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OGH vom 18.10.2001, 6Ob175/01f

OGH vom 18.10.2001, 6Ob175/01f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****aktiengesellschaft ***** vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Karl A*****, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein und Dr. Gerhard Zimmermann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 978.787,-- S, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 28/01d-46, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 57 Cg 26/99f-34, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Rekursen wird Folge gegeben. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 31.479 S (darin 5.246,50 S Umsatzsteuer) besstimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 71.845,60 S (darin 7.556 S Umsatzsteuer und 26.510 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Bruder des Beklagten hatte als ältestes Kind schon zu Lebzeiten des Vaters dessen Bauernhof übergeben erhalten. Die weichenden fünf Geschwister wurden ausbezahlt. Zu Gunsten der Mutter, der ein Wohnrecht am Hof eingeräumt worden war, wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot verbüchert. Zum Hof gehörige Liegenschaften sind mit einem Ausgedinge für eine 1919 geborene Kurandin belastet. Der Bruder des Beklagten, der als Versicheurngsangestellter berufstätig war, bewirtschaftete den Hof mit wenig Interesse nur extensiv. Er hatte zu seiner Mutter und seinen Geschwistern schlechten Kontakt. Seine finanziellen Verhältnisse verschlechterten sich insbesondere wegen durch Spielleidenschaft verursachte Verluste im Kasino. Zu Gunsten einer Bank wurde ein gegenüber den Rechten der Mutter vorrangiges Pfandrecht einverleibt. Die Familie befürchtete eine Zwangsversteigerung und den Verlust des Wohnrechts der Mutter. Der Beklagte erklärte sich bereit, den Hof samt Liegenschaften, die der Bruder schon zum Teil an Dritte veräußert hatte, zu kaufen. Mit dem Kaufpreis sollten die Bankschulden abgedeckt werden. Mit dem Übergabsvertrag vom 3. 4./ wurden die Liegenschaften EZ 110, 111 und 90.027 des Grundbuchs Ötz um einen Kaufpreis von 1,5 Mio S in das Eigentum des Beklagten übertragen. Die verbotsberechtigte Mutter stimmte der Eigentumsübertragung zu. Der Beklagte übernahm die bücherlichen Lasten. Unter P V. des Übergabsvertrags stellten die Vertragsparteien fest, "dass es sich bei diesem Übergabsvertrag um einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Teilen gemischten Vertrag im Familienkreis handelt, sodass eine Anfechtung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes ausgeschlossen ist. Soweit dieser Vertrag eine Schenkung beinhaltet, erklärt der Übernehmer hiezu die Annahme und verzichtet der Übergeber auf das Recht des Widerrufes". Mit dem P XV. des Übertragsvertrages verpflichtete sich der Beklagte, über jederzeitige Aufforderung seines Bruders diesem neun näher bezeichnete Grundstücke unentgeltlich abzutreten (dabei handelt es sich um die vom Bruder an Dritte schon veräußerten Grundstücke). Die Kosten der Abtretung hat der Übergeber (Bruder des Beklagten) zu tragen.

Mit seiner Mutter schloss der Beklagte am eine gesonderte Vereinbarung. Sie erteilte die Zustimmung zur Veräußerung der Liegenschaften durch den Bruder an den Beklagten. Dieser räumte der Mutter im Gegenzug auf den erworbenen Liegenschaften ein Belastungs- und Veräußerungsverbot ein.

Der Bruder des Beklagten hatte auch bei der klagenden Bank Kredit genommen. Die Klägerin erwirkte am ein rechtskräftiges Versäumungsurteil über 978.787 S. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde die Zwangsversteigerung einer dem Bruder des Beklagten gehörigen Liegenschaft im Burgenland durchgeführt. Das dort erzielte Meistbot von 145.882,50 S wurde bisher noch nicht verteilt. Eine Forderungsexekution der Klägerin gegen den Bruder des Beklagten blieb erfolglos. Am wurde der Klägerin die Exekution durch Pfändung des Gesamtrechtes des Schuldners (des Bruders des Beklagten) gegenüber dem Beklagten aus dem Übergabsvertrag vom 3. 4./ bewilligt.

