OGH vom 15.06.2016, 7Ob114/15p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W. *****gesellschaft m.b.H., 2. W***** W*****, beide vertreten durch WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen 23.111,88 EUR sA (erstbeklagte Partei) und 44.745,81 EUR sA (zweitbeklagte Partei), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 2/15h 69, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 40 Cg 201/09y 62, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht im Umfang der Abweisung eines Betrags von 144,57 EUR sA als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sind, aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Text
Begründung:
Im Zuge der Generalsanierung einer Volksschule im Jahr 2001 wurde auf dem Gebäudedach ein Hartplatz errichtet. Die Stadt Wien hatte die Klägerin mit der Herstellung der Metallsteher des Ballfangnetzes beauftragt. Die Klägerin ließ diese Arbeiten „in sub“ vom Zweitbeklagten ausführen. Mängel bei der Ausführung dieses Werks hatten zur Folge, dass es zur Beschädigung der Dachisolierung und dadurch zu einem Wassereintritt in das Gebäude kam.
Zu AZ 41 Cg 68/04i des Erstgerichts begehrte die Stadt Wien (dort Klägerin) von der (nunmehrigen) Klägerin (dort Beklagten) 22.868,99 EUR sA an Schadenersatz mit der wesentlichen Behauptung, die Montage der Metallsteher sei planwidrig und nicht fachgerecht erfolgt. Die Klägerin und der Zweitbeklagte (dort deren Nebenintervenient) wandten zusammengefasst ein, dass die Arbeiten fachgerecht und auftragsgemäß durchgeführt worden und für die Beschädigung der Isolierung nicht kausal gewesen seien. Die Stadt Wien habe ein wesentliches Mitverschulden wegen Planungsfehlern zu vertreten. Weiters hielt die Beklagte dem Klagebegehren eine Gegenforderung von 7.070,40 EUR für eigene Kosten aufrechnungsweise entgegen.
Das Berufungsgericht erkannte in jenem Verfahren mit rechtskräftigem Urteil vom , GZ 1 R 125/08x 91, ausgehend von einem Mitverschulden der Stadt Wien von 50 % die Klagsforderung als mit 9.326,73 EUR zu Recht, die eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend, und verpflichtete die (nunmehrige) Klägerin zur Zahlung von 9.326,73 EUR sA. Das Mehrbegehren wies ab.
Jener Entscheidung lag in tatsächlicher Hinsicht zusammengefasst zu Grunde:
Der Zweitbeklagte (dort Nebenintervenient) führte die Verankerung der Steher anders aus als vom Architekten vorgegeben. Die Bohrungen an der Befestigung sind über der Norm groß, wodurch Schiefstellungen ermöglicht werden, die das Eindrücken der Kanten der Montageplatten unter den Steherfüßen auf die Abdichtung bedingen. Auch das Einbetonieren des Steherfußes war nicht geplant. Ein lege artis einbetonierter Steherfuß hätte keinen Kontakt zur Abdichtung haben dürfen. Die vom Zweitbeklagten (dort Nebenintervenient) gewählte Ausführung wurde von der Isolierfirma vor den Betonierarbeiten als bedenklich und für allfällige Schäden kausal eingestuft. Weder die örtliche Bauaufsicht noch die Klägerin (dort Beklagte) noch der Zweitbeklagte (dort Nebenintervenient) ergriffen jedoch Maßnahmen. Der Stadt Wien (dort Klägerin) entstanden für die Behebung der Schäden Kosten von 28.103,55 EUR, wovon sie 9.450,09 EUR aus einer von der Klägerin (dort Beklagten) gelegten Bankgarantie zog.
Die Klägerin bezahlte am einen Betrag von 31.798 EUR an die Vertreterin der Stadt Wien gewidmet für „das Verfahren 41 Cg 68/04i“.
Der Zweitbeklagte hat im Jahr 2003 sein Einzelunternehmen in die Erstbeklagte eingebracht; er ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagten.
