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OGH vom 21.11.2006, 4Ob192/06y

OGH vom 21.11.2006, 4Ob192/06y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Tirol, *****, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 6.644,30 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 219/06v-13, mit welchem über Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 13 C 1499/05f-9, teilweise aufgehoben und die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Mutter des Beklagten lebt seit Mai 2003 in einem Pflegeheim. Da sie die Aufenthalts- und Pflegekosten nicht zur Gänze selbst zahlen kann, bezieht sie Sozialhilfe vom klagenden Land Tirol. Die monatlichen Leistungen betrugen zunächst 1.135,40 EUR, seit Anfang 2004 werden monatlich 1.445,94 EUR gewährt.

Der Beklagte ist Pensionist. Seine Pension betrug im Jahr 2003 netto 1.531,74 EUR, im Jahr 2004 netto 1.516,01 EUR, im Jahr 2005 netto 1.541,66 EUR und im Jahr 2006 netto 1.566,91 EUR (jeweils 14 mal). Seine Kinder sind selbsterhaltungsfähig, seine Frau bezieht eine eigene Pension von etwa 850 EUR.

Die Mutter des Beklagten hat noch einen weiteren Sohn und eine Tochter. Mit Schenkungs- und Übergabsvertrag vom übertrugen sie und ihr Mann dem anderen Sohn zwei ihnen zur Hälfte gehörende Liegenschaften mit einem Wohnhaus. Im Gegenzug verpflichtete sich der Geschenknehmer zur Rückzahlung von offenen Forderungen, die auf den Liegenschaften mit Pfandrechten im Betrag von insgesamt 460.000 S sichergestellt waren. Weiters räumte er seinen Eltern ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht an der von ihnen benützten Wohnung im Parterre des Hauses ein; die Eltern mussten dafür nur die anteiligen Betriebskosten tragen. Die Liegenschaften hatten bei Vertragsabschluss einen Verkehrswert von etwa 231.000 EUR.

Auch der Beklagte und seine Schwester hatten von den Eltern Liegenschaften bekommen, und zwar der Beklagte im Jahr 1964 und seine Schwester (anscheinend) in den 80-er Jahren. Der Beklagte und seine Schwester leisten für die Mutter keinen Unterhalt, der andere Sohn zahlt dem Land monatlich 130 EUR.