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin zur Hereinbringung der Forderung von 978.767 S samt Zinsen und verschiedenen Kosten die Duldung der Exekution durch Zwangsverwaltung, zwangsweise Pfandrechtsbegründung und Zwangsversteigerung der übergebenen Liegenschaften. In der Folge hielt die Klägerin dieses Begehren als Eventualbegehren aufrecht und stellte das Hauptbegehren auf Zahlung von 978.787 S samt Anhang. Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, sie habe dem Bruder des Beklagten einen revolvierend ausnützbaren Kredit von 500.000 S eingeräumt. Durch Kontoüberziehungen sei schließlich der nun begehrte Gesamtrückstand entstanden. Mit dem Übergabsvertrag vom 3. 4./ habe der Schuldner die in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaften seinem Bruder, dem Beklagten, um einen Pauschalbetrag von 1,5 Mio S übergeben. Dieser habe sich im Gegenzug verpflichtet, über Aufforderung des Bruders mehrere Grundstücke unentgeltlich rückabzutreten oder den Verkehrswert zu bezahlen. Der Verkehrswert der übergebenen Liegenschaften habe zumindest 3 Mio S betragen, der Übernahmspreis aber nur 1,5 Mio S. Die Vertragspartner hätten die Feststellung getroffen, dass sich das Rechtsgeschäft aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil zusammensetze. Es lägen die Anfechtungstatbestände nach § 2 Z 3 iVm § 4 AnfO und nach § 3 Z 1 AnfO vor. Die Liegenschaftsübergabe und die Eigentumseinverleibung sei gegenüber der Klägerin relativ unwirksam. Der Übergeber habe beabsichtigt oder in Kauf genommen, dass durch die Liegenschaftsübergabe an den Beklagten das gesamte Vermögen dem exekutiven Zugriff der Gläubiger entzogen werde. Die Benachteiligung der Gläubiger sei dem Beklagten bekannt gewesen oder hätte ihm bekannt sein müssen. Es liege nach dem Parteiwillen eine gemischte Schenkung vor, die mangels Teilbarkeit des Rechtsgeschäftes in ihrer Gesamtheit anfechtbar sei. Die Befriedigungstauglichkeit sei gegeben.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, er habe von der Krediteinräumung der Klägerin an seinen Bruder keine Kenntnis gehabt. Wegen der Gefahr einer exekutiven Verwertung des Hofes sei es dem Beklagten ein Anliegen gewesen, den heimatlichen Bauernhof zu erhalten und das Wohnrecht der Mutter zu sichern. Der Beklagte habe es für seine moralische Pflicht gehalten, die Versteigerung zu verhindern und den Hof von seinem Bruder zu übernehmen und habe keine Kenntnis von der Existenz weiterer Gläubiger gehabt. Sein Bruder habe ihm einen desolaten Hof zurückgelassen. Mit dem Kaufpreis von 1,5 Mio S seien vorhandene Belastungen der Liegenschaft abgedeckt worden. Mit dem Übergabsvertrag habe der Beklagte das Wohnungsrecht der Mutter, das Belastungs- und Veräußerungsverbot und die Pflege der Mutter sowie ein einverleibtes Ausgedinge für eine Kurandin übernommen. Dem Anfechtungsbegehren mangle auch die nach § 1 AnfO erforderliche Befriedigungstauglichkeit.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das Eventualbegehren ab.

Von seinen Feststellungen sind folgende hervorzuheben:

Der Bruder des Beklagten habe den Hof schlecht bewirtschaftet und keine Renovierungen vorgenommen. Er habe sich um seine Eltern und nach dem Tode des Vaters um seine Mutter nur wenig gekümmert. Die finanziellen Verhältnisse des Bruders seien schlecht, die Familienmitglieder darüber aber nicht informiert gewesen. Weil eine Bank ihr Pfandrecht ausüben und den Hof verkaufen habe wollen, habe sich der Beklagte bereit erklärt, den Hof von seinem Bruder zu übernehmen. Zum Übergabszeitpunkt sei dem Beklagten nur bekannt gewesen, dass sein Bruder gegenüber der im Grundbuch gesicherten Bank Schulden gehabt habe. Von weiteren Schulden sei ihm nichts bekannt gewesen. Der Bruder des Beklagten sei ein "Spieler" gewesen. Den Familienmitgliedern sei nicht bekannt gewesen, dass sich durch Verluste Schulden angehäuft hätten. Der Beklagte habe es für aussichtslos gehalten, sich bei anderen Banken über allfällige Schulden seines Bruders zu erkundigen, weil Banken an das Bankgeheimnis gebunden seien. Die dem Beklagten übergebenen Grundstücke, Gebäude und grundbücherlichen Belastungen hätten einen geschätzten Verkehrswert von 2,334.000 S. Seit der Übernahme im Jahr 1998 seien vom Beklagten für die Hauserhaltung dringend notwendige Arbeiten im Wert von 834.600 S durchgeführt worden. Im Wohnhaus sei es zu Neuanschaffungen im Wert von 560.000 S gekommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass dem Beklagten eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners nicht bekannt gewesen sei und auch nicht bekannt hätte sein müssen. Dies habe der gemäß § 2 Z 3 AnfO beweispflichtige Beklagte nachgewiesen. Zum Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO bejahte das Erstgericht den Ausnahmetatbestand, dass der Beklagte einer sittlichen Verpflichtung nachgekommen sei. Der Beklagte und seine Geschwister seien von ihrer Verpflichtung ausgegangen, den Hof vor einer Versteigerung zu bewahren und das Wohnrecht der Mutter des Beklagten zu sichern. Gemäß § 1409 ABGB hafte der Übernehmer neben dem Veräußerer nur für solche Schulden, die er bei der Übernahme gekannt habe oder kennen hätte müssen. Auch zu diesem Rechtsgrund verneinte das Erstgericht eine fahrlässige Unkenntnis des Beklagten über Schulden seines Bruders. Der Beklagte sei mit seiner Einsichtnahme in das Grundbuch und der Befragung des Veräußerers mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung durch das Erstgericht auf. Es verneinte die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens (mit der Rüge wurde eine Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens und die Abweisung des Antrages auf Einholung eines weiteren Gutachtens releviert), billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich als noch nicht spruchreif:

Bei Anfechtungsklagen außerhalb eines Konkurses müsse gemäß § 12 AnfO das Klagebegehren auf Leistung oder Duldung lauten. Das Eventualbegehren richte sich zutreffenderweise auf Duldung der Exekution. Gemäß § 2 Z 3 AnfO könnten alle Rechtshandlungen angefochten werden, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung gegenüber einem nahen Angehörigen vorgenommen wurden, es sei denn, dass dem Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein musste. Die subjektiven Tatbestandselemente seien nicht vom Anfechtungskläger, sondern vom Anfechtungsgegner zu beweisen. Jede Anfechtung setze sowohl die Befriedigungstauglichkeit als auch die Gläubigerbenachteiligung voraus. Die Befriedigungstauglichkeit sei hier zu bejahen. Es genüge die Wahrscheinlichkeit der Verbesserung der Befriedigungslage. Wohl könne eine überbelastete Liegenschaft für eine Befriedigung des Gläubigers nicht tauglich sein. Eine mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot belastete Liegenschaft könne aber in bestimmten Fällen angefochten werden. Der Gläubiger könne ohne Zustimmung des Verbotsberechtigten zwar keine Pfandrechtsbegründung oder Zwangsversteigerung erwirken. Mit dem Tod des Berechtigten könne aber eine Exekutionsführung in nicht allzu ferner Zeit möglich sein. Durch die angefochtene Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten sei diese Chance vereitelt worden. Das zu Gunsten der Mutter eingetragene Veräußerungs- und Belastungsverbot hindere zwar eine derzeitige Exekutionsführung, die Zustimmung des Beklagten zu einer solchen könne aber schon jetzt erwirkt werden. § 2 Z 3 AnfO verlange allerdings das Kennenmüssen des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners. Das Gegenteil habe der Beklagte hier aber nachgewiesen. Da der Bruder des Beklagten kein Unternehmer gewesen sei, hätte eine Anfrage beim Kreditschutzverband über allfällige Schulden nichts ergeben. Wegen des Bankgeheimnisses seien auch Erkundigungen bei anderen Banken nicht erforderlich gewesen. Dieselben Erwägungen würden zum Haftungstatbestand nach § 1409 ABGB gelten.