Die Klägerin begehrte im nunmehrigen Verfahren zunächst 43.570,09 EUR sA resultierend aus an die Stadt Wien geleisteten Prozesskosten und Schadenersatz aufgrund des Vorprozesses sowie eigenen Prozess und Schadensbehebungskosten. Nach Modifikationen des Klagebegehrens waren zuletzt strittig:
Zuspruch an die Stadt Wien im Vorprozess EUR 11.316,43
(davon kapitalisierte Zinsen EUR 1.989,70)
bezahlte weitere Schadensbehebungskosten EUR 4.725,05
Eigenleistungen zur Schadensbehebung EUR 7.070,40
Summe gegen Erstbeklagte EUR 23.111,88
eigene Kosten im Vorprozess EUR 20.458,11
Kosten eines Berichtigungsverfahrens
im Vorprozess EUR 1.175,72
Summe gegen Zweitbeklagten EUR 44.745,81
Der Zweitbeklagte habe mit seinem Beitritt als Nebenintervenient im Vorprozess den Regressanspruch der Klägerin anerkannt. Zufolge Bindungswirkung des Vorprozesses stehe fest, dass der Zweitbeklagte den Schaden alleine verursacht habe. Die Erstbeklagte hafte aufgrund der Übernahme des Unternehmens des Zweitbeklagten gemäß § 1409 ABGB mit diesem solidarisch.
Die Beklagten machten geltend, dass der Zweitbeklagte den Schaden nicht kausal, jedenfalls aber nicht adäquat verursacht habe. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, weil sie die konkreten Arbeitsabläufe, insbesondere die bewegliche Ausführung der Steher, vorgegeben habe, von den Plänen der Stadt Wien abgewichen sei, falsche Teile geliefert und diese unrichtig vormontiert habe. Die der Klägerin zuzurechnende W***** GmbH habe den Schaden mitverschuldet. Die Klägerin habe im Vorprozess eine Revision unterlassen. Die Forderung sei zumindest gegenüber der Erstbeklagten, die am Vorprozess nicht beteiligt gewesen sei, verjährt. Die Beklagten wandten überdies die eigenen Kosten des Vorprozesses mit 15.823,29 EUR aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten als mit 7.138,47 EUR (Teil der Judikatsschuld) und gegenüber dem Zweitbeklagten als mit 40.423,27 EUR (Gesamtbetrag abzüglich eines Teils von nicht zur Rechtsverfolgung notwendigen Prozesskosten) zu Recht, die Gegenforderung der Beklagten als nicht zu Recht bestehend, verpflichtete die Erstbeklagte zur Zahlung von 7.138,47 EUR sA, den Zweitbeklagten zur Zahlung von 40.423,27 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab. Die Haftung der Beklagten resultiere aus der Bindungswirkung des Vorprozesses. Die Verjährungseinrede des Zweitbeklagten sei aufgrund eines von ihm abgegebenen Verjährungsverzichts nicht berechtigt. Der Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens greife angesichts des im Vorprozess durchgeführten Berichtigungsverfahrens nicht. Gegenüber der Erstbeklagten bestehe mangels Streitverkündung keine Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess. Den Verjährungsverzicht des Zweitbeklagten müsse die Erstbeklagte nicht gegen sich gelten lassen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, der Berufung der Klägerin teilweise Folge und verpflichtete unter Abweisung des Mehrbegehrens die Erstbeklagte zur ungeteilten Hand mit der Zweitbeklagten zur Zahlung von 11.316,43 EUR sA (Judikatschuld aus dem Vorprozess mit Korrektur eines Rechenfehlers) sowie den Zweitbeklagten zur Zahlung von 44.601,24 EUR sA. Die Abweisung eines Betrags von 144,57 EUR sA blieb unbekämpft. Die Minderung des Zuspruchs gegen die Erstbeklagte mit der Begründung, die Klägerin habe zumindest zur Hälfte einen Werklohnanspruch gegen die Stadt Wien, sei nicht geboten, weil auch diese Werklohnforderung der Klägerin im Vorprozess rechtskräftig aberkannt worden sei. Vorbringen zur Mitverantwortlichkeit eines anderen von der Stadt Wien beauftragten Unternehmers sei rechtlich unerheblich. Der Verjährungseinwand sei nicht stichhältig, weil der Verfahrensstillstand auf einem Gerichtsfehler beruhte. Der Regressanspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten ergebe sich aus § 1313 Satz 2 ABGB.
Das Berufungsgericht sprach – mit Wirksamkeit nur für die Zweitbeklagte – aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht zu lösen gewesen seien.