Das klagende Land begehrt Zahlung von 6.644,30 EUR. Es habe der Mutter des Beklagten von Mai 2003 bis Februar 2006 Sozialhilfe in (zumindest) dieser Höhe gewährt. Der Beklagte sei als Sohn unterhalts- und ersatzpflichtig nach § 143 ABGB und §§ 9 und 10 Tiroler Sozialhilfegesetz (TSHG). Die Mutter habe ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Beklagten nicht verletzt. Ihr Vermögen sei aufgebraucht, auch die gegen den anderen Sohn bestehenden Ansprüche nach § 947 ABGB seien geltend gemacht worden. All das reiche aber zur Deckung der Pflegekosten nicht aus. Die drei Kinder müssten zum Unterhalt anteilig nach Kräften beitragen. Der vom Beklagten geforderte Betrag ergebe sich aus seinem Einkommen, wobei ohnehin nur 11 % der Bemessungsgrundlage begehrt würden. Der Beklagte bestreitet eine Unterhaltspflicht nach § 143 ABGB. Er habe einen Erb- und Pflichtteilsverzicht abgegeben; seine Eltern hätten alle vorhandenen Vermögenswerte seinem Bruder übertragen. Das Land möge sich daher an diesen halten. Im Schenkungs- und Übergabsvertrag zwischen seinen Eltern und seinem Bruder sei der Mutter ein unentgeltliches Wohnrecht an Teilen des Hauses eingeräumt worden; die daraus erzielbare Miete von zumindest 400 EUR sei anzurechnen. Darüber hinaus müsse die Mutter auch einen Schenkungswiderruf nach § 947 ABGB vornehmen, was ihre Bedürftigkeit mindere. Er selbst habe aus der Übernahme der ihm geschenkten Liegenschaft keinen finanziellen Vorteil gezogen, weil er Schulden habe abdecken müssen.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 6.644,20 EUR samt Zinsen und wies das geringfügige Mehrbegehren von 0,10 EUR ab. Der Beklagte sei nach § 143 ABGB zur Leistung von Unterhalt verpflichtet. § 947 ABGB sei gegenüber der Unterhaltspflicht der Kinder subsidiär; ein Widerruf und eine Anrechnung der Zinsen seien daher nicht erforderlich. Das Wohnrecht sei höchstpersönlich, sodass es nicht verwertet werden könne. Begehrt würden ohnehin nur 11 % der Bemessungsgrundlage, was der Höhe nach jedenfalls gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil abgesehen von der Teilabweisung auf, verwies die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Zwar sei das Tiroler Sozialhilfegesetz (TSHG) mit durch das Tiroler Grundsicherungsgesetz (TGSG) ersetzt worden. Das neue Gesetz wirke aber nicht zurück, sodass für die strittige Periode weiter das alte Recht anzuwenden sei. Nach § 9 Abs 1 TSHG hätten Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers von Sozialhilfe verpflichtet seien, die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen. Dabei handle es sich um einen originären Anspruch. Das Ausmaß der Ersatzpflicht werde von zwei Faktoren bestimmt. Zum einen müsse der Unterhaltspflichtige jedenfalls nur so weit Ersatz leisten, als Leistungen erbracht wurden (Kongruenzprinzip); dabei könne er auch einwenden, dass Leistungen zu Unrecht gewährt worden seien. Zum anderen sei die Ersatzpflicht durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt. Nach § 143 ABGB gebühre Vorfahren nicht nur der notwendige, sondern der angemessene Unterhalt. Selbsterhaltungsfähigkeit liege nur dann vor, wenn der Vorfahre in der Lage sei, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu befriedigen. Bei der Mutter des Beklagten wäre das nur der Fall, wenn sie die Kosten des Aufenthalts im Pflegeheim selbst tragen könnte. Das sei ihr aber auch unter Heranziehung ihres Pensionseinkommens und des Pflegegelds nicht möglich. Das Land könne aber beim Beklagten Ersatz nur soweit erlangen, als die Sozialhilfe zu Recht gewährt worden sei. Dabei sei auch ein allfälliger Zinsanspruch iSd § 947 ABGB zu berücksichtigen. Auch dieser Anspruch gehöre zu den von der Hilfesuchenden einzusetzenden "eigenen Mitteln". Die dadurch erzielbaren Einkünfte wirkten sich daher mindernd auf die Ersatzpflicht der Unterhaltsverpflichteten aus. Der Wert des Geschenkten im Jahr 1995 sei nicht mehr ausschlaggebend, da es auf den tatsächlich noch vorhandenen Wert ab Mai 2003 ankomme. Das Erstgericht werde daher diesen Wert festzustellen haben. Weiters müssten auch die Lebensumstände des Geschenknehmers erhoben werden, weil ihm der nötige Unterhalt nicht verwehrt werden dürfe. Zudem sei auf die mit Schenkungs- und Übergabsvertrag übernommenen Lasten Bedacht zu nehmen, weil diese den Wert des Geschenkten verminderten. Allfällige werterhöhende Investitionen seien ebenfalls abzuziehen. Sollte sich ergeben, dass der Mutter trotz Berücksichtigung allfälliger Zinsen iSd § 947 ABGB Sozialhilfe in (geringerem) Ausmaß zu gewähren gewesen wäre, bestünde ein Ersatzanspruch des Landes auf den Differenzbetrag dem Grunde nach zu Recht. Zum Ersatz dieses Unterhaltsbedarfs seien die Kinder anteilig nach ihren Kräften heranzuziehen.