Zum Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO sei das Verfahren aber noch nicht spruchreif: Unentgeltliche Verfügungen des Schuldners seien anfechtbar, soweit es sich nicht um die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke oder um Verfügungen in angemessener Höhe handle, die zu gemeinnützigen Zwecken gemacht wurden oder durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen worden ist. Der Übergabsvertrag sei ein sogenanntes "gemischtes Geschäft", zum Teil also entgeltlich und zum Teil unentgeltlich. Sofern sich das Geschäft nicht in die beiden Teile zerlegen lasse, sei der Vertrag in seiner Gesamtheit anfechtbar. Bei dem inhaltlich dem § 29 Z 1 KO entsprechenden Tatbestand müsse der Anfechtungskläger bloß die Vornahme der unentgeltlichen Verfügung, der Anfechtungsgegner aber das Vorliegen einer im § 3 Z 1 AnfO angeführten Ausnahme behaupten und beweisen. Die sittliche Pflicht sei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Damit seien zwar nicht rechtlich, aber moralisch geforderte Leistungen gemeint, deren Unterlassung als Pflicht- oder Anstandsverletzung gelte. Dies sei nach dem Anlass, den Beziehungen des Schuldners zum Bedachten und den gesamten persönlichen und Vermögensverhältnissen des Schuldners zu beurteilen. Der Übergabsvertrag zwischen den Brüdern könnte grundsätzlich als Erfüllung einer sittlichen Pflicht angesehen werden. Die Liegenschaften seien zu Lebzeiten des Vaters dem ältesten Sohn überschrieben worden. Die Geschwister seien ausbezahlt worden. Im bäuerlichen Bereich bestehe größtes Interesse daran, den väterlichen Hof zu erhalten, was der Bruder des Beklagten aber nicht getan habe. Die Übernahme des Hofes durch den Beklagten sei aus lauteren Motiven erfolgt. Die Unterlassung der Übergabe könne gesellschaftlich als Pflicht- oder Anstandsverletzung mit der Minderung der gesellschaftlichen Achtung als Folge bewertet werden. Der Ausnahmetatbestand setze aber eine sittliche Pflicht des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner voraus. Für beide Brüder habe die gleiche sittliche Pflicht bestanden, den Hof vor allem zu Gunsten der Mutter zu erhalten. Nun müsse begründet werden, warum dieser sittlichen Pflicht des Bruders (des Schuldners der Klägerin) nur dadurch nachgekommen habe werden können, dass die Liegenschaft teilweise verschenkt wurde. Dies setzte voraus, dass die Erfüllung der sittlichen Pflicht anders nicht möglich gewesen wäre. Damit sei die Frage zu klären, ob der Beklagte zu keiner höheren Zahlung in der Lage gewesen wäre und ob nicht auch ein anderes Familienmitglied einen höheren Preis für den Hof bezahlen hätte können. Wenn der Beklagte einen höheren Übergabspreis bezahlen hätte können, könne nicht mehr von einer sittlichen Pflicht im Sinne des § 3 Z 1 AnfO ausgegangen werden. Auch wenn hier infolge des Wertes der Übergabsliegenschaft die Erwartung bestanden hätte, dass das Wohnrecht der Mutter angesichts einer vorrangigen pfandrechtlich besicherten Forderung von nur 1 Mio S Deckung im Meistbot gefunden hätte, sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass bei einer Zwangsversteigerung ein Familienfremder die Liegenschaft erworben hätte und die betagte Mutter dann ein Wohnrecht bei einem Fremden ausüben hätte müssen. Es könne daher eine sittliche Verpflichtung des Bruders des Beklagten zum Abschluss eines Übergabsvertrages mit einem Familienmitglied nicht ausgeschlossen werden. Auch ohne differenzierte Behauptungen des Beklagten im aufgezeigten Sinn hätte das Erstgericht die aufgeworfenen Fragen mit den Parteien erörtern müssen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage der sittlichen Pflichten im bäuerlichen Bereich nicht existiere.

Mit ihrem Rekurs beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren, allenfalls dem Eventualbegehren, stattgegeben werde.

Mit seinem Rekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, das Klagebegehren abzuweisen, hilfsweise die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Beide Parteien beantragen jeweils, dem Rekurs des Gegners nicht Folge zu geben.

Die Rekurse sind zulässig und berechtigt, soweit sie die Spruchreife der Sache geltend machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse können in einem behandelt werden.

