine neue Öffentlichkeit erreicht wird.

[47] VI. Verfahrensrechtliches

[48] Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Solche Zweifel liegen hier vor.

Zu C.

[49] Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Verfahren über das Rechtsmittel des Klägers gemäß § 90a Abs 1 GOG zu unterbrechen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00195.20K.0420.000

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