OGH vom 20.10.1992, 4Ob107/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag.Karl Heinz B*****, 2. Ing.Roland H*****gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und Dr.Josef Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Hans Peter H*****Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 132/92-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes vom , GZ 1 Cg 111/92-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Die Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten wird zurückgewiesen.
2.) Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind Gesamtprokuristen der S*****Flughafenbetriebsgesellschaft mbH.
Der Beklagte, der sich in der *****"N***** Zeitung" schon des öfteren mit dem Fluglärm in Salzburg auseinandergesetzt hatte, schrieb in der Ausgabe dieser Zeitung vom in einer Glosse mit der Überschrift "Entscheidungen für die Zukunft" ua folgendes:
"Obwohl der exzellente Mediziner Dr.Christoph K***** die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Flughafenlärms aufgelistet hat, wollen unsere Politiker noch ein bisserl mit dem Airportmanagement reden. Die geldgierigen Flugfans werden das Blaue vom Himmel versprechen: Wie leise und unsichtbar doch bald die Donnerjets in Salzburg einschweben werden!".
Mit der Behauptung, daß sie, die als Gesamtprokuristen dem "Flughafenmanagement" der S***** Flughafenbetriebsgesellschaft mbH angehörten, durch den in dieser Zeitungsglosse enthaltenen Vorwurf der Geldgier und der Lügenhaftigkeit in ihrer Ehre verletzt worden seien, begehren die Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, in bezug auf die Kläger die Aussage "Die geldgierigen Flugfans werden das Blaue vom Himmel versprechen", oder Behauptungen ähnlichen Sinnes zu unterlassen.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Beklagten. Dieser habe mit der beanstandeten Äußerung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen, habe er doch die Kläger, welche dem "Airportmanagement" angehörten, der Geldgier und Lügenhaftigkeit, also verächtlicher Eigenschaften oder Gesinnungen, geziehen; angesichts der vorhandenen Wiederholungsgefahr stehe ihnen daher ein Unterlassungsanspruch zu. Da die Beeinträchtigung der Ehre durch Geld nicht adäquat ausgeglichen werden könne, sei auch ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO anzunehmen.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der
ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Zur Geltendmachung
eines Anspruches nach § 1330 ABGB sei nur der durch eine Äußerung
konkret und individuell Betroffene legitimiert. Namentliche Nennung sei nicht erforderlich; fehle eine solche, dann liege Betroffenheit allerdings nur dann vor, wenn das Publikum zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil die beeinträchtigte Person identifizieren könne. Bei einer Kollektivbeleidigung - wie hier gegen das "Flughafenmanagement" - richte sich die Ehrenbeleidigung gegen jeden einzelnen, sofern der angegriffene Personenkreis einigermaßen überschaubar und begrenzbar ist und sich doch als verhältnismäßig kleines Kollektiv von der Allgemeinheit deutlich abhebt. Zur Abgrenzung des durch die Ehrenbeleidigung angegriffenen Personenkreises des "Flughafenmanagements" sei eine genauere Betrachtung der Bedeutung dieses Begriffes nötig. Unter dem "Management" werde die Leitung, Führung eines Großunternehmens bzw dessen Führungskräfte gemeint, also Personen, welche die Planung, Grundsatzentscheidungen und die Erteilung von Anweisungen durchführen. Daß der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH eine Führungskraft ist, unterliege keinem Zweifel. Gesamtprokuristen - wie die Kläger - müßten, um die Gesellschaft vertreten zu können, zumindest mit einem anderen Prokuristen zusammenwirken; im Innenverhältnis könnten Prokuristen auch weitere Beschränkungen der Vertretungs- und Verfügungsmacht auferlegt worden sein. Bei großen Unternehmen wie der Flughafen Salzburg Betriebs GmbH könne es eine Mehrzahl von Prokuristen geben, die für einen Teilbereich des Unternehmens vertretungs- und verfügungsberechtigt sind, ohne aber als Führungskräfte zur Leitung des Großunternehmens angesehen werden zu können. Daß jeder Gesamtprokurist automatisch als Führungskraft im Management zu gelten habe, sei demnach nicht offenkundig; vielmehr hätten die Kläger dazu Bescheinigungen erbringen müssen. Da sie aber ihre angebliche Zugehörigkeit zum Flughafenmanagement nicht glaubhaft gemacht hätten und deshalb nur als Angestellte der Salzburger Flughafen Betriebs GmbH anzusehen seien, liege mangelnde Aktivlegitimation vor.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte, welchem der außerordentliche Revisionskurs am zugestellt worden war, hat die Rechtsmittelbeantwortung erst am überreicht (§ 89 GOG). Da er demnach die Frist von 14 Tagen (§ 402 Abs 1, letzter Satz EO) überschritten hat, mußte die Revisionsrekursbeantwortung als verspätet zurückgewiesen werden.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Grundsätzen nicht in Einklang steht; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der in der Glosse des Beklagten enthaltene Vorwurf gegen das (Salzburger) "Airportmanagement" ehrenrührig, weil dessen Angehörige als "geldgierige Flugfans" bezeichnet werden und ihnen unterstellt wird, sie würden das "Blaue vom Himmel" versprechen und beteuern daß die "Donnerjets" künftig leise und unsichtbar einschweben werden; sie würden also zur Beschwichtigung der aufgebrachten Bevölkerung und der Politiker ganz bewußt Unwahrheiten sagen. Damit hat der Beklagte die Mitglieder des "Airportmanagements" einer verächtlichen Gesinnung - der Geldgier - und eines unehrenhaften Verhaltens - nämlich des Lügens - bezichtigt. Daß dieser Vorwurf geeignet ist, die Ehre der davon Betroffenen zu beeinträchtigen, kann keinem Zweifel unterliegen (vgl § 111 StGB).
Wie sich aus §§ 16 und 1330 ABGB sowie §§ 111 ff StGB ergibt, genießt das Recht auf Ehre den Schutz absoluter Rechte; demgemäß steht dem Verletzten - sofern Wiederholungsgefahr gegeben ist - zum Schutz vor Ehrenbeleidigungen die Unterlassungsklage zu (SZ 56/124; SZ 61/193; MR 1991, 235 ua).
Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1330 Abs 1 (und Abs 2) ABGB ist der von der ehrenrührigen Behauptung Betroffene, also derjenige legitimiert, dessen Ehre angegriffen wurde (Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 49 f; ÖBl 1962, 50; MR 1989, 15; vgl ÖBl 1975, 17; ÖBl 1976, 16 uva zu § 7 UWG). Richtet sich die Ehrenbeleidigung - wie hier - gegen ein Kollektiv mit einem überschaubaren Kreis von Angehörigen, dann ist jedes einzelne Mitglied dieses Kollektivs davon betroffen (Neumayer-Korn aaO 51 f; vgl Kienapfel, Grundriß Besonderer Teil3 I Rz 77 zum Ehrenstrafrecht; ÖBl 1987, 97 mwN zu § 7 UWG).
Bei der Beurteilung, ob eine nicht namentlich genannte Person von der beleidigenden Äußerung betroffen ist, kommt es nicht darauf an, wie die Äußerung gemeint war, sondern nur darauf, wie das Publikum - zumindest aber ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - die Äußerung auffaßt und mit wem es den darin enthaltenen Vorwurf in Verbindung bringt (vgl ÖBl 1962, 50; MR 1989, 15).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann kann es entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht darauf ankommen, welche Rechte die Kläger als Gesamtprokuristen haben und wie weit sie tatsächlich an
der Leitung des Flughafens beteiligt sind. Maßgebend ist nur, ob das Publikum - in diesem Fall die Leser der "N***** Zeitung" - (Gesamt)Prokuristen eines Unternehmens dessen Management zuordnen. Nun trifft es zwar zu, daß ein Gesamtprokurist (§ 48 Abs 2 HGB) nicht zur Einzelvertretung befugt ist und die "Prokura" nur die Ermächtigung zu allen Arten gerichtlicher oder außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs 1 HGB) bedeutet, bei objektiver Betrachtung aber nicht den zwingenden Schluß zuläßt, daß der Prokurist tatsächlich - auch im Innenverhältnis - eine Leitungsfunktion ausübt.
Darauf kommt es indes nicht an: In der Allgemeinheit wird ein Prokurist als leitender Angestellter, also als "Manager", angesehen. Die Kläger weisen im übrigen zutreffend auf § 80 Abs 1 Satz 2 AktG hin, wonach im dort geregelten Fall der Kreditgewährung durch die Aktiengesellschaft (ua) Personen, denen Prokura erteilt ist, leitende Angestellte sind. Den Unterschied zwischen Prokurist und Gesamtprokurist kennen nur die wenigsten. Leser der "N*****-Zeitung", denen die Kläger als (Gesamt-)Prokuristen der Salzburger Flughafenbetriebs GmbH bekannt sind, konnten daher den beanstandeten Angriff gegen das "Airportmanagement" ohne weiteres (auch) mit den Klägern in Verbindung bringen. Daß diese nicht nur - wie der Erstrichter als bescheinigt angenommen hat - Gesamtprokuristen der Salzburger Flughafenbetriebs GmbH, sondern dort auch tatsächlich als Angestellte tätig sind, ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte der Entscheidung im Provisorialverfahren zugrunde zu legen.
Der Unterlassungsanspruch der Kläger ist demnach - da im Hinblick auf das Verhalten des Beklagten auch die Wiederholungsgefahr vorliegt - zu bejahen.
Dieser Unterlassungsanspruch läßt die einstweilige Verfügung zur Abwendung eines drohenden unwiderbringlichen Schadens nötig erscheinen (§ 381 Z 2 EO), weil die Auswirkungen der Rufschädigung der Kläger kaum zu überblicken sind und sich daher durch Geldersatz nicht völlig ausgleichen lassen (SZ 61/193; MR 1988, 158 ua).
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Kläger gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten des Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.