OGH vom 15.02.2011, 4Ob192/10d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** R*****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 21.068,70 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 101/10z 83, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom , GZ 23 Cg 75/07y 78, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 1.257,48 EUR (darin 209,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin beauftragte eine Generalunternehmerin mit der Errichtung der Fundamente und dem Einbau eines Gussasphaltbelags in einer zu errichtenden Kühlhalle. Die Generalunternehmerin beauftragte den Beklagten mit der Herstellung des Gussasphalts. Vor Beginn der Asphaltierungsarbeiten wies der Beklagte den zuständigen Mitarbeiter der Generalunternehmerin darauf hin, dass es aufgrund der bei den Arbeiten auftretenden Hitzeentwicklung zu einer Verformung der Plastiklampen und der Deckenpaneele kommen könne, wobei sich die Paneele im Zuge der Abkühlung wieder ausrichten würden. Trotz des Hinweises auf die möglichen Verformungen erteilte die Generalunternehmerin dem Beklagten den Auftrag, die Asphaltierungsarbeiten vorzunehmen. Dabei kam es zu Verwerfungen der Blechuntersichten der Decke und einem Anschmelzen eines Großteils der Abdeckungen der Deckenbeleuchtung.
Die Klägerin begehrt Schadenersatz. Sie stützt ihre Ansprüche einerseits auf den deliktischen Eingriff in ihr Eigentum, andererseits auf die Verletzung von Schutzpflichten aus dem Vertrag zwischen Beklagtem und Generalunternehmerin.
Der Beklagte stellte die Kausalität seines Handelns außer Streit, bestritt aber, dass er ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln gesetzt habe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine Warnpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin habe nicht bestanden. Gegenüber seiner Vertragspartnerin der Generalunternehmerin habe der Beklagte seine Warnpflicht erfüllt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Verhalten des Beklagten sei bei der gebotenen Interessenabwägung nicht als rechtswidrig zu qualifizieren. Er habe seiner Vertragspartnerin gegenüber die vertraglichen Pflichten eingehalten. Dennoch ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu; es fehle Rechtsprechung zur Frage, inwieweit sich der Bauherr das Verhalten seiner Generalunternehmerin im Zusammenhang mit einer (hier verneinten) deliktischen Schädigung durch dessen Subunternehmer zurechnen lassen müsse.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
1.1. Bei Verletzung fremder absolut geschützter Rechte ist das Rechtswidrigkeitsurteil nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu finden, wobei die Beeinträchtigung eines absoluten Rechts in gewissem Maße die Rechtswidrigkeit indiziert (RIS Justiz RS0022917 [T3]; RS0022939; RS0022656). Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, welche Rechtspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können, die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen (Gefährlichkeit), und schließlich den Wert der bedrohten Güter und Interessen (RIS-Justiz RS0022899). Es ist auch auf die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung fremder Interessen Bedacht zu nehmen. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch durch das Ausmaß der Außerachtlassung der Sorgfalt mitbestimmt (RIS-Justiz RS0023175).
1.2. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die „Warnung“ gegenüber seiner Vertragspartnerin ausgesprochen. Den Feststellungen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Beklagte daran zweifeln musste, dass die Generalunternehmerin letztlich das von ihr geschuldete Werk vertragskonform fertig stellen würde, indem er die durch die Asphaltierung allenfalls eintretenden Schäden vor der Übergabe an die Klägerin beheben würde. Durfte der Beklagte aber davon ausgehen, dass die Generalunternehmerin den von ihr allenfalls verursachten Schaden beheben werde, durfte er eine Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin als gering einschätzen. Ein allfälliger Sorgfaltsverstoß des Beklagten könnte höchstens darin gesehen werden, dass er nicht von sich aus die Identität des Bauherrn ermittelte, um den ihm erteilten Auftrag der Generalunternehmerin zu hinterfragen. Eine generelle Pflicht, Schädigungen anderer durch Tätigwerden zu verhindern, besteht jedoch nicht (RIS-Justiz RS0028458).
1.3. Für die Annahme einer Warnpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin besteht daher keine Grundlage. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach ein rechtswidriges Handeln des Beklagten zu verneinen sei, ist daher jedenfalls vertretbar.
2. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sie in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Generalunternehmerin und Beklagtem einzubeziehen sei, ist ihr entgegen zu halten, dass Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrags (zwischen Dritten) ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers ist. Ein solches wird rechtmäßig dann verneint, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (RIS-Justiz RS0022814). Steht dem Geschädigten ein Anspruch aus eigener vertraglicher Beziehung zum Geschäftsherren zu, so hindert dies die Geltendmachung der Vertragshaftung des Gehilfen; er muss seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch nehmen (2 Ob 128/09a mwN). Der Umstand, dass der unmittelbare Vertragspartner der Klägerin, die Generalunternehmerin, insolvent geworden ist, unterfällt ihrem kaufmännischen Risiko als Bauherrin.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.