Der Rekurs sei zuzulassen, da es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verhältnis zwischen Unterhaltsansprüchen nach § 143 ABGB und dem Schenkungswiderruf nach § 947 ABGB gebe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass auf die hier strittigen Ansprüche des Landes noch das (alte) Tiroler Sozialhilfegesetz (LGBl 1973/105, zuletzt geändert durch LGBl 2004/27; TSHG) anzuwenden ist. Dieses Gesetz wurde zwar mit durch das Tiroler Grundsicherungsgesetz (LGBl 2006/20, TGSG) ersetzt. Nach § 5 ABGB sind aber im Zweifel nur die Handlungen nach dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes danach zu beurteilen; vorher geschehene Handlungen und sonstige Sachverhalte bleiben ebenso wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz unterworfen (1

Ob 9/96 = SZ 69/186 mwN; RIS-Justiz RS0008732, insb T 1; zuletzt etwa

8 Ob 139/03d = ecolex 2004, 532). Auf die Auswirkungen von § 11 Abs 1

TGSG iVm § 11 Abs 2 Tiroler Grundsicherungsverordnung (LGBl 2006/28), wonach Kinder nur den halben zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch leisten müssen, ist daher (noch) nicht Bedacht zu nehmen. Demgegenüber sind verfahrensrechtliche Bestimmungen zwar grundsätzlich nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733, zuletzt etwa 4 Ob 12/06b). Das hat für das vorliegende Verfahren aber keine Auswirkungen. Denn bei Gewährung von Hilfe an pflegebedürftige Personen (§ 5 Abs 1 lit d TSHG bzw § 7 Abs 1 lit d TGSG) sind für die Entscheidung über Rückersatzansprüche sowohl nach altem als auch nach neuem Recht die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 10 Abs 3 TSHG bzw § 12 Abs 2 TGSG).

2. Nach § 9 Abs 1 TSHG haben Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Sozialhilfeempfängers verpflichtet sind, die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen. Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in den Sozialhilfegesetzen der meisten anderen Länder (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht [1989) 524 ff). Nach ständiger Rsp des (nach anderen Landesgesetzen für solche Ansprüche umfassend zuständigen) Verwaltungsgerichtshofs ist der Ersatzanspruch doppelt begrenzt: einerseits mit der rechtens geleisteten Sozialhilfe, andererseits mit der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht (zuletzt etwa VwGH GZ 2002/10/0119, 2002/10/0177, 2001/11/0267).

Die hier strittigen Ansprüche nach § 947 ABGB können auf beiden Ebenen Bedeutung haben. Die vom Geschenknehmer bei „Dürftigkeit" des Geschenkgebers zu leistenden Zinsen vom Wert des Geschenks können als eigene „Mittel" des Hilfebedürftigen schon dessen Sozialhilfeanspruch mindern, was insofern auch einen Rückersatz ausschließt (unten 3.); jedenfalls sind sie aber bei der unterhaltsrechtlichen Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit zu berücksichtigen (unten 4.).

3. Sozialhilfe ist Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden (§ 1 Abs 2 TSHG). In einer Notlage befindet sich, wer den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält (§ 1 Abs 3 TSHG).

3.1. Nach der Rsp des VwGH zu vergleichbaren Bestimmungen anderer Sozialhilfegesetze sind Ansprüche nach § 947 ABGB bei der Beurteilung der Notlage als „eigene Mittel" zu berücksichtigen, wenn ihre Geltendmachung zumutbar ist und sie rechtzeitig durchgesetzt werden können (VwGH GZ 2001/11/0029, 92/08/0190). Grund dafür ist der subsidiäre Charakter der Sozialhilfe; sie soll erst dann eingreifen, wenn der Hilfebedürftige bei (zumutbarem) Einsatz seiner Mittel nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensbedarf zu decken (Feil aaO 403 ff; vgl RIS-Justiz RS0072870).

3.2. Nur rechtens gewährte Sozialhilfe begründet Rückforderungsansprüche. Dabei steht die Rechtskraft des Sozialhilfebescheids dem Einwand des Ersatzpflichtigen nicht entgegen, die Leistungen seien ganz oder teilweise zu Unrecht gewährt worden; Grund für das Fehlen der Bindung ist die mangelnde Parteistellung des Ersatzpflichtigen im Genehmigungsverfahren (VwGH GZ 94/08/0071, 2001/11/0029, 2003/10/0021).