Betreffend die Erstbeklagte änderte das Berufungsgericht über Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO seinen Zulässigkeitsausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erklärte, weil die Erstbeklagte in ihrem Abänderungsantrag grundsätzliche Fragen des Regresses zwischen Geschäftsherrn und Erfüllungsgehilfen (§ 1313 Satz 2 ABGB,§ 896 ABGB) aufwerfe, wozu jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung der Klagebegehren; hilfsweise stellen die Beklagten auch einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin erstattete eine Revisions-beantwortung mit dem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag berechtigt, weil die Vorinstanzen den Umfang der Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess verkannt haben.
I. Aktenwidrigkeit:
Die Beklagten machen (auch) unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit geltend, das Berufungsgericht habe die Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess verkannt. Allerdings wird die fälschliche Annahme einer Bindungswirkung in der Rechtsprechung als Fall eines auch in dritter Instanz wahrnehmbaren Stoffsammlungsmangels (RIS Justiz RS0042963 [T35]), als Mangel des Berufungsverfahrens selbst (vgl 1 Ob 35/02g) oder als Ursache für sekundäre Feststellungsmängel angesehen und damit dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zugeordnet (5 Ob 220/10d mwN; 5 Ob 253/11h). Eine Aktenwidrigkeit wird damit nicht begründet (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:
Die Beklagten sind der Ansicht, das Berufungsgericht habe – wiederum wegen Verkennung der Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess – eine in ihrer Berufung ausgeführte Beweisrüge zu ergänzenden Feststellungen über die Verantwortlichkeit der Klägerin für den von der Stadt Wien geltend gemachten Montagefehler nicht erledigt. Damit machen aber die Beklagten, wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, sekundäre Feststellungsmängel geltend, die der Rechtsrüge zuzuordnen sind (RIS Justiz RS0043304 [T6]) und daher keinen Mangel des Berufungsverfahrens begründen.
III. Unrichtige rechtliche Beurteilung:
1. Verjährung:
Vorauszuschicken ist, dass die Beklagten die Frage der Verjährung in ihrer Revision nicht mehr aufgreifen. Auf diese rechtlich selbstständige Frage ist daher nicht (mehr) einzugehen (vgl dazu RIS Justiz RS0041570 [insb T 8 und T 12]; RS0043338; 5 Ob 193/08f mwN; 5 Ob 148/07m mwN; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 503 ZPO Rz 189 f mwN).
2. Mangel- und Schadensbehebungskosten – Regress:
2.1. Betreffend die von der Klägerin geltend gemachten Mangel und Schadensbehebungskosten gehen die Beklagten zusammengefasst davon aus, dass dieser Anspruch der Klägerin, gleichgültig ob er sich auf die Verletzung des zwischen ihr und dem Zweitbeklagten bestandenen Vertrags oder eine bislang nicht konkretisierte deliktische Schädigung der Stadt Wien durch den Zweitbeklagten gründe, nur im Fall einer vom Zweitbeklagten zu vertretenden fehlerhaften Erfüllung des Vertrags mit der Klägerin berechtigt sein könnte. Ob diese Voraussetzung vorliege oder ob demgegenüber – wie von den Beklagten behauptetet – der Montagefehler von der Klägerin zu vertreten sei, hätten die Vorinstanzen wegen Verkennung der Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess, ungeprüft gelassen.
2.2. Die Klägerin verweist auf die Entscheidung 8 Ob 6/14m, sieht demnach hier – im Grundsatz wie die Beklagten – einen Fall des Regresses nach § 1313 Satz 2 ABGB, meint aber – wie das Berufungsgericht bereits im ersten Rechtsgang –, dass der Zweitbeklagte, der dem Vorprozess als Nebenintervenient der (nunmehrigen) Klägerin (als dortige Beklagte) beigetreten sei, nicht mehr einwenden könne, es treffe ihn kein Verschulden am Eintritt des Schadens. Diesem stehe vielmehr die Bindungswirkung des im Vorprozess ergangenen rechtskräftigen Urteils entgegen.