I. Zum Anfechtungstatbestand des § 2 Z 3 AnfO und zum Haftungsgrund nach § 1409 ABGB:

Die Klägerin steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass dem beweispflichtigen Beklagten der Nachweis nicht gelungen sei, dass ihm die Benachteiligungsabsicht des Bruders weder bekannt war noch bekannt sein musste. Zu diesem Thema kann auf die zutreffende und eingehende Begründung des Berufungsgerichtes, die im Einklang mit der zitierten Lehre und oberstgerichtlichen Rechtsprechung steht, verwiesen werden. Die Rekurswerberin vermag nicht aufzuzeigen, auf welchem realistischen Weg der Beklagte zuverlässige Informationen über die Schulden seines Bruders bei anderen Banken erhalten hätte können.

II. Zum Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO:

1. Nach dieser Gesetzesstelle sind die in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen des Schuldners anfechtbar. Davon sind ua die Verfügungen in angemessener Höhe ausgenommen, durch die einer sittlichen Pflicht oder den Rücksichten des Anstandes entsprochen worden ist. Darauf berief sich der Beklagte mit dem Vorbringen, dass er im Einvernehmen mit den Geschwistern und der Mutter den Hof in der Familie und damit das Wohnrecht der Mutter erhalten habe wollen und dass die anderen Geschwister zur Übernahme nicht bereit oder fähig gewesen seien. Die sittliche Verpflichtung des Bruders, auf die es nach § 3 Z 1 AnfO ankommt, wurde vom Beklagten mit den Worten angesprochen, dass es nicht jedermanns Sache sei, den eigenen Bruder mit den zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln zu verfolgen. Entgegen der in der Rekursbeantwortung der Klägerin vertretenen Auffassung können daher die Rekursausführungen des Beklagten zum Thema des "Wohlbestehenkönnens des Hofübernehmers", also auch ein vom Berufungsgericht für relevant erachtetes Thema für das fortzusetzende Verfahren, nicht als unzulässige Neuerungen, sondern als von den erhobenen Einwendungen des Beklagten noch umfasst qualifiziert werden.

2. Unstrittig ist die Befriedigungstauglichkeit als Tatbestandsvoraussetzung jeder Anfechtung. Eine Überbelastung der Liegenschaften liegt hier nicht vor. Das verbücherte Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der 1923 geborenen Mutter des Beklagten hinderte zwar derzeit auch bei einer Stattgebung des Anfechtungsbegehrens eine Exekutionsführung (auch das Veräußerungsverbot ist bereits Gegenstand eines Anfechtungsprozesses). Zur Bejahung der Befriedigungstauglichkeit reicht aber schon die Wahrscheinlichkeit der Verbesserung der Befriedigungslage in absehbarer Zeit. In vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof in einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten eines älteren Verbotsberechtigten kein Anfechtungshindernis erblickt (2 Ob 518/90 = ÖBA 1990, 841; 1 Ob 2178/96t).

3. Übergabsverträge im bäuerlichen Bereich sind Verträge sui generis mit familien- und erbrechtlichen Elementen zum Zweck der vorgezogenen Erbfolge im Interesse der Erhaltung des Betriebes in der Familie und in einer Hand (SZ 51/25; Apathy in Schwimann ABGB2 Rz 8 zu § 882 mwN). Die weichenden Geschwister werden regelmäßig mit einem dem Anteil am Verkehrswert nicht entsprechenden, niedrigeren Betrag abgefunden, wie dies dem Anerbenrecht und dem Höferecht entspricht. Aus dem günstigen Übernahmspreis ergibt sich der Charakter als Mischvertrag. Die Gegenleistungen entsprechen nicht dem Wert des übernommenen Gutes. In der Wertdifferenz kann ein Schenkungsteil oder unentgeltlicher Teil des Übergabsvertrags erblickt werden (vgl Welser in Rummel I3 Rz 11 zu § 785 ABGB).