Diese Erwägungen treffen auch dann zu, wenn die Entscheidung über die Ersatzansprüche - wie hier - auf den Rechtsweg gehört. Es wäre ein nicht nachvollziehbarer Wertungswiderspruch, wenn Zivilgerichte bei der Beurteilung solcher Ansprüche an den Bescheid über die Sozialhilfegewährung gebunden wären, während Verwaltungsbehörden, die in anderen Ländern über die gleiche Frage zu befinden haben, die Rechtmäßigkeit der Sozialhilfegewährung zumindest auf Einwand des Rückerstattungspflichtigen neuerlich beurteilen müssten. Zivilgerichte sind zwar grundsätzlich an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden (RIS-Justiz RS0036981). Nach der älteren Rsp galt das ohne weitere Differenzierung auch gegenüber Dritten, die

am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt waren (vgl 5 Ob 31/67 = SZ

40/101 mwN; RIS-Justiz RS0036865; vorsichtiger schon 9 ObA 117/91 =

SZ 64/98; offen lassend 4 Ob 45/95). Diese seit jeher kritisierte Auffassung (vgl nur Fasching in Fasching2 Einl Rz 43; Fucik in Rechberger2 § 190 ZPO Rz 5; beide mwN) kann aber zumindest für Fälle wie den vorliegenden nicht aufrecht erhalten werden. Denn die Rechtskraft erfasst auch im Verwaltungsrecht grundsätzlich nur die Parteien des Verwaltungsverfahrens (Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 485 ff mwN;

Walter, Die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige präjudizielle

Bescheide nach AVG im Rahmen der Zivilprozessordnung im

Vorfragenbereich, ÖJZ 1996, 601, 609); Dritte können daher (abgesehen

von einer Rechtskrafterstreckung, etwa bei Rechtsnachfolge) nur durch

die Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung eines Bescheids gebunden

sein (Walter/Mayer aaO Rz 474 ff; Walter aaO 610 f, Mayer,

Einkaufszentrum zwischen Wettbewerbsrecht und Flächenwidmung, ecolex

2005, 481; aus zivilverfahrensrechtlicher Sicht ausführlich Schragel

in Fasching2, § 190 ZPO Rz 15 ff mwN; vgl aus der Rsp zuletzt 10 ObS

25/01a = SZ 74/48, 4 Ob 209/03v = ecolex 2005, 481 [Mayer]; und 6 Ob

84/05d = bbl 2005, 250, wo ebenfalls nur mit diesen

Bescheidwirkungen, und nicht mit der Rechtskraft als solcher, argumentiert wird).

Eine Drittwirkung ist daher nur dann anzunehmen, wenn ein Bescheid eine neue Rechtslage schafft (Gestaltungswirkung, RIS-Justiz RS0036975) oder wenn die Rechtsordnung (sonst) an die bloße Tatsache seiner Existenz Rechtsfolgen knüpft (Tatbestandswirkung; 4 Ob 45/95; 10 ObS 25/01a; 4 Ob 209/03v; 6 Ob 84/05d; RIS-Justiz RS0110351). Ob diese Bescheidwirkungen scharf voneinander abgegrenzt werden können (vgl 10 ObS 25/01a; Walter aaO 611; Walter/Mayer aaO Rz 476) und ob auch sie aufgrund von Art 6 EMRK Grenzen haben können (3 Ob 508/93 = SZ 68/180 mwN; vgl Fasching/Klicka in Fasching2 § 411 ZPO Rz 172), ist hier nicht zu vertiefen. Entscheidend ist, dass die bloße Rechtskraft für sich allein noch nicht zu Wirkungen für Dritte führt. Im vorliegenden Fall hat der Bescheid über die Gewährung der Sozialhilfe weder rechtsgestaltenden Charakter, noch kommt ihm Tatbestandswirkung zu. Denn Tatbestandsvoraussetzung des Rückersatzanspruchs ist nach der oben dargestellten Rsp des VwGH nicht der Bescheid als solcher, sondern die rechtens erfolgte Sozialhilfegewährung. Vorfrage dafür ist das Bestehen und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen nach § 947 ABGB. An die Beurteilung dieser Frage durch die Verwaltungsbehörde wären die Gerichte im Übrigen auch dann nicht gebunden, wenn der Bescheid an sich rechtsgestaltend wäre oder Tatbestandswirkung hätte (6 Ob 84/05d mwN).