2.3. Die im Ergebnis übereinstimmende Ansicht der Streitteile, es liege zwischen ihnen ein Regressverhältnis nach § 1313 Satz 2 ABGB vor, entspricht der Rechtsprechung, zum Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer für den Fall, dass der Besteller den Geschäftsherrn (Generalunternehmer) für mangelhafte Leistungen seines Erfüllungsgehilfen (Subunternehmer) in Anspruch genommen hat (3 Ob 186/10i). Wer als Haftender für fremdes Handeln Ersatz leistet, kann nämlich gemäß § 1313 zweiter Satz ABGB Rückersatz verlangen. Auch der Generalunternehmer, der nach § 1313a ABGB für seinen Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen einstehen muss, kann von diesem Regress fordern (3 Ob 182/13f; 8 Ob 6/14m = ecolex 2015/34 [ Schoditsch ]; 5 Ob 125/15s; RIS Justiz RS0017479 [T2]).
2.4. Eine Solidarhaftung des Geschäftsherrn (ex contractu § 1313a ABGB) und seines Erfüllungsgehilfen (ex delicto §§ 1295, 1299 ABGB) gegenüber dem geschädigten Dritten rechtfertigt zwar iSd § 1302 ABGB die Anwendung der Vorschriften über die vertragliche Solidarschuld und damit insbesondere die Anwendung des § 896 Satz 1 ABGB (RIS Justiz RS0017495 [T1]). Der Erfüllungsgehilfe haftet gegenüber dem Gläubiger des Geschäftsherrn aber nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist, er also deliktisch handelt (RIS Justiz RS0022801; RS0022481). Worin hier eine von der Existenz des Schuldverhältnisses unabhängige Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Zweitbeklagten gelegen sein soll, also welches Delikt im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn (vgl RIS Justiz RS0028691; RS0028626; RS0028499; RS0028517; RS0028483) der Zweitbeklagte gesetzt haben soll, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Aber selbst bei einer Solidarverpflichtung nach § 896 ABGB würde eine Kopfteilhaftung nur dann eintreten, wenn kein „anderes besonderes Verhältnis“ besteht (5 Ob 125/15s). Entscheidend für die Höhe, in der der Rückgriffsanspruch in diesem Fall geltend gemacht werden kann, ist, welchen von mehreren Schadenersatzpflichtigen ein höheres, welchen ein geringeres Maß von Schuld und Verantwortung für den eingetretenen Schaden trifft, ebenso der Anteil am Rechtswidrigkeits und Verursachungszusammenhang (RIS Justiz RS0026803 [T1]). Daraus folgt als Zwischenergebnis, dass die Beklagten grundsätzlich – vorbehaltlich der noch zu klärenden Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess – gegenüber der Klägerin jedenfalls eine Schadensteilung infolge eines Mitverschuldens und/oder der Verletzung der Schadensminderungspflicht geltend machen können.
3. Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess:
3.1. Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (RIS Justiz RS0107338 [T6]). Feststellungen, die der Nebenintervenient wegen des Vorbringens seiner eigenen Partei nicht bekämpfen konnte (RIS Justiz RS0107338 [T18]; vgl auch RS0122420) oder die für das Urteil nicht wesentlich waren (vgl RIS Justiz RS0107338 [T5 und T 14]), binden ihn nicht (s auch Schneider in Fasching/Konecny 3 II/1 § 19 ZPO Rz 34). Gleiches gilt für Vorbringen, das mit dem Prozessstoff des Rechtsstreits nicht im Zusammenhang steht (vgl RIS Justiz RS0041582; RS0036744; Schneider in Fasching/Konecny 3 II/1 § 21 ZPO Rz 30). Prozesshandlungen des einfachen Neben-intervenienten sind unwirksam, wenn sie denen der Hauptpartei widersprechen. Er darf bloß die Argumente der Hauptpartei ergänzen, nicht aber von deren Vorbringen abweichen (vgl RIS Justiz RS0035472). Bei der Inanspruchnahme nur eines von mehreren Schädigern ist auch nicht über die Beteiligung eines anderen Schädigers mitzuentscheiden (RIS Justiz RS0017470 [T1]). Die Frage nach der Verschuldensteilung zwischen General- und Subunternehmer kann im Prozess zwischen Generalunternehmer und Auftraggeber offen bleiben; sie ist im Regressprozess zu klären (vgl 4 Ob 111/07p).