Bei unentgeltlichen Geschäften wird eine Zuwendung aus Freigebigkeit, d. h. ohne Gegenleistung, gemacht (Koziol/Welser I11 104). Gemischte Geschäfte setzen sich aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil zusammen. Sie setzen voraus, dass die Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollen (§ 935 ABGB). Dies gilt auch im Anfechtungsrecht, das nicht nur die Schenkung, sondern jede unentgeltliche Verfügung der Anfechtung unterwirft. Voraussetzung ist die Freigiebigkeit des Leistenden, der die Leistung von keiner Gegenleistung abhängig macht (SZ 58/209; 3 Ob 44/00t). Nach Koziol/Bollenberger (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 Rz 4 zu § 29 KO) kommt es nur auf den Willen des Verfügenden und die Erkennbarkeit der Freigiebigkeit durch den Empfänger an, die Rechtsprechung verlangte bisher einen übereinstimmenden Parteiwillen über die unentgeltliche Verfügung (3 Ob 44/00t mwN). Zumindest für Mischverträge (also nicht einseitige unentgeltliche Verfügungen) ist nach Auffassung des erkennenden Senates der bisherigen Judikatur der Vorzug zu geben und zumindest ein Schenkungsbewusstsein von beiden Vertragspartnern zu fordern. Ob der vorliegende Übergabsvertrag neben seiner entgeltlichen Natur auch einen unentgeltlichen anfechbaren Teil enthält, hängt also vom Schenkungsbewusstsein und der Absicht der Vertragsteile ab (vgl auch Welser in Rummel I3 Rz 10 zu § 785 ABGB).

4. Die Schenkungsabsicht ist eine beweisbedürftige Tatsache. Vorgelagert ist die Frage nach dem Schenkungsbewusstsein. Beides kann zwar aus dem Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen erschlossen werden. Das Missverhältnis ist ein Indiz für die Schenkungsabsicht (6 Ob 3/83). Es muss den Parteien auch bewusst sein. Sie sind grundsätzlich bei der Bewertung ihrer Leistungen frei, sodass selbst ein "vielleicht sogar krasses objektives Missverhältnis" noch nicht zwingend die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme einer gemischten Schenkung nachweist (SZ 59/174).

Nicht jeder für den Käufer "gute" Kauf bedeutet schon einen unentgeltlichen Schenkungsteil. Das Schenkungsbewusstsein ist primär festzustellen. Bei der gemischten Schenkung ist zu fragen, ob die vereinbarte Gegenleistung als volles Entgelt angesehen wurde oder ob darin nach dem Parteiwillen zumindest teilweise ein Akt der Freigiebigkeit gelegen sein sollte (König, Die Anfechtung2 Rz 179 mwN; Welser aaO). Die vermeintliche Freigiebigkeit kann andere Gründe, etwa im Fall eines Notverkaufs denjenigen haben, dass der Verkäufer in Zeitnot gezwungen ist, ein unter dem Verkehrswert liegendes Anbot zu akzeptieren.

Hier steht ein Schenkungsbewusstsein der Parteien des Kaufvertrages mit hinlänglicher Sicherheit fest, haben sie doch im Vertragspunkt V. festgestellt, dass sie einen "gemischten Vertrag im Familienkreis" schließen, der aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen Teil besteht. Das Ausmaß der jeweiligen Teile wurde allerdings offen gelassen. Ob der Vertrag insgesamt, also nach seinem Hauptzweck, als entgeltlich oder unentgeltlich zu beurteilen ist, muss aus anderen Umständen erschlossen werden.

5. Das Anfechtungsbegehren ist auf die Duldung der Exekution in das gesamte Kaufobjekt gerichtet. Dieses lässt sich nicht in einzelne Teile zerlegen. In derartigen Fällen entscheidet nach der überwiegenden österreichischen Lehre und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung der Hauptzweck des Geschäfts über die Anfechtbarkeit. Dies gilt sowohl für die Anfechtung nach der AnfO (§ 3) als auch für die gleichgelagerte Anfechtung nach § 29 KO. Wenn bei einem gemischten Geschäft, wie bei einem Liegenschaftskauf, eine Zerlegung nicht möglich ist, muss die Unentgeltlichkeit aus dem Gesamtcharakter des Geschäfts ableitbar sein (Ehrenzweig, Komm. zur AnfO 160; Bartsch/Pollak, Konkursrecht I3 189 Anm 12; Petschek/Reimer/Schiemer,

Das österreichische Insolvenzrecht 347; König, Die Anfechtung2 Rz 179). Entscheidend ist das Überwiegen des unentgeltlichen Charakters (König aaO). Diese Auffassung teilt der Oberste Gerichtshof (SZ 56/30; RdW 1984, 43) und bei vergleichbarer Rechtslage (§ 32 dKO; jetzt § 134 dInsO) auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung (ua Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung I Rz 12 zu § 134 mwN aus der deutschen Rechtsprechung). Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von diesen ganz überwiegend vertretenen Grundsätzen abzugehen.