3.3. Daher ist grundsätzlich schon auf dieser Ebene zu prüfen, ob die Mutter des Beklagten über Ansprüche nach § 947 ABGB verfügte. Soweit solche Ansprüche in zumutbarer Weise und rechtzeitig durchgesetzt werden konnten (oben 3.1.), besteht kein Anspruch auf Sozialhilfe; insofern (dh für den Betrag, der aus „Zinsen" iSv § 947 ABGB lukriert werden könnte) kann es daher auch keinen Rückersatzanspruch geben. Umgekehrt wäre ein Sozialhilfeanspruch aber (bei Vorliegen der hier nicht strittigen sonstigen Voraussetzungen) zumindest so lange zu bejahen, bis Ansprüche nach § 947 ABGB tatsächlich durchgesetzt werden könnten. Wie der Rekurs an sich zutreffend aufzeigt, ist die Hilfebedürftigkeit bis zu diesem Zeitpunkt faktisch gegeben. Der Sozialhilfeanspruch kann daher - ebenso wie bei an sich bestehenden, aber von der Gegenseite bestrittenen Unterhaltsansprüchen - zumindest vorläufig nicht verneint werden (Pfeil aaO 414 f). Dass das so ist, zeigen schon die sonst sinnlosen Vorschriften über den Rückersatz durch Unterhaltsverpflichtete oder über die Legalzession von anderen Versorgungsansprüchen (§ 11 TSHG).

Berücksichtigte man Ansprüche nach § 947 ABGB daher nur auf der Ebene des Sozialhilfeanspruchs, führte das zu Abgrenzungsproblemen. Denn zumindest für einen gewissen Zeitraum müsste der Sozialhilfeanspruch unabhängig von solchen Ansprüchen bejaht werden, sodass die damit begründete Beschränkung des Rückersatzanspruchs nicht eingriffe. Ansprüche nach § 947 ABGB sind aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung des Unterhalts nach § 143 ABGB zu berücksichtigen (unten 4.). Die Frage, wie lange Sozialhilfe trotz des (grundsätzlichen) Bestehens von Ansprüchen nach § 947 ABGB gewährt werden kann oder muss, braucht daher hier nicht endgültig geklärt werden. Die Entscheidung darüber obliegt in erster Linie den für die Sozialhilfegewährung zuständigen Verwaltungsbehörden, die bei der Zumutbarkeits- und Rechtzeitigkeitsprüfung einen gewissen Ermessensspielraum haben.

4. Nach § 143 Abs 1 ABGB schuldet ein Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten.

4.1. Fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit liegt auch bei unzureichender Altersversorgung oder bei Pflegebedürftigkeit vor (1 Ob 156/97s = SZ 70/146; RIS-Justiz RS0107950; VwGH GZ 2001/11/0052, 2002/10/0177). Ist der Aufenthalt in einem Heim notwendig und kann der Unterhaltsberechtigte die Kosten nicht oder nicht zur Gänze selbst tragen, so hat der Unterhaltsberechtigte nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit auch dafür einzustehen (1 Ob 156/97s = SZ 70/146; ebenso die stRsp des VwGH, vgl zuletzt etwa GZ 2002/10/0119, 2003/10/0021, 2002/10/0177 ua). Zu leisten ist hier - bei entsprechender Leistungsfähigkeit der Nachkommen - jedenfalls der zur Ergänzung auf das notwendige Ausmaß erforderliche Unterhalt (vgl RIS-Justiz RS0047885); dh die „Bedarfslücke" ist zu füllen. Mehrere Nachkommen gleichen Grades haben anteilig nach ihren Kräften beizutragen (1 Ob 156/97s = SZ 70/146; RIS-Justiz RS0107953; ebenso stRsp des VwGH; zuletzt etwa GZ 2002/10/0143, 97/08/0059, 97/08/0425). Bei der Festsetzung des Unterhalts ist zu berücksichtigen, dass Unterhaltsansprüche gegen Nachkommen nach der Wertung des § 143 ABGB eher einen Ausnahmefall darstellen (1 Ob 156/97s = SZ 70/146; RIS-Justiz RS0047912 T 1).

4.2. Nach § 143 Abs 3 ABGB muss ein Elternteil zur Deckung seines Lebensbedarfs grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens heranziehen. Um so mehr trifft ihn daher die Obliegenheit, auch Ansprüche nach § 947 ABGB geltend zu machen (VwGH GZ 92/08/0190 = ZAS 1994/16 [Gahleitner]; Neuhauser in Schwimann3 § 143 ABGB Rz 1; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 118). Die im Gegensatz dazu vom Rekurs angestrebte Subsidiarität solcher Ansprüche gegenüber Unterhaltsansprüchen kann mit dem Ausnahmecharakter von § 143 ABGB nicht in Einklang gebracht werden. Es gibt keinen Grund, Ansprüche nach § 947 ABGB nicht wie andere vermögensrechtliche Ansprüche gegen Dritte zu behandeln, die ein Elternteil zur Deckung seines Bedarfs einsetzen kann und daher auch einsetzen muss. Ein Unterhaltsanspruch gegen Kinder kommt somit nur in Betracht, soweit trotz des Bestehens von Ansprüchen nach § 947 ABGB die Selbsterhaltungsfähigkeit zu verneinen ist (dh im Umfang der verbleibenden „Bedarfslücke").

5. Daraus folgt, dass ein Ersatzanspruch des Landes gegen den Beklagten jedenfalls soweit ausgeschlossen ist, als seine Mutter Ansprüche nach § 947 ABGB geltend machen könnte. Entweder besteht schon der Sozialhilfeanspruch in diesem Umfang nicht, oder diese Ansprüche sind im unterhaltsrechtlichen Zusammenhang bei der Bestimmung der Selbsterhaltungsfähigkeit zu berücksichtigen. Eine exakte Abgrenzung, ob bzw bis wann die Sozialhilfe (noch) zur Gänze rechtens gewährt wurde, ist daher nicht erforderlich. Der im Rekurs befürchtete „Missbrauch des Sachwalterrechts" - durch die angebliche Notwendigkeit, für Pflegebedürftige regelmäßig einen Sachwalter zur Durchsetzung von Ansprüchen nach § 947 ABGB zu bestellen - droht bei einem vernünftigen Vorgehen des Landes nicht. Denn Ansprüche nach § 947 ABGB gehen nach § 11 TSHG (nunmehr § 13 TGSG) mit Anzeige an den Schuldner ohnehin auf das Land über („aufgeschobene" Legalzession; 1 Ob 200/05a, 4 Ob 153/06p; RIS-Justiz RS0063121). Das Land kann in diesem Fall selbst gegen den Geschenknehmer vorgehen und damit die Rangfolge des Kostenersatzes verwirklichen, die sich aus der Wertung des § 143 ABGB ergibt.

6. Auf Grund dieser Erwägungen wäre im fortgesetzten Verfahren, wie vom Berufungsgericht an sich zutreffend erkannt, wie folgt vorzugehen:

Der Geschenknehmer hat - vorbehaltlich eigener „Dürftigkeit" - gesetzliche Zinsen vom noch vorhandenen Wert des Geschenks zu leisten. Maßgebend ist der aktuelle Wert der geschenkten Sache (hier: der Liegenschaftsanteile der Mutter), wobei Investitionen durch den Geschenknehmer außer Betracht bleiben (VwGH GZ 2000/11/0175; Binder in Schwimann3 § 947 Rz 4 FN 10). Bei gemischten Schenkungen ist der Wert der Gegenleistung (hier: die Übernahme von Schulden und die Einräumung eines Wohnrechts) vom Wert der geschenkten Sache abzuziehen (VwGH GZ 2002/10/0052; Umlauft, Schenkungswiderruf wegen Dürftigkeit gemäß § 947 ABGB im Zusammenhang mit geleisteter Sozialhilfe, in FS Weißmann [2003] 963, 969 ff).

Der - wegen Nichtberücksichtigung von Investitionen möglicherweise nur fiktive - Wert wäre zunächst für den Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit (hier: Mai 2003) zu ermitteln (VwGH GZ 96/08/0061; Binder in Schwimann3 § 947 ABGB Rz 4 mwN). Dass der Geschenknehmer zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Bedürftigkeit seiner Mutter wissen musste (vgl Umlauft aaO 966), wurde nicht behauptet. Sollte sich der Wert nach diesem Zeitpunkt ändern (etwa wegen einer [weiteren] Abnutzung oder wegen eines Ansteigens der Grundstückspreise), wäre das für spätere Perioden zu berücksichtigen; Investitionen blieben aber auch dann unbeachtlich.

Vom so ermittelten Wert (bzw den so ermittelten Werten) wäre für den strittigen Zeitraum der gesetzliche Zinsanspruch zu berechnen. Dann wäre zu prüfen, ob sich der Geschenknehmer nicht „in gleich dürftigen Umständen" befindet; dh ob bzw wieweit ihm die Leistung der Zinsen im Hinblick auf seine eigenen Lebensverhältnisse zugemutet werden kann. Als Belastungsgrenze müsste dabei mangels besonderer Bedürfnisse des Geschenknehmers der Ausgleichszulagenrichtsatz angesehen werden, der auch sonst als Anhaltspunkt für die Ermittlung eines einfachen Lebensbedarfs herangezogen wird (vgl RIS-Justiz RS0047514). Danach wäre die „Bedarfslücke" der Sozialhilfeempfängerin, die sich aus den ihr gewährten Leistungen des Landes ergibt, um ihren Anspruch nach § 947 ABGB zu vermindern. Wenn die Lücke dadurch nicht geschlossen wird, wären allfällige Ansprüche aus früheren Geschenken (hier möglicherweise gegen die Schwester des Beklagten) nur bei einem entsprechenden Vorbringen zu berücksichtigen.

Ist die letztlich verbleibende Lücke größer als der vom Land begehrte Unterhaltsbeitrag, so wäre die Forderung des Landes mit 11 % der Bemessungsgrundlage keinesfalls (absolut) überhöht (vgl VwGH GZ 2001/11/0034 und 2002/10/0119, wonach bis zu 22 % der Bemessungsgrundlage angemessen sein können; ebenso Neuhauser aaO Rz 22 und Schwimann/Kolmasch aaO 119). Der Beklagte könnte allerdings einwenden, dass seine anteilige Unterhaltspflicht wegen gleichzeitig bestehender Ansprüche gegen seine Geschwister geringer sei.

7. Diese Prüfung hat allerdings nur dann zu erfolgen, wenn der Beklagte dazu ein schlüssiges und konkretes Vorbringen erstattet.

Bisher ist das nicht der Fall: Der Hälfteanteil der Mutter hatte im Zeitpunkt der Schenkung einen Wert von 115.000 EUR. Unter Vernachlässigung der Gegenleistungen ergäbe das nach § 947 ABGB bei einem gesetzlichen Zinssatz von 4 % einen monatlichen Anspruch von rund 385 EUR. Damit könnte die Bedarfslücke der Mutter bei weitem nicht gefüllt werden, blieben doch selbst im günstigsten Fall im Jahr 2003 monatlich rund 750 EUR und ab Jänner 2004 monatlich rund 1060 EUR ungedeckt.

Dieser Lücke steht eine Ersatzforderung des Landes von monatlich nur rund 200 EUR gegenüber. Der Beklagte könnte diesen Anspruch nur dann abwehren, wenn die Bedarfslücke aufgrund einer (nicht auf Investitionen des Geschenknehmers beruhenden) Wertsteigerung der Liegenschaft deutlich geringer wäre als angenommen oder wenn seine Geschwister erheblich leistungsfähiger wären als er selbst, sodass sich die anteilige Berechnung des Unterhalts zu seinen Gunsten auswirkte. Beides hat er nicht behauptet. Damit sind seine Einwendungen unschlüssig.

Diese Unschlüssigkeit war dem Beklagten aber bisher offenkundig nicht bewusst. Die nach den bisherigen Verfahrensergebnissen an sich mögliche Wiederherstellung des Ersturteils wäre daher eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Aus diesem Grund hat es bei der vom Berufungsgericht verfügten Aufhebung zu verbleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.