3.2. Nach diesen Grundsätzen steht aufgrund der Entscheidung im Vorprozess bindend in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die vom Zweitbeklagten ausgeführte, eingangs näher beschriebene Montage der Metallsteher des Ballfangnetzes nicht lege artis war, also nicht den anerkannten Regeln des Handwerks, und auch nicht dem von der Klägerin der Stadt Wien geschuldeten Leistungsprogramm entsprach. Dem gegenüber war es für den Ausgang des Vorverfahrens nicht entscheidungswesentlich, ob die Klägerin oder der Zweitbeklagte den von der Stadt Wien geltend gemachten Schaden verursacht und zu verantworten hat. Es machte für den Vorprozess keinen Unterschied, ob der Zweitbeklagte die Steher infolge eines Fehlers der Klägerin oder ausschließlich aus eigenem Verschulden falsch errichtet hatte. Etwaige Feststellungen zu dieser Frage im Urteil des Vorprozesses waren daher keine notwendigen Elemente dieser Entscheidung und haben daher für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Streitteile dieses Verfahrens keine Bindungswirkung. Der Zweitbeklagte konnte im Vorprozess auch nicht von der Klägerin zu vertretende Fehler geltend machen, hätte dies doch dem Vorbringen und Rechtsstandpunkt seiner dortigen Hauptpartei widersprochen. Eine Bindungswirkung folgt schließlich auch nicht aus der Entscheidung des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang, weil das Teilurteil betreffend die Erstbeklagte die fehlende Haftung für Neuschulden gemäß § 1409 ABGB betraf (7 Ob 58/12y) und gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts betreffend die Zweitbeklagte der Rekurs nicht zugelassen wurde. Die für den Regressprozess wesentliche Frage, wer von den Beteiligten, hier also die Klägerin und der Zweitbeklagte, den Schaden (überwiegend) verursacht und verschuldet hat (vgl RIS Justiz RS0017514 [T1]), ist daher bislang nicht bindend entschieden und auch in tatsächlicher Hinsicht infolge abweichender Rechtsansicht der Vorinstanzen ungeklärt geblieben. Im fortgesetzten Verfahren werden daher die Leistungspflichten aus dem zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten abgeschlossenen Vertrag und dessen Abwicklung und dabei insbesondere zu klären sein, ob die Klägerin bzw eine ihr zuzurechnende Person (Unternehmen) (un )richtige Ausführungspläne zur Verfügung gestellt, ob diese die Konstruktion freigegeben bzw die Montageart festgelegt, ob sie (un )taugliches Material geliefert hat und inwieweit solche Umstände gegebenenfalls für den Schaden verantwortlich waren. Erst danach wird beurteilt werden können, in welchem Ausmaß die Klägerin bzw der Zweitbeklagte die Mangel und Schadens-behebungskosten zu verantworten haben.
4. Ersatz der Kosten des Vorprozesses:
4.1. Die Beklagten machen geltend, dass dann, wenn die Einlassung in und die Führung des Vorprozesses durch die Klägerin auch im Interesse der Beklagten gewesen wäre, der Klägerin ein Anspruch gemäß § 1037 ABGB gegen die Beklagten zustünde, allerdings bloß anteilig im Verhältnis des Interesses an der Abwehr der Forderung der Geschädigten. Da jedoch die Klägerin aufgrund mangelhafter Plan- und Materialbeistellung sowie Missachtung einer Warnung das ausschließliche Verschulden, zumindest aber ein erhebliches Mitverschulden treffe, sei eine Prozesskosten-überwälzung ausgeschlossen.
4.2. Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Ersatz der Kosten des Vorprozesses nicht erkennbar auf § 1037 ABGB, sondern auf Schadenersatz gestützt. Tatsächlich führen Prozesskosten, zu deren Ersatz jemand verurteilt wurde, zu einer Verminderung seines Vermögens und können daher Gegenstand einer Schadenersatzforderung des Verurteilten einem Dritten gegenüber sein, wenn diese Kosten durch das Verschulden des Dritten verursacht wurden (RIS Justiz RS0023619). Hat der Geschäftsherr seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen, dann kann er vom Erfüllungsgehilfen regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren. Die Prozesskosten sind eine kausale Folge der Schlechterfüllung durch den Erfüllungsgehilfen; sie sind auch adäquate Schäden, weil sie nicht bloß durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen bedingt waren (RIS Justiz RS0115546).
4.3. In der Entscheidung 2 Ob 168/01x (= RdW 2002, 18 = ecolex 2001, 906 [ Helmich ] = SZ 74/119) hatte der Oberste Gerichtshof und zwar – wie hier – für einen Passivprozess die Frage zu beurteilen, ob Prozesskosten eines aus einer Vertragsverletzung resultierenden Vorprozesses, in dem die schließlich klagende Partei beklagt gewesen war, ersatzfähig seien. Als Ergebnis für diese Konstellation wurde der Leitsatz geprägt, dass der Geschäftsherr dann, wenn er seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, von diesem regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren kann (RIS Justiz RS0045850 [T3]). Diese Entscheidung trug dem Umstand Rechnung, dass es für die Beklagte eines Passivprozesses, insbesondere wenn sie überraschend in Anspruch genommen wird, in der Regel nicht leicht ist, das Auflaufen von Prozesskosten zu verhindern; deshalb könne es in solchen Fällen angezeigt sein, den in den Kosten eines Passivprozesses bestehenden Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (idS auch 9 Ob 140/03h = RdW 2004, 272; 10 Ob 79/05y = ecolex 2007/142).
4.4. In der Entscheidung 1 Ob 218/04x (bbl 2005, 89 = RdW 2005, 417) wird für den Passivprozess zur Klärung der Frage, ob das Verhalten des Beklagten, das die Klägerin zur Einlassung in den Vorprozess auf der Beklagtenseite bewog, rechtswidrig war, eine umfassende Interessenabwägung verlangt. Grundsätzlich habe nämlich jedermann selbst zu entscheiden, ob er Gefahren auf sich zu nehmen bereit ist und wie er sich Dritten gegenüber zu verhalten gedenkt. Daher entfalle regelmäßig die Haftung des „Ersttäters“ mangels Rechtswidrigkeit, wenn der „Zweite“ sich selbst oder einem anderen einen Schaden zufügt. Nur wenn besondere Umstände – so etwa eine gefährliche Situation, mangelndes Einsichtsvermögen des „Zweiten“, gezieltes Einwirken des „Ersttäters“ auf diesen oder vergleichbare Begleitumstände – vorlägen, könne die Interessenabwägung zu Lasten des „Ersttäters“ ausfallen (1 Ob 223/03f = JBl 2004, 655).
4.5. In 10 Ob 79/05y (= ecolex 2007/142) werden die Entscheidungen 2 Ob 168/01x (= RdW 2002, 18 = ecolex 2001, 906 [ Helmich ] = SZ 74/119) und 9 Ob 140/03h (= RdW 2004, 272) bekräftigt und – soweit abweichend – wird die Entscheidung 1 Ob 218/04x (bbl 2005, 89 = RdW 2005, 417) abgelehnt. Jüngst hat der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 125/15s den zu 2 Ob 168/01x (= RdW 2002, 18 = ecolex 2001, 906 [ Helmich ] = SZ 74/119) entwickelten Rechtssatz (RIS Justiz RS0045850 [T3]) neuerlich bestätigt und wiederum darauf hingewiesen, dass der Rückersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Gehilfen nach § 1313 Satz 2 ABGB grundsätzlich auch die Verfahrenskosten des verlorenen Prozesses zwischen Drittem und Geschäftsherrn umfasst. Der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden ist in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner – insbesondere wenn er davon weiß, dass die Leistung schließlich einem Dritten zugutekommen soll – dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (RIS Justiz RS0045850 [T12]). Nur die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses wären vom schlechterfüllenden Vertragspartner nicht zu ersetzen, weil insofern der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt (RIS Justiz RS0045850 [T5, T 10, T 13]). Dieser Ansicht folgt im Grundsatz auch der erkennende Senat:
4.6. Wird ein Werkunternehmer (Geschäftsherr) von seinem Auftraggeber wegen mangelhafter Erbringung einer erkennbar für einen Dritten bestimmten Leistung seines Auftragnehmers (Gehilfen) klageweise in Anspruch genommen (Passivprozess), so lässt sich – mangels anderer zielführender Unterstützung durch den Auftragnehmer (Gehilfen) des im Vorprozess Beklagten und dessen Bestreitung eigener Verantwortlichkeit (vgl RIS Justiz RS0045850 [T6]) – das Auflaufen von Verfahrenskosten praktisch nicht verhindern. In solchen Fällen ist daher in der Regel der in den Kosten eines – ex ante nicht aussichtslosen – Passivprozesses bestehende Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Für die Kosten eines solchen Passivprozesses hat der Auftragnehmer (Gehilfe) des im Vorprozess Beklagten (Geschäftsherrn) dann einzustehen, wenn seine Leistung gemessen an den gegenüber dem Geschäftsherrn übernommenen Vertragspflichten mangelhaft war.
4.7. Ob im vorliegenden Fall die zuvor genannten Voraussetzungen einer Prozesskostenersatzpflicht der Beklagten vorliegen, kann noch nicht beurteilt werden, weil sich die Vorinstanzen infolge abweichender Rechtsansicht zur der Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess nicht mit jenen Einwänden der Beklagten befasst haben, mit denen diese die Verantwortlichkeit der Klägerin für den Mangel und den daraus entstandenen Schaden behauptet haben. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die Leistungen des Zweitbeklagten gemessen an den mit der Klägerin darüber getroffenen Vereinbarungen mangelhaft gewesen sind, werden die Beklagten dem Grunde nach für die Kosten des Vorprozesses ersatzpflichtig sein. Da es sich dabei um einen Schadenersatzanspruch handelt, wird ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin gemäß § 1304 ABGB zu berücksichtigen sein.
5. Unterlassenes Rechtsmittel im Vorprozess:
5.1. Die Beklagten sind der Ansicht, die Klägerin hätte im Vorprozess durch Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts die rechtsirrig unterbliebene Berücksichtigung der eigenen halben Schadensbehebungskosten, nämlich 3.535,20 EUR geltend machen müssen. Dadurch hätte sich der Umfang der Ersatzpflicht gegenüber der Stadt Wien und der Kostenersatzpflicht im Vorprozess reduziert. Die Unterlassung des Rechtsmittels begründe eine Verletzung der Schadensminderungspflicht der Klägerin.
5.2. Diesem Einwand ist zu entgengen, dass auch der Zweitbeklagte als Nebenintervenient der Klägerin im Vorprozess das von dieser geforderte Rechtsmittel hätte erheben können. Allein aus dem Umstand, dass dies unterblieben ist, können daher die Beklagten keine (zusätzliche) Mitverantwortung der Klägerin wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht ableiten.
IV. Im Ergebnis folgt:
1. Die Beurteilung, ob der Zweitbeklagte die Metallsteher infolge eines Fehlers der Klägerin oder ausschließlich aus eigenem Verschulden nicht lege artis errichtet hat, war im Vorprozess kein notwendiges Element dieser Entscheidung. Der Zweitbeklagte konnte im Vorprozess von der Klägerin zu vertretende Fehler auch nicht geltend machen, hätte dies doch dem Vorbringen und Rechtsstandpunkt seiner dortigen Hauptpartei widersprochen. Aus dem Vorprozess folgt daher keine Bindungswirkung für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Streitteile, namentlich für die Frage, ob die Klägerin die von den Beklagten behaupteten Fehlleistungen (insbesondere falsche Ausführungspläne, falsche Anweisungen und falsches Material) zu vertreten hat; dies wird im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen sein. Resultiert daraus eine Sachfälligkeit der Beklagten, ist ein allenfalls gegebenes Verschulden der Klägerin gemäß § 1304 ABGB zu veranschlagen.
2. Für die Kosten des Passivprozesses der Klägerin trifft den Zweitbeklagten die Kostenersatzpflicht dann, wenn seine Leistung gemessen an den gegenüber der Klägerin übernommenen Vertragspflichten mangelhaft war. Ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin ist gemäß § 1304 ABGB zu berücksichtigen.
3. Für ein im Vorprozess unterlassenes Rechtsmittel trifft die Klägerin keine (zusätzliche) Mitverantwortung unter dem Titel der Verletzung der Schadensminderungspflicht.
4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00114.15P.0615.000