Bei der Anfechtung nach § 3 Z 1 AnfO muss der Anfechtungskläger die Vornahme der unentgeltlichen Verfügung durch den Schuldner beweisen (wozu aber auch die subjektiven Voraussetzungen über eine bewusste unentgeltliche Zuwendung gehören), dem Anfechtungsgegner obliegt die Beweislast für das Vorliegen einer im Anfechtungstatbestand erwähnten Ausnahme (SZ 61/110; 3 Ob 2178/96g; 1 Ob 322/99f). Die Klägerin hatte also die bewusste Unentgeltlichkeit und die Höhe dieses Anteils des im Übrigen entgeltlichen Geschäfts nachzuweisen, der Beklagte alle Voraussetzungen zur Annahme einer sittlichen Verpflichtung für eine unentgeltliche Verfügung.

6. Die dargelegten Erwägungen führen hier zur Spruchreife der Sache im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, ohne dass es der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Ergänzung der Feststellungen zum Thema der sittlichen Pflicht nach § 3 Z 1 AnfO bedürfte:

Da der Liegenschaftskauf - wie oben dargelegt - ein Geschäft ist, das sich nicht zerlegen lässt, ist der Gesamtcharakter des Vertrages entscheidend. Auf ein Überwiegen des unentgeltlichen Elements hat sich die zur Frage der Unentgeltlichkeit beweispflichtige Klägerin nicht berufen, hat sie doch nur ein objektives Missverhältnis zwischen Verkehrswert und Kaufpreis (3 Mio S 1,5 Mio S) behauptet und die zitierte Vertragsklausel P 5. ins Treffen geführt. Mit dieser ist zwar eine teilweise Unentgeltlichkeit der Leistung des Verkäufers nachweisbar, aber kein Argument für eine überwiegende Unentgeltlichkeit zu gewinnen. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus den übrigen festgestellten Umständen:

Bei der objektiven Wertdifferenz im Vergleich des Kaufpreises mit dem Verkehrswert überwiegt der entgeltliche Anteil. Bei der subjektiven Komponente zum Schenkungsbewusstsein sind die Motive maßgeblich, dass der Bruder des Beklagten diesem die Erfüllung der eigenen, im Familienrecht begründeten Verpflichtungen übertragen sollte (Erhaltung des Hofes zu Gunsten der Rechte der Mutter und in Erfüllung der auch nach anerbenrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Pflichten des Übernehmers gegenüber dem seinerzeitigen Übergeber) und dass dem Käufer (dem Beklagten) in naher Zukunft erhebliche Investitionen bevorstanden, die zur Erhaltung der Liegenschaft notwendig waren. Diese Motive spielen nicht nur für den Ausnahmetatbestand des § 3 Z 1 AnfO eine Rolle, sondern auch und vorgelagert für die Beurteilung des Gesamtcharakters des Kaufvertrages. Danach kann aber hier von einem Überwiegen der Unentgeltlichkeit keine Rede sein. Gegen ein solches Überwiegen spricht schließlich noch der Umstand, dass sich der Verkauf aus der Sicht des Verkäufers als Notverkauf darstellte, konnte er doch - von einer Gläubigerin bedrängt - nur mit Zustimmung der verbotsberechtigten Mutter die Liegenschaften veräußern, nach dem festgestellten Beschluss eines "Familienrates" also nur an den Beklagten zu dessen Bedingungen. Bei einem Notverkauf ist ein Schenkungswille grundsätzlich nicht anzunehmen (König aaO Rz 178; Hess aaO Rz 13). Entgeltlichkeit verlangt nicht die Gleichwertigkeit der Leistungen (SZ 58/209). Wenn die beweispflichtige Klägerin sich hier nur auf die fehlende Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen und einem in einer Vertragsklausel zur Vermeidung der Anfechtung nach § 935 ABGB wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes geäußerten Schenkungswillen beruft, hat sie damit noch keine Umstände dargetan und nachgewiesen, die für ein Überwiegen der Unentgeltlichkeit sprechen. Ihr Rekurs wendet sich daher im Ergebnis zwar richtigerweise gegen die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. In der Sache selbst ist aber gegen sie und in Stattgebung des Rekurses des Beklagten durch Wiederherstellung des Haupt- und Eventualbegehrens abweisenden Urteils des Erstgerichtes zu entscheiden (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Klägerin ist in der Sache zur Gänze unterlegen. Sie hat daher dem Beklagten die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO).